Protokoll der Sitzung vom 29.01.2014

(Andreas Storr, NPD: Da kann ja die SPD in der Bundesregierung ihren Beitrag dazu leisten!)

Aber darüber werden wir vor allem auch aus Anlass des Antrages von morgen reden, wenn wir darüber diskutieren, wie wir Familien und Arbeit miteinander vereinen können.

Die Redezeit geht zu Ende.

Hinter all dem, was Sie hier angesprochen haben, stecken Schicksale. Es geht um Kinder, es geht um die Familien. Und es geht nicht nur um Oskar, Nicole, Penelope, Sybille, Stefan und Raphael, sondern es geht genauso um Kevin, Chantal, Jeje, Ismail, Mandy oder Sascha. Hinter all diesen Namen stecken einzelne Schicksale, und darum werden wir uns kümmern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der Abg. Gisela Kallenbach, GRÜNE)

Für die SPD-Fraktion sprach Kollege Dulig. Jetzt ergreift für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Schütz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir Liberale stehen für ein modernes Familienbild. Wir fördern alle Familien. In Sachsen wird niemand aufgrund sexueller Orientierung oder eines individuellen Lebensmodells diskriminiert. Sachsen setzt auf verheiratete und ihnen gleichgestellte Paare ebenso wie auf dauerhafte Lebensgemeinschaften ohne Trauschein. Wir respektieren gleichgeschlechtliche Beziehungen ebenso wie die von Mann und Frau. Schwule und lesbische Paare haben bei uns die gleiche Akzeptanz wie heterosexuelle.

Wenn sich Frauen oder Männer entscheiden, ihre Kinder allein großzuziehen, dann ist es auch eine Selbstverständlichkeit, dass wir dieses Modell unterstützen. In welcher Form sich nämlich Menschen gegenseitig Vertrauen aussprechen, wie sie zusammenleben möchten, welche Werte sie teilen – das können sie hier in Sachsen selbst entscheiden.

(Beifall bei der FDP)

Wir werden sie bei alledem unterstützen; denn sie alle haben Pflichten, denen sie nachkommen, und deswegen besitzen sie auch die gleichen Rechte.

Sachsen ist Familienland, und in diesem modernen Familienland ist jeder willkommen – egal, wie er sich der Herausforderung Familie stellt.

Wenn wir Familien fördern, müssen wir natürlich stets auch finanzielles Auskommen im Blick behalten. Nur bei finanzieller Sicherheit und Perspektive sind junge Menschen auch bereit, Familien zu gründen, Kinder zu bekommen. Finanzielle Sicherheit und Perspektive schafft man in erster Linie in Ausbildung und Beruf, und dann entscheidet man sich auch für Kinder und die Kinderbetreuung.

Die Kinderbetreuung in Sachsen ist dabei eine der besten in Deutschland. Sachsen ist, was dieses Thema betrifft, deutlicher Vorreiter in Deutschland. In Sachsen ist es wirklich fast allen Eltern möglich, ihrem Beruf nachzugehen und eine Familie zu gründen. In Sachsen sind 76 % der Mütter mit Kindern zwischen drei und sechs Jahren berufstätig; das sind 10 % mehr als im Bundesdurchschnitt. Das spricht auch für das Selbstbewusstsein der Frauen hier in Sachsen, ihr eigenes Einkommen zu verdienen.

Viele Familien ziehen nach Sachsen zurück, weil sie in anderen Bundesländern erlebt haben, wie schwer es sein kann, vernünftige Betreuungsangebote zu bekommen. Wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelingen kann, darüber gibt es verschiedene Ansichten – wir haben sie heute schon teilen dürfen –: Die eine Seite sagt, man kann ein Betreuungsgeld zahlen, damit Frauen länger zu Hause bleiben können. Das müssen wir aber später – und das erleben wir gerade – mit extra Rentenpunkten, die dann von den Rentenbeitragszahlern getragen werden müssen, wieder eintreiben. Und das sind meist wieder die Kinder, für die die Eltern eigentlich zu Hause geblieben sind. Das halten wir als FDP für unfair und vor allem für nicht mehr zeitgemäß. Im Endeffekt setzt man nämlich mit dem Betreuungsgeld Anreize, damit Frauen später eine geringe Rente haben. Das lehnen wir als FDP ab.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP hingegen steht für die Kinderbetreuung, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet. Hier brauchen wir weiterhin die gute Qualität in unseren sächsischen Kindertageseinrichtungen. Wir haben dafür unter anderem das Assistenzkräfteprogramm verabschiedet. Unser Ziel ist es dabei, die Fachkräfte zu entlasten, und mit der Richtlinie Bildungschancen ermöglichen wir ja gerade die Unterstützung der pädagogischen Arbeit der Fachkräfte. Diese Extrakräfte, die Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder durch die pädagogischen Fachkräfte noch besser gewährleisten, werden mit jährlich 5 Millionen Euro ermöglicht. Wir werden uns als FDP dafür aussprechen, dieses Programm auszubauen und weiter zu verstetigen.

