Trotzdem werden wir Ihren Antrag nicht ablehnen und warten gespannt, was Sie, wenn Ihnen der Bericht dann als Drucksache vorliegt, parlamentarisch damit anfangen. Irgendwie werden Sie die Zeit bis zu den Wahlen dann schon herum bekommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von dem aktuell vorliegenden Kirchbach-Bericht habe ich eigentlich etwas mehr erwartet als oberflächliche Betrachtung und nur allgemeine Aussagen. Um hier nicht missverstanden zu werden: Natürlich sollen auch die Sachen, die positiv waren, hervorgehoben werden. Der Freistaat hat seit dem großen Hochwasser 2002 sehr viel im Bereich Hochwasserschutz getan. Das Hochwasser 2013 zeigte aber auch, dass die Prioritätensetzung auf fast ausschließlich technischen Hochwasserschutz nicht richtig war.
In einer zaghaft vorsichtigen Form benennt der Kirchbach-Bericht einige Punkte, bei denen nachgesteuert werden muss. Das sind alles Punkte, die sowohl von der SPD als auch von den anderen Fraktionen und den Landesnaturschutzverbänden seit längerer Zeit angemahnt werden. Ich bin sehr gespannt, welche Schlussfolgerungen die Staatsregierung daraus ziehen wird, zum Beispiel bei der Frage der Deichrückverlegung, der Schaffung von neuen Überschwemmungsflächen und damit verbunden einem Entschädigungsfonds für Landwirte, gegebenenfalls auch bundesweit.
Der Kirchbach-Bericht kommt ebenfalls zu der Erkenntnis, dass Zusammenschlüsse von Kommunen zu Gewässerunterhaltungsverbänden wichtig sind. Dazu komme ich später noch einmal.
Meine Damen und Herren! Im Kirchbach-Bericht wurden beispielhaft drei kommunale Gebietskörperschaften
betrachtet, darunter auch Nordsachsen, wo ich herkomme. In Nordsachsen gab es kürzlich eine Hochwasserschutzkonferenz. Diese beschäftigte sich unter anderem auch mit dem Thema Katastrophenschutz. Danach wurde es 2013 besser eingeschätzt, aber noch nicht optimal; und Nachholbedarf besteht auch in Sachen Kommunikation.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus der Gemeinde Schönwölkau schildern. Der Gemeindewehrleiter von Schönwölkau beschrieb sein Problem wie folgt: „Meine Jungs sind gut. Sie leisten gute Arbeit, aber es fehlt ihnen an der richtigen Ausbildung.“ Dabei steht Schönwölkau als kleine Kommune beispielhaft für viele Kommunen in Sachsen. Der Gemeindewehrleiter berichtete weiter, dass die Kameraden viel riskieren, aber kaum das nötige Rüstzeug bekommen: „Beim Hochwasser konnten keine Verbandsführer geschickt werden, weil keine da sind.“
Für die erforderlichen Lehrgänge an der Landesfeuerwehrschule gibt es nicht genügend Plätze. Die konkrete Zahl für Nordsachsen: 2014 hat Nordsachsen 482 Lehrgangsteilnahmen beantragt und bekommt nur 169. Das sind gerade einmal 35 %. Die Einschätzung des Gemeindewehrleiters war: Die Dorffeuerwehren fühlen sich abgehängt, weil erst die Berufs- und die großen Freiwilligen Feuerwehren kämen. Hier hat der Bericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Ausstattung der Träger des Katastrophenschutzes viel zu gering ist.
Meine Damen und Herren! Aufgrund der klimatischen Veränderungen kann Sachsen zukünftig öfter von Hochwassergroßereignissen betroffen werden. Diese Erkenntnis ist natürlich nicht neu, hat sich aber spätestens seit Juni 2013 in unser Bewusstsein eingeprägt.
Ich habe zu Beginn gesagt, dass mich die Qualität des Berichtes irritiert hat, weil ich eigentlich von den Autoren eine tiefgehende analytische Betrachtung und keine Bilanzbroschüre erwartet hatte. Für mich wird es besonders deutlich an der Priorisierung von Hochwasserschutzmaßnahmen. Es ist richtig, dass in Sachsen 1,6 Milliarden Euro in Hochwasserschutzmaßnahmen geflossen sind.
