Das war Herr Kollege Krauß für die einbringende CDU-Fraktion. Für die einbringende FDP-Fraktion schließt sich nun Frau Kollegin Schütz mit ihren Ausführungen an.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese Aktuelle Debatte nicht umsonst unter den Titel „Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen – Betriebliche Partnerstadt statt staatlichen Zwang“ gestellt; denn wir sind der Meinung, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie funktioniert nur über Freiwilligkeit und Engagement.
Unsere Unternehmen in Sachsen sind sich sehr bewusst, dass es nicht ohne die Familien geht. Dazu braucht es eben keine politischen Visionsvorschläge, wie wir sie auf Bundesebene gerade von Frau Bundesministerin Schwesig gehört haben. Zum Glück wurden diese Vorschläge als persönlicher Debattenbeitrag bereits von Frau Merkel kassiert. Wir brauchen letztlich in Sachsen auch keine Losungen zu Jahresbeginn.
Wir sehen auch die Diskussion, die sich jetzt auf der Bundesebene zum Elterngeld plus entwickelt. Das bedeutet, dass das Elterngeld länger gezahlt wird, wenn die Mutter oder der Vater weiterhin 25 Stunden in Teilzeit
arbeitet. Auch hier gibt es Kritik von der Wirtschaft, die sagt: Wir haben bereits gut funktionierende Teilzeitangebote und verschiedene Betriebs-Kitas.
Ich sage Ihnen aus sächsischer Sicht: Kleine und mittelständische sächsische Unternehmen können nicht so einfach mehrere Stunden in der Woche auf ihre Mitarbeiter verzichten. Diese Vorschläge gehen ganz klar an der Realität in Sachsen und überhaupt im Osten vorbei.
Wir sehen bei den Diskussionen über die Mütterrenten und die Rente mit 63 auch erhöhte Abgaben und andere Situationen, die die Betriebe unwahrscheinlich belasten. Dass Lebensleistungen korrekt abgebildet werden sollen, steht außer Frage. Aber wir können in der Politik nicht dauernd vermeintlich falsche Entscheidungen der Vergangenheit für die Zukunft aktuell korrigieren, weil wir dann einfach verpassen würden, dass jetzt die richtigen Weichen gestellt werden müssen.
In Sachsen haben bereits 81 % aller Betriebe familienorientierte Personalmaßnahmen und Regelungen. Und bei Unternehmen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Familienpflichten liegt der Anteil sogar bei 95 %. Wenn hier gesagt wird, die Wirtschaft müsse da etwas tun, muss man sagen, dass das bereits geschieht. Der Verband der sächsischen Wirtschaft hat unter der Überschrift „Fachkräfte für die sächsische Wirtschaft gewinnen – Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Wettbewerbsfaktor nutzen!“ ein eigenes Arbeitspapier dafür entwickelt. Dieses Papier liegt vor. Es wurde an alle Mitglieder verteilt. Unsere sächsischen Unternehmen haben das schon lange begriffen.
Familienbewusste Personalpolitik hat natürlich den Vorteil eines betriebswirtschaftlichen Nutzens in den Unternehmen. Das ist keinesfalls ein Widerspruch. Im Gegenteil, diese individuellen Vereinbarungen, die vor Ort im Betrieb geschlossen werden, sind viel, viel flexibler und viel, viel persönlicher, als wenn wir jetzt über neue gesetzliche Verpflichtungen reden würden.
Ich darf das einmal aufzählen: Es gibt die Betriebs-Kita, die Verbund-Kita, die Kindertagespflege, Belegplätze, die von Betrieben genutzt werden können, „Flying Nannies“, also Tagespflegepersonen, die kommen und gehen, und natürlich auch die betriebliche Ferienbetreuung. Das alles sind Möglichkeiten, die schon bisher genutzt werden.
Wenn wir weiter schauen, ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht nur auf die Familiengründung gerichtet, sondern natürlich auch auf die „goldenen Jahre“, also dann, wenn es um Pflege in den Familien geht. „Elder Care“ ist da das Stichwort, denn zwei Drittel der Pflegebedürftigen werden privat versorgt und 23 % der Hauptpflegepersonen sind gleichzeitig berufstätig. Auch diesen Menschen möchten wir bei der Beantwortung ihrer Fragen einfach helfen. Wir wollen ein Konzept für Sachsen vorlegen, denn diese Menschen stellen ganz klar diese
Fragen: Was kommt da auf mich zu? Kann ich die häusliche Pflege allein bewältigen? Wie kann ich die Pflege mit meinem Beruf vereinbaren? Wer hilft mir zum Beispiel auch, wenn ich krank werde? Wie ist das mit meinem Betrieb? Denn – diese Anmerkung sei mir gestattet – bei aller Diskussion über Arbeitszeitkonten und Lebensarbeitszeit – auch die Lebensarbeitszeit ist für die, die pflegen, endlich – müssen wir Lösungen finden, um die Möglichkeiten, die wir haben, zu nutzen und dieses Engagement in den Familien wirklich abzuholen.
