Protokoll der Sitzung vom 17.12.2013

und Leben haben, ist jeder Fall eine Grundlage dafür, entsprechendes staatliches Handeln sicherzustellen.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Bartl?

Selbstverständlich, Frau Präsidentin.

Da bedanke ich mich noch einmal bei Herrn Hartmann. Jetzt haben Sie ein Beispiel gebracht, was ich nicht nachvollziehen kann. Warum knüpfen Sie dann die Frage, dass Sie Bestandsdaten erheben können, auch an die öffentliche Ordnung oder an deren Störung?

Weil es auch für die Frage der öffentlichen Ordnung Beispiele gibt, Herr Bartl. Ich möchte die Gelegenheit gleich nutzen, um Ihnen ein Beispiel zu geben. Sie stellen zum Beispiel fest, dass es eine Veranstaltungsankündigung für ein Konzert im Naturschutzgebiet gibt. Nun können Sie darüber lachen, doch Naturschutz sollte Ihnen wichtig sein. Im Übrigen haben wir in der Dresdner Heide so etwas gehabt. Es gab Informationen, die zu einer Party im Naturschutzgebiet aufriefen, und es wurde angegeben, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Handynummer anrufen soll. Hier haben Sie eine Ordnungsmaßnahme, an der Sie entsprechend Zugriff gewährleisten.

Gestatten Sie die Zwischenfrage von Herrn Lichdi? – Es ist erledigt. Dann können Sie fortfahren.

Im Übrigen kann ich Ihnen für Ihre Argumentation, Herr Bartl, da wir gerade bei Beispielen sind, noch etwas beibringen, wenn es um die Frage zum Schutz des Betroffenen selber geht. Ich erzähle Ihnen im 21. Jahrhundert ein ganz einfaches Beispiel: Wenn Sie eine Bestandsdatenabfrage auf ein Handy eines Arbeitgebers, dessen Arbeitnehmer der Handynutzer ist, vornehmen, und es stellt sich heraus, dass dieser Zugriff als solcher zu keinem Ergebnis geführt hat, kann es zum Schutz des Handynutzers durchaus sinnvoll sein, dass der Eigentümer des Handys darüber nicht informiert wird. Das ist ein Beispiel, das man hierzu bringen kann. – Aber zurück zum Thema.

Wir haben die Betrachtung der Sachverständigen sehr ernst genommen und uns auch die Bewertung der Sachverständigen angehört. Das führte dazu, dass wir gesagt haben, beim Zugriff auf PIN und PUK und auf eine IPAdresse bedarf es mehr oder weniger des Richtervorbehaltes. Wir haben gesagt, in der Beurteilung der Materie erscheint uns eine Definition des Gefahrenbegriffes in einer konkreteren Fassung für sinnvoll. Wir haben – das muss man noch einmal deutlich herausarbeiten – klargestellt, dass es sowohl beim Zugriff auf PIN und PUK als auch auf die IP-Adresse nicht des Ordnungsbegriffes als Grundlage bedarf, sondern es ist ganz klar geregelt, dass

hier neben der Voraussetzung einer Beschlagnahme in jedem Fall eine Gefährdung für Leben, Gesundheit und Freiheit bestehen muss.

Zurück zu dem Thema der einfachen Bestandsdatenerfassung. Leichte Grundrechtseingriffe bedürfen auch einer flexiblen Handlungsmatrix. Wir können jetzt gern eine verfassungstheoretische Diskussion über das Thema miteinander führen. Ganz klar tangiert jede polizeiliche und staatliche Maßnahme in jedem Fall auch Grundrechte. Nun möchten wir aber einmal zur Kenntnis nehmen, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im 21. Jahrhundert etwas anders geprägt ist, nämlich in einer Gesellschaft, die anfängt, sich in sozialen Netzwerken zu betätigen, immer mehr auf Telekommunikation setzt. Wo mittlerweile Lebenswirklichkeiten und Lebensbiografien im Netz stattfinden, müssen sich auch staatliche Eingriffsmaßnahmen dieser Herausforderung stellen. Da bin ich wieder bei der Feststellung: Sicherheit versus Freiheit.