Danke für die Möglichkeit zur Zwischenfrage. Können Sie mir vielleicht beantworten, wer Träger und damit auch verantwortlich für die Ausstattung der Katastrophenschutzzüge ist?
Der Freistaat ist doch immer in der Verantwortung, dass die kommunale Ebene auch ihre Aufgaben erfüllen kann!
Ich wiederhole noch einmal: Für mich wird das besonders deutlich an der Priorisierung von Hochwasserschutzmaßnahmen. Es ist richtig, dass in Sachsen 1,6 Milliarden Euro in Hochwasserschutzmaßnahmen geflossen sind. Das sind vor allem aber Gelder des Bundes und der EU. Es sind bei Weitem noch nicht alle Hochwasserschutzmaßnahmen abgearbeitet. Das ist bei den vielen Maßnahmen natürlich klar. Bei über 1 600 Maßnahmen kann das auch nicht anderes sein.
Nach den Erfahrungen von mehreren Hochwasserereignissen müssen wir uns auch die Frage stellen, ob die Kriterien und Maßstäbe der Priorisierung richtig sind. Im Kirchbach-Bericht heißt es dazu, nebulös, für mich zumindest: „Bei der Festsetzung von Prioritäten beim Ausbau der komplexen Hochwasserschutzsysteme sind aus Sicht der Kommission mannigfache Aspekte zu berücksichtigen, die auch einer Veränderung unterworfen sein können.“ Was, bitte, soll dieser Satz bedeuten?
Ministerpräsident Tillich hat bereits in seiner Regierungserklärung im Juni 2013 gesagt, dass die Priorisierung der Hochwasserschutzkonzepte überprüft und die Prioritätenliste unter Berücksichtigung wiederholt aufgetretener
Zu den Gewässerunterhaltungsverbänden. Anders als 2002 kommt die Kirchbach-Kommission zu der Einschätzung, dass die Unterhaltungs- und Hochwasserschutzaufgaben für Gewässer II. Ordnung in der Regie kommunaler Zweckverbände sowie die Förderung kommunaler Hochwasserschutzmaßnahmen zweckmäßig erscheinen. Dies verleiht unserer Forderung, die wir bereits seit Langem erheben, Nachdruck.
Nicht zuletzt bei der Diskussion um das neue Wassergesetz haben wir klargestellt, dass die Kommunen die Aufgaben des Hochwasserschutzes nur gemeinsam wahrnehmen können, wenn der Freistaat mindestens eine Anschubfinanzierung für Wasser- und Bodenverbände oder Gewässerunterhaltungsverbände bereitstellt. Ebenso müssen die Möglichkeiten der Grundfinanzierung realistischer gestaltet werden. Das ist eine rechtliche Frage. Dazu hat der SSG einen guten Vorschlag gemacht, der aber von den Koalitionsfraktionen abgelehnt wurde. Die jetzigen finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen lassen zwar theoretisch den Zusammenschluss von Kommunen zu, aber praktisch können die Kommunen dies nicht umsetzen.
Meine Damen und Herren von der Koalition! Sie wissen selbst, dass Ihr Antrag in Punkt 1 ein Placebo-Antrag ist. Der Bericht ist ja bekannt. Es ist dann schon putzig, wenn Sie Ihre eigenen Minister auffordern, den Bericht dem Landtag zur Verfügung zu stellen. Da stellt sich im Umkehrschluss die Frage, warum nicht bereits eine Unterrichtung mindestens der Ausschüsse erfolgte. Aber sei es drum, der Bericht ist ja online abrufbar.
