schrumpfenden Gesellschaft auch ökonomisch fragwürdig. Unterausgelastete Infrastrukturen müssen aufwendig betrieben und instand gehalten werden. Wer bezahlt dafür?
Gleichzeitig zum öffentlich geförderten Abriss von 80 000 Wohnungen entstanden 45 000 neue, oft auch gefördert mit öffentlichen Mitteln in randstädtischen Lagen. Unsere Initiativen, das zu stoppen, wurden regelmäßig belächelt und abgelehnt. Sie hätten es in der Hand gehabt, das zu verändern.
Bevor ich wieder höre, was alles nicht geht, nenne ich Ihnen abschließend noch wichtige Stichworte, wie Sie die bisherige Praxis ändern können: Nachverdichtung im Siedlungsbestand, Nutzung von Brachflächen, also Flächenrecycling, keine Kürzungen von Förderprogrammen, Entsiegelung mit ortsnahem Ausgleich. Programme mit solchen Schwerpunkten können die Flächenneuversiegelung stoppen.
Werden Sie konkret mit räumlich und zeitlich definierten Maßnahmen, mit konkreten finanziellen, personellen und rechtlichen Mitteln! Stimmen Sie unserem Antrag zu.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den Ausführungen von Frau Kallenbach muss ich meine Rede doch ein bisschen umstellen. Ich möchte erst einmal voranstellen, dass wir sogar im Grundsatzprogramm der sächsischen Union stehen haben, dass die Flächeninanspruchnahme auf unter 2 Hektar pro Tag reduziert werden soll. Das ist auch einhellige Meinung in dieser Koalition.
Ich habe aber vor, jetzt ein bisschen mit den Dingen, die Frau Kallenbach aus Sicht der Großstadt äußert, aufzuräumen. Erst einmal ist es wichtig, dass wir beim Thema Flächenversieglung definieren, was wir darunter verstehen.
In dem Antrag wird das häufig nicht deutlich gemacht, sondern es wird vermischt. Flächenversiegelung oder Bodenversiegelung heißt letztendlich, dass durch Bauwerke, die teilweise auch unterirdisch sein können, die Wasserdurchlässigkeit verhindert wird. Letztlich hat das auch Auswirkungen auf den Wasserhaushalt, auf Nährstoffeinträge und Ähnliches.
Deshalb ist es ein wichtiges politisches Ziel, und es muss auch deutlich gesagt werden, dass wir uns diesem Thema widmen müssen. Ich will mit ein paar Punkten, die Zuwächse betreffend, aufräumen, die Frau Kallenbach hier fälschlicherweise dargestellt hat.
Im Jahr 2012 hatten wir eine Siedlungs- und Verkehrsfläche von über 234 000 Hektar. In den letzten zehn Jahren gab es in der Tat einen Zuwachs um gut 10 %.
Aber 44 % dieser Fläche sind Erholungsflächen. Man muss bei dem gesamten Thema immer berücksichtigen, dass Siedlungs- und Verkehrsfläche nicht gleich bedeutet, dass das alles versiegelt ist und kein Wasser durchdringen kann. Dort sind auch Erholungsflächen und Hausgärten dabei. Das muss man alles berücksichtigen.
Wenn das Thema Verkehr angesprochen wird, dann geht mir manchmal – ehrlich gesagt – der Hut hoch. Ich bin sehr dankbar, dass wir Verkehrsinfrastruktur entwickeln, weil sie für uns im ländlichen Raum – ich komme aus dem Zittauer Bereich – sehr wichtig ist.
Sie ist wichtig, um die Lebensqualität und die Wirtschaftsfähigkeit im ländlichen Raum zu erhöhen. Ich bin dem Verkehrsminister sehr dankbar, dass er das Thema B 178 energisch vorantreibt. Ich gebe Ihnen aber recht, dass wir durchaus darüber nachdenken müssen, die eine oder andere Straße und Verkehrsinfrastruktur, die im Zusammenhang mit der Errichtung leistungsfähiger Netze vielleicht nicht mehr gebraucht wird, zurückzubauen. Aber Verkehrsinfrastruktur gänzlich auszuschließen, wie Sie es soeben gemacht haben, ist der völlig falsche Weg.
