Protokoll der Sitzung vom 18.09.2013

Könnten wir bitte einmal etwas Wasser bekommen? – Vielleicht sollten Sie Ihre Rede nachher fortsetzen. Das wäre vielleicht besser.

Wenn ich einen Schluck Wasser bekomme, dann geht es schon.

Das kommt schon.

Danke. – Die von uns vorgeschlagene Ombudsstelle kann eine Säule für die

Entwicklung einer solchen Fehlerkultur sein; denn wir stärken erstens das Vertrauen zwischen den Menschen und der Polizei und heben zweitens die demokratische Kontrolle der Polizei auf ein Niveau, das den erweiterten Kompetenzen angepasst ist. Drittens bieten wir einen externen Rahmen für die Polizeientwicklung an, der nachhaltig die demokratische Rückbindung der Polizei als Organisation sichern kann.

Deshalb statten wir unseren Vorschlag auch mit so weitreichenden Untersuchungs- und Kontrollbefugnissen sowie Informations- und Vorschlagsrechten aus. Diese gehen scheinbar über eine reine Beschwerdestelle hinaus. Wir erachten sie aber genau deshalb für erforderlich, weil wir die eben aufgezeigten strukturellen und kulturellen Ursachen von polizeilichem Fehlverhalten an der Wurzel packen wollen. Insofern ist unser Vorschlag tiefgreifender und nachhaltiger als der vorliegende Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Das machen wir auch dadurch deutlich, dass wir die Polizeiombudsstelle in der Sächsischen Verfassung verankern wollen.

Darüber hinaus sind wir innovativer, was wir unter anderem mit dem Instrument der Beanstandungsklage zeigen. Dadurch soll es ermöglicht werden – auch unabhängig von den Betroffenen –, die Rechtmäßigkeit polizeilicher Maßnahmen überprüfen zu lassen und damit den Grund- und Freiheitsrechten Geltung zu verschaffen bzw. die Beseitigung von gerügten Mängeln einfordern zu können.

Der von mir bereits angesprochene übergroße Teil der Polizeibeamten in Sachsen braucht vor mehr Transparenz und unabhängiger Kontrolle seines Handelns keine Angst zu haben. Im Gegenteil: Für sie wäre eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle eine Hilfe, eine Anlaufstelle und ein externer Reflexionspartner, der auch in ihrem eigenen Sinne hilft, die Polizei für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch für die Bürgerinnen und Bürger besser zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam das umsetzen, was viele europäische Staaten seit Langem erfolgreich praktizieren und was der EUMenschenrechtskommissar und viele Nichtregierungsorganisationen auch von Deutschland fordern. Sachsen hat mit den beiden hier vorgelegten Gesetzentwürfen eine Chance, bundesweit eine Vorreiterrolle einzunehmen, und zwar hin zu einer demokratisch verantwortlichen und bürgernahen Polizei. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion spricht Herr Abg. Hartmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach diesen Ausführungen – ich bitte, das Polemische zu entschuldigen – bin

ich geneigt, sehr schnell einen Flug in den Iran zu nehmen und um politisches Asyl zu bitten.

(Heiterkeit bei der CDU – Zurufe von den LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aufforderung an dieses Hohe Haus, einen Weg für eine demokratische und demokratisch kontrollierte Polizei zu beschreiten, lassen Sie sich bitte einmal auf der Zunge zergehen. Das hieße im Umkehrschluss: Wir haben zurzeit eine willkürherrschende Polizei, die völlig unkontrolliert, frei von jeglichen Gesetzesregelungen tätig ist. Die Forderung lautet – so haben wir es gerade vernommen –: Wir müssen einen Weg für eine demokratisierte und demokratisch kontrollierte Polizei beschreiten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das geht an der Wirklichkeit der sächsischen Polizei weit vorbei.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie haben ausgeführt: Gehaltskürzungen, schlechte Bezahlung, dafür ein härterer Korpsgeist, Konzentration auf geschlossene Einheiten und ein politischer Druck, der dafür Sorge trägt, dass die individuelle Polizeiarbeit dem Korpsgeist untergeordnet wird. Das geht an der Lebenswirklichkeit der Polizei ebenso vorbei. Wenn Sie sich bitte sowohl die Benchmarks bezüglich der Ausbildung der sächsischen Polizei im mittleren Dienst als auch die Qualität der Fachhochschule in Rothenburg anschauen, dann stellen Sie fest, dass wir im Ländervergleich im oberen Drittel der Länder stehen. Viele Bundesländer schauen auf unsere Ausbildungsinhalte, insbesondere auch in der Frage der berufsethischen Ausbildung, die auch in der engeren Vernetzung mit kompetenten, nicht polizeilichen Strukturen in der Kooperation sind.

