Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

gehört aus dem Zwielicht herausgeholt. Deshalb ist es gut, dass die Kennzeichnung jetzt verpflichtend geregelt wird.

Über die konkrete Ausgestaltung kann man sicherlich geteilter Meinung sein. Die Länder haben sich darauf verständigt, bei der Kennzeichnungspflicht die Ausnahmeregelung der EU-Richtlinie in Anspruch zu nehmen. Sie gehen damit bewusst über eine Eins-zu-einsUmsetzung der EU-Vorgaben hinaus. Insbesondere bei der Ausstrahlung von Fremdproduktionen kann der Aufwand zur Ermittlung von Produktplatzierungen jedoch äußerst aufwendig werden.

Wie die einheitliche Kennzeichnung aussehen wird, sollen die Rundfunkanstalten der ARD, das ZDF und die Landesmedienanstalten festlegen. Wir hoffen auf praxis- und branchentaugliche Regelungen. Die Liberalisierung der Werbevorgaben ist ein sinnvoller Schritt – weg von den starren Vorgaben und mehr Möglichkeiten, um Werbung flexibel zu platzieren.

In diesem Sinne stimmen wir der Beschlussvorlage des Ausschusses zu.

Die Regierungschefs der Länder haben im November des letzten Jahres den 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag unterzeichnet. Das uns heute vorliegende Gesetz setzt die Regelungen dieses Staatsvertrages in Landesrecht um und nimmt die in der Folge notwendigen Änderungen im Sächsischen Privatrundfunkgesetz vor. Die Änderungen sind rein redaktioneller Art.

Darüber hinaus wird eine weitere Regelung vorgenommen: Es wird die Verbreitungsmöglichkeit für Hörfunk über die analog-terrestrische Mittelwelle über den 31. Dezember 2009 hinaus ermöglicht. Der Änderungsantrag der

CDU-Fraktion zu diesem Gesetz stellt dieses Ziel durch eine klarstellende Formulierung sicher.

Mit dem 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag setzen die Länder im Wesentlichen die geänderte sogenannte Fernsehrichtlinie der EU – soweit ihr Zuständigkeitsbereich berührt ist – in Länderrecht um.

Lassen Sie mich die wichtigsten Inhalte kurz darstellen:

Bei Kindersendungen soll nach deutschem Recht nach wie vor eine Unterbrechung durch Werbung nicht möglich sein. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk werden die bereits geltenden strengen Werbebestimmungen beibehalten.

Neu eingeführt wird der Begriff der Produktplatzierung. Im privaten Rundfunk sind Produktplatzierungen grundsätzlich zulässig. Allerdings muss dies eindeutig zu Beginn und am Ende der Sendung sowie bei Werbepausen gekennzeichnet werden. Produktplatzierungen in Eigenproduktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden dagegen im Staatsvertrag verboten.

Produktionshilfen – das sind unentgeltliche Produkt-Platzierungen – werden für Nachrichtensendungen, Sendungen zum politischen Zeitgeschehen, Ratgeber- und Verbrauchersendungen, Sendungen für Kinder oder Übertragungen von Gottesdiensten sowohl für den öffentlich-rechtlichen als auch für den privaten Rundfunk grundsätzlich verboten.

Im Hörfunk gelten grundsätzlich die gleichen Grundsätze zu Produktplatzierungen wie im Fernsehen.

Alle Bestimmungen zu Produktplatzierungen gelten nur für Produktionen nach dem 19. Dezember 2009. Bei fernsehähnlichen Telemedien, also Internetangeboten, gelten im Wesentlichen dieselben Bestimmungen wie für Fernsehen in abgestufter Form.

Über die Umsetzung der Fernsehrichtlinie hinaus wird Folgendes geregelt:

Die Fördermöglichkeiten der Landesmedienanstalten für die technische Infrastruktur aus der Rundfunkgebühr werden bis ins Jahr 2020 verlängert.

Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird nach Maßgabe des Landesrechts ermöglicht, dass jede ARD-Anstalt zusätzlich so viele digitale terrestrische Hörfunkprogramme veranstalten kann, wie sie Länder versorgt.

Dem Staatsvertrag ist eine Protokollerklärung aller Länder beigefügt. Danach beabsichtigen die Länder, zeitnah die bestehenden Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt im Fernsehen und zum Medienkonzentrationsrecht zu überprüfen. In diese Prüfung sollen auch Regelungen einbezogen werden, die insbesondere in Ländern ohne regionale Fenster – dazu gehört auch Sachsen – zur Vielfalt der lokalen und regionalen Rundfunkangebote beitragen können.

Dem Staatsvertrag ist eine Protokollerklärung zum Schutz der Produzenten vor Einflussnahmen aus der Werbewirtschaft im Bereich Product-Placement beigefügt.