Frau Friedel, das ist relativ einfach gemacht. Sie können immer sagen, die Polizeistärke und die -reviere waren verantwortlich, und deswegen ist das so. Das ist eine ganz andere Diskussion zumindest zu dem Thema der Bestandsdaten. Hier geht es um die Frage, ob der Staat eine rechtliche Grundlage dafür hat, um auf Telekommunikationsdaten in der Gesellschaft zurückzugreifen. Das brauchen wir, ob wir 1 000, 10 000 oder 100 000 Polizisten haben. Es bedarf einer gesetzlichen Grundlage, um entsprechende Daten abzugreifen.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken, Herr Bartl und Herr Lichdi, können Sie hier regelmäßig äußern. Es liegt letzten Endes bei dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof, sich ein Urteil darüber zu bilden, und nicht bei diesem Hohen Hause.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie der Auffassung sind, dass dieses Gesetz verfassungsrechtlich bedenklich ist, dann nehmen Sie den Weg zum Verfassungsgerichtshof und überlassen diesem dessen Beurteilung. Wir glauben, dass wir uns innerhalb der gesetzlichen Normen und innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen bewegen, die uns das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat. Wir glauben, dass wir entgegen dem ursprünglichen Entwurf mit einer Klarstellung des Gefahrenbegriffs bei PIN und PUK noch einmal eine besondere Herausarbeitung vorgenommen haben.

Herr Lichdi, ich glaube, dass NSA-Vergleiche sowie die Diskussionen über durch Strafverfolgungsmaßnahmen eingesetzte Bestandsdatenerfassung „Äpfel-und-BirnenDiskussionen“ sind, die uns in der Sache der hier zu diskutierenden Gegenstände nicht voranbringen.

Heruntergebrochen heißt es noch einmal: Wir ändern das Sächsische Polizeigesetz, indem wir nachzeichnen, was uns das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat, und für Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch die Bestandsdaten für Zugriffsregelungen in zwei Ebenen formulieren. Wir übernehmen das für den Verfassungsschutz mit entsprechenden Zuordnungen

innerhalb der G10-Kommission und des Innenministeriums, und wir konkretisieren auch im Interesse der Bürger und im Interesse von Grundrechtswahrung die Eingriffsschwellen für Bild- und Tonaufnahmen im Versammlungsrecht genauso, wie wir die Bildübertragung zu einsatzleitenden Maßnahmen koordinieren. Das ist aus unserer Sicht eine Verbesserung zur derzeit bestehenden Rechtslage.

Wir können in der Sache höchst unterschiedlicher Auffassung sein. Ja, die CDU- und ich denke auch die FDPFraktion bekennen sich als Erste zu einer Grundlage, dass ohne Sicherheit Freiheit in unserem Land nicht möglich ist. Deswegen werben wir hier noch einmal ausdrücklich dafür, dass Sie unserem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Biesok, bitte. – Eine Kurzintervention, Herr Bartl? – Es erhält erst Herr Bartl das Wort und danach Herr Biesok.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Vielen Dank, Herr Kollege Biesok für Ihr Verständnis. Wir sind grundsätzlich anderer Auffassung als Kollege Hartmann das jetzt für die CDU-Fraktion dargelegt hat. Es ist eben nicht zuallererst Sache des Verfassungsgerichtes zu prüfen, ob Gesetze verfassungskonform sind. Es ist zuallererst und ganz maßgeblich Verantwortung dieses Hohen Hauses.

(Beifall bei den LINKEN – Johannes Lichdi, GRÜNE: Grundkurs Staatsrecht!)

Richtig, Kollege Lichdi: Grundkurs Staatsrecht.