Wir haben eine intensive Strukturreform hinter uns, allerdings nicht mit der Stärkung der geschlossenen Einheit, wie es ein wenig herübergekommen ist. Das ist genau einer der Bereiche, in dem wir abgebaut haben. Die Bereitschaftspolizei hat sich in der Struktur der Abteilungen und Hundertschaften zugunsten einer Beibehaltung der Präsenz der Einsatzkräfte, das heißt, der Streifenbeamten in den Polizeirevieren, reduziert.

Ja, wir haben das Weihnachtsgeld gekürzt. Man kann diesbezüglich unterschiedlicher Auffassung sein. Aber ich verwehre mich gegen die These, dass wir Gehälter streichen. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir gerade einen Gesetzentwurf erarbeiten – der ist, glaube ich, in der Umsetzung –, der eine Anpassung der Besoldungsergebnisse mit sich bringt. Das heißt, da geht es um eine Aufsattelung der Bezüge und nicht um eine Reduzierung – diese Unterstellung nehmen wir so nicht mit – für 13 000 Polizeibeamte im Freistaat Sachsen, 265 000 Polizeibeamte in Deutschland.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man möge erstaunt zur Kenntnis nehmen: Bei der Polizei handelt es sich neben Feuerwehr und Ärzten um die beliebteste und akzeptierteste Berufsgruppe. Fragt man die Bevölkerung, wem man denn am meisten vertraue, hört man, dass es

vor allen Dingen Polizeibeamte sind, denen man ein Grundvertrauen entgegenbringt.

Und die unbeliebteste Berufsgruppe – das muss man auch einmal so zur Kenntnis nehmen; vielleicht finden wir noch eine, die hinter uns steht – sagt dann: Jetzt müssen wir etwas dafür tun, dass die Polizei in der Gesellschaft mehr akzeptiert wird. – Also, das ist ja schon nicht mehr zu toppen, dass jemand, der eigentlich hinterfragen muss, wie er an seiner Akzeptanz in der Bevölkerung arbeitet, sich darüber Sorgen macht, wie die Berufsgruppe mit dem größten Vertrauensbonus in der Gesellschaft mehr Akzeptanz erfährt.

Jetzt noch einmal zurück zu den Fragen, die in diesem Raum stehen: Es wird gesagt, wir brauchen mehr Kontrolle, mehr Transparenz, da muss mehr Information passieren. Da sind Gruppen, die überhaupt nicht in der Situation sind, mit ihrer Beschwerde ranzukommen. Die werden de facto ausgegrenzt.

Ja, meine Damen und Herren, ich leugne nicht, dass es auch Einzelfälle gibt, bei denen es polizeiliches Fehlverhalten gibt, und das muss aufgeklärt werden. Dann ist Ihr Vergleich, Frau Jähnigen, aber der falsche Ansatz. Sie kommen dann zu der tollen Erkenntnis, dass es 153 Ermittlungsverfahren gibt, die im Grunde alle eingestellt sind. Das kann doch nicht sein. Das Ergebnis ist: Da deckt man sich gegenseitig, und da wird gemauschelt, und da müsste man jetzt tätig werden, möglicherweise liegt es daran. Ich habe so viel Vertrauen in die sächsische und in die bundesdeutsche Justiz, auch in eine Bewertung.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf den Sachverständigen Ricardo Schulz, Oberstaatsanwalt und zuständig für Amtsdelikte, verweisen, der in der Anhörung noch einmal deutlich von sich gewiesen hat, dass entsprechende Hinweise nicht verfolgt werden. Das passiert nämlich genau unabhängig von der Person. Das ist auch richtig und gut so.

