Protokoll der Sitzung vom 18.12.2013

(Beifall des Abg. Steffen Flath, CDU)

Herr Biesok, bitte.

Ich möchte eine Kurzintervention machen, und zwar zu der Bemerkung, dass es egal ist, ob man eine Mütterrente aus Beiträgen oder aus Steuermitteln finanziert. Das macht einen Riesenunterschied.

Die beitragsfinanzierte Rente ist ein Ansparen von Anwartschaften für einen zukünftigen Renteneintritt. Die beitragsfinanzierte Rente ist kein Mittel der Sozialpolitik. Genau das wird jetzt von der neuen Großen Koalition hier gemacht. Man nutzt die gute wirtschaftliche Situation aus, dass die Rentenkassen voll sind, und verspricht neue Leistungen, von denen man heute schon ganz genau weiß, dass man sie in dem Moment nicht mehr aus den Rentenkassen mit den jetzigen Rentenbeitragssätzen finanzieren kann, wenn die Konjunktur einmal anders läuft. Dann begründet man diese Mehrausgaben nämlich damit, dass man dann die Beiträge wieder hochsetzen muss, anstatt jetzt offen und ehrlich zu sagen: Wir wollen eine sozialpolitische Wohltat machen, die alle bezahlen müssen, und zwar solidarisch.

Wenn man eine Mütterrente machen will, muss man sie aus Steuermitteln machen, und man muss sagen, wo man sie gegenfinanzieren muss. Dann kann diese Mütterrente nicht nur die Mütter, die gesetzlich rentenversichert sind, treffen, sondern auch diejenigen, die in einem berufsständischen Versorgungswerk sind oder die privat vorgesorgt

haben. So versuchen Sie einfach nur, Wohltaten zu verteilen, gute Stimmung zu machen, und Sie verschleiern, was es tatsächlich kostet und wer es tatsächlich am Ende bezahlen muss.

(Beifall bei der FDP)

Das war die Kurzintervention von Herrn Biesok. – Herr Krauß, Sie möchten erwidern? Bitte.

Wir haben gesagt, dass wir nicht den Rentenbeitragssatz erhöhen wollen, sondern wir haben gesagt, dass wir den Rentenbeitragssatz nicht senken wollen. Wir sind jetzt bei 18,9 %, er würde auf 18,3 % runtergehen. Wir haben ihn erst von 19,6 % gesenkt. Da war ich der Meinung, wir wären besser beraten gewesen, dass wir den Rentenbeitragssatz belassen und das Geld für sinnvolle Sachen genutzt hätten.

Wir haben gesagt, dass wir ihn jetzt nicht senken wollen. Es gibt übrigens auch Punkte, die die Wirtschaft betreffen, und ich wundere mich, dass es die FDP nicht mitgemacht hat, zum Beispiel die Vorfälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen. Auf Teufel komm raus wollten Sie die Senkung des Rentenbeitragssatzes auf 18,9 %. Das hätte man machen können, indem man einfach die Schwankungsbreite erhöht und etwas gewartet hätte. Damit hätte man den Unternehmen wahnsinnig helfen können. Aber Sie wollten unbedingt auf 18,9 %. Hätte man 19 % gesagt, wäre das Ding finanziert gewesen.

Wie gesagt, wir senken den Rentenbeitragssatz nicht. Wir lassen ihn stabil. Wir wissen natürlich auch in Zukunft – keine Frage –, dass der Rentenbeitragssatz, wie prognostiziert, künftig auch steigen kann. Das hängt von der Konjunktur ab, wie er steigt. Aber wir sagen auch ganz klar, dass die Mütterrente durchfinanziert ist. Das können wir uns leisten. Andere Dinge kann man kritisch hinterfragen.

