Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Rettungsdienst ist eine ganz besonders wichtige öffentliche Dienstleistung im ganzen Land, und nach der umstrittenen Einführung der Ausschreibungspflicht ist eine Zwischenbilanz dringend notwendig.
Neue Qualität zeichnet sich momentan nicht ab, aber es gibt einen Trend zu niedriger Entlohnung. Selbst der Vorstandsvorsitzende des DRK Sachsen, Rüdiger Unger, reagiert auf Kritik an der Tarifpolitik des DRK in Bezug auf Nordsachsen und Meißen presseöffentlich mit einem Verweis auf die nicht geregelten Lohnstandards und den Preisdruck, der durch die Ausschreibung entstanden ist. Dem Kollegen Mackenroth wird es vielleicht auch aus der Diskussion in den Gremien des DRK Sachsen vertraut sein. Herr Unger muss es wissen, hat doch das DRK bzw. sein Tochterunternehmen die allermeisten Ausschreibungen gewonnen.
Ich hatte bereits im Zusammenhang mit der Novellierung des Gesetzes und der dann neuen Rettungsdienstplanverordnung – eben wegen der gestellten Anforderungen an die Ausschreibung – davor gewarnt, dass die Ausschreibungen in der Trägerstruktur nicht zu ausgewogenen Wettbewerbsergebnissen führen, sondern zu einer Defacto-Monopolstellung einer einzigen Hilfsorganisation. Die bisherigen Ergebnisse bestätigen diese Sorge leider. Abgesenkte Standards und weitgehende Monopolsituation
eines Anbieters – das würde auf Dauer die von den Krankenkassen bemängelte Kostensteigerung im Rettungsdienst eben nicht verhindern. Es erzeugt perspektivisch neuen Kostendruck. Die offenen Probleme des Rettungsdienstes – fehlende Tarifbindung, schlechte Situation bei den Rettungsärzten – sind bis heute nicht gelöst.
Ansätze der Lösung hätte ein Vergabegesetz mit Lohnstandards geboten, und diese fehlen. Das müssen die Organisationen jetzt ausbaden. Als GRÜNE stehen wir einem Wettbewerb und Ausschreibungen um gute öffentliche Dienstleistungen immer offen gegenüber, wenn die richtigen Rahmenbedingungen für Qualität und angemessene Entlohnung gesetzt sind. Aber das ist hier nicht der Fall. Hinter dem europäischen Recht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, können Sie sich jedenfalls nicht verstecken. Die neu erlassene Richtlinie lässt die Bereichsausnahme zu; so überraschend war das nicht. Aber Sie sollten sich endlich einmal damit auseinandersetzen, Herr Kollege Karabinski und Herr Kollege Hartmann, anstatt zu sagen, dass Sie das nicht geklärt haben. Andere Länder haben das getan.
Vor diesem Hintergrund werden wir dem Antrag der SPD gern zustimmen. Ich möchte aber auch den Abgeordneten der CDU und der FDP noch einmal klar sagen: Wenn Sie die Ergebnisse der Ausschreibung anders, positiv sehen, dann müssen Sie doch für eine öffentliche Evaluation sein und dies längst in Ihrem Arbeitskreis besprochen haben.
Dann können Sie gern zustimmen. Wenn wir jetzt das Innenministerium beauftragen, einen Gesetzentwurf
vorzulegen – Sie kennen doch das Arbeitstempo –, dann wird er gerade für den neuen Landtag vorliegen und man kann damit beginnen.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Juli 2012 haben wir in diesem Hause ausführlich zum Thema Rettungsdienst gesprochen, als es um die dem heutigen Antrag zugrunde liegende Gesetzesnovelle ging. Befürchtet wurden damals seitens der Opposition vor allem eine Verschlechterung der Qualität und die Ausbreitung von Lohndumping infolge preisorientierter Ausschreibungen. Vonseiten der Koalition wurde dies zurückgewiesen. Es ist also an der Zeit, jetzt eine Bilanz zu ziehen.
Ein Blick in aktuelle Meldungen, auch von außerhalb Sachsens, zeigt, dass diese Befürchtungen auch heute noch bestehen. So machen sich derzeit in Rheinbach,
Nordrhein-Westfalen – man höre! – Kommunalpolitiker von CDU und FDP für die Gründung eines „Kommunalen Zweckverbandes Rettungsdienste“ stark. Obwohl die neue EU-Vergaberichtlinie als Ausnahmeregelung vorsieht, die Rettungsdienste von der Ausschreibungspflicht auszuklammern, befürchtet man also im Rhein-Sieg-Kreis weiter eine solche. Seit Monaten protestieren deshalb die Mitarbeiter der dortigen Rettungsdienste gegen die möglichen Ausschreibungen rettungsdienstlicher Leistungen. Aber CDU, FDP und Gewerkschaft auf einer Linie, dann müsste es doch auch im Freistaat Sachsen kein Problem sein, wenn sich Regierung und Opposition auf ein gemeinsames Vorgehen einigen könnten.
