In beiden Gesetzentwürfen eine Verfassungsänderung zu fordern, obwohl Sie wissen, dass dafür eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, ist auf diese Art und Weise sicherlich nicht im Plenum zu erreichen. Dass die Änderung von Fachgesetzen, die einer intensiven Beratung in den einzelnen Ausschüssen bedarf, hier genannt worden ist
und dass die Schaffung eines Mitbestimmungs- oder eines sächsischen Kinder- und Jugendrechtsgesetzes beschrieben wurde, ist schwer zu verstehen. Wir als FDP-Fraktion halten das für kein gutes Instrument, um Kinder und Jugendliche vor Ort zu erreichen. Das, was Sie hier vorgeben, sind typische Antworten von grünen Erziehern – wir hatten das heute in der Aktuellen Debatte – oder von linken Bevormundern, und das zeugt doch von einer gewissen Ignoranz.
Das ist unserer Meinung nach der beste Weg, um in einigen Kommunen eine vorgeschriebene Jugendbeteiligung zu einer Alibiveranstaltung verkommen zu lassen. Ein bloßes Verordnen von oben herab wird es an dieser Stelle mit uns nicht geben.
Die Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen sind in den Gesetzen bereits ausreichend verankert. Ich denke dabei insbesondere an die Sächsische Gemeindeordnung. Danach ist es heute schon so, dass bei Gemeindegebietsänderungen Einwohner ab 16 Jahre verpflichtend zu hören sind. Aber ich denke auch an andere Gesetze, zum Beispiel an § 69 der Sächsischen Bauordnung, in dem es um alle Einwohner der Gemeinde geht, oder auch an § 1 des Baugesetzbuches, was die Beteiligung der Betroffenen angeht, und nicht zuletzt auch an unser Kinder- und Jugendhilfegesetz, das Sozialgesetzbuch VIII, in dem die Aufgabe, unsere Kinder und Jugendlichen zur Mitbestimmung und
Einwohner ab 16 Jahre haben aber auch das Recht, mit anderen Unterzeichnern zum Beispiel eine Einwohnerversammlung einzuberufen. Auch das wird vielleicht an der einen oder anderen Stelle überlesen. Es ist wichtig, dass man unseren Jugendlichen ihre Rechte mitteilt. Auf einer solchen Einwohnerversammlung können dann alle Planungen, wie das Vorhandensein von Einrichtungen oder entsprechende Angebote für Kinder und Jugendliche, besprochen werden, wie es die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in ihrem Änderungsantrag zum Gesetzentwurf aufgeschrieben hat.
An keiner dieser von mir vorhin genannten Stellen kann ich irgendeine Vorschrift erkennen, dass Einwohner unter 16 Jahren nicht berechtigt wären, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Wir haben die verschiedenen Mitwirkungsmöglichkeiten. Gerade die rechtliche Absicherung der U18-Wahlen, wie sie vergangene Woche stattgefunden haben, hat gezeigt, dass das ein voller Erfolg ist. Es gilt also, diese Vorhaben, die Sie in Ihren Gesetzestext gegossen haben, vor Ort tatsächlich mit Leben zu erfüllen.
Kinder und Jugendliche spricht man garantiert nicht mit noch mehr neuen Gremien an, deren Zusammensetzung noch nicht einmal klar definiert ist. Oder soll ich meinem sechsjährigen Sohn heute Abend zu Hause erklären, dass er mich jetzt nicht mehr direkt ansprechen könne, sondern gegebenenfalls über ein zuständiges Gremium in unserem Dorf sein Anliegen über unsere Gartengestaltung an mich herantragen müsse?
Wie gesagt, ich sehe schon diese Möglichkeiten, die wir haben und die genutzt werden. Ich sehe den Kinderrat in unseren Kindertageseinrichtungen. Ich sehe aber auch die Kinderräte, die in den Horteinrichtungen gebildet werden. Nicht zuletzt zeigen mittlerweile Sportvereine dieses gesellschaftliche Mittun von Kindern und Jugendlichen, wenn es um ehrenamtliche Vorstandsarbeit oder um andere Organisationen geht.