Die Rente mit 63 ist – nice to have, wie man so schön sagt – eine schöne Sache, wenn man sie hat, wenn man sie sich leisten kann. Ob sie auf Dauer zu finanzieren ist, wissen wir nicht. In dieser Legislaturperiode können wir sie uns leisten, das ist uns allen klar, so weit ist sie durchgerechnet. Wir werden sehen, denn wir können nicht sagen, wie in zehn oder 20 Jahren die Steuereinnahmen sind, das ist nicht realistisch vorherberechenbar.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das war die Erwiderung von Herrn Krauß, meine Damen und Herren. Wir sind noch in der 2. Aktuellen Debatte und setzen mit der Aussprache fort. Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Dr. Pinka. Sie haben das Wort, Frau Dr. Pinka.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als vor 300 Jahren der Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz kein Holz mehr hatte, um seine Hütten und seinen Bergbau zu betreiben, wurde in England bereits Kohle abge

baut, und es begann eine große Industrierevolution in Europa, die etwa vor 150 bis 200 Jahren nach Deutschland überschwappte. Es entstanden neue Industrieproduktionen, die ganze Gesellschaft änderte sich, es entstand neue Not, und schließlich gab es eine Organisation, die sich der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein nannte: ein Verein, vor 150 Jahren von Lasalle gegründet, der sich den sozialen Problemen der Arbeiterinnen und Arbeiter widmete.

Sie werden fragen, was das mit der Aktuellen Debatte zu tun hat. Mir war es trotzdem noch einmal wichtig zu sagen, wo die SPD ihre Wurzeln hat, dass sie vor 150 Jahren mit einer Energie- und Industrierevolution verbunden war und dass sie sich den sozialen Nöten der armen Bevölkerung und der Arbeiterbewegung gewidmet hat. Die Frage ist doch: Ist sie heute – und ist sie zum Beispiel mit diesem Koalitionsvertrag – immer noch in der Lage, diese Vertretung nachzuweisen?

Es ist mir wichtig, das am Anfang zu sagen. Ich möchte – anders als die Vorredner – noch einmal bestimmte einzelne Dinge des Koalitionsvertrages auf ihre Wirkung nach Sachsen beleuchten. Zu Beginn möchte ich Herrn Freese – SPD-Mitglied, Bundestagesabgeordneter, VattenfallAufsichtsrat – zitieren, der ganz stolz auf den Satz im Koalitionsvertrag ist: „Die konventionellen Kraftwerke – Braunkohle, Steinkohle, Gas – als Teil des nationalen Energiemixes sind auf absehbare Zeit unverzichtbar.“

Für mich ist das ein relativ unreflektiertes Beharren auf der Braunkohleverstromung, obwohl Sie in Sachsen andere Zielstellungen haben. Sie haben sich selbst eine Perspektive gesetzt. Außer vielleicht von Herrn Jurk habe ich von Ihnen immer gehört, dass Sie auch gern in ein neues Energiezeitalter wechseln wollen, vielleicht nicht ganz so ambitioniert wie die GRÜNEN und wir. Aber immerhin: Sie hatten sich ein Ziel gesetzt.

Jetzt schaue ich in den Koalitionsvertrag in den Bereich der für uns in Sachsen wichtigen erneuerbaren Energien Windkraft und Geothermie. Was finde ich? Vorschläge für eine Länderöffnungsklausel in der Baugesetzgebung! Ich habe am Anfang gesagt: Huch, das ist von der SPD? War das nicht von der FDP?

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Hat nicht Herr Tillich im Sommer dieses Jahres versucht, die Baugesetzgebung zu ändern? Was kommt dann auf uns in Sachsen zu? – Dann können wir wohl alle unsere Windenergiepotenziale streichen! Dann können wir unseren Landesentwicklungsplan überhaupt nicht mehr umsetzen! Das haben Sie in Berlin unterschrieben! Ich muss sagen: Ich bin bitter enttäuscht; denn das ist ein Punktsieg für rückwärtsgewandte Politik! Das sollen wir in Sachsen auch noch umsetzen!

Es gibt auch noch Dinge, die nicht im Koalitionsvertrag stehen, zum Beispiel die für Sachsen wichtige Geothermie. Herr Staatsminister Kupfer sagt zu Recht, dass die Geothermie nicht genannt wird, hat einen ganz banalen Grund: Beide Seiten konnten in diesem Bereich keine

Einigung erzielen. Wer hat da gewonnen? – Weder die CDU noch die SPD, und verloren hat nur die Energiewende!

