Zur ersten Frage ganz einfach: Ich hätte in Ihrem Entschließungsantrag erwartet, dass Sie dort konkrete Maßnahmen vorschlagen, was Sie tun wollen, und nicht nur auflisten, was zu tun wäre. Das ist Punkt 1.
Zum Punkt 2: Dazu hat die SPD-Fraktion hier im Plenum gemeinsam einen Antrag eingebracht. Wir haben nun einmal in den letzten vier Jahren in Berlin nicht regiert. Wir haben den Antrag hier gemeinsam eingebracht. Insofern ist die Frage völlig überflüssig, was wir zu der Vorfälligkeit sagen. Wir sind absolut Ihrer Meinung, dass sie nicht mehr zeitgemäß ist und abgeschafft gehört. Das ist eine ganz klare Antwort.
Vielen Dank, Frau Köpping. – Meine Damen und Herren! Wir setzen die Aussprache fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abg. Weichert. Bitte, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sächsischen Handwerksbetriebe leisten einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen und tragen zur ökologischen Modernisierung unseres Landes bei. Standorttreue, überschaubare Organisationsformen und eine nachhaltige Firmenpolitik sind typische positive Merkmale der im Handwerk besonders verbreiteten Familienunternehmen. Oft seit mehreren Generationen vor Ort präsent, stärken Handwerksbetriebe regionale Wertschöpfungsketten.
Meine Damen und Herren! Das alles wurde schon mehrfach gesagt und mit Zahlen untermauert. So präzise man die Bedeutung des Handwerks für die sächsische Wirtschaft beziffern kann, so unpräzise sind ein Großteil der im Entschließungsantrag von CDU und FDP nachgeschobenen Bitten an die Staatsregierung. Ich möchte mich mit einigen von ihnen etwas näher beschäftigen.
Erstens. Mit dem Verzicht auf die Änderung der Rentenregelung wollen Sie das Problem des Fachkräftemangels lösen. Tja, was heißt das denn? Es ist eine Kampfansage an die Rente mit 63. Sie machen hier eine Debatte auf, die von den eigentlichen Problemen ablenkt. In vielen Berufen ist schon lange vor dem 63. Lebensjahr Schluss. All diese Personen werden von der neuen Rentenart ausgeschlossen. Statt die Menschen personenunabhängig in Rente zu schicken – ob sie noch arbeiten können oder nicht –, bedarf es individueller Lösungen. Können Personen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten, müssen die Abschläge endlich abgeschafft werden.
Außerdem brauchen wir flexible Rentenübergänge sowie deutlich mehr Anstrengungen, älteren Arbeitnehmern ein längeres Arbeiten im Betrieb zu ermöglichen. Dies geht die sächsische Politik und die sächsischen Unternehmen etwas an. Diesbezüglich können Sie die Verantwortung nicht einfach auf den Bund schieben und sich zufrieden zurücklehnen.
Zweitens. Sie wollen, dass die Lohnnebenkosten nachhaltig unter 40 % des Bruttolohnes bleiben. Das klingt gut. Aber haben Sie, liebe MdL-Handwerksmeister, auch einmal recherchiert, wie hoch die Lohnnebenkosten tatsächlich sind? Laut Statistischem Bundesamt liegen die durchschnittlichen Lohnnebenkosten in Europa bei 32 %, in Deutschland liegen sie bei 27 %. Da bleibt viel Luft, bis Ihre 40 % geknackt würden. Viel heiße Luft enthält demnach auch diese Forderung, meine Damen und Herren.
Drittens. Weiterhin rühmen Sie sich der Minderung des bürokratischen Aufwands durch das neue Sächsische Vergabegesetz und das Ladenschlussgesetz. Da habe ich schallend lachen müssen. Ich hätte es Ihnen nicht zugetraut, dass Sie noch einmal mit diesem Ladenschlussgesetz kokettieren.
Diesen Ladenhüter als Meilenstein Ihres Tuns zu verkaufen, ist doch wohl ein verspäteter Aprilscherz.
Herr Flath hat es bereits erkannt und medial verbreitet: Die CDU hat zehn Jahre lang keine Wirtschaftspolitik gemacht und das Thema als Spielwiese dem Juniorpartner überlassen. So etwas kommt dabei heraus, wenn man die Kleinen unbeaufsichtigt spielen lässt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP! Ihr schlankes Vergabegesetz, wie Sie es nennen, bietet den
sächsischen Unternehmen keinen Schutz vor Dumping. So, wie es gestrickt ist, wird weiterhin das billigste und nicht das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhalten, weil es für Bieter keinen primärrechtlichen Rechtsschutz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb des EU-Schwellenwertes gibt.