Wenn Sie sich die Struktur der Polizei anschauen, dann stellen Sie fest, dass es ein internes Beschwerdemanagement gibt. Das kann man durchaus verbessern. Ich bin auch bereit, die Diskussion zu führen, auch in der Verantwortung des Innenministeriums, ob bezüglich dessen, was in Sachsen-Anhalt passiert, nicht zu überlegen ist, eine entsprechende Struktur im SMI zu schaffen – die ersten Ansätze und Überlegungen sind ja da –, ob man möglicherweise der Anregung des Sachverständigen des Bayerischen Staatsministerium des Innern folgt und eine Bürgerbefragung zu dem Thema veranlasst.

Das sind alles Wege, die in Ordnung sind. Aber das Parlament mit einem Kontrollrecht zu versehen – das ist ja auch in dem Antrag zu lesen, insbesondere auch bei dem der GRÜNEN –, damit jeder, wenn er meint, sich beschweren zu müssen, sich über eine Polizei beschwert, so nach dem Motto „Wir bringen da auch eine gewisse Form von Generalverdacht hinein“ – das will ich Ihnen nicht unterstellen, aber genau das kommt dabei mit herum –, ist für uns der falsche Ansatz.

Wir haben die Mechanismen des Beschwerdemanagements innerhalb der Dienststellen, wenn es Beschwerden gegen Polizeibeamte gibt, und gegen Dienststellen ermittelt auch nicht diese eigene Dienststelle, sondern dann werden übergeordnete Dienststellen mit der Aufklärung beauftragt. Es gibt das Element der Dienstaufsichtsbeschwerde. Es gibt entsprechende parlamentarische Kontrollinstrumente, die Ihnen bekannt sind, die Sie nutzen – Frau Jähnigen ist da ja ganz vorne dran, das erspart mir so manche Nachfrage, weil ich es auch schriftlich dokumentiert mit den Kleinen Anfragen immer gleich herübergereicht bekomme, insoweit an der Stelle auch einen herzlichen Dank –, es gibt die Möglichkeit der Anzeigenstellung bei der Staatsanwaltschaft – das möchte ich noch einmal deutlich sagen –, die dann unabhängig prüft.

Es gibt auch die Möglichkeit der internen Kontrolle. Da muss man jetzt auch nicht so tun, als ob die Polizei unter Druck wäre. Wir haben sehr selbstbewusste Berufsvertretungen der sächsischen Polizei. Sowohl die GdP als auch die DPolG wissen schon ganz genau, welche Position sie beziehen und wie sie in den Personalvertretungen tätig sind. Da muss doch keiner so tun, als ob die vom Sächsischen Staatsministerium des Innern oder irgendeinem Polizeipräsidenten zu kurz gegriffen werden. Die artikulieren schon ihre Rechte. Ich finde, dass wir da auch intern die Diskussion zu führen haben und die berufsständischen Vertretungen ihre Verantwortung tragen – über die Personalräte, über den Hauptpersonalrat in den Ministerien.

Wir haben die Fragen der Gleichstellungsbeauftragten, der Frauenbeauftragen. Das heißt, diese Themenkomplexe sind durchaus sehr prägnant. Man darf doch in Sachsen bitte nicht vergessen: Auch diese martialische männerdominierte Welt der sächsischen Polizei ist im Bundesmaßstab eine mit einem sehr hohen Frauenanteil. Ich möchte erinnern: Zu einer Zeit, als ich noch in der Ausbildung der sächsischen Polizei war – insoweit erlauben Sie auch mir das Recht zu sagen, ich weiß schon ein wenig etwas über die Innenwirkung der Polizei –, haben wir Einstellungsquoten von 60 % Frauenanteilen gehabt.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Die haben der Polizei auch sehr gutgetan.