Für uns ist die Geothermie – wir wollten gern ein Petrothermalkraftwerk in Schneeberg entwickeln – ein Verlust. Wenn das nicht gefördert wird, können wir das streichen. Das haben Sie unterschrieben!

Die Ziele im Klimaschutz sind nicht ambitionierter als die der Vorgängerregierung. Der Ausbaukorridor bei erneuerbaren Energien sinkt sogar unter die Ausbauziele des Umweltbundesamtes von 2012. Was in der Strompreisentwicklung im Koalitionsvertrag formuliert ist, bleibt alles nur vage formuliert. Das ist für mich nicht detailliert ausformuliert. Bis Ostern wollen Sie das EEG novellieren. Was soll ich denn jetzt noch resümieren? Etwas Positives? – Tut mir leid. Das einzig Positive, das ich vielleicht noch finden kann: Sie haben sich zumindest einen Staatssekretär an die Seite gestellt, bei dem man vielleicht hoffen kann, dass der Rückschritt nicht ganz so dramatisch wird, wie ich das dem Superminister Gabriel jetzt zutraue.

(Beifall bei den LINKEN – Martin Dulig, SPD: Wenn Sie uns jetzt gelobt hätten, wäre ich misstrauisch geworden!)

Das war Frau Dr. Pinka für die Fraktion DIE LINKE. Es gibt eine Wortmeldung am Mikrofon 5. Herr Krauß, Sie wünschen?

Ich möchte noch einmal auf Sachsen eingehen, was die Energiepolitik betrifft.

Als Kurzintervention?

Ja, auf Frau Dr. Pinka, weil sie das angesprochen hat.

Wir reden in der Braunkohle allein in der Lausitz über 8 000 gut bezahlte Jobs, die wir erhalten wollen. Uns geht es nicht darum, die Zahl der Arbeitslosen zu erhöhen, wie das offensichtlich Ihr Ziel ist. Wir wollen, dass Leute in gut bezahlten Jobs bleiben.

(Unruhe)

Übrigens: Fragen Sie doch einmal Ihren Wirtschaftsminister in Brandenburg (DIE LINKE), der das genauso sieht wie ich. Ich würde mir diesen Realismus wünschen, dass es nicht darum geht, Arbeitslose zu schaffen, wie das offensichtlich Ihr Ziel ist, sondern dass es darum gehen muss, wie wir gut bezahlte Arbeitsplätze bei uns in der Region erhalten können. Dass sie notwendig sind, hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Garzweiler-Urteil erst wieder bewiesen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das war die Kurzintervention von Herrn Krauß. – Frau Dr. Pinka, möchten Sie erwidern?

Es wird nicht besser davon, dass Sie immer wiederholen, dass wir Jobs vernichten wollen.

(Christian Piwarz, CDU: Aber es stimmt!)

Sie wissen ganz genau, dass wir Braunkohleverstromung bis 2040 in unserem Parteiprogramm niedergeschrieben haben. Wir wollen bis dahin einen Strukturwandel in der Lausitz vollziehen. Dazu brauchen wir anders geartete Vorstellungen als Sie. Sie führen alle Gewinne aus der Braunkohleverstromung aus dem Lande ab. Das ist die Realität! Sie haben kein Geld zur Verfügung und Sie tun nichts dafür, um davon wegzukommen. Sie manifestieren mit Ihren Vorstellungen die Devastierung der Lausitz.

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Das ist die Tatsache! – Herr Krauß, das wird doch nicht besser, wenn Sie es erschreien!

(Alexander Krauß, CDU: Das muss man doch mal sagen!)

Wir brauchen in der Lausitz einen Strukturwandel. Dafür kann ich bei Ihnen keine Vorstellungen nachlesen. Durch das, was Sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, wird das noch manifestiert. Das ist meines Erachtens der wirkliche Dolchstoß für die Lausitz!

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Brangs?

Eine Kurzintervention auf die Rede von meiner geschätzten Kollegin Pinka.

Sie haben schon zwei.

Wirklich?

Einen kleinen Moment, ich muss einmal fragen.

Schade. Haben wir noch Redezeit?

Herr Brangs, Sie haben noch zwei Minuten.