Im Klagefall wird die Kommune verlieren, wenn sie den in der Gesamtbilanz des Lebenszyklus wirtschaftlichsten Anbieter gewählt hat. Das, meine Damen und Herren, ist Politik gegen das sächsische Handwerk.
Kollege Weichert, Sie sagten gerade, dass der Auftragnehmer die öffentliche Hand verlieren würde, wenn er nicht das billigste Angebot abgibt. Nun haben wir explizit den Satz drin, dass der niedrigste Preis allein nicht entscheidend ist. Seit über einem Jahr ist das Gesetz nun in Kraft. Ist Ihnen bekannt, dass es ein Widerspruchsverfahren im Unterschwellenbereich vor der Vergabekammer gegeben hat, da der billigste Anbieter nicht genommen und demzufolge die Entscheidung gekippt wurde? Mir persönlich ist dazu nichts bekannt. Ich hatte dazu auch nachgefragt. Ist Ihnen ein Fall bekannt, in dem es so ist, was Sie es gerade gesagt haben?
Das ist mir nicht bekannt. Ich habe mich allerdings auch nicht kundig gemacht, muss ich dazu sagen. Ich bedauere es nach wie vor, dass es nicht um die Gesamtbilanz in einer Lebenszykluskostenbetrachtung geht. Das ist der eigentliche Punkt des Vorwurfs.
Viertens. Wie die CDU mit ihrer Politik die Strompreisexplosion stoppen will, habe ich nicht verstanden. Gemeinsam mit der SPD haben Sie im Bund gerade am Erneuerbaren-Energien-Gesetz gebastelt und dabei maßgeblich zur Verschlimmbesserung beigetragen. Laut einer Berechnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie würde die EEG-Umlage nach dem bisherigen Modell auf 6,9 Cent im Jahr 2020 steigen. Mit den aktuellen Änderungsvorschlägen wird von 7,7 Cent im Jahr 2020 ausgegangen. Die Umlage wird noch höher, je großzügiger Sie die Industrieausnahmen verteilen, die nämlich noch nicht eingerechnet sind.
65 Branchen werden Vergünstigungen in Aussicht gestellt. Inzwischen ist klar, dass die Bundesregierung zusätzlichen Unternehmen Zugang zu verbilligtem Strom ermöglichen will. Das heißt konkret: Trotz gegenteiliger Beteuerung wird die privilegierte Industriestrommenge steigen. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen künftig wohl
1 bis 3 Milliarden Euro mehr dafür bezahlen. Das ist Politik gegen das Handwerk, denn die kleinen Betriebe schlucken die Mehrbelastung, da sie nicht privilegiert sind.
Meine Damen und Herren! Ich bin auch skeptisch, ob die Senkung der Stromsteuer eine Entlastung bringt. Aufgrund des fehlenden Wettbewerbs ist es wahrscheinlich, dass der Effekt nicht an den Verbraucher weitergegeben wird. Außerdem geht die Stromsteuer zu 100 % in den Bundeshaushalt. Diese Einnahmen fließen überwiegend in unsere Rentenkassen. Das stabilisiert die Versicherungsbeiträge und reduziert die Arbeitskosten.
Deshalb wäre es ein Schildbürgerstreich, die Stromsteuer zu senken, denn das Geld fehlt im Haushalt und muss woanders eingenommen werden. Wer also eine Senkung der Stromsteuer fordert, muss auch sagen, wie wegfallende Steuereinnahmen ersetzt werden sollen. Ohne Gegenfinanzierung müssten die Rentenversicherungsbeiträge steigen, würde Arbeit teurer und am Ende wäre nichts gewonnen.
Liebe Koalitionäre! Einen Teil Ihrer Forderungen tragen wir selbstverständlich mit. Damit meine ich die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerksleistungen oder auch die Rücknahme der Vorfälligkeit der Sozialbeiträge. Letzteres ist allerdings ein alter Hut, den Sie sich schon oft aufgesetzt haben, ohne dass irgendetwas geschehen ist.
Erzählen Sie uns doch einfach einmal, wie Sie es mit Ihren Parteifreunden im Bundestag machen wollen. Das bleiben Sie uns bis jetzt schuldig.
Auch wir wollen den Meisterbrief erhalten, und auch wir sind für die Koordinierung von Schulnetzplanungen für die Berufsschulen durch den Freistaat, damit sich nicht gegenseitig Konkurrenz gemacht wird und eine sinnvolle Angebotssteuerung erfolgen kann.
