Protokoll der Sitzung vom 30.01.2014

Wir sind am Ende der 2. Aktuellen Debatte angekommen. Dieser Tagesordnungspunkt ist abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 2

1. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Errichtung des unabhängigen Landesbüros

für Bürgeranliegen des Freistaates Sachsen

Drucksache 5/13585, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Daher spricht nur die Fraktion DIE LINKE als Einreicherin.

Ich erinnere daran – Herr Kollege Bartl ergreift jetzt das Wort –, dass ihm acht Minuten zugemessen sind.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Einbringung unseres Gesetzentwurfs ist durch einen Beitrag in der „Sächsischen Zeitung“ unter der Überschrift: „Linkes Lob für Ingrid Biedenkopf“ gewissermaßen anmoderiert worden. Ein „linkes Lob“ soll es nicht sein. Vielleicht ist das, was wir wollen, gar nicht so weit

entfernt von der Intention, die Frau Biedenkopf seinerzeit verfolgt hat; allerdings streben wir eine verlässliche verfassungsrechtliche bzw. gesetzliche Grundlage an – nicht als Gunst oder Morgengabe einer Ministerpräsidentengattin, sondern als Entscheidung des Parlaments.

Um Ihnen die Dimension klarzumachen, will ich zu Beginn der Einbringungsrede verdeutlichen, worum es uns geht. Im August 2013 hat die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein – eine solche Bürgerbeauftragte stellen wir uns auch für Sachsen vor; dem dient der vorliegende Gesetzentwurf –

eine Presseerklärung herausgegeben, in der sie Folgendes ausführte:

„Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Birgit Wille, empfiehlt Empfängern von Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV) und Sozialhilfe im Kreis Stormarn, ihre Bewilligungsbescheide überprüfen zu lassen, sofern ihre Kosten für die Unterkunft seit dem 1. Januar 2012 nicht vollständig durch das Jobcenter/ Sozialamt übernommen wurden.“ – Ich habe aus der Pressemitteilung Nr. 95 aus dem Jahr 2013 zitiert.

Nach der derzeit in Sachsen geltenden Rechtslage wäre eine solche, für alle betroffenen Bürgerinnen und Bürger sehr hilfreiche, ihre Rechte und berechtigten Interessen wahrende, unterstützende öffentliche Empfehlung überhaupt nicht möglich. Wir haben bei uns nicht die Institution eines Sächsischen Bürgerbeauftragten. Aber etliche Bundesländer praktizieren dieses Modell seit Jahren erfolgreich. So wurde zum Beispiel 1974 in RheinlandPfalz die Institution eines Bürgerbeauftragten auf der Grundlage eines Landesgesetzes über den Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz eingeführt, die/der in der juristischen Literatur als der – ich zitiere – „bisher einzigartigen personifizierten Anlaufstelle im Rahmen des Petitionswesens“ bzw. „als personalisiertes Korrektiv des Bürgerschutzes gegenüber der expandierenden Verwaltung“ hohe Wertschätzung entgegengebracht wurde. Ich habe mich bezogen auf die Veröffentlichung von Hagen Matthes unter dem Titel: „Der Bürgerbeauftragte – Eine rechtsvergleichende Studie unter besonderer Berücksichtigung des Ombudsmann-Modells in Rheinland-Pfalz“.

Es ist bedauerlich, dass bisher dennoch nur relativ wenige Länder diesem Modell gefolgt sind. Schleswig-Holstein hat 1992 den Bürgerbeauftragten eingeführt, Mecklenburg-Vorpommern 1995, Thüringen im Jahr 2000. Inzwischen hat sich in den Ländern, in denen dieses Modell existiert, das entsprechende Herangehen außerordentlich bewährt.

Unser Vorhaben steht auch – das war ein wesentliches Motiv für uns, jetzt diesen Gesetzentwurf einzubringen – im Kontext mit europarechtlichen bzw. europapolitischen Orientierungen, also mit der Europa-Perspektive. Denn im Jahr 1994 wurde mit dem Beschluss des Europäischen Parlaments über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten – Beschluss 94/262/EG – die Institution eines Europäischen Bürgerbeauftragten geschaffen, der nach Artikel 1 des Beschlusses dazu beitragen soll – ich zitiere noch einmal –, „Missstände bei der Tätigkeit der Organe und Institutionen der Gemeinschaft … aufzudecken und Empfehlungen im Hinblick auf ihre Abstellung zu geben“.

Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf darüber hinaus einer Tendenz begegnen – das ist in einschlägigen Fachkreisen völlig unumstritten –, die Deutschland, was dieses Ombudsmann- bzw. Bürgerbeauftragten-Modell angeht, in gewisser Weise von den internationalen Trends abhängt.

