Protokoll der Sitzung vom 13.03.2014

Die in der Bundesingenieurkammer zusammengeschlossenen Ingenieurkammern unterhalten seit einigen Jahren ein bundesweites Ingenieurregister, in dem die Ingenieure und deren Qualifikation aufgeführt und auch für die Allgemeinheit in sehr guter Form recherchierbar sind. Die Ingenieurkammer ist dem europäischen BinnenmarktInformationssystem (IMI) angeschlossen. Auch dort werden künftig die gelisteten Ingenieursachverständigen sowohl beraten als auch bekannt gemacht.

Schließlich ist seit Jahren zwischen der Bundesingenieurkammer, das heißt der Dachorganisation der Länderingenieurkammern, und der Dachorganisation der Industrie- und Handelskammern vereinbart, dass auch durch Ingenieur- oder Architektenkammern öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige im Verzeichnis des DIHT geführt werden.

Ich möchte die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen in Sachsen bitten, die neuen Formalien zu akzeptieren, sich weiterhin aktiv in das Sachverständigenwesen einzubringen; denn letztlich ist doch die besondere Fachkunde und die persönliche Eignung jedes einzelnen Sachverständigen Erfolgsgarant für ein angesehenes und verbraucherfreundliches Sachverständigenwesen im Freistaat Sachsen.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Die Sächsische Architektenkammer und die Sächsische Ingenieurkammer sind leistungsfähige Körperschaften. Sie verfügen über vielfältige Erfahrungen. Sie sind in ein breites Netzwerk in Deutschland und Europa eingebunden und sind auch mit der Aufgabe der Listeneintragung, der Listenführung bestens vertraut.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Herr Fritzsche. Nun die Fraktion DIE LINKE. Herr Abg. Stange, bitte. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es mir eingangs ersparen, weil das der geschätzte Kollege Fritzsche bereits getan hat, den Titel des Gesetzes noch einmal zu wiederholen. Der geht über vier Zeilen.

Lassen Sie mich Folgendes sagen: Kollege Fritzsche hat, wie hier eben, auch bei der Ausschussbehandlung seine Überraschung über die Intensität der öffentlichen Debatte genau an dem Punkt, den er auch hier ausgeführt hat, dargestellt. Mich hingegen verwundert nach intensiver Befassung mit genau diesen Stellungnahmen und mit dem Gesetzentwurf diese Intensität ehrlich gesagt nicht. Schließlich wird eine gut geübte, bewährte und zuverlässige Praxis in Sachsen jäh beendet, nicht etwa ergänzt, nein, sie wird beendet.

Die Bestellberechtigung im Bauwesen – was auch immer mit diesem recht unscharfen Begriff erfasst wird – soll von den IHKs auf die Architektenkammer und die Ingenieurkammer übergehen. Es fragt sich also, welche Motivation hinter dieser Änderung steckt, schließlich haben bislang die IHKs, die in Sachsen knapp 244 000 Mitgliedsunternehmen repräsentieren und mittlerweile 361 öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige gelistet haben, die Sachverständigen im Bauwesen bestellt, und zwar im Einvernehmen mit Architekten- und Ingenieurkammer. Die IHKs haben sich bundesweit vernetzt, einheitliche Bestellungskriterien festgelegt, ein gemeinsames Qualitätsmanagement vereinbart und ein Weiterbildungsregime initiiert, das die Qualität der Aus- und Fortbildung sowie der Gutachtertätigkeit gleichermaßen sichert. Diese Praxis und Qualität werden jetzt durchbrochen. Die Ingenieurkammer und die Architektenkammer sollen hinsichtlich des Bauwesens die Bestellbefugnis erhalten. Zu Recht verweisen die IHK darauf, dass die Ingenieurkammer von den 109 000 Ingenieuren in Sachsen gerade einmal 3 000 repräsentiert. Die Architektenkammer vereint 2 800 Pflichtmitglieder.

Welche Motivation steckt also hinter dieser Änderung? Schließlich hatte man zum Jahresbeginn 2013 – auch das haben wir im Ausschuss erörtert – erst andere Bereiche in die Bestellberechtigung für Sachverständige der IHKs geführt, und zwar mit dem Argument der Vereinheitlichung.