Die heutigen Redebeiträge und die recht knapp ausgefallenen Antworten der Staatsregierung auf Kleine Anfragen zu dieser Thematik seit 2012 sprechen jedoch eine andere Sprache. Der Verweis des Kollegen Hartmann auf die Diskontinuität aufgrund des nahen Endes der 5. Wahlperiode des Sächsischen Landtages mag stimmen, ebenso, dass es in der verbliebenen Zeit mit der entsprechenden Parlamentspraxis nicht mehr möglich sein dürfte, ein Gesetz zu novellieren. Dennoch brauchen die Träger des Rettungsdienstes so schnell wie möglich Klarheit.
Wir als NPD-Fraktion werden genau hinschauen, ob die gesetzliche Neuregelung dann wenigstens eines der ersten Projekte des 6. Sächsischen Landtags sein wird.
(Sabine Friedel, SPD: Da müsst ihr aber von draußen gucken! – Stefan Brangs, SPD: Ja, ausschließlich von der Besuchertribüne!)
Zu Ihrer großen Enttäuschung wird es wohl so sein. Auch wenn die NPD-Fraktion diesen Antrag mittragen kann, möchte ich noch ein paar kritische Worte an die Antragsteller richten.
Jetzt hören Sie bitte zu! – So ganz kann ich Ihnen nämlich Ihr Engagement nicht abkaufen. Ich möchte an die von der rot-grünen Bundesregierung auf den Weg gebrachte Agenda 2010 erinnern, die dem Lohndumping in einem bis dato unbekannten Ausmaß erst den Weg bereitete. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch eine in Sachsen aus CDU und SPD geführte Koalition im Jahr 2012 eine solche Gesetzesnovelle auf den Weg gebracht hätte, wie sie damals und heute von Frau Friedel kritisiert worden ist und wird. Nur war aber im Jahr 2012 der Koalitionspartner nun einmal die FDP; aber selbst wenn es die SPD gewesen wäre, hätten wir heute das gleiche Problem und Sie würden es nicht kritisieren. Deshalb ist das alles ein bisschen bigott, was Sie da betreiben.
Meine Damen und Herren! Mir liegt noch eine Wortmeldung für eine zweite Runde vor. Ich frage erst einmal Frau Friedel, ob sie sprechen möchte. – Kein Redbedarf mehr. – Herr Löffler? – Ach, Herr Hartmann, Sie haben sich geeinigt. Herr Hartmann, bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Löffler vertraut mir, insoweit darf ich noch einmal kurz das Wort an Sie in diesem Hohen Hause richten.
Die Genese zur Novellierung des BRKG im Jahr 2012 hat ihre Ursachen in der damaligen Rahmensituation der Rechtslage der Europäischen Union. Ich möchte noch einmal klarstellen, dass wir uns seinerzeit unter mehreren Möglichkeiten dafür entschieden haben, das Submissionsmodell als Grundlage zu nehmen. Ich glaube, dass es ein vernünftiger Kompromiss in Bezug auf die Beteiligung der Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes, der Kassen und auch der Leistungserbringer gewesen ist. Ich glaube auch, dass sich das System bewährt hat. Ich finde es nicht so negativ, wie Sie es darstellen.
Gleichwohl gibt es im Rahmen der Neuübertragung bzw. der Ausschreibungen im Einzelfall Fragen zu berechtigten Belangen der Betroffenen bzw. der Mitarbeiter. Deswegen muss man sich des Themas annehmen.
Herr Bartl, ich widerspreche Ihnen: Ja, seit März 2013 läuft die Diskussion zur EU-Vergaberichtlinie mit all ihren Höhen und Tiefen. Ich darf Ihnen versichern, dass ich in der Funktion eines Landesvorsitzenden der KBV in Diskussionsprozesse eingebunden war und dass noch Ende letzten Jahres die Frage der Mehrheitsverhältnisse im Europäischen Parlament sehr schwierig erschien. Es ging nämlich im Kontext darum, dass auch die Wasserrahmenrichtlinie Bestandteil dieser Diskussion ist. Insoweit war nicht absehbar, was abschließend der Parlamentsbeschluss sein sollte. Dieser liegt nunmehr seit dem 15. Januar 2014 vor.
