Protokoll der Sitzung vom 18.09.2013

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Gibt es weiteren Redebedarf bei der CDU? – Wird das Wort noch gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Herr Abg. Bartl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Kollege

Schiemann, Sie haben eingangs gesagt: Wir haben einen großen Verfassungskompromiss erreicht. Den Satz setze ich fort: und damit basta.

Das war weder bei der Vorbereitung dieses Kompromisses zur Finanzverfassung verabredet, noch ist es, nach allem was ich kenne, überhaupt in Wahrnehmung unserer parlamentarischen Aufgaben denkbar, dass wir in Zukunft alle Gesetze – und wenn es heißt: nur für diese Legislatur – nicht mehr einbringen dürfen bzw. müssen, wenn sie zur sachgerechten Durchsetzung notwendigerweise verfassungsrechtliche Änderungen zur Folge hätten.

Zweitens, Kollege Schiemann, haben Sie gesagt: Allein mit der Sächsischen Verfassung kann man die Lebenswirklichkeit nicht ändern. Das ist ein falsches Signal.

(Zuruf des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Das ist wörtlich Ihre Rede. Ich glaube, wir haben das Vorschaltgesetz, circa Anfang 1991, wie auch die Verfassung 1992 sehr wohl gemacht, um die Lebenswirklichkeit in Sachsen zu ändern. Das war sehr wohl daran angesetzt und gemessen, wie wir Rahmenbedingungen für die Entwicklung eines demokratischen Gemeinwesens im Freistaat Sachsen schaffen.

Bei den Gesetzentwürfen geht es darum, ob und in welcher Weise wir Jugendliche im Sinne von Mitbestimmung und nicht im Sinne von vormundschaftlichem Behüten in die demokratische Willensbildung einbeziehen können. Da können wir nicht einfach von der Tatsache wegsehen, dass wir in einer repräsentativen Demokratie leben, die Sie – nebenbei bemerkt –, wenn wir über plebiszitäre Elemente reden, immer beschwören und sagen, wir haben uns nach der Verfassung zuallererst auf eine repräsentative Demokratie festgelegt – Grundgesetz und Verfassung.

Dann steht auch die Frage, ob ich, wenn ich Jugendlichen wirklich Sitz und Stimme geben will, ihnen dann genau in diesem repräsentativen System Sitz und Stimme gebe. Das hat zur Konsequenz, dass ich ganz zwangsläufig über das Wahlalter nachdenken muss. Ich muss ihnen die Möglichkeit geben, im Landtag, in den Kommunalparlamenten und kommunalen Vertretungskörperschaften, wo sie am originärsten in ihren Lebensinteressen berührt werden, aktiv in dieser Form mitzuwirken. Das ersetzt nicht den Judosportverein, nicht den Kleingartenverein und auch nicht andere wichtige und wertvolle Möglichkeiten, wo sich Jugendliche betätigen und engagieren.

Es geht um die Frage: Nehme ich heute junge Menschen mit 16 Jahren so ernst, dass ich ihnen die Chance gebe mitzuentscheiden, wer sie in Zukunft – in den nächsten vier Jahren wie bei der Europawahl oder in den nächsten fünf Jahren in den entsprechenden Körperschaften auf kommunaler Ebene oder im Landtag – vertreten soll?

Frau Schütz, über diese Frage zu debattieren war wahrlich genügend Zeit. Unser Gesetzentwurf ist am 16. Dezember 2011 eingebracht worden. Am 23. März 2012 gab es dazu die Sachverständigenanhörung im Verfassungs-,

Rechts- und Europaausschuss. Dann ist er im mitbehandelnden Ausschuss erörtert worden. Es war also hinreichend Zeit. Es war bewusst ein langer Prozess der Debatte, in dem wir werben wollten und geworben haben um Zustimmung in diesem Hohen Haus zu einer Sache, die auch die FDP nach ihrem Landtagswahlprogramm eindeutig will. Das Wahlalter 16 steht bei Ihnen drin.

Wie anders sollten wir es denn noch anbieten, sich in der Form zu einigen? Kollege Schiemann, Sie wissen auch, dass zu dem angemeldeten Änderungsbedarf zu Beginn der Gespräche um die Verfassungsänderung und in der Arbeitsgruppe unter den Fraktionsvorsitzenden von nahezu allen – jedenfalls von den demokratischen – Fraktionen der Vorschlag kam, eben genau die Änderung des Wahlalters bzw. die Änderung im Inhalt – Kinderrechte in die Verfassung – aufzunehmen. Das war eine der essenziellen Vorstellungen zur Verfassungsänderung.

Wenn die heutige Debatte damit endet, dass man sagt, wir wollen angeblich nur formalisieren oder gar in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen, so ist das absurd. Wir haben eine Gemeindeordnung, eine Landkreisordnung und dergleichen gemacht, weil wir auf anderen Gebieten auch sagen, das soll Staatspolitik und die Umsetzung staatsfundamentaler Grundsätze sein. Wenn es so ist, dann ist das eine unaufrichtige Debatte.