Genau das Parlament, wenn es seine Autorität und seine Verantwortung, die ihm durch Wahl verliehen ist – die 132 Abgeordneten in diesem Fall –, wahrnehmen will, muss Gesetz für Gesetz zunächst einmal sicher sein können, dass es dem Grundsatz, dass alle Gewalten in diesem Lande der Verfassungskonformität verbunden sind und wir darauf auch verpflichtet sind, Genüge tut. Wir können nicht sagen, wir geben uns ein Gesetz, und wenn wir es uns gegeben haben, schauen wir einmal, was Leipzig dazu sagt oder eben Karlsruhe. Das ist ein Ansatz, den wir gerade dann, wenn es um Grundrechte geht, für ausgesprochen despektierlich halten betreffs der Rolle des Parlamentes und der genau zu diesen Zweifeln an der Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates führt und, nebenbei bemerkt, den Rechtsstaat viel Geld kostet, weil die Klagen bzw. Kosten der Bürgerinnen und Bürger daraus dem Staat zufallen.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Hartmann, bitte.

Ich freue mich, dass jetzt zwei Juristen flankierend versuchen, mir die Grundlagen

des Staatsrechtes beizubringen. Ich bedarf dessen nicht zwangsläufig; ich hatte die Freude, das unterrichten zu dürfen. Aber es ist in Ordnung.

Grundkurs Staatsrecht: Wir haben als CDU-Fraktion unsere Aufgabe wahrgenommen und aus unserer Sicht beurteilt, ob dieser Gesetzentwurf den verfassungsrechtlichen Grundsätzen entspricht. Wir kommen, deutlich gesagt, zu der Überzeugung, dass dieser Gesetzentwurf die Grundrechte achtet und verfassungsgemäß zustande gekommen ist.

Ich sage es noch einmal deutlich: Es hilft keinem, wenn ich hier permanent Juristen höre, die mir erklären, dass dieser Gesetzentwurf verfassungswidrig ist, und mir dann mit höchstrichterlicher Rechtsprechung kommen. Wenn ich zu dem Ergebnis konstatieren darf: Wir halten ihn für verfassungsgemäß, Sie halten es nicht, dann schreien Sie es hier nicht nur heraus, dann suchen Sie den Weg zum Verfassungsgerichtshof, und wir werden das Ergebnis sehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Biesok, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte gern noch zu einigen Punkten aus der Debatte Stellung nehmen.

Frau Friedel, Sie haben gesagt, dass es immer eine Abwägung ist, wie man mit den Grundrechten umgeht, und haben es etwas kritisierend dargestellt. Meines Erachtens ist es das ganz Normale, dass wir uns gut damit beschäftigen: Wo sind Sicherheitsinteressen, wo sind Grundrechte, und wie bekommt man das in eine Abwägung hinein?

Glauben Sie mir, wir haben dieses Gesetzgebungsvorhaben innerhalb der Koalition sehr lange behandelt, wir haben sehr lange darüber beraten, um genau diese Abwägung vorzunehmen. Ich verwahre mich gegen den Vorwurf, dass wir jetzt diese Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat, ausnutzen würden; sondern es war eine Abwägung, die wir bei den unterschiedlichen Maßnahmen, die in diesen Gesetzen drin sind, auch unterschiedlich anwenden.

Lassen Sie mich noch eines zu dem Polizeibegriff sagen, der hier so häufig angesprochen wurde. Der polizeiliche Gefahrenbegriff ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung sehr klar definiert; er ist ausgeurteilt und wird als bestimmt genug angesehen. Wir haben sehr wohl danach differenziert, auf welche Daten man zugreifen kann – dann haben wir einen niedrigeren Gefahrenbegriff gewählt – und wo eine höhere Eingriffsintensität ist – dort haben wir die Voraussetzungen höher angesetzt. Das ist genau das, was das Verfassungsgericht von einem Parlament erwartet: dass man diese Regelungen entsprechend miteinander abwägt.

