Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

Eines muss man allerdings auch sehr deutlich machen, liebe Frau Falken – das haben Sie ziemlich einseitig dargestellt –: Wir sind bei Weitem noch nicht bei Tarifverhandlungen; es finden Sondierungsgespräche statt, in denen auch seitens der Gewerkschaften die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt werden.

Man kann genauso wenig außer Blick lassen, dass 50 % der Beschäftigten nach Umfragen des Kultusministeriums ohnehin keine Vollzeit anstreben, sondern auch mit Teilzeit sehr zufrieden wären.

Meine Damen und Herren, wir werden uns dieser Entwicklung stellen. Sie können davon ausgehen – das wissen unsere Lehrerinnen und Lehrer, auch unsere jungen Kollegen –, dass wir weiterhin dafür Sorge tragen werden, diesen Bildungsstandort Sachsen zu stabilisieren. Er ist nicht gefährdet, auch wenn Sie das zum wiederholten Male herbeireden wollen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Für die Fraktion der CDU sprach Herr Kollege Colditz. – Als Nächste bitte ich die SPD-Fraktion, Frau Kollegin Stange.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Colditz, dass Sie sich hier hinstellen und sagen können, dass wir einen leistungsstarken Bildungsstandort haben – die anderen Attribute lasse ich einmal weg –, hängt nicht vordergründig damit zusammen, dass Millionen in den Schulhausbau gesteckt worden sind, sondern damit, dass die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen hervorragende Arbeit leisten.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Ich will noch eines richtigstellen: Meines Wissens gibt es noch keine Sondierungsgespräche; sie werden erst dann geführt, wenn sich die Gewerkschaften bereit erklärt haben, überhaupt Tarifverhandlungen zu führen, und das sehe ich derzeit nicht.

Es sind eine ganze Reihe neue, jüngere Abgeordnete hier im Raum, und deswegen will ich an einen Punkt, den Cornelia Falken bereits angesprochen hat, anknüpfen, weil ich glaube, es ist medial heute noch nicht richtig

herübergekommen: Wir betreiben in Sachsen in den Schulen, in den Schulhäusern seit 1990 einen Stellenabbau. Seit 1992 haben sich die Kolleginnen und Kollegen bereit erklärt, solidarisch zu sein – dieses Wort wird ja gern in den Mund genommen –, um zum damaligen Zeitpunkt circa 5 000 Stellen zu retten. Wir haben heute, seit 1990, eine Halbierung unserer Lehrerstellen zu verzeichnen: von ursprünglich ungefähr 55 000 auf heute 27 600 Stellen, und zwar überwiegend dadurch, dass sich Lehrerinnen und Lehrer in allen Schularten, mit Ausnahme der Förder- und Berufsschulen – bisher, muss man sagen –, bereit erklärt haben, durch Teilzeitvereinbarungen das Schlimmste im Schulbereich abzufedern.

Ich will Ihnen das an einem Beispiel deutlich machen: 1997 wurde eine Grundschulteilzeitvereinbarung abgeschlossen. Diese hat dazu geführt, dass die Kollegen bis auf 57 % ihrer Arbeitszeit und des Einkommens heruntergegangen sind. Elf Jahre Teilzeit heißt zukünftig auch Verlust an Renteneinkommen, nicht nur Verlust an Einkommen im Lebensalltag.

Was aber wichtig ist zu diesem Zeitpunkt – wir haben es bewusst unter dem Gesichtspunkt der Solidarität und der Sicherung von Arbeitsplätzen gemacht –: Damit wurden gleichzeitig die Solidarsysteme extrem entlastet. Nicht nur, dass Kolleginnen und Kollegen ihren Arbeitsplatz erhalten haben, sondern wir haben auch eine Schwächung der Solidarsysteme – sprich: Arbeitslosenkassen – und alles, was damit zusammenhängt, was wir aus dem Erzieherinnenbereich kennen, bis hin zu Sozialhilfeempfängern oder heute Hartz-IV-Empfängern, verhindern können. Das ist für die Gemeinschaft ein riesiger Beitrag, der von den Kolleginnen und Kollegen geleistet wurde.

Warum führe ich das an: weil im nächsten Schritt – das war die dritte Teilzeitvereinbarung, die abgeschlossen wurde, diesmal unter den Bedingungen eines Tarifvertrages, 2005 – sehr wohl planbar war, und nicht erst, Herr Colditz, im Januar 2010, dass ab Sommer 2010 diese Teilzeitvereinbarung definitiv ausläuft. Das war planbar. Ich weiß nicht, ob man auf ein Wunder gewartet hat, dass die Kollegen eventuell freiwillig weiter in Teilzeit bleiben, wenn man erst 2010 darüber nachdenkt, eine Lösung zu finden.