Gemeinhin ist bekannt, dass aufgrund besonderer Ereignisse Gesetzesänderungen erarbeitet werden. Man stelle sich vor, in einem Tunnel brennt es und besondere Umstände führen zu einer Katastrophe. Dann wird schon einmal darüber nachgedacht, ob man rechtliche Vorschriften ändern muss. Was ist also hier passiert? Welcher Anlass ist eingetreten, dass die Berechtigung zur Bestellung öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständigter für den Bereich des Bauwesens auf die Ingenieur- und Architektenkammer übergehen muss? Gab es massiv Beschwerden über die Qualität der Gutachten? Gab es vermehrt Klagen oder gar Fälle von Korruption, die einen solchen Schritt rechtfertigen würden? Auf alle Fragen gibt es nur eine Antwort: Nein.

Es sei bemerkt, dass es zum Beispiel im Bereich des Bauwesens gegebenenfalls jetzt sogar zu einer Parallelzuständigkeit kommen könnte. Kollege Fritzsche hat das ausgeführt. Seine Aussage „Ich würde dann bei einer Begutachtung den Immobilienkaufmann bestellen“ zeigt

schon, dass es dann mehr oder weniger ins persönliche Ermessen fällt, welchen Gutachter, welchen Sachverständigen ich mir bestelle bzw. an wen ich mich wende. Das führt eher zu Unklarheit als zu Klarheit.

(Zuruf von der CDU)

Das mag sein. Das sehen andere anders.

Auf meine Fragen im Ausschuss entgegnete der Vertreter der Staatsregierung Folgendes – ich darf aus dem Bericht zitieren –: „Das Thema der Abgrenzungsschwierigkeiten könne nur dann gelöst werden, wenn man sich von den Kammern trennen würde. Dies sei aber nicht beabsichtigt.“ Das ist gut so. Ich muss heute allerdings dieser Betrachtung widersprechen. Das Abgrenzungsproblem entsteht durch die Gesetzesänderung und nicht durch den Status quo. Das darf man an dieser Stelle wohl noch einmal sagen, bevor hier Irrtümer aufkommen. Man muss sich also nicht von den Kammern trennen, um die Abgrenzungsproblematik aufzulösen, sondern man muss einfach den Status quo beibehalten.

Der Vertreter der Staatsregierung führte dann weiter aus – ich darf wiederum zitieren –: „Sachsen habe bewusst dieses Kammernsystem übernommen. Was jetzt bezogen auf die Sachverständigen erfolge, sei ein logischer Zuordnungsschritt. In elf Bundesländern sei dieses Bestellungsrecht auf die Architekten und Ingenieure übertragen worden.“ Das ist zumindest wenn nicht eine Lüge, dann eine Halbwahrheit. Denn in diesen elf Bundesländern hat es eine Übertragung des Bestellrechts auf Ingenieur- und Architektenkammern gegeben, aber parallel zu den IHKs. Das sollte der Ehrlichkeit halber dazugesagt werden. Es gibt also eine Parallelzuständigkeit zu den IHKs und in zehn Bundesländern eine Parallelzuständigkeit der Architektenkammern zu den IHKs.

Der hier logisch genannte Zuordnungsschritt mit der Ausschließlichkeit wäre also ebenso ausschließlich ein Zuordnungsschritt originär sächsischer Logik.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es bleibt nach wie vor die Frage, welche Motivation hinter dieser Gesetzesänderung steht. Der Vorgang lässt genügend Raum für Spekulationen. Als Opposition gestatten Sie es uns, diese Spekulationen einmal auszuführen. Es könnte sein, dass diese Änderung Ergebnis von Kungelrunden, Sektempfängen usw. ist. Im Ergebnis werden die Ingenieurkammer und die Architektenkammer aufgewertet, die offenbar eigenständig in diesem Klub mitspielen sollen. Dabei vertreten sie nur einen Bruchteil ihrer Zunft.

Liebe Kollegen der FDP, Sie haben sich hier nicht zu Wort gemeldet. Als Sie die Sonntagsöffnung für Videotheken erpresst haben, haben Sie nur Unsinn verzapft.

Jetzt geht es ans Eingemachte; denn jetzt kann irreparabler Schaden entstehen. Dieser Klientel-Egoismus kann die Verbraucherinnen und Verbraucher, die Eigentümerinnen und Eigentümer, die Kommunen, die Erwerberinnen und Erwerber von zum Beispiel Immobilien teuer zu stehen kommen.