Sie wollen schlicht und ergreifend nicht, dass junge Menschen unter 18 Jahren die Chance haben, in dieser repräsentativen Demokratie in aktiver Funktion tätig zu sein. Dann sagen Sie unumwunden und klipp und klar: Wir halten euch, aus unserem konservativen Weltbild heraus, für nicht reif, mit 16 Jahren Derartiges zu tun. Dann können die Jugendlichen damit umgehen. Es wird uns nicht sonderlich viel nutzen und weiterhelfen.

Es ist auch nicht richtig – das wissen Sie selbst –, dass es in den Bundesländern, die das Wahlalter 16 haben, nicht zu Veränderungen geführt hat. Schon in der Anhörung in der 4. Wahlperiode haben wir von der niedersächsischen Justizministerin gehört, dass sich seinerzeit, über zwei Wahlperioden hinweg, die Wählergruppe zwischen 16 und 18 Jahren als die zweitstärkste eingeblendet hatte. Wir hatten von dieser Ministerin in der Anhörung gehört, dass die Tatsache unisono auf einmal zu verzeichnen war, dass alle Parteien in ihren Wahlprogrammen Angebote für Jugendliche aufgenommen hatten – auch jene, die sich zuvor vornehm zurückgehalten hatten –, weil sie damit eine neue Zielgruppe Wählerinnen und Wähler angesprochen haben. Henning Homann hat es an dieser Stelle direkt gesagt; auch um diese Frage geht es.

Unter diesem Aspekt bedauern wir sehr, dass auf diesem wesentlichen Gebiet von Demokratieentwicklung, Demokratiepartizipation und Demokratieperspektive in diesem Hohen Haus offensichtlich wenig zu ändern ist. Überdenken Sie das noch einmal. Vor allem die FDP sollte dann einmal springen und gemäß ihrem eigenen Wahlprogramm den Gesetzentwürfen zustimmen, die exakt das umsetzen, was auch sie wollen.

(Beifall bei den LINKEN, den GRÜNEN und des Abg. Henning Homann, SPD)

Frau Herrmann, ich hätte Sie als Einreicherin vorhin zuerst fragen müssen. – Die CDU-Fraktion hat noch Redebedarf. Herr Schiemann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nicht richtig, dass uns vorgeworfen wird, dass wir Jugendlichen keine Chance in der Politik geben wollen.

Gerade wir wollen, dass sich Jugendliche für Politik interessieren und dass sich Jugendliche in Politik einbringen. Aber Sie müssen auch die Argumente einer anderen Fraktion, die nicht in Ihrer zu Hause sind, zumindest respektieren. Wir haben Ihnen auch zugehört und Ihre Argumente abgewogen. Wir haben bereits viele Anhörungen zum Thema Wahlalter geführt.

Man kann nicht einfach nur sagen: Weil Sie jetzt mit Ihrem Gesetzentwurf gekommen sind, sind Sie im Bereich der Guten, und die CDU, weil sie dem Gesetzentwurf nicht zustimmen kann, ist per se im Bereich des Bösen angekommen.

(Elke Herrmann, GRÜNE: Das ist doch Unsinn!)

Das ist nicht ganz so einfach, das haben Sie darzustellen versucht.

Viele Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion engagieren sich unwahrscheinlich dafür, dass Jugendliche den Zugang zur Politik bekommen, dass Jugendliche eine Chance haben, sich auch in ihrer Freizeit zu engagieren, Verantwortung zu übernehmen, Verantwortung für diese Gesellschaft, sich für dieses Land einzubringen. Ich kenne viele junge Leute, die das tun. Viele junge Leute übernehmen Verantwortung in verschiedenen Vereinen, in den Kirchen und in anderen Bereichen der Gesellschaft. Sie übernehmen Verantwortung auch für andere junge Leute. Das ist ein Punkt, der uns nicht von der Gesellschaft trennt.

Die Frage der Altersgrenzen – das werden Sie mir als Rechtsanwalt durchaus zugestehen – wird immer diskutiert werden. Ich habe, als es um das Familienwahlrecht ging, sehr offen die Diskussion miterlebt, weil es für mich eine interessante Diskussion ist, auch wenn sie mit unseren Wahlgrundsätzen aus dem Grundgesetz und auch aus der Sächsischen Verfassung nicht vereinbar ist. Aber ich begrüße eine Diskussion zu einem Familienwahlrecht, dass Familien stärker in der Gesellschaft bestimmen können und nicht nur diejenigen, die Lobbyeinrichtungen hinter sich haben, Einfluss auf die politischen Entscheidungsgrundsätze nehmen können.