Um die Debatte zum Betreuungsschlüssel will ich mich gar nicht herumdrücken; wir kennen die Kontroverse, die darüber im Land geführt wird. Wir müssen uns der Frage stellen, wie wir die Erzieherinnen weiter entlasten kön

nen, wie wir den Bildungsplan auf den Prüfstand stellen und die Erzieherinnen von unnötigen und übermäßigen bürokratischen Anforderungen befreien können. Und, ja, wir werden auch darüber sprechen müssen, ob wir den Betreuungsschlüssel absenken.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir werden auch zukünftig berufstätige Familien in den Mittelpunkt unserer familienpolitischen Anstrengungen rücken. Dafür haben wir auch das Programm „KitaFLEX“ gestartet. Flexible Öffnungszeiten der Kindertageseinrichtungen erlauben es, die Betreuung an die Erfordernisse eines Berufslebens im Singlehaushalt oder mit zwei Berufstätigen anzupassen. Wir nehmen damit von Familien vor allen Dingen den Druck, der durch das Spannungsfeld von Beruf und Familie sowie durch die Pendelwege – das betrifft insbesondere den ländlichen Raum – entsteht.

Ich möchte es mit einem Augenzwinkern als „Königsklasse“ bezeichnen, wenn es gelingt, den Arbeitnehmern direkt im Unternehmen eine Kinderbetreuung anzubieten. Auch für die Gründung solcher Betriebskindergärten haben wir im Haushalt Mittel bereitgestellt. Die Zusammenarbeit mit den Unternehmen ist eines der wichtigsten Elemente der Familienpolitik. Wir wollen dieses Element weiter stärken und ausweiten.

Das müssen wir übrigens nicht gegen die Unternehmen durchsetzen, sondern die Wirtschaft zeigt insofern bereits Initiative. 81 % aller sächsischen Betriebe setzen familienorientierte Personalmaßnahmen und Regelungen dazu um. Unsere Unternehmen, auch die kleinen und mittelständischen, sind sich sehr wohl bewusst, dass es ohne Familien nicht geht. Dazu braucht es keine politischen Schlagworte oder Losungen zu Beginn des Jahres.

Was wir auch auf keinen Fall brauchen, sind Lösungen, wie sie jetzt auf Bundesebene entwickelt werden. Ich erinnere nur an die verordnete Elternteilzeit von 30 Stunden.

Wir unterstützen weiter die Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Qualität in den Kindertageseinrichtungen. Für den Kita-Ausbau wurden in den Doppelhaushalt 2013/2014 106 Millionen Euro eingestellt. Die Qualifikations- und Fortbildungsverordnung im Kitabereich gewährleistet weiterhin eine fortwährend hohe Qualifikation der Erzieherinnen.

All diese Maßnahmen haben längst zum Erfolg geführt. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung stellen Rückkehrer etwa die Hälfte der West-Ost-Migranten. Die Sachsen kommen also zurück, weil sie hier nicht nur Arbeit finden, sondern ebenso die Infrastruktur, die es erlaubt, gleichzeitig eine Familie zu gründen. Damit kommen all jene Fachkräfte wieder, die vor Jahren unser Sachsen verlassen haben, um woanders Karrierechancen zu suchen. Die Attraktivität Sachsens wird dazu führen, dass wieder ausreichend Fachkräfte hier vor Ort sein werden.