Die Staatsregierung ist dem federführenden Ausschuss dafür dankbar, dass er mit einem konzentrierten Beratungsverfahren dazu beigetragen hat, das Inkrafttreten des Regelwerks sicherzustellen und damit ein klares Zeichen in Richtung Brüssel zu senden, dass in Sachsen Rundfunkpolitik gemacht wird.

Ich bitte Sie um die Zustimmung zum Gesetz zum 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung des Sächsischen Privatrundfunkgesetzes in der Form des Änderungsantrags.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 3

2. Lesung des Entwurfs Gesetz zum Schutz der Beschäftigten im öffentlichen Dienst vor genetischen Diskriminierungen im Freistaat Sachsen

Drucksache 5/406, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/1495, Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses

Die Fraktion GRÜNE hat nun das Wort; Herr Abg. Lichdi, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf Landesbeamtinnen und -beamte, Richter(innen) und Bewerber(innen) auf Beamten- und Richterstellen im Freistaat genauso vor genetischen Untersuchungen und Diskriminierungen schützen wie Arbeitnehmer(innen), Beamtinnen und Beamte und Soldatinnen und Soldaten des Bundes, zu deren Schutz seit dem 1. Februar 2010 das Gendiagnostikgesetz gilt.

Das Gendiagnostikgesetz des Bundes enthält ein Verbot für den Arbeitgeber, vor und während des Arbeitsverhältnisses genetische Untersuchungen durchzuführen oder bei der Einstellung die Ergebnisse genetischer Untersuchungen zu verlangen. Beschäftigte dürfen wegen ihrer genetischen Veranlagung nicht benachteiligt werden, und zwar auch dann nicht, wenn sie einen Gentest verweigern. Zudem sieht das Gendiagnostikgesetz einen Entschädigungsanspruch für Betroffene und Sanktionsmöglichkeiten vor. Verstöße können mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. Gemäß § 22

gelten diese Vorschriften nur für die öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse des Bundes. Nicht vom Wortlaut umfasst und damit aus dem Schutzbereich ausgenommen sind also Richter und Beamte der Länder.

Eine entsprechende gesetzliche Regelung auf Landesebene ist nach unserer festen Überzeugung erstens geboten; denn es gibt keine sachlichen Gründe dafür, dass Landesbeamte nicht den gleichen Schutz genießen sollten wie Bundesbeamte und Arbeitnehmer. Zweitens ist das Gesetz auch auf Landesebene erforderlich, da es sich eben um keine planwidrige Regelungslücke im Gendiagnostikgesetz handelt.

Gegen die Einbeziehung der Landesbeamten in das Gendiagnostikgesetz sprach die fehlende Gesetzgebungskompetenz; denn Beamtenrecht ist seit der Föderalismusreform 2006 allein Sache der Länder.

Die vorliegende Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses zielt auf Ablehnung unseres Gesetzentwurfs. SPD und Linke haben unserer Initiative zugestimmt und der Sächsische Datenschutzbeauftragte, Herr Schurig, hat sie ausdrücklich begrüßt. Der Koalition dagegen sind die Auswirkungen von Gentests im Arbeitsleben wohl egal.

Worum geht es? – Arbeitgeber wollen gesunde und robuste Bewerberinnen und Bewerber einstellen, die Wahrscheinlichkeit von Arbeitsausfällen und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall soll minimiert werden. Bei genetischen Untersuchungen geht es um die Feststellung erblicher Anlagen, um Prognoseentscheidungen treffen zu können: Hat der Bewerber etwa eine genetische Vorbelastung für bestimmte Krankheiten? Ein Gesundheitscheck liefert kein vollständiges Bild über Krankheitsursachen. Anders der Gentest. Die dort ermittelten Daten und Ergebnisse gelten ein Leben lang.

Genetische Auffälligkeiten vermindern damit die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, und zwar dauerhaft. Zudem wird das verfassungsmäßige Recht des Arbeitnehmers auf Nichtwissen verletzt, etwa dass man „gute Aussichten“ hat, weit vor dem Renteneintrittsalter an einer unheilbaren Krankheit zu sterben.

Justizminister Dr. Martens, der jetzt unserer Debatte nicht folgt, hat während der Ausschussberatung eine Schutzlücke bestritten. Genetische Untersuchungen seien bereits bisher nicht erlaubt. Fakt ist: Es gab bis zum Inkrafttreten des Gendiagnostikgesetzes keine klare gesetzliche Regelung, die diese verbietet. Die Zulässigkeit medizinischer Untersuchungen ergab sich aus der Abwägung zwischen den berechtigten Interessen des Arbeitgebers und dem aus Artikel 2 in Verbindung mit Artikel 1 des Grundgesetzes geschützten Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten. Die Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers gilt jedenfalls nicht, wenn in unbegrenzter Weise personenbezogene medizinische Daten erfragt werden.