Lassen Sie mich den Bogen zu dem spannen, was wir derzeit parallel dazu diskutieren, nämlich die Frage, wie es uns gelingt, in den nächsten Jahren, ab 2013 bis 2020, die circa 15 000 offenen Stellen im Lehrerbereich wieder zu besetzen. Was wir heute machen, indem wir in Sachsen den Lehrerberuf zum Teilzeitberuf deklariert haben, führt dazu, dass die jungen ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer nach Baden-Württemberg, nach Brandenburg oder in andere Länder abwandern. Wenn Sie jetzt nicht ganz schnell reagieren – dies geht sowohl an die Adresse von Herrn Wöller als auch an den Finanzminister, der meines Wissens tatsächlich nur für den finanziellen Rahmen, nicht für den inhaltlichen zuständig ist –, dann werden wir ab 2012/2013 bereits in den Grundschulen – nicht in den Naturwissenschaften, sondern in den Grundschulen – zu

spüren bekommen, dass sich junge Menschen von den Schulen in Sachsen abgewendet haben. Dann, Herr Colditz, wird es nicht mehr lange dauern, bis wir die Auswirkungen auf den leistungsstarken Bildungsstandort Sachsen zu spüren bekommen, wenn dann nämlich die größeren Klassen und die größeren Lücken bei der Lehrerversorgung eintreten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Für die SPD-Fraktion sprach Frau Kollegin Stange. – Als Nächste die FDPFraktion mit Herrn Kollegen Bläsner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Dr. Stange, Sie haben zu Recht darauf verwiesen, dass die Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen in den letzten 18 Jahren den Geburtenrückgang am eigenen Einkommen und an der Arbeitszeit zu spüren bekommen haben. Vorausgegangen waren immer sehr schwierige, oftmals auch sehr umstrittene, aber letztlich gemeinsame Entscheidungen von Staatsregierung und Lehrerverbänden. Diese Entscheidungen haben dazu beigetragen, dass Sachsen trotz der demografischen Entwicklung die Qualität nicht nur halten konnte, sondern dass diese ausgebaut werden konnte.

(Beifall bei der FDP und ganz vereinzelt bei der CDU)

Sachsen ist Bildungsland Nummer eins in Deutschland. Dafür gilt insbesondere den Lehrern, die in den letzten Jahren auf vieles verzichtet haben, unser Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Aber die vergangenen Jahre haben auch Spuren hinterlassen. Es gab wenige Neueinstellungen, die Ausbildungszahlen sind zurückgegangen, das Durchschnittsalter in den Lehrerzimmern ist gestiegen. Mehr als die Hälfte der Gymnasial- und Mittelschullehrer ist älter als 50 Jahre, und was wir derzeit noch an Überversorgung haben, wird schon bald zum dringend benötigten Bedarf.

Es gibt verschiedene Anfragen, verschiedene Berechnungen, aber fest steht, dass ab 2015 teilweise über tausend neue Lehrer gebraucht werden. Das ist mehr, als wir derzeit ausbilden, und es zeigt und es erfordert, dass wir trotz der schwierigen Haushaltslage, trotz des derzeit vorhandenen Überangebotes schon jetzt möglichst viele junge Lehrer einstellen. Das kommt fast der Quadratur des Kreises gleich und zeigt, wie schwierig es ist, Lösungen zu finden. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns alle Optionen offenhalten. Es wäre eben kurzsichtig, Frau Falken, wenn wir diese Option nicht prüfen würden, sondern es ist verantwortungsvoll, es zu tun.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich bin auch froh, dass die Lehrerverbände zumindest für Diskussionen bereit sind. Ich hoffe, dass man letzten

Endes zu einem Ergebnis kommt und dass beide Seiten zu Kompromissen bereit sind, und ich gehe davon aus, dass parteiübergreifend bei den Lehrerverbänden und bei der Staatsregierung das Ziel besteht, die Lehrerversorgung in Zukunft absichern zu wollen; denn an diesem Ziel, das steht fest, muss sich Bildungspolitik messen lassen. Wir brauchen über Qualität nicht zu reden, wenn der Lehrer nicht vor der Klasse steht. Das ist die Grundaufgabe, die wir zu erfüllen haben.