Meine Damen und Herren! Vielleicht sollten Sie nicht erst kurz vor der Wahl an das Handwerk denken, sondern auch dann, wenn es nicht darum geht, Stimmen zu fangen. Selbst in den wirtschaftspolitischen Thesen der CDUFraktion des Sächsischen Landtags kommt das Handwerk nicht vor. Das wird sich hoffentlich ändern, jetzt, wo die Große Anfrage so viele Beweise für die Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges zutage gefördert hat.
Herr Weichert, Sie haben gerade gesagt, dass man die Stromsteuer gegenfinanzieren müsse und ein Gegenfinanzierungsvorschlag nicht vorliege. Ich möchte darauf hinweisen, dass ein Gegenfinanzierungsvorschlag sehr wohl vorliegt. Es ist so, dass die EEGUmlage als Nettobetrag in der Rechnung erscheint und darauf Umsatzsteuer zu zahlen ist. Unser Gegenfinanzierungsvorschlag war, dass es keine doppelte Bestrafung geben darf und die Stromsteuer zumindest in der Höhe gesenkt werden soll, wie sie die Menschen durch die Umsatzsteuer auf die EEG-Umlage zusätzlich belastet. Damit würde nämlich der Effekt, dass irgendwo das berechtigt eingenommene Geld im Staatssäckel fehlt, nicht eintreten. Wenn Sie das nachvollziehen können, was ich jetzt gesagt habe, würde ich gern wissen, ob ich richtig in der Annahme gehe, dass Sie uns dann zustimmen und eine Stromsteuerabsenkung in Höhe der zu zahlenden Umsatzsteuer auch in Ihrem Interesse wäre.
Das war die Kurzintervention von Herrn Hauschild. Herr Weichert, Sie haben die Antwort im Dialog mit ihm geklärt und wollen das nicht über das Mikrofon machen.
Ja. – Herr Weichert, ein gutes Beispiel, das Sie in Ihrem Redebeitrag gebracht haben, war: „Es ist in der Tat so, wenn Kleine ohne Aufsicht spielen …“ Dann hätten Sie belegen müssen, dass Sie nicht recherchiert haben. Wenn Sie aufmerksam meinem Redebeitrag gefolgt hätten, dann hätten Sie vernommen: Wenn wir uns um das sächsische Handwerk kümmern, dann geht es um Arbeitgeber und um Arbeitnehmer. Wenn wir die 40-%-Regelung bei den Lohnnebenkosten deckeln wollen, hängt das damit zusammen, dass der Arbeitgeberanteil etwa 21 % des Bruttolohns beinhaltet, währenddessen der Arbeitnehmer derzeit 20,6 % zahlen muss. Das sind nach Adam Ries weit über 40 %. Das ist wichtig, um der kalten Progression zu begegnen. Das ist der Ansatz unseres Antrages. – Danke.
Es geht weiter in der Aussprache. Herr Delle spricht für die NPD-Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Durchlesen der vorliegenden Großen Anfrage und der Antworten der Staatsre
gierung beschleicht einen das ungute Gefühl, dass es sich dabei um eine reine Propagandashow handelt. Das ist allerdings auch nicht weiter verwunderlich; sieht man sich einmal die Rollenverteilung bei diesem Schauspiel an. Es fragt die Koalition aus CDU und FDP, und es antwortet die Koalitionsregierung, die von CDU und FDP gebildet wird. Der Erkenntnisgewinn dieses lustigen Frage-undAntwortspiels ist relativ gering. Dafür merkt man von Punkt zu Punkt immer mehr, worum es eigentlich geht.
Statt wirklich ernsthafte und in die Tiefe gehende Fragen zu stellen, wird diese Anfrage von der Union und der FDP dazu genutzt, der Staatsregierung die Bälle zuzuspielen, damit diese in gewohnter Schönfärberei in Propagandafloskeln ihren wahrscheinlich vorher schon längst abgesprochenen Text herunterspulen kann. Denn wie wenig neben den sicherlich vielen positiven Aspekten im Zusammenhang mit dem sächsischen Handwerk die Probleme der Branche zur Sprache kommen oder kommen sollen, merkt man schon allein an den zahlreichen Fragestellungen.
Da wird zum Beispiel im Punkt 5.4 gefragt: Welchen Einfluss hat die Umsetzung der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie auf mögliche Bürokratieerleichterungen für das Handwerk? Die Frage, welche nachteiligen Auswirkungen diese EU-Richtlinie auf die heimischen Handwerksbetriebe haben könnte, fällt hingegen gleich einmal komplett unter den Tisch.