Viel zu wenig sind bisher die Probleme von Alleinerziehenden in den Mittelpunkt gerückt worden. Fast jedes

fünfte Kind in Deutschland lebt mit einem alleinerziehenden Elternteil. Es gilt, Angebote zu schaffen, die es den Müttern – letztlich auch den Vätern – erlauben, in Teilzeit ihre Ausbildung nach einer Elternschaft fortzusetzen. Wir müssen die Betriebe dabei unterstützen. Es nützt nichts, wenn die Betriebe zwar die Ausbildungszeit strecken, dabei aber nur die Hälfte der Ausbildungsvergütung zahlen; denn davon können junge Familien nicht leben. Für diese Unterstützung benötigen wir Zuschüsse, um die Ausbildung abschließend zu ermöglichen. Das ist ein großes Ziel.

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen auch eine weitere Problematik in Sachsen ins Auge fassen: kinderlose Paare. Wir wollen helfen, dass ihr Wunsch nach Familie erfüllt wird. An der finanziellen Unterstützung der künstlichen Befruchtung bei ungewollt kinderlosen Paaren halten wir fest. Darüber hinaus müssen wir diese Möglichkeit aber auch für unverheiratete Paare öffnen. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum diese Förderung auf verheiratete Paare beschränkt bleiben soll. Ebenso wollen wir das Adoptionsverfahren flexibler gestalten. Für manche Paare ist das nämlich die einzige Möglichkeit, sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen und damit die Verantwortung, die sie für die nächste Generation übernehmen wollen, zu tragen. Dieser Weg darf nicht durch realitätsferne Verfahren und bürokratische Vorschriften – ich nenne nur den maximalen Altersabstand von 40 Jahren bei Adoptionen – verstellt werden. Daher wollen wir das Adoptions- und das Sorgerecht weiter liberalisieren.

(Beifall bei der FDP)

Ein weiterer Aspekt: ländlicher Raum und Familie. Was nützt die super Kinderbetreuung im Ort, wenn die nächste Lebensphase der Kinder dort keine Perspektive hat? Ich spreche dabei vom Übergang in die Schule. Wenn wir Familien im ländlichen Raum unterstützen und die Attraktivität des ländlichen Raumes erhalten wollen, dann müssen wir uns über diesen nächsten Schritt Gedanken machen. Die Sanierung der Schulen über die ILEFörderung ist dabei ein Aspekt, aber er ist bei weitem nicht der wichtigste. Was wirklich zählt, sind Sicherheit und Perspektive für die Erziehung bis in das Erwachsenenalter. Deswegen hat sich die FDP für das Schulschließungsmoratorium eingesetzt. Bis zur Novellierung des Schulgesetzes werden keine Grund- und Oberschulen im ländlichen Raum geschlossen, wenn die Eingangsklasse mindestens 20 Schüler zählt. Seit die FDP mitregiert, haben also Familien im ländlichen Raum die Sicherheit, dass die Schulen ihrer Kinder nicht in ihrer Existenz bedroht sind. Ich möchte es noch einmal betonen: Es nützt uns nichts, Schulen zu sanieren, wenn wir sie anschließend wieder schließen.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen ist das Schulschließungsmoratorium der eigentliche Faktor, um den ländlichen Raum für Familien mit jungen Kindern attraktiv zu halten.

(Martin Dulig, SPD: Ich denke, die Änderung des Schulgesetzes?)

Ein weiterer Aspekt, der, wenn wir Familie betrachten, nicht außer Acht gelassen werden darf, ist die Pflege. Die Herausforderungen durch den demografischen Wandel sind nicht nur in den Geburtenzahlen, sondern vor allem in der älter werdenden Bevölkerung und auch der Pflegebedürftigkeit zu sehen. Es verlangt einen besonderen Blickwinkel, wenn berufstätige 50-Jährige Beruf und Pflege miteinander vereinbaren wollen. Zu allen Gedankengängen, die es dazu immer wieder gibt, sage ich: Auch für diese Personen ist die Lebensarbeitszeit endlich. Die Gesellschaft, wir alle haben uns viel zu wenig darauf vorbereitet. Wir müssen dafür neue Konzepte entwickeln.

Wir wollen, dass Familienleistungen stärker anerkannt werden, vor allem im Steuerrecht. Auch im Steuerrecht soll Pflege besser berücksichtigt werden. Die Familie soll dabei wieder im Mittelpunkt der Betreuung stehen.