Wir müssen deswegen trotz Haushaltsproblemen und trotz des berechtigten Wunsches der Rückkehr in die Vollzeit schon jetzt dafür sorgen, den Lehrerbedarf für 2014/2015 abzusichern. Wir brauchen ausreichend Neueinstellungen und genügend Stellen für Lehrerreferendare, und wir brauchen mittelfristig attraktive Bedingungen, damit die besten Lehrer auch weiterhin in Sachsen unterrichten wollen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank. Für die FDP-Fraktion sprach Kollege Bläsner. – Für die Fraktion GRÜNE spricht Frau Kollegin Giegengack.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Auch ich bin Lehrer, aber ich rede hier nicht in eigener Sache, denn ich gehöre zu den sogenannten Akkordlehrern, also den Lehrern, die frei arbeiten, überwiegend an Fachschulen, in den Berufsakademien, gegen Honorar. Viele von uns kennen sich, wir empfehlen uns gegenseitig, und wir werden durchaus gern genommen. Wir kommen überwiegend aus der Praxis, wir sind flexibel einsetzbar und wir sind „relativ“ billig, denn bei uns werden nur die Präsenzstunden bezahlt. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass ich diese Debatte etwas kritischer als andere sehe.

In zeitlicher Hinsicht befinden wir uns – es wurde schon angesprochen – mitten in den Sondierungsgesprächen zwischen der GEW und dem Finanzministerium. Der Zeitpunkt der Debatte ist durchaus Programm. Ich glaube, das Thema war Programm auch im letzten Plenum, als wir über die Eingruppierung der Lehrer gesprochen haben.

Keine Frage: Im Moment befinden wir uns in einer unmöglichen Situation. Alle fragen sich: Kann das SMF bzw. das SMK nicht rechnen, wenn wir von 96 Millionen Euro Mehrausgaben ausgehen müssen? Oder haben sie einfach zu hoch gepokert? Die Zahlen der Kinder waren bekannt, die Zahlen der Lehrer waren bekannt, das Alter der Lehrer ist bekannt. Die Mitglieder des Schulausschusses bekommen Tabellen vorgelegt, die bis ins Letzte dezidiert deutlich machen, wer bei uns an welchen Schulen tätig ist.

Wenn man einen solchen Bezirkstarifvertrag abschließt, dann muss man über den Zeitraum von fünf Jahren hinausdenken, damit man nicht dann, wenn der Tarifvertrag ausläuft, plötzlich vor der Frage steht: Hoppla, was

mache ich denn jetzt? Kann ich überhaupt bezahlen, was ich zugesichert habe? – Das ist die eine Seite.

Auf der anderen Seite muss man wissen, dass der Bezirkstarifvertrag nicht nur die Unterschrift des damaligen Finanzministers trägt. Er trägt auch die Unterschriften der Arbeitnehmervertreter. Es stellt sich natürlich die Frage, ob sie nicht nachgerechnet haben, was sie unterschrieben haben, oder ob sie auch hoch gepokert haben, vielleicht in der Hoffnung: Wenn das einmal unterschrieben ist und die andere Seite uns das zusichert, dann gehen wir alle nach fünf Jahren wieder auf 100 %.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob die Lehrerteilzeit tatsächlich ein Politikum ist und hier in das Plenum gehört. Entscheiden sich die Bildungschancen unserer Kinder tatsächlich an diesem Tarifvertrag? Ich denke, das ist nur bedingt der Fall. In unserem Schulsystem bleiben nämlich viele Parameter erhalten, die wir – ich glaube, berechtigterweise – kritisieren, Frau Dr. Stange und Frau Falken, und gegen die wir im Ausschuss immer wieder angehen: Das frühzeitige Aussortieren, die mangelnde Autonomie der Schulen, die nicht ausreichende Berücksichtigung des Elternwillens – all das bleibt. Das sind aber die wesentlichen Punkte, an denen sich die Bildungschancen unserer Kinder entscheiden.

Es stellt sich ferner die Frage, ob mit dem Tarifvertrag das Lehrerproblem der Zukunft nachhaltig gelöst werden kann. Es ist schon angesprochen worden: Es wird schwierig, wenn alle Lehrer auf 100 % gehen, wobei allerdings schon um die 50 % der Lehrer gesagt haben, sie wollten darauf verzichten.