Herr Dr. Meyer, es gibt jetzt den Wunsch nach zwei Zwischenfragen. Möchten Sie die Zwischenfragen zulassen?
Zunächst habe ich eine Verständnisfrage und dann noch eine Nachfrage. Die erste Frage lautet: Geben Sie mir darin recht, dass, wenn bei den Siedlungs- und Verkehrsflächen die Erholungsflächen in der Statistik sind, es im am schlimmsten anzunehmenden Fall eine Flächeninanspruchnahme von 100 % Erholungsfläche sein könnte – bei 0 % Versiegelung – und dass das dann ein völlig sinnloses Instrument wäre? Geben Sie mir darin recht, dass das eintreten kann?
Ich kann Ihrer Rechnung intellektuell nicht ganz so schnell folgen. Es ist aber theoretisch möglich, dass die neuen Siedlungs- und Verkehrsflächen ausschließlich Erholungsflächen sind. Das ist denkbar. Das ist aber jetzt nicht der Fall. Ich wollte nur deutlich machen, dass der Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche fast zur Hälfte aus Erholungsflächen besteht. Es ist wichtig, das noch einmal deutlich zu machen.
Gut. Jetzt meine Nachfrage: Geben Sie mir recht, dass dann die Statistik möglicherweise geändert werden muss?
Frau Dr. Pinka, ich muss Herrn Dr. Meyer zunächst fragen, ob er noch eine zweite Frage zulässt. – Lassen Sie noch eine zweite Frage zu?
Sie gehört jetzt zum Verständnis dazu. Geben Sie mir recht, dass die Statistik dahin gehend geändert werden muss, dass wir Verkehrsflächen nach ihrem Versiegelungsgrad aufteilen?
Wir müssen den Begriff der Flächenneuinanspruchnahme klar definieren. Wenn man Flächenneuinanspruchnahme mit Bodenversiegelung
gleichsetzt, ist das ein Fehler, der auch im Antrag gemacht wird. Da reden wir jetzt noch gar nicht über die Statistik. Wenn in dieser Statistik die Begrifflichkeit klar definiert ist, dann wissen wir auch, welche Flächen diese umweltschädliche Bodenversiegelung tatsächlich ausweisen. Das ist im Antrag nicht deutlich zum Ausdruck gekommen und das ist, glaube ich, der Punkt, den Sie mit Ihrer Frage verdeutlichen wollen.
Verehrter Herr Kollege, die Zahlen, mit denen wir argumentieren, stammen ja aus dem Landesentwicklungsbericht der Regierung und basieren auf den statistischen Erhebungen des Landesamtes für Umwelt und Geologie. Halten Sie diese Statistiken und deren Zahlen für falsch?
Ich glaube, ich habe in der vorhergehenden Antwort auf die Frage von Frau Dr. Pinka deutlich gemacht, dass ich die Zahlen nicht für falsch halte. Wir müssen aber die Definition dieser Zahlen ganz klar berücksichtigen. Das sollten Sie von den GRÜNEN auch tun, wenn Sie Anträge formulieren, indem Sie klar und deutlich machen, wovon Sie sprechen.
Frau Kallenbach ist ja ein Stück weit darauf eingegangen, dass die Entsiegelung – darauf will ich in meiner Rede noch eingehen – von Brachflächen, von Altlastenflächen durchaus ein wichtiges Thema ist, um die Gesamtversiegelung zu reduzieren. Deshalb möchte ich in meiner Rede fortfahren, um noch einmal auf diese Punkte einzugehen.
Aus Ihrer Sicht ist die Neuversiegelung das ganz große Thema. Ich aus meiner Sicht erachte die Entsiegelung von versiegelten Flächen und die Rückgabe landwirtschaftlicher Flächen als viel, viel wichtiger. Das würde ich gern in meiner Rede noch weiter ausführen.
Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie die Kriterien über die Bilanz von Ver- und Entsiegelung, nach denen uns bisher berichtet worden ist, anzweifeln und dass Sie diese ändern wollen?
Da haben Sie mich nicht richtig verstanden. Ich hatte deutlich gemacht, dass es darum geht zu definieren, was für die Umwelt tatsächlich schädlich ist, und das ist die Bodenversiegelung.
Wir müssen schauen, dass wir die Neuversiegelung, die tatsächliche Versiegelung von Bodenflächen, auf unter 2 Hektar pro Tag reduzieren. Ich habe nicht die Statistik kritisiert. Sie ist uns allen bekannt. Bei der Diskussion muss uns immer bewusst sein, dass diese Statistik eben auch Flächen aufweist, die nicht absolut versiegelt werden, zum Beispiel Erholungsflächen und Hausgärten, die in diese Siedlungs- und Verkehrsflächen mit hineinzählen. Dass Sie das bei Ihrer Diskussion mehr oder weniger alles über einen Kamm scheren, ist, glaube ich, deutlich geworden.
Herr Präsident, ich würde gern fortfahren. Ich bin darauf eingegangen, wie wichtig die Verkehrsinfrastruktur und insbesondere eine neue, leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur für den ländlichen Raum ist.
Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass wir schon im September 2011 auf Initiative der Koalition hier im Sächsischen Landtag debattiert haben, und zwar zu dem Antrag „Anpassung der Eingriffsregelung für die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Nutzfläche“. Es ging uns insbesondere darum, dass landwirtschaftliche Nutzfläche durch Fotovoltaikanlagen mehr oder weniger auch versiegelt wird, auch wenn es sich nicht um eine absolute Versiegelung handelt. Es muss auch deutlich gemacht werden, dass diese Versiegelung unserer Landwirtschaft letztlich viel Fläche wegnimmt. Die Landwirtschaft versucht, sich das durch Grünlandumbruch wieder zurückzuholen. Von daher sind beim Thema Neuversiegelung Regenerative-Energien-Ziele manchmal kontraproduktiv.
Sie haben das Thema Ökokonto angesprochen. Dabei habe ich herausgehört, dass Sie dieses Instrument nicht verstanden haben. Wenn Sie das Ökokonto als ein Instrument kritisieren, das räumlich nicht nahe bei der Maßnahme auch die Entsiegelung vornimmt, dann sage ich: Das Ökokonto ist aus meiner Sicht ein sehr sinnvolles Instrument; denn es schafft die Voraussetzungen, dass man größere Maßnahmen, die sonst nicht angepackt würden, anpacken kann.
Wenn ich mir das Bundesnaturschutzgesetz und die Eingriffsregelungen anschaue, dann steht dort sinngemäß,
dass ein Eingriff ausgeglichen werden muss. Von daher – das ist beim Klima das Gleiche wie bei der Bodenversiegelung – ist es doch sinnvoller, wenn man die Maßnahmen bündelt und schaut, wo man einen größeren Mehrwert erzielt, als wenn man irgendwo die tausendste Streuobstwiese schafft, die in einigen Jahren dann auch nicht mehr gepflegt wird und aus der Sicht des Naturschutzes nicht mehr ihren tatsächlichen Sinn erfüllt.
Wir haben eine ganze Reihe von tickenden Zeitbomben in Sachsen, wo noch von früher chemische Anlagen stehen und der Boden nach wie vor extrem belastet ist. Wir haben teilweise auch im Bereich der Flüsse noch Stellen, an denen Betonierungen, Versteinerungen oder andere Bauwerke die Natürlichkeit der Flüsse behindern. Das alles sind Punkte, bei denen ich denke, dass man darüber sprechen muss, wie räumlich definiert ein solcher Eingriff stattfinden muss.