Frau Prof. Dr. Annette Guckelberger hat unter der Überschrift „Argumente für und gegen einen parlamentarischen Ombudsmann aus heutiger Sicht“ in Nr. 2013/16 der Zeitschrift „Die Verwaltung“ Folgendes dazu angemerkt: „Angesichts der zwischenzeitlich weltweit anzutreffenden Verbreitung der Ombudsmannidee rückt Deutschland in dieser Hinsicht immer mehr in eine Außenseiterrolle. Dies könnte deswegen bedenklich sein, weil gerade über diese Einrichtung zunächst außerrechtliche, auch ethische Standards für die Ausübung der Verwaltungstätigkeit entwickelt werden, die später auch in verbindliches Recht überführt werden können. Möglicherweise bleiben so in Deutschland Potenziale zur Verbesserung der Qualität des Verwaltungshandelns und zur Erzielung einer größeren Bürgernähe ungenutzt, wodurch der Wettbewerb der Rechtsordnungen auf diesem Gebiet in Rückstand gerät.“

Darauf aufbauend wollen wir mit unserem Gesetzentwurf eine in das Gewaltensystem integrierte Kontrollinstanz unterhalb der Schwelle der justiziablen Gesetzesaufsicht schaffen. Wir wollen eine für die moderne, offene und demokratische Gesellschaft mehr als erforderliche Institution zwischenschalten, und wir sind der Überzeugung, dass die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen mit dem Sächsischen Bürgerbeauftragten eine Beschwerdeinstanz erhalten würden, die ihnen auf unkomplizierte und kostengünstige außergerichtliche Weise Rechtsschutz gewähren kann. Wir wollen einen unabhängigen Mittler und Fürsprecher für Bürgerinnen und Bürger einführen, was im Ergebnis konkrete Einwirkungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten für Bürger, an der Verbesserung der Verwaltungspraxis mitzuarbeiten bzw. ihren Beitrag zum Aufbau einer transparenten Verwaltung zu leisten, ermöglichen würde.

Das wäre im Übrigen aus unserer Sicht gleichzeitig ein Schritt, von dem auch die Verwaltung, die Behörden im Freistaat Sachsen als Institution profitieren könnten, weil eben mit diesem Bürgerbeauftragten in vielerlei Hinsicht sich entwickelnde Rechtsstreitigkeiten, die zu Verwaltungsstreitigkeiten führen, abgefangen werden können.

Es bleibt wenig Zeit, den Gesetzesinhalt zu erläutern. Das soll auch Aufgabe der Erörterungen in den entsprechenden Ausschüssen bzw. in der 2. Lesung sein. Klar ist, dass wir, wenn der Sächsische Bürgerbeauftragte als Hilfsorgan des Landtags wirksam werden soll, diesen auf eine verfassungsrechtliche Grundlage stellen sollten. Wir greifen hier zurück auf das Modell, das das Land Mecklenburg-Vorpommern seit 1993 in seiner Verfassung erfolgreich eingeführt hat und praktiziert.

Wir wollen, dass auf diesem Weg dem Sächsischen Bürgerbeauftragten – ungeachtet jeweils wechselnder Mehrheiten im Landtag – für seinen eigenen Verantwortungs- und Tätigkeitsbereich eine relativ stabile Position eingeräumt wird, etwa vergleichbar der des Sächsischen Datenschutzbeauftragten oder des Rechnungshofpräsidenten. Wir wollen, dass eine verfassungsfeste Position des Bürgerbeauftragten da ist, und wir wollen, dass der

Bürgerbeauftragte in einem dann den Hauptteil des Gesetzentwurfes bildenden „Gesetz über den Sächsischen Bürgerbeauftragten“, im sogenannten Sächsischen Bürgerbeauftragtengesetz als Kerngesetz, eine klar ausgestaltete rechtliche Funktion bekommt.

Ziel und Zweck des Gesetzes sind in der Überschrift beschrieben. Wir meinen, dass wir uns mit diesem Gesetzentwurf, um dessen aufgeschlossene und konstruktive Behandlung in den Ausschüssen wir bitten – vor allem im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss, an den der Gesetzentwurf federführend überwiesen werden sollte, vielleicht auch in Verbindung mit einer Expertenanhörung –, gerade im Wahljahr darüber verständigen, wie Bürge

rinnen und Bürger leichter Zugang zu Mitwirkung und Mitbestimmung erhalten.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den soeben eingebrachten Entwurf an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss – federführend – und an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Wer der Überweisung die Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig überwiesen.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 3

Schlussfolgerungen der Staatsregierung aus dem „Bericht der Kommission

zur Untersuchung der Flutkatastrophe 2013“ (Kirchbach-Kommission)

Drucksache 5/13548, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die CDU-Fraktion, danach folgen FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht.

Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 10. Dezember 2013, ein halbes Jahr nach den Hochwasserereignissen des letzten Jahres, konnte der Bericht der Kommission zur Untersuchung der Flutkatastrophe 2013, kurz KirchbachKommission, vorgestellt werden. Untersucht wurde, wie die Änderungen beim Hochwasserschutz, beim Hochwassermeldesystem und bei der Katastrophenbekämpfung nach 2002 gewirkt haben und wie das heute bestehende System noch weiter optimiert werden kann bzw. sollte.

Der Bericht der Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass sich die vielfältigen und zum Teil sehr grundsätzlichen Änderungen seit 2002 bewährt haben. Trotz einer flächenmäßig deutlich größeren Betroffenheit des Freistaates Sachsen als 2002 seien Schäden in weitaus geringerem Ausmaß eingetreten.