Herr Lichdi, Sie sagen hier etwas zu den Bestandsdaten. Außer Ihnen und Ihrem Sachverständigen vertritt keiner

diese Rechtsauffassung, die Sie zu Bestandsdaten vertreten – niemand.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Und da ich von Ihnen hier schon einige Rechtsausführungen gehört habe, habe ich auch nicht unbedingt das Vertrauen dazu, dass Ihre Rechtsauffassung die richtige ist. Bestandsdaten sind das, was ich gerade vorgelesen habe, was in der Gesetzgebung drin ist. Darauf lassen wir unter den Voraussetzungen, die im Gesetz genannt sind, die entsprechenden Zugriffe zu, um den Halter eines Handys zu bekommen – auch im Verfassungsschutzgesetz.

Ich bin Mitglied der PKK und habe auch einiges Kritisches zum Verfassungsschutz gesagt; aber auch der Verfassungsschutz braucht diese Bestandsdaten. Wenn Rechtsextremisten oder Linksextremisten oder Islamisten zu einer Veranstaltung aufrufen und lediglich eine Handynummer angegeben ist, dann muss auch der Verfassungsschutz die Möglichkeit haben herauszubekommen, wer Inhaber und Halter dieses Handys ist. Dafür braucht der Verfassungsschutz – bei all seiner Unzulänglichkeit, die wir in der Vergangenheit festgestellt haben – die Möglichkeit, auf diese Bestandsdaten zuzugreifen.

Wir haben hier noch ein anderes Problem diskutiert: Wir diskutieren hier in einigen Bereichen, ob wir eine öffentliche Ordnung im Polizeigesetz für den Gefahrenbegriff haben wollen. Das ist für mich eine Diskussion, die man grundsätzlich führen muss. Ich bin ein Vertreter dafür, dass die öffentliche Ordnung nichts mehr im Polizeirecht zu suchen hat. Ich bin ein Anhänger der alten niedersächsischen Regelung im alten Gefahrenabwehrgesetz, wo die öffentliche Ordnung herausgenommen wurde.

Aber, Herr Bartl, wenn man das macht, muss man es konsequent machen. Man kann nicht bei einer Standardmaßnahme die Ordnung herausnehmen und sie bei anderen drin lassen, weil es im Gesetz steht; denn dann bekommt man eine Unwucht hinein. Deshalb haben wir auch in diesem Fall die öffentliche Ordnung hineingenommen.

Noch einmal für das Parlamentsprotokoll: Ich verstehe diese Regelung unter sehr einschränkenden Voraussetzungen. Kollege Hartmann hat gerade Beispiele genannt, in denen es um Leib und Leben und ähnliche Rechtsgüter ging, und das muss in der Verhältnismäßigkeit mit abgewogen werden. Ich möchte deutlich machen, dass wir hierzu eine sehr restriktive Position vertreten; aber wenn, dann muss man es insgesamt machen.

Als letzten Punkt möchte ich noch etwas zu den Versammlungen sagen. Herr Bartl, ich finde es inkonsequent zu sagen: Diese Übersichtsaufnahme kann man machen – wenn es um Sportveranstaltungen oder sonstige Versammlungen geht, dann ist das in Ordnung –; aber wenn es sich um eine Versammlung nach dem Versammlungsgesetz handelt, dann nicht. Ich kenne genügend Versammlungen – gerade hier aus Dresden –, bei denen es dringend erforderlich ist, dass die Polizei ihre Kräfte so lenken

kann, dass die Versammlungsfreiheit von allen, die das Versammlungsgrundrecht haben, auch gewährleistet ist und in denen die Polizei auch ohne Übersichtsaufnahmen nicht in der Lage ist, ihre Mittel entsprechend verhältnismäßig einzusetzen.

Deshalb braucht das die Polizei – unabhängig davon, ob es ein Dynamo-Spiel oder der 13. Februar ist – und deshalb ist es richtig, dass wir es in beide Gesetze hineinnehmen.

Vielen Dank.