Dennoch glaube ich, wenn Sie das Wahlrechtsalter ändern, werden Sie auch eine Diskussion bekommen, dass man die Strafmündigkeit ändert. Wollen Sie wirklich zum Beispiel auch die Strafmündigkeit geändert haben, wollen Sie neben dem Recht, wählen zu gehen, auch eine Dis

kussion zum Erwachsenenthema, sprich zu den anderen Rechten und Pflichten, führen, die man mit 16 Jahren noch gar nicht garantieren kann? Mit 16 ist man oft noch abhängig, weil man in der Schulausbildung ist oder weil man sich in der Vorbereitung zur Berufsausbildung befindet. Das sind alles Argumente, die man nicht locker vom Tisch wischen kann. Es gibt im ländlichen Raum viele junge Leute, die früh um 6 aus dem Haus gehen, um zur Schule zu fahren, und abends 18 Uhr erst nach Hause kommen.

(Protest bei den LINKEN und der SPD)

Das ist in Dresden vielleicht nicht der Fall. Frau Kollegin Friedel, Sie sollten sich als Dresdnerin sehr zurückhalten. In Dresden kann man in die Straßenbahn einsteigen und hat ganz andere Möglichkeiten als im ländlichen Raum.

Dennoch sind die jungen Leute engagiert, weil sie sagen, dass sie die Schulausbildung wollen, ebenso die Berufsausbildung. Sie wollen sich in Sport und Kultur einbringen und sich für ihre Gemeinde engagieren. Wir wollen aber die Gemeinden nicht zwingen und mit Ihren Gesetzentwürfen alle verpflichten, diese Räte einzurichten. Wir wollen es der kommunalen Selbstverwaltung überlassen. Ich glaube, dass das eine gute Entscheidung ist.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Bartl, eine Kurzintervention oder noch im Rahmen Ihrer Redezeit?

Frau Präsidentin, ich hätte meine Frage mit Kollegen Schiemann gerne kurz erörtert, weil ich ihm nicht folgen konnte, denn er sprach von der Strafmündigkeit. In diesem Land, in der Bundesrepublik Deutschland, im Freistaat Sachsen sind Jugendliche ab 14 Jahren strafmündig, ab 14!,

(Beifall bei den GRÜNEN)

und zwar für jeden Tatbestand, der im Strafgesetzbuch steht. Es werden nur in Abhängigkeit von dem Jugendalter unter Umständen die Sanktionen unterschiedlich bewertet, dass es keine lebenslange Strafe gibt, sondern zehn Jahre. Das ist aber ein Strafrahmenproblem und nicht die Frage der Strafmündigkeit. Mit anderen Worten: Wer mit 14 Jahren etwas Strafwidriges tut, der muss vor den Kadi. Aber erst mit 16 Jahren – nach Ihrem Bild – ist er reif genug, um für das Parlament zu wählen, wenn er tatsächlich gesetzlich die Möglichkeit hätte.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Das ist letzten Endes – Sie als Jurist wissen das sicher besser, Herr Piwarz – völlig an der Realität vorbeigeredet. Es geht um die Frage von lebenslanger Strafe, die in diesem Fall nicht anwendbar ist, und darum, dass wir im prozessualen Bereich des Jugendgerichtsgesetzes Spezialitäten haben.

Unsere Auffassung ist – ich kann das nur noch einmal betonen –, dass die CDU – das hat Kollege Schiemann mit seinem Beitrag eben noch einmal getan – offensichtlich davor zurückscheut, die eigentliche Wahrheit zu sagen, die lautet, man möchte jungen Leuten eben nicht die Verantwortung übertragen, die ihnen aber heute in vielerlei anderer Hinsicht in diesem Land, in dieser Gesellschaft bei dieser Entwicklung abverlangt wird.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Schiemann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass ich es als Beispiel angebracht habe. Sie werden es mir durchaus zugestehen, dass wir derzeit ein Jugendstrafrecht haben, das angemessen ist.

Ich habe davon gesprochen, wenn man Altersgrenzen verändert, wird man selbstverständlich auch eine Diskussion hervorrufen, andere Altersgrenzen zu verändern. Diese Diskussion wird es zwangsläufig geben, weil es im Strafrecht durchaus so sein kann, dass dann gesagt wird, die Jugendlichen sind schon so weit in der Lage, auch ihre Tat entsprechend zu bewerten. Davor habe ich Sorge, dass man jetzt anfängt, Altersgrenzen willkürlich zu verändern, und dies dann im Bereich des Jugendstrafrechts folgen lässt.

Das, was Sie mit Ihrem Beispiel gebracht haben, haben wir nicht verstanden, weil es nichts mit dem Thema der Veränderung der Altersgrenzen zu tun hat. Die Sorge, dass ich Jugendstrafrecht durch eine Diskussion einmal verlieren kann, habe ich deutlich gemacht. Ich gehe davon aus, dass wir das alle nicht wollen. Das sind unsere Beweggründe dafür, die Altersgrenze nicht zu verändern.

Herr Mann, Sie können jetzt aber nur zu dem Redebeitrag von Herrn Bartl sprechen.

(Holger Mann, SPD, steht am Mikrofon.)

Sie hatten schon zwei Redebeiträge, sodass Sie keinen weiteren Redebeitrag leisten können.

Meine Damen und Herren! Gibt es noch Redebedarf zu den Gesetzentwürfen vom Parlament? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. – Bitte, Herr Minister.