(Zuruf des Abg. Benjamin Karabinski, FDP)

Der Landesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger verweist unter anderem darauf – ich zitiere –: „Bei Entfall des Bestellrechts durch die IHK für Ingenieursachgebiete werden – und das ist bereits angekündigt worden – die sächsischen Sachverständigen aus dem bundesweiten Verzeichnis der IHK-Sachverständigen gestrichen. Dies würde einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für die sächsischen Sachverständigen mit sich bringen. Was dies für Kollegen bedeutet, die circa Dreiviertel ihrer Aufträge über Listen im bundesweiten IHK-Sachverständigenverzeichnis

generieren, muss hier sicher nicht erläutert werden.“

Um es ganz deutlich zu sagen: Durch Ihre Klientelpolitik wird offensichtlich, wer wirklich mittelstandsfeindliche Politik in diesem Land betreibt. Der Mittelstand braucht eine solche Hinterzimmertruppe, die ohne Rücksicht auf Verluste ihre eigenen Interessen erpresst, wahrlich nicht – genauso wenig wie diesen Teil der Gesetzesänderung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Herr Stange, die FDP ist bei der Besprechung dieses Gesetzentwurfs nach der SPD an der Reihe. – Wir hören jetzt von der SPD die Abg. Frau Köpping. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst mit dem Positiven in diesem Gesetzentwurf beginnen: Das ist die Bildung eines oberen Gutachterausschusses, der nun endlich verankert ist. Aber so positiv ist es nun auch wieder nicht, weil er bereits seit 2009 gesetzlich gefordert war und wir im Grunde genommen vier Jahre Zeit dafür hatten. Wir haben auch drei Änderungen der Sächsischen Bauordnung in den Jahren 2010, 2011 und 2012 vorgenommen. Auch dabei ist es nicht passiert – keine Ahnung, warum und weshalb. Das wäre der positive Aspekt im jetzigen Gesetzentwurf, bei dem wir sagen: Gut, dass es endlich erfolgte.

Dennoch: Tragbar ist dieser Gesetzentwurf aus unserer Sicht auf keinen Fall, weil der hier eingeschlagene Systemwechsel im Bereich des Gutachterwesens von uns nicht mitgetragen werden kann. Wir werden gemeinsam mit den LINKEN dazu im Nachgang einen Änderungsantrag einbringen. Wir hoffen, dass wir anhand der Diskussion noch einmal Verständnis für die Notwendigkeit dieses Änderungsantrages erringen.

Mein Vorredner der Linksfraktion hat ausführlich geschildert, welche Bedenken dagegen sprechen, im bundesweiten Alleingang die Bestellbefugnis für das Ingenieur- und Bauwesen weg von den IHKs ausschließlich auf die Architekten- bzw. Ingenieurkammer zu übertragen. Statt Bürokratieabbau und Vereinheitlichung zu erreichen, kommt es deutschlandweit zu einer einmaligen Aufspaltung des Sachverständigenwesens im Bau- und Ingenieurwesen, obwohl zum 1. Januar 2013 – mein Kollege

Stange hatte es bereits erwähnt – die Zuständigkeitsbereiche im Sachverständigenwesen auf die IHKs zum Zwecke einer Vereinheitlichung übertragen worden sind. Das erklären Sie, wem sie wollen.

Kein anderes Bundesland verfügt über eine solche ausschließliche Regelung, sondern weist die Zuständigkeit entweder den IHK’s zu oder sieht eine parallele Zuständigkeit in diesem Bereich vor. Das betrifft immerhin elf Bundesländer.

CDU und FDP in Sachsen vollziehen wieder einmal einen Alleingang, der weniger der politischen Sinnhaftigkeit geschuldet ist als einem krampfhaften Versuch, es anderes als die übrigen Bundesländer zu machen. Ich möchte es einmal vergleichen: Wenn sich auf der Autobahn ein Fahrer anders als alle anderen Fahrerinnen und Fahrer verhält, dann nennt man diesen in der Regel einen Geisterfahrer.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Auch hier – das möchte ich noch einmal ganz klar sagen – kann man von einer politischen Geisterfahrt sprechen; denn es werden ohne triftige Gründe – mein Kollege hat auch ausgiebig danach gesucht, wo sie denn sein könnten – einwandfrei funktionierende Strukturen zerschlagen. Das sind Strukturen, die sich bewährt haben und mit dem Gesamtgefüge der Gutachterbestellung in der BRD harmonieren. Das System der öffentlichen Bestellung durch die IHKs ist bundesweit einheitlich und durchgängig organisiert und mit ihm werden eine hohe und standardisierte Qualität verankert. Das wollen wir in Sachsen aufgeben. Diese Qualität ist ganz klar gefährdet.