Das war Frau Kollegin Schütz, die für die einbringende Fraktion der FDP gesprochen hat. – Wir treten jetzt in die Rednerrunde ein. Für die Fraktion DIE LINKE ergreift jetzt Herr Kollege Gebhardt das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Am Dienstag früh überraschte mich meine Tochter mit folgender Bemerkung: „Papa, wieso kommst du eigentlich so spät nach Hause?“ Als Politiker antwortet man natürlich nicht gleich auf die Frage, sondern ich habe eine Gegenfrage gestellt: „Woher weißt du denn, dass ich so spät nach Hause gekommen bin?“ – „Na, als ich ins Bett gegangen bin, warst du noch nicht da, also muss es spät gewesen sein, als du nach Haus gekommen bist.“
Wohl alle in diesem Hohen Haus kennen das Gefühl, dass man immer wieder Angehörige oder auch Kinder benachteiligt, weil wir als Politikerinnen und Politiker lange unterwegs sind. Gleichzeitig wissen wir alle, dass wir ein gewisses Privileg haben, denn wir bestimmen selbst über den Ablauf des Tages, wir bestimmen selbst darüber, wann wir früh anfangen, außer wenn uns der Präsident um zehn hier einbestellt.
Es geht jedoch nicht um uns, es geht nicht um unsere Privilegien, sondern es geht um die Verkäuferin, es geht um den Mitarbeiter des Callcenters, es geht um die Arbeiterin, die am Band steht, und es geht um den Mitarbeiter, der im Vertrieb ist. Sie alle können nicht darüber bestimmen, wann sie zu arbeiten beginnen, meistens auch nicht, wie lange sie tätig sind. Deshalb halte ich den Vorschlag, den die neue Bundesfamilienministerin gemacht hat, nämlich eine 32-Stunden-Arbeitswoche für Eltern mit kleinen Kindern einzuführen, aber auch den Vorschlag der IG Metall für eine 30-Stunden-Arbeitswoche, der jetzt auf dem Tisch liegt, für mutige Vorschläge.
Wir haben ja gehört, wie Frau Schütz schon wieder ein großes Szenario an die Wand gemalt hat, dass das alles nicht geht. Das kennen wir alles aus der Geschichte der letzten 200 Jahre. Als von zwölf Stunden Arbeit täglich
auf acht Stunden reduziert wurde, war die Behauptung aufgestellt worden, das Abendland wird untergehen, wenn wir nicht mehr zwölf, sondern eben nur noch acht Stunden arbeiten.
Trotzdem meine ich – und da bin ich schon ein bisschen überrascht –, bei der FDP eine gewisse Sozialromantik herausgehört zu haben. Man kann das alles auf Freiwilligkeit machen. Ich weiß, dass es in meiner Fraktion auch Sozialromantiker gibt, die auf freiwillige Lösungen setzen. Aber wir wissen alle, dass es schon immer Interessengegensätze zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gegeben hat. Die sind nicht durch freiwillige Lösungen ausgeräumt, sondern durch viele harte Kämpfe miteinander ausgefochten und letztendlich einer Lösung zugeführt worden.
Ich bin immer wieder überrascht, dass die FDP hier ohne Skrupel von freiwilligen Lösungen reden kann, wenn es um die Unternehmen geht. Ich frage mich: Wo ist denn die Freiwilligkeit, wenn es darum geht, dass der Hartz-IVempfangende Feuerwehrmann zu einem Einsatz fährt, diesen Einsatz vergütet bekommt und das anschließend beim Amt anmelden muss und es abgezogen bekommt?
Wo ist eigentlich die Freiwilligkeit für den, der mit 60 Jahren jetzt noch eine Umschulung machen muss, obwohl wir alle wissen, dass er anschließend nie wieder in eine Beschäftigung kommt und nach seiner jetzigen Qualifizierung in Rente geht. Da reden Sie nicht von Freiwilligkeit, sondern von Zwang!
Immer, wenn es um kleine Leute geht, ist das mit der Freiwilligkeit vorbei. Wenn es um die Unternehmerinnen und Unternehmer geht, agieren Sie, dass wir ausschließlich freiwillige Lösungen anstreben sollten.
Wir haben jetzt zwei Redner in der Aktuellen Debatte gehört. Von Herrn Krauß bin ich sehr überrascht und sage, da habe ich viel Sympathie. Aber vielleicht liegt das daran, dass man, wenn man zum dritten Mal Vater geworden ist, zu neuen Erkenntnissen kommt. Herzlichen Glückwunsch auch noch einmal von dieser Stelle dafür.