Kurzum: Die sächsische Polizei ist gut aufgestellt. Sie ist transparent und bürgernah. Die sächsische Bevölkerung vertraut ihr. Wir haben dafür Sorge zu tragen, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Da können wir trefflich streiten und diskutieren. Wir können auch die Diskussion führen, wie wir die Einzelfälle, die es gibt, weiter optimieren, dass sie immer mehr die Ausnahme bleiben. Dazu ist die Eigenverantwortung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern, des Landespolizeipräsidenten und der nachgeordneten Behörden geeignet. Aber diese Form der Kommissionen – Sie haben selbst festgestellt, dass wir diesbezüglich ein Novum in Deutschland sind – brauchen wir nicht, zumal auch zu den Beispielen, die Sie gebracht haben, der Möglichkeiten in Belgien, in Frankreich, in Großbritannien, die da auf Empfehlung der Transparen

tenüberprüfung gestartet sind, ich muss sagen: Die Bilder von Großeinsatzdemonstrationen, Pfefferspray und

versprengten Polizeibeamten haben wir in Großeinsätzen in Deutschland in der Form nicht. Insoweit sehe ich auch noch einige Unterschiede.

Zum Schluss noch ein Hinweis bezüglich des Antrags der LINKEN: Darin ist ein Punkt enthalten, den Sie bitte auch in Ihrem Gesetzentwurf – auch wenn wir ihm heute nicht zustimmen – durchaus überdenken sollten, und zwar bezüglich der Aufnahme der Regelung der Zuständigkeit der Ortspolizeibehörden und Kreispolizeibehörden. Das dürfte in der Struktur und Logik des Landesbeauftragten die Rechte der kommunalen Selbstverwaltung und die Frage der Zuständigkeitsstrukturen etwas tangieren. Das kann man aber für die Wiedereinbringung korrigieren. Sie werden dazu die Gelegenheit haben, weil wir als Koalition und wir als CDU diesen Antrag ablehnen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Jetzt kommt eine Kurzintervention durch Frau Jähnigen.

Sehr geehrter Herr Kollege Hartmann, ich freue mich, dass Sie meine Anfragen schätzen. Bitte lesen Sie einmal die Antwort auf meine Anfrage zu Frauen in Führungspositionen in der Polizei genau nach. Es stimmt, unten steigt der Frauenanteil, aber oben sind nur Männer. Ich wüsste nicht, dass es in der Polizei – –

(Lachen bei der CDU und der FDP)

Ja, es fehlt an Frauen in Führungspositionen in der sächsischen Polizei. Das ist ein Dilemma, daran muss gearbeitet werden, und ich kenne nicht einmal die Ansätze eines Konzeptes. Aber wie gesagt, Sie können das in der Antwort auf die Kleine Anfrage nachlesen.

Zweitens. Herr Kollege Hartmann, ich möchte Sie daran erinnern, dass der Sachverständige aus der Fachhochschule der Sächsischen Polizei, Herr Prof. Liebl, klar und unwidersprochen in der Anhörung gesagt hat, dass durch das Stellen- und Arbeitsbudget die Möglichkeit der wissenschaftlichen Arbeit in der Fachhochschule de facto nicht mehr gegeben ist.

Drittens. Dass die bürgerrechtliche Verankerung von Polizei durch externe Kontrolle vertieft wird und dass es dieses Defizit von Ermittlungsverfahren gegen Polizeibedienstete und Ermittlungen durch Anzeigen von Polizeibediensteten gibt, ist nicht meine Erkenntnis, sondern es ist die Erkenntnis unabhängiger, weisungsungebundener Sachverständiger, die aber an öffentlichen Polizeihochschulen lehren.

Viertens. Ich finde es schön, dass Sie über ein Beschwerdemanagement diskutieren wollen. Wie lange wollen Sie denn noch diskutieren und nicht handeln? Es ist schön, dass Sie offen sind, aber Konsequenzen gibt es nicht, und es gibt offensichtlich noch nicht einmal eine hierarchie

unabhängige interne Ermittlung, die schon lange dringend notwendig wäre in der Polizei.

Ich gehöre einem Berufsstand an, der auch hohe Anerkennung genießt, ich meine jetzt den der Krankenschwester.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Trotzdem, wenn ein medizinischer Fehler gemacht wird, dann ist das schwerwiegend. So ist das auch in der Polizei. Deshalb reden Sie die Probleme bitte nicht klein. Wir brauchen eine Fehlerkultur und mehr Transparenz.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)