Es ist bereits angesprochen worden, dass in Sachsen viele positive Beispiele dieser Gremien, wie sie von der Linksfraktion und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagen wurden, bereits auf kommunaler Ebene funktionieren. Die Stadt Freiberg ist schon angesprochen worden, in der es seit dem Jahr 1996 das Kinder- und Jugendparlament gibt, in dem in verschiedenen Arbeitsgruppen für unterschiedliche Bereiche gearbeitet wurde. Es gibt die Arbeitsgruppe Schule, die Arbeitsgruppe Spielplatz oder auch eine Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit und Medien.
Ich als Stadträtin in Görlitz freue mich besonders, dass auch meine Heimatstadt mit verschiedenen Jugendworkshops zu kommunaler Politik und zu Jugendbeteiligung auf einem guten Weg ist und das auch im Austausch mit dem bestehenden Jugendparlament in Zgorzelec erfolgt. Wir haben am vergangenen Wochenende das „fokus Festival“ gefeiert. Das war eine Veranstaltung, die vom Jugendamt organisiert wurde und auf der sich Vereine präsentieren konnten. In den vergangenen sechs Jahren hat das mittlerweile eine Dynamik angenommen, indem sich die Vereine jetzt selbst organisieren und die Angebote, die es in der Stadt gibt, den Jugendlichen in einer jugendgerechten Form bereitstellen. Das heißt, dort gibt es Musik, dort gibt es Chillräume und dort gibt es auch die Möglichkeit des Austausches, und zwar in einer Form, in der es Jugendliche gern tun.
All diese lokalen Initiativen sind vor Ort gewachsen und letzten Endes von den Jugendlichen vor Ort selbst gestaltet und begleitet worden. Das ist der Kern, den wir fassen müssen. Es ist wichtig, dass wir jegliche Initiative, die von Kindern und Jugendlichen vor Ort ausgeht, unterstützen, denn dort wartet mit Sicherheit keiner auf einen Ruf aus Dresden.
Ich sage Ihnen aber auch: Eine Beteiligung kann von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich aussehen und nicht schablonenartig von Dresden aus übergestülpt werden. Genau in dieser Zielrichtung geht das Statement des Sachverständigen Dominik Bär vom Deutschen Kinderhilfswerk in der öffentlichen Anhörung zu den Gesetzentwürfen vom 23. Mai 2012. Dieser wies darauf hin, dass bei sehr formalen Beteiligungsstrukturen, die an solche für Erwachsene angelehnt sind, sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche sich zurückhaltender beteiligen als andere. Aber gerade für diese Jugendlichen müssen wir vor Ort jeweils passgenaue Lösungen finden.
Das Zitat des Sachverständigen, das ich hier gebracht habe, zeigt noch einmal sehr deutlich, dass wir schauen müssen, was vor Ort passiert, und dass wir auch die Gemeinde- und Stadträte sensibilisieren müssen, sich dafür einzusetzen. Nicht zuletzt ist es natürlich wichtig, dass die Vertreter, die in den Jungendhilfeausschüssen sitzen, wenn es auch um bereitgestelltes Geld in den einzelnen Orten geht, diese Initiativen mit unterstützen. Wir brauchen also passgenaue Lösungen vor Ort und kommen mit den vorgeschlagenen Maßnahmen, wie sie hier im Gesetz beschrieben sind, nicht wirklich weiter. Deshalb werden wir als FDP-Fraktion diesen Gesetzentwurf ablehnen.
(Beifall bei der FDP und der Staatsminister Christine Clauß sowie Dr. Jürgen Martens – Henning Homann, SPD, steht am Mikrofon.)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich will eine Kurzintervention zur Rede von Frau Schütz machen. Ich möchte sagen, dass ich das großartige Engagement vieler junger Menschen beim Hochwasser in Sachsen ausdrücklich gelobt habe und weiterhin lobe. Ich finde es absolut bemerkenswert, was dort passiert ist. Das ist eine Superleistung gewesen und widerspricht einer ganzen Reihe von Vorurteilen, die gegenüber dieser jungen Generation besteht.