Ich möchte als erster Redner an dieser Stelle Dank sagen. Zum einen gilt unser Dank den Mitarbeitern der Kirchbach-Kommission, stellvertretend General von Kirchbach, für die Erarbeitung dieses Berichts. Ich möchte aber auch nochmals allen Helfern und Verantwortlichen beim Hochwasser 2013 danken. Der Bericht zeigt aus unserer Sicht sehr eindrucksvoll, welche großartige Leistung durch sie erbracht wurde.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Mike Hauschild, FDP)

In meinen folgenden Ausführungen möchte ich mich auf die Themen, welche im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz stehen, beschränken. Auf die Sachverhalte der Gefahrenabwehr und des Katastrophenschutzes wird meine Kollege Herr Löffler in der zweiten Runde eingehen.

Der Kirchbach-Bericht aus dem Jahr 2002 empfahl folgende Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes: Als Erstes sollte den Flüssen wieder Raum gegeben werden. Das heißt, an Stellen, wo das möglich ist, sollen Deiche zurückverlegt und naturnahe Wälder in den Flussauen geschaffen werden, die das schnelle Abfließen verhindern. Gleichzeitig empfahl der Bericht, notwendige Deiche zu sanieren und gegebenenfalls auch zu erhöhen. Das heißt, der Baum- und Strauchbewuchs auf den Dämmen und entlang der Dämme muss beseitigt werden.

Der aktuelle Kirchbach-Bericht stellt richtigerweise erneut fest, dass Deiche Hochwasserschutzanlagen und keine Biotope sind. Auch wenn wir wissen, dass sich einige in den vergangenen Jahrzehnten durch unterlassene Investitionen dazu entwickelt haben, darf in Zukunft die Stabilität dieser Anlagen durch nichts gefährdet werden. Alle Anstrengungen zur Bewältigung der Hochwasserkatastrophe, zu denen die zahlreichen Deichsanierungen gehören, wären umsonst, wenn falsch verstandener Naturschutz wichtige Sanierungsmaßnahmen verhindern würde.

Auch für die Auen wurde die Empfehlung ausgesprochen, darüber nachzudenken, wie die landwirtschaftliche Nutzung geändert werden kann, um die Felder wieder aufnahmefähig zu machen. Zukünftig sollte daher überlegt werden, wie finanzielle Anreize für Bauern geschaf

fen werden können, dass zum Beispiel Maisfelder verschwinden und Extensivgrünland entsteht.

Damit Sie mich an dieser Stelle nicht falsch verstehen: Wenn über Tage hinweg Dauerregen die landwirtschaftlichen Flächen belastet, dann ist auf jedem Boden bzw. auf jeder landwirtschaftlichen Nutzungsart irgendwann der Punkt erreicht, wo kein Wasser mehr aufgenommen werden kann. An diesem Fakt können auch die tollsten Maßnahmen zum Hochwasserrückhalt nichts ändern.

Die vierte Forderung des damaligen Berichts war, auf Retentionsflächen und in Überschwemmungsgebieten den Wiederaufbau von Gebäuden zu verhindern und den Eigentümern Ausweichflächen anzubieten. Des Weiteren wurden Empfehlungen zu Retentionsflächen, zur Flächenversiegelung und zur Beseitigung der Konkurrenz der Flüsse mit anderen Nutzungsinteressen ausgesprochen.

Die Empfehlungen und Bewertungen der Kommission in Bezug auf den Hochwasserschutz sahen im Jahr 2013 schon vollständig anders aus. Unter anderem wird die Empfehlung ausgesprochen, das begonnene Hochwasserschutzinvestitionsprogramm konsequent fortzuführen.

Darüber hinaus sollen weitere Möglichkeiten gefunden werden, welche die Gewinnung von Überschwemmungsflächen und die Einrichtung von Poldern beschleunigen.

Mindestens genauso wichtig erscheint aus unserer Sicht die Forderung, den länderübergreifenden Hochwasserschutz weiter zu forcieren. Die Bestrebungen auf Bundesebene, einen Sonderrahmenplan für solche Maßnahmen zu erstellen, sind aus unserer Sicht sehr zu begrüßen.

Ich möchte an dieser Stelle noch eine letzte zentrale Forderung benennen: die Neugewinnung von Überschwemmungsflächen. Hierzu ist es erforderlich, ein Entschädigungsprogramm für Landwirte zu erarbeiten, welches bundesweit ausgerichtet sein sollte.

Die Veränderung der Forderungen aus diesem Bericht ist das Ergebnis der sehr intensiven Arbeit im Bereich des Hochwasserschutzes in den letzten Jahren. Der Landestalsperrenverwaltung ist es seit dem Jahr 2002 gelungen, in einem beachtlichen Kraftakt mehr als 8 000 Hochwasserschäden an den Gewässern I. und II. Ordnung zu beseitigen. Dahinter steckt nicht nur ein beeindruckender ingenieurtechnischer Fachverstand, dahinter stecken auch umfangreiche finanzielle Mittel. Etwa 900 Millionen Euro aus dem Aufbauhilfefonds des Bundes und der Länder wurden dafür aufgebracht.