Aber, meine Damen und Herren, aus diesen Grundsätzen der Rechtsprechung kann wohl kein Verbot von Gentests hergeleitet werden. Zwingend ist es jedenfalls nicht und

die Rechtsprechung und bisherige Rechtsentwicklung beweisen dies auch. Hier sei nochmals der Fall erwähnt, der damals die öffentliche Debatte ausgelöst hatte. Einer Lehrerin wurde in Hessen die Verbeamtung verwehrt, weil ihr Vater an Chorea Huntington litt. Behördlicherseits wurde ihr die gesundheitliche Eignung abgesprochen, weil sie diese Anlage haben könnte. Sie hatte sich geweigert, die genetische Anlage durch Gentests feststellen bzw. ausschließen zu lassen.

Zwar können Einstellungsuntersuchungen und Gentests nur mit Einwilligung des Betroffenen erfolgen, aber die Krux liegt hier im Abhängigkeitsverhältnis. Der Bewerber riskiert eben, den Arbeitsplatz nicht zu erhalten. Dass Gesetzeslücken ausgenutzt werden, zeigen die Gentests von Mercedes, die im vergangenen Herbst öffentlich wurden. Das Gendiagnostikgesetz war schon seit Juni verkündet, aber eben noch nicht in Kraft. Für uns ist es nicht außerhalb jeder Vorstellungskraft, dass sich der Staat irgendwann einmal auch dieser Mittel bedienen könnte, um nur die besten, gesundheitlich unbelasteten und leistungsfähigsten Bewerber in seinen Dienst zu nehmen.

Noch einige technische Schlussbemerkungen. Unserem Gesetzentwurf wurde entgegengehalten, dass der bessere Platz das Sächsische Beamtengesetz sei. Uns erschien die Einfügung in das Datenschutzgesetz vorzugswürdig, um der Gefahr zu entgehen, dass für Bewerberinnen und Bewerber eine Schutzlücke bleibt. Sie haben eben noch nicht den Status von Beamtinnen und Beamten nach dem Beamtengesetz. Eine Vorschrift zum Schutz unberechtigter Datenerhebung von Bewerberinnen und Bewerbern für den öffentlichen Dienst findet sich bereits jetzt im Sächsischen Datenschutzgesetz. Eine systematische Einordnung an dieser Stelle erschien uns daher vorzugswürdig.

Schließlich wandte die Koalition ein, dass die von uns beabsichtigte dynamische Verweisung auf das Gendiagnostikgesetz des Bundes abzulehnen sei. Uns geht es aber gerade darum, das identische Schutzniveau für Bundes- und Landesbeamte sicherzustellen. Wir wollen diesen Gleichklang durch dynamische Verweisung erreichen.

Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Die CDUFraktion, bitte; Herr Abg. Schiemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte mich mit aller Freundlichkeit auf diese heutige Rede vorbereitet, hatte aber bei meinem Vorredner den Eindruck, dass entweder sein Redenschreiber nicht bei der Sitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses dabei gewesen ist oder dass das Gedächtnis von Kollegen Lichdi schon so kurz geworden ist, dass er sich nicht mehr erinnern kann, was in der Debatte im Verfassungs- und Rechtsausschuss stattgefunden hat.

(Christian Piwarz, CDU: Das ist eher ein Verdrängungsproblem bei Herrn Lichdi!)

Ich persönlich habe es nicht gern mit Ideologen zu tun – Ideologen, ja, doch –, weil ich meine Erfahrungen zu DDR-Zeiten gemacht habe. Aber, Herr Kollege Lichdi, Sie sollten auch bei der Wahrheit bleiben. Ich kann jedem hier im Hohen Haus nur empfehlen, sich die Beschlussempfehlung und den Bericht zur Beschlussempfehlung durchzulesen. Dann wird jeder, der nicht bei der Sitzung anwesend war, feststellen, dass keiner der Anwesenden die Frage des Themas in Abrede gestellt hat. Jeder, der im Saal war, auch Staatsminister Dr. Martens, hat deutlich gemacht, dass wir einen Regelungsbedarf haben.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Aha!)

Nicht „aha“. Sie waren, glaube ich, die ganze Zeit über da und Sie müssten sich das eigentlich auch in dieser Situation gemerkt haben.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat im Jahr 2009 nach einer sehr langwierigen Diskussion – die Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ hat bereits im Jahr 2000 begonnen, einen Diskussionsprozess auf den Weg zu bringen – das Gendiagnostikgesetz beschlossen.

Ich gehe davon aus, dass damit erstmals rechtliche Rahmenbedingungen für genetische Untersuchungen am Menschen festgelegt wurden. Dieses Bundesgesetz soll den Missbrauch von sensiblen genetischen Daten und eine mögliche Diskriminierung verhindern. Das begrüßen wir. Dabei reagierte der Deutsche Bundestag auf die fortschreitende Entwicklung in Biologie und Medizin und setzte gleichzeitig Grenzen bei der Nutzung von Ergebnissen der molekularen Genetik.