Ich komme lieber wieder zurück zu dem Thema Integration durch Bildung. Ich habe das schon angeschnitten. Ich glaube auch, dass es bei der Umsetzung dieses Unterbringungs- und Kommunikationskonzeptes Punkte gibt, die man eher angehen muss, und dass es Punkte gibt, die noch ein bisschen länger warten können. Wenn wir jetzt die Operationellen Programme aufstellen und beschließen, dann muss sich die Möglichkeit, ESF-Mittel zum Spracherwerb einzusetzen – wie ich es vorhin schon gesagt habe –, in den Operationellen Programmen wiederfinden. Das ist es, was wir jetzt in Angriff nehmen sollten.
Zur Integration gehört sicher auch, dass die Kinder eine Kita oder eine Schule besuchen können. Insbesondere was die Kita angeht, gibt es ganz unterschiedliche Situationen in Sachsen. In den Städten ist das meistens gar nicht das große Problem, aber im ländlichen Raum schon. Auch wer die Kosten übernimmt, ist unterschiedlich geregelt. Es gibt Landkreise, die die Kosten für den Kita-Besuch derzeit nicht übernehmen.
Neben der Übernahme der Kosten ist natürlich auch eine Frage, wie man Eltern motivieren kann. Da sind wir wieder bei der Sozialarbeit, die notwendig ist. Gleichzeitig geht es auch um die Vorbereitungsklassen für die Asylbewerberkinder, die in die Schule gehen. Diese Klassen sind in manchen Teilen Sachsens am Ende ihrer Aufnahmekapazität angelangt. Wir haben auch nicht genügend Lehrkräfte. Wenn man den Asylbewerberkindern die Möglichkeit geben will, sich zu integrieren, ist es natürlich wichtig, dass sie in die Schule gehen und dort etwas verstehen können. Da muss man eben sehen, dass es DAZ-Klassen in ausreichender Zahl gibt.
Es ist auch die Frage zu stellen, wer für die Durchsetzung der Schulpflicht der Kinder in den Gemeinschaftsunter
künften zuständig ist. Ich habe dazu eine Kleine Anfrage gestellt. Frau Kurth hat mir geantwortet: In Kooperation mit dem jeweiligen Koordinator für Migration und Integration der Sächsischen Bildungsagentur und den Akteuren vor Ort, wie den Heimleitern der Gemeinschaftsunterkünfte, den Mitarbeitern der Jugendmigrationsdienste, den Landratsämtern oder den kommunalen Ausländerbeauftragten erfolgt der Informationsaustausch. – Das ist mir, ehrlich gesagt, zu schwammig.
Wer ist denn nun verantwortlich? Wie erfährt die Sächsische Bildungsagentur davon, dass schulpflichtige Kinder in einer Gemeinschaftsunterkunft leben? Darauf konnte Frau Kurth nicht antworten. Leider heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage, dass die Betreuungslehrer und Betreuungslehrerinnen für die schulischen und außerschulischen Integrationsprozesse verantwortlich
sind. Sie beraten die Schulleitungen sowie die Fachlehrer und halten einen engen Kontakt mit den Eltern sowie mit außerschulischen Partnern. Mein Eindruck ist aber, dass diese Lehrer davon gar nichts wissen. Selbst wenn sie es wissen sollten, ist es so, dass sie die Ressourcen nicht haben und auch nicht ausreichend darauf vorbereitet sind. Das sind Punkte, bei denen wir heute schon ansetzen können, wenn wir das Konzept umsetzen wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister, es gibt einige Punkte, die Sie schnell angehen sollten. Ich habe mich gefragt, warum Sie der Führungsverantwortung, die Sie als Innenminister haben, nicht stärker nachkommen. Die Unterbringung von Flüchtlingen ist eine Pflichtaufgabe nach Weisung mit vollem Weisungsrecht. Sie könnten also durchaus dieser Empfehlung im Unterbringungskonzept auch einen rechtlich verbindlichen Rahmen geben. Für einige der Empfehlungen wäre das sicher sinnvoll. So sehe ich das jedenfalls.
Das betrifft insbesondere das Stufenverfahren für die dezentrale Unterbringung. In diesem Zusammenhang müssen wir uns auch Folgendes überlegen: Welche Rahmenbedingungen für dezentrale Unterbringung wollen wir? Wie soll da der Zugang zur Sozialarbeit sein? Wie soll erreicht werden, dass Eltern motiviert werden, ihre Kinder in Kita und Schule zu schicken? Also, dezentrale Unterbringung ist nicht per se gleich gut, sondern wir müssen überlegen, unter welchen Bedingungen sie erfolgen soll.
Zur Sicherstellung der sozialen Betreuung sollten wir mit der Liga der Wohlfahrtsverbände zusammenzuarbeiten und schauen, welche der Empfehlungen sozusagen als Schritte auf dem Weg, mehr soziale Betreuung sicherzustellen, zuerst umgesetzt werden können.