Wir sprechen von Abgrenzungskonflikten und Reibungsverlusten, die aus den teils unklaren Gesetzesformulierungen resultieren. Das Beispiel zum Sachgebiet Immobilienverwertung hat mein Kollege Stange bereits ebenfalls ausgeführt: Es werden drei Zuständigkeiten geschaffen, der Architekt bei der Architektenkammer, der Ingenieur bei der Ingenieurkammer und der Ökonom-Immobilienfachwirt bei den IHKs. Ratsuchende stehen in solchen Fällen vor der Frage, welche Kammer in seinem spezifischen Fall die passende ist, oder ob man alle nach Laienmeinung infrage kommenden Stellen parallel anfragen sollte. Mit Ratsuchenden meine ich Gerichte, Behörden oder Privatpersonen.

Sächsische Gutachter sind zudem in den Bereichen Ingenieur- und Bauwesen künftig im bundesweiten Wettbewerb eindeutig benachteiligt, da nur diese keine IHK-Bestellung vorweisen können und künftig nicht mehr im oft genutzten bundesweiten Verzeichnis IHK-Sachverständige verzeichnet sind. Auch das wurde von meinem Kollegen Stange bemerkt.

Merkmal IHK-Bestellung: nicht nur Marketingmaßnahme. Zahlreiche Verträge im Geschäftsverkehr enthalten Schiedsgutachterklauseln, die in dem Streitfall explizit vorsehen, dass ein von der jeweiligen IHK zu benennender Sachverständiger zu beauftragen ist. Den sächsischen

Gutachtern im Bereich des Ingenieur- und Bauwesens bleibt damit ein Betätigungsfeld verschlossen.

Erste Überlegungen seitens der betroffenen Sachverständigen, ihre Geschäftssitze in ein anderes Bundesland zu verlegen oder Anträge auf öffentliche Bestellungen in anderen Bundesländern zu stellen, um sich diese Option offenzuhalten, sind bereits im Raum.

Der Systemwechsel ist auch nicht mit den Zielen der Entbürokratisierung bzw. Vereinbarung erklärbar. Aus einer zuständigen Stelle werden drei gemacht, die jeweils in ihren Bereichen eigene Strukturen aufbauen und vorhalten müssen. Bei Gutachterersuchen müssen im Zweifelsfall mehrere Stellen parallel angefragt werden. Das verursacht nicht nur beim Kunden, sondern auch bei den Kammern unnötige Zusatzarbeit und Kosten. Austausch und Fortbildung über die Ländergrenzen weg werden erschwert. Eher das Gegenteil von Vereinfachung und Entbürokratisierung ist hier der Fall.

Zuletzt möchte ich noch auf die Aussage von Herrn Karabinski eingehen, dass die Ängste unbegründet seien, und sollte es wider Erwarten doch anders kommen, dann lasse sich das Gesetz auch wieder ändern, wenn es doch nicht funktioniert.

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

Ich bin mir nicht sicher, ob diese Aussage mehr von politischer Wurstigkeit geprägt oder Ignoranz ist.

Natürlich lässt sich das Gesetz relativ schnell und problemlos wieder ändern. Aber hier geht es nicht nur um Worte und Paragrafen, hier geht es um Festlegungen, die im Hohen Hause beschlossen werden. Wenn dieser Systemwechsel zusammen mit dem Gesetz beschlossen wird, müssen die betroffenen Kammern ihre Strukturen in den Bereichen Gutachterbestellung und Gutachterbenennung anpassen. Entsprechende Richtlinien, Satzungen etc. müssen erlassen werden. Die notwendigen Gremien müssen geschaffen, ausgebaut und alte abgeschafft werden. Für diese Bereiche benötigtes und entsprechend qualifiziertes Personal muss neu eingestellt, umgesetzt oder entlassen werden. Datenbanken und Informationssysteme müssen überarbeitet sowie die Vernetzung mit anderen Bundesländern in diesem Bereich muss umgestellt werden. All dieser Aufwand ist mit Kosten, Zeit und Personal verbunden. Ich weiß nicht, Herr Karabinski, ob Ihnen das bewusst war.

Das dreht man nicht einfach wieder so zurück, wenn es sich der Gesetzgeber erst dann nach einer kurzen Experimentierphase wieder anders überlegt.

Deswegen noch einmal unser Appell: Um auf dieses zum Scheitern verurteilte Experiment zu verzichten und dem Freistaat Sachsen das bewährten System der Gutachterbestellung zu belassen, bietet Ihnen unser Änderungsantrag noch einmal die Gelegenheit.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.