Grundsätzlich bleibt es ein knallharter Tarifstreit, eine knallharte Tarifauseinandersetzung zwischen Herrn Prof. Unland und Frau Gerold. Ich denke, auf diese Feststellung kann man es verkürzen. So, wie ich Sabine Gerold kenne, gehe ich davon aus, dass sie sich in keiner Weise die Butter vom Brot nehmen lässt und die Sache für die Lehrer ordentlich durchzieht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war Frau Kollegin Giegengack für die Fraktion der GRÜNEN. – Für die NPD-Fraktion spricht Herr Abg. Gansel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in den folgenden fünf Minuten nicht nur auf Lehrertarifverträge eingehen, sondern das Thema insgesamt weiter fassen.

Ich möchte daran erinnern, dass es gerade einmal anderthalb Jahre her ist, dass der Kultusminister eine salbungsvolle Fachregierungserklärung zur Zukunftsfähigkeit des Bildungsstandortes Sachsen abgegeben hat. Herr Wöller geriet unter Verweis auf den ersten Sächsischen Bildungsbericht geradezu ins Schwärmen und bezeichnete Sachsen als „leistungsstarkes Bildungsland“. Er ging noch etwas weiter und sprach sogar von Sachsen als „Musterland“.

Als „bildungspolitisches Musterland“ können wir den Freistaat Sachsen definitiv nicht bezeichnen. Es muss aber eingeräumt werden, dass die Bildungslandschaft in Sachsen nach wie vor, trotz aller Sparpolitik, immer noch tragfähiger ist als in vielen anderen Bundesländern, was schlicht und ergreifend damit zusammenhängt, dass man in Sachsen von linken Bildungsexperimenten Abstand genommen hat.

Diese Tragfähigkeit der sächsischen Bildungslandschaft muss allerdings als zeitlich befristet gelten; denn das Versagen des Finanzkapitalismus hat zu einer massiven Wirtschaftskrise geführt, die überall die Steuereinnahmen sinken und die Sozialausgaben steigen lässt. Ich möchte für die NPD noch einmal ganz klar die Hauptschuldigen der Finanzmisere, an deren Symptomen wir herumkurieren, benennen: Das hemmungslose Treiben internationaler Banker und Spekulanten hat in letzter Konsequenz zu den krassen Mindereinnahmen geführt, die wir jetzt auch in Sachsen zu beklagen haben. Ich spreche hier von sächsischen Mindereinnahmen in der Größenordnung von 1,7 Milliarden Euro.

Da stellt sich die bange Frage, was nach der Rotstiftpolitik der neoliberalen Sparkommissare von der vielgerühmten sächsischen Bildungslandschaft noch übrigbleiben wird. Unserer Auffassung nach besteht die Gefahr, dass sie versteppen und den jungen Sachsen weitere Lebenschancen nehmen wird. Allein das CDU-regierte Dresden hat bereits angekündigt, die Sanierung von 20 Schulen verschieben zu wollen.

Erinnern wir uns an das, was Herr Wöller in seiner Fachregierungserklärung vor anderthalb Jahren alles verkündete, und vergleichen wir es mit dem traurigen IstZustand. Dann bekommen wir eine leise Ahnung davon, was vom Bildungsland Sachsen übrig bleiben wird, wenn die massiven Einsparungen Platz gegriffen haben, die vor dem Hintergrund des 1,7-Milliarden-Euro-Defizits zu sehen sind.

2008 schien die Anpassung des Schulnetzes an die Schülerzahlen in Grundschulen, Mittelschulen und Gymnasien weitgehend abgeschlossen, während sie bei den berufsbildenden Schulen noch am Anfang stand. Schon damals kritisierte die NPD, dass die starren Vorgaben zu Klassenstärken und Mehrzügigkeit einer wohnortnahen Beschulung entgegenstehen. Diese fatale Entwicklung dürfte nun weitergehen.

Der Minister kündigte vor anderthalb Jahren auch schulische Qualitätsverbesserungen an. Er nannte konkret den Bau von neuen Schulhäusern und Sportstätten und gelobte Neuanschaffungen im Bereich der Kommunikations- und Informationstechnik. Doch auch diesen Ankündigungen dürften angesichts der Finanznot keine Taten folgen.

Auch von den gefeierten Ganztagsangeboten wird allenfalls eine Sparversion unter Einsatz von Ein-Euro-Kräften anstelle von ausgebildeten Pädagogen übrig bleiben. Die als Feigenblatt der Ganztagspädagogik herhaltenden Fördermöglichkeiten für Schüler mit Bildungsdefiziten