Da immer von „Mütterrente“ gesprochen wird, sei Folgendes erwähnt: Es darf nicht sein, dass die oder der 50-Jährige, die oder der aufopferungsvoll die Eltern pflegt und Pflege und Berufstätigkeit unter einen Hut bringt, immer noch den Maximalsteuersatz bezahlt. Das gilt auch und gerade für Frauen, die – gewollt oder ungewollt – kinderlos geblieben sind. Hier stellt sich tatsächlich die Frage, wie weit wir das eine gegen das andere immer richtig aufwiegen.

Wir leisten unseren Beitrag, um auch in den nächsten Jahren den Pflegekräftebedarf abzusichern. Mit der Verordnung über die Berufsausübung von Pflegefachkräften sorgen wir dafür, dass die Unterstützung von Pflegebedürftigen und versorgenden Bezugspersonen tatsächlich abgesichert wird.

Wir werden uns auch dafür einsetzen, dass die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses für Modellvorhaben zur Heilkundeübertragung auf Kranken- und Altenpflegeberufe umgesetzt wird. Damit wird es nämlich den Pflegekräften ermöglicht, bisher ärztlich instruierte Aufgaben der Heilkunde zu übernehmen. So lässt sich die Qualität der Pflege weiter verbessern. Zwischen dem Bedarf und der Anzahl der neu Auszubildenden besteht ein ausgewogenes Verhältnis. Dass wir in Deutschland an der 10-jährigen Schulpflicht als Ausbildungsvoraussetzung für den Pflegeberuf festhalten können, ist eine große Chance. Die entsprechenden Regelungen haben wir in der letzten Legislatur auf Bundesebene fortschreiben können.

Aufgrund der Tatsache, dass es keinen Mangel an Auszubildenden gibt, halten wir auch einen Ausgleichsbeitrag nach § 25 des Altenpflegegesetzes nicht für notwendig.

Sehr geehrte Damen und Herren! Familienpolitik muss aber auch Ereignisse abfedern, die unvorhergesehen eintreten und nicht gewollt sind. Deswegen setzen wir uns für eine aktive Förderung von Familienstrukturen und von Vater-Kind- bzw. Mutter-Kind-Bindungen im Justizvollzug ein, zum Beispiel durch die Einrichtung familienori

entierter Bereiche und die Durchführung von besonderen Familienbesuchstagen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sachsen hat bereits viele Anstrengungen unternommen, um den Menschen ein attraktives Umfeld zu schaffen. So können sie die Herausforderungen, denen sich Familien stellen müssen, hier in Sachsen meistern. Wir werden aber weiter daran arbeiten.

Die kommenden Haushaltsverhandlungen bieten die Gelegenheit, dass wir als Gesetzgeber unsere Vorstellungen von Familienpolitik umsetzen. Die FDP wird die Möglichkeit nutzen, um allen Familien beste Chancen in Sachsen zu bieten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das war Frau Schütz für die FDP-Fraktion. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abg. Herrmann. Bitte, Frau Herrmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Während des Redebeitrags von Frau Schütz hatte ich oft das Gefühl, dass sie ihre Rede aus der Oppositionsrolle heraus gehalten hat. Anscheinend hat die FDP die vergangenen fünf Jahre nicht ausreichend genutzt, um die von Frau Schütz formulierten Ansprüche in der Zeit ihrer Regierungsbeteiligung umzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Tillich hat beim Neujahrsempfang in diesem Jahr von einem „überdurchschnittlich familienfreundlichen Klima in Sachsen“ gesprochen und für „Vorfahrt für Familien“ geworben. Frau Clauß hat heute in ihrer Regierungserklärung versucht, dieses familienfreundliche Klima durch Beiträge und Projekte zu untersetzen. Welche Familienmodelle werden von der Staatsregierung wertgeschätzt? Diese Frage hat sich mir gestellt. Wie verlässlich ist die Kinder-, Jugend- und Familienförderung in Sachsen? Gibt es Eltern, Familien und Kinder, die bei der Familienpolitik außer Acht gelassen werden?

Wir haben es schon gehört – Familienmodelle sind heute vielfältiger. Neben den traditionellen Klein- oder Großfamilien gibt es Ein-Eltern-Familien, Patchworkfamilien und Regenbogenfamilien. Wir GRÜNEN sind der Meinung, jedes Kind sollte unabhängig davon, ob und in welcher Form seine Eltern zusammenleben, die gleiche Förderung, den gleichen Schutz und auch die gleiche materielle Absicherung vom Staat erfahren.