Zu Punkt 2. Wir haben in den vergangenen Monaten einige Debatten darüber geführt, was zum Hochwasser 2013 richtig gut gelaufen ist und was nach dem Hochwasser 2013 politisch zwingend notwendig ist. Fraglich ist, ob die vorsichtigen Andeutungen im Kirchbach-Bericht zu einem Umdenken der Koalition und der Staatsregierung führen. Insofern erwarte ich von einem Berichtspunkt keinen großen Erkenntnisgewinn, aber schädlich ist er letztendlich auch nicht. Daher werden wir zustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Konsequenzen aus dem Hochwasser 2013, das ist wirklich ein wichtiges Thema für Sachsen; aber der Antrag auf Auswertung dieses Berichtes greift schlichtweg zu kurz. Wir bewerten den Antrag natürlich vor dem Hintergrund dessen, was die Regierung tut und was sie nicht tut. Sie haben immer konsequenten Hochwasserschutz versprochen, aber dieses Versprechen bleibt ein Versprechen. Sie handeln inkonsequent.
Unmittelbar nach dem Hochwasser haben Sie geglaubt, ein unverändertes Wassergesetz gegen die Kritik aus den kommunalen Wasserbehörden beschließen zu müssen, denen Handlungsmöglichkeiten wie ein Vorkaufsrecht in Hochwasserschutzfragen damit weiter aus der Hand geschlagen werden. Kurze Zeit später haben Sie auch ungeändert und ohne Prüfung als Regierung den Landesentwicklungsplan festgesetzt. Alles Wichtige ist dort Fehlmeldung.
Es gibt kein echtes Maßnahmenkonzept für mehr Flächenentsiegelung, es gibt wenig Konsequenz. Wir haben ja gestern bei dem Antrag der GRÜNEN-Fraktion gehört, wie sehr die Regierung in Sachen Flächenentsiegelung herumeiert. Grundtenor war: Wir wollen die Versiegelung gern begrenzen, aber wir wissen nicht, wie. Uns, der Regierung, fehle es angeblich an Daten. Dabei wertet sie nicht einmal die Daten aus, die sie auswerten könnte, einerseits aus der Wissenschaft, Institut für ökologische Rahmenentwicklung, andererseits die Daten, die bei den Kommunen vorhanden sind, nämlich die Erhebung über die tatsächliche Flächeninanspruchnahme bei der Abwasserentsorgung. Bürgermeister und Landräte sagen immer wieder: Danach wird gar nicht gefragt.
Gestaltungswille in diesem Bereich fehlt der Regierung und Konsequenz ohnehin. Dieser Antrag, den Sie heute eingebracht haben, bemäntelt das auf eine sehr durchsichtige Art.
Die Regierung versagt besonders im Bereich der Überschwemmungsflächen. Sie erwähnen das nicht einmal am Rande. Es kann doch nicht ausreichen – auch wenn das immer nötig ist –, dass der Innenminister auf Ihren Antrag hin einen Bericht über die Berücksichtigung der Empfehlungen beim Meldesystem und Katastrophenschutz leistet. In diesem Tempo, verehrter Kollege Hippold, kommen wir beim Hochwasserschutz eben nicht weiter. Das Tempo muss gesteigert werden.
Der Kirchbach-Bericht selber ist der Kronzeuge dafür. In höchst diplomatischer Höflichkeitssprache sächsischer Verwaltungsbediensteter heißt es dort auf Seite 35: „Die Schaffung neuer Überschwemmungsflächen ist noch nicht im erhofften Ausmaß gelungen.“ Im politischen Klartext müsste es heißen: Die Schaffung neuer Überschwemmungsflächen wurde seit 2005 von der Staatsregierung sträflich vernachlässigt.
Kallenbach zum Stand der realisierten Deichrückverlegung. Die Kirchbach-Kommission zitiert völlig korrekt aus dieser Anfrage, dass von ursprünglich in 47 Hochwasserschutzkonzepten nach 2002 vorgeschlagenen 49 Poldern und Deichrückverlegungen mit insgesamt
durch das Haus Kupfer im Laufe der Zeit nur noch 36 Maßnahmen mit 5 200 Hektar als fachlich sinnvoll und realisierbar befürwortet wurden. Die Gründe für diese
Reduktion wurden nie offen und transparent dargelegt. Anscheinend hat die Regierung ihre Pläne einfach an das langsame Umsetzungstempo angepasst, um dieses zu verschleiern. So funktioniert Hochwasserschutz nicht.