Ich möchte mit Entschiedenheit den Fehlschluss, den Frau Schütz daraus gezogen hat, noch einmal thematisieren. Zu sagen: Leute, zum Schlammschippen seid ihr gut genug, aber wählen ab 16 sollt ihr nicht! – diese Aussage empfinde ich als falschen Rückschluss aus den großartigen Erfahrungen. Die Erfahrung ist doch die: Leute, wir wissen, dass ihr erkannt habt, wie Gesellschaft funktioniert, und dass man, wenn es eng wird, zusammenstehen muss. Genau diese Erfahrung qualifiziert sie doch dazu, auch das Wahlrecht ab 16 Jahre wahrzunehmen und hierbei von uns stärker einbezogen und berücksichtigt zu werden.
Der zweite Punkt, Frau Schütz, ist folgender: Ich spreche mit den jungen Menschen. Ich war zum Beispiel ganztägig beim ConFestival. Deshalb nehme ich mir die Kritik auch heraus. Ich war von Anfang an der Meinung: gute Methode, professionell durchgeführt, aber am Ende die Ratschläge nicht ernst genommen und deshalb nicht gut durchgeführt. Deshalb nehme ich mir auch das Recht heraus, das zu kritisieren. Ich werde am Wochenende bei „Chemnitz 13“ sein, und zwar auch einen ganzen Tag. Ich würde mich freuen, Sie dort zu sehen.
Also, ich bitte Sie, ein wenig vorsichtig zu sein. Ich weiß, dass auch Sie mit jungen Menschen sprechen. Das aber anderen Menschen abzusprechen ist ein schlechter Stil.
Sachsen ist groß und natürlich bin ich auch ab und zu in Chemnitz. Sie wissen, die Großeltern wohnen im Erzgebirge. Von daher bin ich sachsenweit unterwegs. Herr Homann, ich habe es schon zu Beginn meiner Rede gesagt, dass wir dem Jugendwahlrecht ab 16 Jahren offen gegenüberstehen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gleich vorweg: Wir werden diesen Gesetzentwürfen nicht zustimmen, und zwar nicht, weil uns die Rechte von Kindern und Jugendlichen gleichgültig wären oder weil wir das Wahlalter nicht absenken wollten, sondern es ist vielmehr die Art und Weise, wie solche
Gesetzentwürfe zustande kommen, und es sind die politischen Absichten, die dahinterstehen, der Geist sozusagen.
(Elke Herrmann, GRÜNE: Dass Sie nicht mit jungen Leuten reden, ist schon klar! – Zuruf von der NPD: Ruhe dort hinten!)
Da wird zunächst auf internationaler Ebene etwas produziert, das scheinbar von einer Aura der Menschlichkeit und des guten Willens getragen ist. Völlig außer Acht bleibt aber, dass eine Umsetzung dieser Konvention in den meisten Ländern der Erde nicht einmal ansatzweise zu erwarten ist.
Das wurde auch in der Anhörung auf eine Frage von Herrn Bartl deutlich. Lediglich einige europäische Regionen sind auf einem ähnlichen Niveau wie SchleswigHolstein, das nach Aussagen von Prof. Merk bei der Beteiligung führend ist. In der BRD gibt es eine regelrechte Gier nach derartigen Handlungsanweisungen. Obwohl die Inhalte der UN-Beschlüsse meist weitgehend erfüllt sind, werden die Texte vorwärts und rückwärts gewälzt, um eventuell eigene politische Ziele durchzusetzen. So weit zum Allgemeinen.
Jetzt zum Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Die Rechte der Kinder und Jugendlichen sollen unter anderem durch die Herabsetzung des Wahlalters gestärkt werden. Der zweite Teil, also der Anspruch auf einen Kita-Platz und Inklusion, ist der mehr oder weniger bereits erledigte Teil. Frau Herrmann ist vorhin bereits darauf eingegangen. Der Antrag ist von Dezember 2011.