Als Letztes möchte ich Ihnen noch einige Personen besonders ans Herz legen, nämlich die schutzbedürftigen Personen gemäß EU-Richtlinie. Das sind minderjährige und vor allem minderjährige unbegleitete Flüchtlinge. Wir brauchen die Clearing-Stelle in Sachsen. Andere Länder haben sie schon. Das sind Menschen mit Behinderungen, die besondere Bedürfnisse zum einen hinsichtlich Barrierefreiheit und zum anderen an die gesundheitliche Versor
Ich komme zum Schluss. – Das betrifft vor allen Dingen Frauen. Wir haben das Problem, dass der Frauenschutz für Migranten einfach nicht ausreichend zugänglich ist.
Das sind Punkte, die ich Ihnen gern noch mitgeben möchte. Ansonsten denke ich, dass wir gemeinsam an dem Unterbringungskonzept arbeiten sollten.
Herr Präsident, ich möchte vom Instrument einer Kurzintervention Gebrauch machen, weil mir dieses formelhafte Integrationsgerede der Frau Herrmann zum einen auf die Nerven gegangen ist und weil es zum anderen auch völlig sachfremd ist.
Aus Sicht der NPD möchte ich noch einmal klarstellen, dass wir hier von Asylbewerbern reden. Hier wird also der Integration von Personen das Wort geredet, deren rechtsstaatliches Asylverfahren noch gar nicht abgeschlossen ist. Ich könnte ein Mindestmaß von Verständnis dafür aufbringen, wenn man hier eine Integrationsdebatte für Asylbewerber führen würde, deren Verfahren rechtskräftig positiv beschieden wurde. Das sind also Leute – und dazu gehören 2 bis 3 % aller Asylantragsteller –, die nach Artikel 16 a des Grundgesetzes asylberechtigt sind. Wenn man sich bei den 2 bis 3 % rechtmäßigen Asylbewerbern, bei denen die Gerichte festgestellt haben, dass sie zu Hause in puncto Leib und Leben verfolgt sind, um Integration bemüht, könnte ich ja noch mitgehen.
Aber hier geht es um Integrationsbemühungen für Leute, deren Asylanträge in ganz überwiegendem Maße abgelehnt werden und die nach rechtsstaatlichen Maßstäben ausreisepflichtig sind. Was ist denn das für eine Verhöhnung des Rechtsstaates? Ausreisepflichtige, rechtsstaatlich abgelehnte Asylbewerber gehören in einen Flieger gesetzt und in ihre Heimatländer ausgeflogen. Wie kann man denn hier Integrationsbemühungen vornehmen? Es sei denn – und dann würde ein Schuh daraus –, dass man rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber überhaupt nicht abschieben will.
Das ist ein weiteres Problem, das in diesem Land nur die NPD anspricht. Erst im Februar dieses Jahres hat die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf die Zahlen des Bundesamtes für Migration festgestellt, dass es 131 000 rechtskräftig abgelehnte und abschiebepflichtige Asylbewerber in der Bundesrepublik gibt, die aber nicht abgeschoben werden.
Ich komme zum Schluss. – Das heißt, wir haben es hier mit einer weiteren Rechtsbeugung zu tun, indem selbst rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber nicht abgeschoben werden. Und dann von Integration zu schwafeln, ergibt wieder einen neuen, aber sehr inländerfeindlichen Sinn.
Das war die Kurzintervention von Herrn Gansel. Meine Damen und Herren, wir setzen die Aussprache fort. Für die CDU spricht Herr Abg. Hartmann. Bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gestern schon gesagt, dass das Problem mit dieser Diskussion darin besteht, dass sie weder schwarz noch weiß ist, sondern in einer Grauzone stattfindet. Diese Grauzone heißt: Es gibt verschiedene Beteiligte mit verschiedenen Blickwinkeln und einer höchst unterschiedlichen Betrachtung. Ich versuche, einige Punkte aufzunehmen. Ich entwickle, glaube ich, eine gewisse Affinität – ich weiß nicht warum –, auf diese Argumente einzugehen.
Was ist eigentlich deutsche Kultur, und was ist Zielsetzung der deutschen Gesellschaft? Ich möchte Sie da ein bisschen beruhigen. Wenn Sie sich die deutsche Kultur, die deutsche Gesellschaft, die deutsche Geschichte der letzten tausend Jahre anschauen, stellen Sie fest, dass sie ständigen Wandlungen unterworfen waren. Wir sind aus der Gotik gekommen, aus dem Spätmittelalter, wir haben uns kulturell völlig verändert, interessanterweise mit unheimlich viel Zuwanderung.