Noch einmal: Auf der Grundlage dieser Situation werden wir uns mit dem Thema beschäftigen und auch der Frage der Abwägung nachgehen. Wie organisiere ich denn einen Rettungsdienst unter Auslösung von Krankentransporten? Ist das sinnvoll, ist das richtig, ist das falsch? Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Fragen, die es in diesem Zusammenhang zu klären gilt. Auch die Frage der Beurteilung sowohl der Leistungserbringer als auch der Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes gilt es zu klären.
Es sei mir noch gestattet, zum Lohndumping ein paar Worte zu sagen. Die Kassen zahlen eine Pauschale. Ich erinnere mich noch an die dazu im Jahr 2012 geführte Diskussion, die die Grundlage für die Bezahlung aufgrund einer tariflichen Bindung war. Kurzum: Wir zeigen an,
dass auch wir aufgrund der veränderten rechtlichen Situation und aufgrund unserer Erfahrung den Bedarf sehen, uns dieses Themas in aller Ruhe und Sachlichkeit unter Berücksichtigung aller Argumente anzunehmen.
Wir finden es nach wie vor nicht richtig, dass hier der Eindruck vermittelt wird, als ob der Rettungsdienst in Gänze und in Summe in Sachsen am Boden liege, schlecht bezahlt werde und dem Grunde nach kaum noch die Autos aus den Garagen bekomme. Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch das ist nicht die Wahrheit.
Zum Abschluss möchte ich noch einiges zu Ihrem Antrag sagen: Wir sind gern bereit – diesbezüglich verweise ich noch einmal auf den Innenausschuss – über die Frage der in Punkt 2 aufgeführten Positionen zu diskutieren. Dafür ist der Fachausschuss das geeignete Gremium und nicht das Plenum dieses Hohen Hauses. Ich glaube, auch dort kann man sich darüber verständigen, wie wir unter Einbindung der kommunalen Familie über die von Ihnen aufgeworfenen Fragen diskutieren können. Die Entscheidung darüber liegt bei Ihnen. Wir haben Ihnen signalisiert, dass eine Behandlung im Innenausschuss durchaus sinnvoll und möglich ist. Ansonsten werden wir heute diesen Antrag ablehnen.
Gibt es noch weitere Wortmeldungen in der zweiten Runde? – Dann eröffne ich eine dritte Runde. Frau Friedel, bitte, für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will auf das Negativbeispiel Chemnitz eingehen, das Herr Karabinski angesprochen hat. Herr Hartmann hatte gesagt: Wir haben mit dem Gesetz einen Handlungsrahmen geschaffen, in dem sich die Kommunen bewegen können. Das ist so nicht ganz richtig.
Der Handlungsrahmen ist ausgesprochen eng. Herr Kollege Bartl hat den entsprechenden Paragrafen vorgelesen. Selbst wenn man hier und dort noch etwas machen kann, wissen Sie, dass die Vergaben nicht nur nach dem BRKG erfolgen, sondern sie müssen natürlich auch mit dem Sächsischen Vergabegesetz konform sein. Sie erinnern sich vielleicht an die Debatte, die wir zum Sächsischen Vergabegesetz mehrfach geführt haben. Dieses Vergabegesetz lässt keine sogenannten vergabefremden Kriterien zu. Das lässt es nicht zu und ist etwas anderes, da nur der Preis in Anschlag kommt, wenn es um die Vergabe von Leistungen geht.
Sie haben sich immer dagegen gewehrt, dass dieses Vergabegesetz geändert wird: Wir wollten eine Änderung des Vergabegesetzes und haben einen entsprechenden Antrag gemeinsam mit den GRÜNEN und den LINKEN eingebracht. Es nützt hier nichts, über Negativbeispiele zu diskutieren. Das Gesetz haben Sie gemacht.
Herzlichen Dank, Herr Präsident! Herzlichen Dank, Frau Friedel, dass Sie die Frage zulassen. Könnten Sie mir bestätigen, dass das Sächsische Vergabegesetz davon ausgeht, dass die vergabefremden Kriterien nicht überwiegen dürfen, es aber gleichwohl zulässt, dass neben dem Preis andere Positionen bei der Vergabe berücksichtigt werden können, oder entspricht das nicht Ihrer Wahrnahme über die Regelung des Sächsischen Vergabegesetzes?
Nein, Herr Hartmann, ich kann Ihnen das leider nicht bestätigen. Ich war bei zahlreichen Gesprächen dabei, die sich genau um diese juristische Materie rankten. Die Kommunen haben sich auch – das wissen Sie – von Anwaltskanzleien im Zuge der Ausschreibung des Rettungsdienstes beraten lassen. Diese haben deutlich gemacht, dass hierbei der rechtliche Spielraum sehr gering ist.