In der Begründung findet sich auf Seite 9 unter Punkt A die Behauptung, dass „Kinder und Jugendliche in der gesellschaftlichen Wertschätzung als eigenständige
Persönlichkeiten keine hinreichende Anerkennung finden“ und „Gewalt und Vernachlässigung“ sowie „unzureichende praktische Entfaltungs- und Beteiligungsmöglichkeiten“ herrschen würden. Als Ursache sieht man die unzureichende Verankerung der „Achtung von Kindern und Jugendlichen als eigenständige Mitglieder der Gesellschaft im gesellschaftlichen und politischen Bewusstsein“ und leitet hieraus die Notwendigkeit gesetzgeberischen Handelns ab.
Ich möchte dem nicht zuletzt aus eigener Erfahrung widersprechen. In den meisten Familien wachsen Kinder in liebevoller Umgebung auf und erfahren jegliche Wertschätzung, auch ohne dass dies ausdrücklich – wie von den GRÜNEN gewünscht – in der Verfassung verankert wäre. Defizite treten doch erst dann auf, wenn Familien unter Druck geraten. Ich denke hierbei zum Beispiel an finanzielle Zwänge, die es immer schwieriger machen, ausreichend Zeit für die Familie aufzubringen. Berufliche Mobilität und sinkende Reallöhne der Eltern sowie wechselnde Bezugspersonen sind schädlicher für die kindliche Entwicklung als ein eventuell fehlendes Mitspracherecht beim Spielplatzbau oder bei der Ampelregelung. Daran ändern auch die in den Gesetzentwürfen
Wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, liebe GRÜNE: Besonders nach den jüngsten Veröffentlichungen über Ihre pädophilenfreundliche Vergangenheit erscheint es mir ziemlich mutig, dass Sie unbedingt das Wort „sittlich“ aus Artikel 9 der Verfassung streichen wollen.
Zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE, in dem es ebenfalls um die Mitbestimmung in den Kommunen und um die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre geht.
Wir hatten am letzten Wochenende die U18-Wahlen, woran sich allein in Sachsen circa 13 500 Kinder und Jugendliche beteiligt haben – auch wenn mir nicht ganz klar ist, wie drei- bis sechsjährige Kinder – davon gab es einige – eine fundierte Wahlentscheidung treffen können.
Man könnte meinen, diese U-Wahlen wären fest in linker Hand. So ähnlich hat es übrigens Frau Klepsch damals bei der Einbringung dieses Gesetzes formuliert, indem sie zahlreiche Demokratieinitiativen aufführte. Auf der U18Netzseite kann man diverses Infomaterial herunterladen. Meine Partei kommt dort allerdings nicht vor, aber dafür andere, nicht in irgendeinem Landtag vertretene Parteien. Das ist also schon ein etwas merkwürdiges Demokratie- und Toleranzverständnis, von umfassender Information der U18-Wähler ganz abgesehen.
Zurück zum Gesetzentwurf der LINKEN. Unter § 4 findet sich die Forderung nach Einrichtung von Kinder- und Jugendvertretungen in Gemeinden und Landkreisen. Sie sollen sich laut Abs. 6 aus allen kulturellen, ethnischen, politischen und sozialen Gruppen „zusammensetzen“. Jetzt meine Frage: Wirklich allen, oder schließt die unter Punkt 5 geforderte Geschäftsordnung bestimmte politische Gruppen von vornherein aus? Dürften denn zum Beispiel auch unsere Jungen Nationaldemokraten in diesen Vertretungen mitwirken? Der Sachverständige Herr Roeder hat dies in der Anhörung übrigens ebenfalls bemängelt, indem er von demokratischer Legitimation sprach.
Beiden Gesetzentwürfen ist übrigens eines gemeinsam: dass sie bei der Finanzierung den Freistaat über das FAG beteiligen wollen. Spätestens bei den Kosten der Mitwirkung dürfte es schwierig werden.
Zusammenfassend sei gesagt: Wir sind grundsätzlich ebenfalls für eine stärkere Beteiligung und Einbringung der Kinder und Jugendlichen. Wir lehnen auch nicht generell die Absenkung des Wahlalters bei Kommunal- und Landtagswahlen ab. Aber diese beiden Gesetzentwürfe halten wir trotz guter Ansätze für entbehrlich.