Gerade die letzten 200 Jahre sind vor allen Dingen durch erhebliche kulturelle Veränderungen und Umbrüche geprägt gewesen. Daran haben auch Leute, hinsichtlich derer Sie eine gewisse Affinität entwickeln, einen nicht ganz unerheblichen Anteil gehabt. Diese Gesellschaft hat sich immer verändert. Sie hat sich immer gestaltet, weil eine Gesellschaft, die lebt, auch einer Veränderung durch Rahmenbedingungen, durch eine Fortentwicklung unterliegt. Ansonsten würden wir heute noch große Fans des Minnesangs sein. So hat sich aber Kultur und Gesellschaft einfach verändert.
Zuwanderung gehörte eben auch immer zu dieser Gesellschaft. Da kann man jetzt wieder aus alten Debatten zitieren. Wir wissen im Übrigen, dass auch in diesem Hohen Hause – ich bringe das gern, das ist so ein Running
Aber jetzt zu der Frage: Wie gehen wir verantwortungsvoll mit Asylrecht in diesem Land um? Da ist der Ausgleich zwischen denen, die hier in diesem Land leben, die die deutsche Staatsangehörigkeit haben, auf der einen Seite und den Menschen, denen wir uns besonders verpflichtet fühlen und denen wir auch eine Heimstatt geben wollen, auf der anderen Seite.
Da gibt es einen Unterschied. Das eine ist das Asylrecht nach Artikel 16 a Grundgesetz. Dies ist ein besonderer Ausfluss der Gründungsväter aus den Erfahrungen, die wir zwischen 1933 und 1945 in diesem Land gemacht haben, und den Folgen, die in Europa und in der Welt zu verzeichnen waren. Deswegen gibt es diesen besonderen verfassungsrechtlichen Ansatz in Artikel 16 a des Grundgesetzes für die Regelung des Asylrechtes.
Daneben gibt es aber noch internationale Verträge und Verpflichtungen, denen wir beigetreten sind: bei den Vereinten Nationen, in der Europäischen Union. Diese völkerrechtlichen Verpflichtungen haben für uns einen Bindungscharakter. Deswegen ist es genau für diese Teilgruppe für uns verpflichtend, ein Asylrecht für den zu gewähren, der einen Anspruch auf Asyl in unserem Land hat. Weil wir noch genau aus unserer eigenen Geschichte wissen, was es heißt, verfolgt oder vertrieben zu sein, haben wir eine Verpflichtung, diesen Menschen die Möglichkeiten eines vernünftigen Lebens in unserer Gesellschaft zu gewährleisten. Dazu gehören Einbindung und Integration.
Der Unterschied wird jetzt aber deutlich. Für diejenigen, für die dieser Anspruch nicht besteht, muss es eine konsequente Rückführung in die Heimatländer geben. Das wird zumindest im Freistaat Sachsen sehr konsequent betrieben.
Nur können sie doch nicht jeden, der krank ist oder sonstige Gründe hat oder hochschwanger ist, einfach einmal in das Flugzeug schieben, sondern sie müssen sich mit dem Einzelfall beschäftigen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben es sonst immer mit Zahlen. Ich glaube durchaus feststellen zu können, dass wir im Freistaat Sachsen sehr konsequent die Frage der Rückführung für nicht anerkannte Verfahren behandeln.
Abschließend bleibt es dabei: Wir müssen die Verfahren der Anerkennung beschleunigen, um Sicherheit für unsere Strukturen, aber auch für den Betroffenen zu bringen und damit eine klare Abgrenzung vorzunehmen.
Erlauben Sie mir zum Schluss noch einen klaren Hinweis, weil er Bestandteil dieser Debatte war: Für uns ist eine pauschale Integration von Asylbewerbern in unsere sozialen Versicherungssysteme nicht der Weg. Wir sind
durchaus der Auffassung, dass das Asylbewerberleistungsgesetz für den Prozess einer entsprechenden Einbindung, Prüfung und Integration seine Berechtigung hat.
Meine Damen und Herren, mir liegt noch eine Wortmeldung von der Fraktion DIE LINKE vor. Frau Abg. Klinger, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe in meinem ersten Redebeitrag ausgeführt, wie wichtig die medizinische Versorgung, also die Unversehrtheit des Körpers und der Seele, und die Teilhabe an der Gesellschaft sowie das Entgegentreten gegen den Rassismus und die Fremdenfeindlichkeit sind, um eine wirkliche Willkommenskultur, und zwar für alle – das möchte ich betonen – zu erreichen.
Eigentlich mag ich dieses Wort gar nicht mehr. Ich empfinde es als eine hohle Phrase. Keiner weiß so richtig, was dahinter steckt, was mit einer Willkommenskultur gemeint ist. Ich habe noch einmal nachgesehen. Was ich dazu auf der Seite des Innenministeriums gefunden habe, Herr Ulbig, ist das Leitbild, das Sie 2010 den Ausländerbehörden gegeben haben. Ich kann es mir nicht verkneifen, daraus kurz zu zitieren: „Sachsen braucht Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland. Wir haben damit begonnen, eine Willkommenskultur für diejenigen zu schaffen, die daran mitarbeiten, mit anpacken, dass Sachsen eine führende Region in Europa bleibt.“