Bisher wurden nur 140 Hektar Überflutungsfläche geschaffen. Das sind weniger als 2 % der ursprünglich geplanten Flächen. Eine weitere Rückverlegung und ein Polder sind im Bau, mehr nicht. Diese Verzögerung ist kein Zufall. Insgesamt wurden nach eigenen Angaben der Regierung von 2002 bis 2012 530 Millionen Euro für Hochwasserschutzmaßnahmen ausgegeben, davon aber nur 5 Millionen Euro für die Schaffung von Überschwemmungsflächen.
Während Sie also die Anzahl möglicher Überschwemmungsflächen „eindampfen“, haben wir als GRÜNEFraktion nach dem Juni-Hochwasser in einem Gutachten von Prof. Dister vom WWF-Aueninstitut konkrete Vorschläge zur Schaffung von mehr Überflutungsflächen vorgelegt. 17 neue Überflutungsgebiete haben wir vorgeschlagen, allein an den vier Flüssen Elbe, Zwickauer Mulde, Freiberger Mulde und Vereinigte Mulde mit einer zusätzlichen Gesamtfläche von insgesamt 3 500 Hektar. Sind die Vorschläge eigentlich geprüft worden, Herr Kupfer?
Ich zitiere den Kirchbach-Bericht weiter: „Hinsichtlich der Gewinnung von Überschwemmungsflächen ist ein Vorgehen angezeigt.“ Weiß Gott, da hat die Kommission recht.
Wir fordern als GRÜNE seit Jahr und Tag eine Änderung der Politik in Bezug auf die landwirtschaftlichen Flächen. Da möchten wir Ihnen doch einmal folgenden Satz ins Stammbuch schreiben: „Ein Entschädigungsprogramm für Landwirte, das bundesweit ausgerichtet sein sollte, ist notwendig.“ Auch großzügige Ausgleichszahlungen für die Nichtnutzungsmöglichkeit solcher Flächen rentieren sich beim Hochwasserschutz sehr stark. Technischer Hochwasserschutz ist in der Regel deutlich teurer.
Ich kann mich meinen Vorrednerinnen anschließen. Auch im kommunalen Bereich fehlt die Unterstützung des Freistaates. Kommunale Konzepte für die Gewässer II. Ordnung werden wenig bzw. gar nicht gefördert. Die notwendige Bildung von Zweckverbänden wird ebenso wenig vorangetrieben wie die Lösung von Problemen mit wild ablaufenden Wassern. Ein Stichwort sind hier Schlammlawinen und Gerölllawinen zum Beispiel im Landkreis Osterzgebirge/Sächsische Schweiz, wofür die Kommunen ebenfalls zuständig sind. Auch da gilt die Prioritätensetzung des Landes allein den eigenen Maßnahmen an den Gewässern I. Ordnung.
Sosehr wir mit Erleichterung konstatieren können, dass sich das Melde- und Katastrophensystem verbessert hat, auch wenn es weiter verbessert werden muss, so sehr möchte ich noch einmal die Unterstützung und Transparenz ehrenamtlichen Engagements anmahnen. Transparente Strukturen für Freiwillige, nicht nur im Katastrophenfall, sondern auch in der Planung, sind notwendig. Die Bürgerinnen und Bürger werden über Hochwasser
planungen, über neue Linien schlichtweg gar nicht informiert. Ein Beispiel ist Dresden mit der Hafencity, wo eine Anfrage meines Kollegen Johannes Lichdi notwendig war, um zu klären, dass die Planung, die die Stadtverwaltung bisher betrieben hat, dort nicht mehr zulässig ist.
Zu guter Letzt: Das Anliegen der Kommission zur Eigenvorsorge freut uns. Auch hier könnte Sachsen weiter sein, wenn Sie unseren Haushaltsvorschlägen für einen Fonds zur Eigenvorsorge für Hochwasserschutzmaßnahmen zugestimmt hätten. Wir haben einen bescheidenen Betrag von 2 Millionen Euro jährlich gefordert.