Zur Position, die die FDP gerade vertreten hat: Na ja! Richtig ist, dass die Familienministerin von der Kanzlerin zurückgepfiffen wurde. Aber auch da ein Blick in die Geschichte: Die vormalige Familienministerin wurde von Frau Merkel öfter zurückgepfiffen. Heute ist sie die Chefin der Truppe und gibt das Kommando an. Wir wissen also, was passiert, wenn die Kanzlerin jemanden zurückpfeift. Ich hoffe nur, dass die damalige Familienministerin jetzt nicht familienfreundliche Kriegseinsätze vorantreibt.
Zum Schluss möchte ich noch einmal auf die FDP eingehen. Ja, wir können gern gemeinsam über betriebliche Regelungen nachdenken. Das ist sicher etwas Tolles. Aber unser Job als Parlamentarier ist es ja wohl, Rahmenbedin
gungen zu setzen und darüber zu diskutieren. Herr Krauß hat den Vorschlag gemacht, die drei Punkte. Das heißt also: Lassen Sie uns gemeinsam über eine großzügige Modellregion von Sachsen nachdenken, in der Familien tatsächlich ein gutes Einkommen haben, aber auch eine gute berufliche Perspektive, ohne ein schlechtes Gewissen gegenüber den Kindern, aber auch gegenüber den Arbeitgebern haben zu müssen.
Herr Gebhardt sprach für die Fraktion DIE LINKE. – Für die SPD ergreift jetzt Frau Kollegin Neukirch das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Debatte beweist, dass Manuela Schwesig mit ihrem Vorstoß in den vergangenen Wochen eine wichtige Diskussion angeschoben hat, auch indem sie das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf einmal ein bisschen vom Thema Kinderbetreuung weggerückt hat hin zu einem anderen wichtigen Thema, dem der Arbeitszeit. Frau Schütz, nicht alles, was man nicht sofort versteht, ist purer Unfug.
Deshalb lassen Sie uns doch die Debatte einmal nutzen, um zu schauen, was dahintersteht. Lassen Sie uns einmal überlegen, welche Probleme Familien heute haben.
Wissen Sie, lange Zeit war das Problem der Vereinbarkeit nachrangig gegenüber dem der Arbeitslosigkeit. Da konnten sich Arbeitgeber in Sachsen darauf verlassen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu jeder Zeit zur Verfügung standen und Familie und soziale Verpflichtungen hintangestellt haben, nur damit sie auch wirklich arbeiten und ihre Existenzgrundlage sichern können. Das wandelt sich derzeit. Das Ergebnis waren weniger Kinder, weniger Familiengründungen und instabile Partnerschaften. Das können wir auch nicht gut finden.
Herr Krauß, Familien sind eben nicht nur souveräne Entscheider über ihre Arbeits- und Lebensbedingungen. Das müssen wir auch mit beachten. Familien entscheiden nicht an ihrem Küchentisch souverän, wie lange sie arbeiten, in welcher Familienform sie leben wollen. Nein, sie entscheiden das nach wirtschaftlichen Notwendigkeiten und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Das sind ganz wichtige Positionen. Der 8. Familienbericht der Bundesregierung hat uns nachdrücklich beauftragt, uns des Themas in der Politik anzunehmen.
Die Arbeitszeiten waren nie so flexibel wie heute. Die Entgrenzung von Arbeit und Leben war nie so groß wie heutzutage. Aber die Souveränität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über ihre Arbeitszeit war nie so gering wie heute. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier Maßnahmen ergreifen.
Der europäische Unternehmensmonitor hat 2010 festgestellt, dass Deutschland hinter den sonstigen sechs europäischen Staaten zurückbleibt, wenn es darum geht, betriebliche Maßnahmen am Thema Familienorientierung auszurichten. Meist ist es so, wenn Maßnahmen getroffen werden, dann aus betrieblichen Notwendigkeiten und nicht weil die Bedürfnisse der Beschäftigten so liegen, und – das ist auch eine interessante Erkenntnis – Unternehmen schieben die Verantwortung für Familienfreundlichkeit eher dem Staat zu und sehen erst in zweiter Linie ihre eigene Verantwortung bei dem Thema. Das finde ich auch sehr interessant, wenn wir hier darüber reden, staatliche Gestaltung vorzunehmen.
Das Thema Fachkräftemangel hat natürlich seine Wirkung entfaltet. In Sachsen gab es eine Befragung der Handwerkskammern. 87 % der sächsischen Betriebe haben gesagt, sie wollen Familien unterstützen. Die Bereitschaft ist also groß, und die Bereitschaft ist da. Allerdings gaben 70 % der Betriebe in der gleichen Befragung an, nicht ausreichend informiert zu sein. 90 % gaben an, keine oder keine ausreichende Unterstützung für die Implementierung von familienfreundlichen Maßnahmen zu erhalten. Das ist die Befragung 2013 der sächsischen Handwerkskammern.