Auch wir sehen, dass unser Rechts- und Gemeinwesen in der Vergangenheit durch eine überschießende Regelungswut und Regelungsdichte charakterisiert war, weshalb wir regelmäßig entsprechenden Gesetzesvorlagen, die Normenbereinigung zum Gegenstand hatten, zugestimmt haben, jedenfalls dann, wenn dahinter nicht der Abbau von rechtsstaatlichen Besitzständen der Bürgerinnen und Bürger, etwa durch Beschneidung von Rechtswegen und Rechtsbehelfen, stand.
Die Frage des Abbaus des staatlichen Vorkaufsrechts im Bereich des Sächsischen Wassergesetzes war zum Beispiel aus unserer Sicht mitnichten eine zu billigende entbürokratisierende Maßnahme; denn sie hatte die Kehrseite, dass damit die Kommunen eben nicht mehr in der Lage sind, in gebotenem Maße sachgerecht und flexibel beispielsweise beim Hochwasserschutz zu reagieren.
So kann ohne Weiteres Bürokratieabbau, den Sie mit Zahlen feiern, in der inhaltlichen Wirkung auf die Bürgerinnen und Bürger von eminentem Nachteil sein.
(Staatsminister Dr. Jürgen Martens: Wo denn? … – Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE – Staatsminister Dr. Jürgen Martens: Nicht in einem Fall!)
Das Projekt der Errichtung eines Sächsischen Normenkontrollrates erachten wir auch für durchaus spannend, vorausgesetzt, dass die Tätigkeit dieses verwaltungsexternen unabhängigen Gremiums, das nach dem Beispiel des
Normenkontrollrates auf der Bundesebene geschaffen werden soll, tatsächlich auf die Bewertung beabsichtigter Gesetzesvorhaben im Hinblick auf die Möglichkeit und Wirkung inklusive Bürgerbetroffenheit und Kostenfolgen gerichtet ist. Zum anderen wollen wir, dass dieses Gremium Sächsischer Normenkontrollrat dann auch für das Parlament transparente Entscheidungen trifft. Der Nationale Kontrollrat legt nach allem, was wir wissen, dem Bundestag entsprechende Berichte vor, die öffentlich sind und nachvollzogen werden können. Im Gesetz fehlt uns der diesbezügliche Ansatz.
Wenn Sie im Weiteren feiern, dass die Staatsregierung – gemeint ist wohl namentlich die FDP – die Laden- und Sonntagsöffnungszeiten von Autowaschanlagen, Videotheken, Blumenhändlern, Konditoren und Bäckern liberalisiert hat, dann haben wir dafür tiefes Verständnis. Das ist ein Punkt, den sich die FDP auf die Fahnen schreibt. Ich partizipiere auch davon, wenn ich mir sonntags früh wieder beim Bäcker Brötchen holen kann.
Dass zur Staatsmodernisierung der Übergang zur IT und der schrittweise Ausbau der effizienten Nutzung deren Möglichkeiten gehören, steht für uns auch nicht in Streit. Da sind wir an Ihrer Seite.
Was die von Ihnen, sehr geehrter Herr Staatsminister, erörterten Projekte zur Einführung der E-Akte, der elektronischen Akte, angeht, haben wir allerdings nicht nur die auch im Sächsischen Landtag besprochenen Fragen zum Zusammenhang von Informationssicherheit und Datenschutz – Stichwort: NSA-Aktivitäten und dergleichen mehr –, die von Ihnen zu Recht benannt worden sind, im Auge, sondern auch den Aspekt, dass wir bis dato eben nicht wissen, ob und in welcher Weise die Staatsregierung einen konkreten Überblick, eine konkrete Vorstellung, eine konkrete Planung hat, welche finanziellen Auswirkungen die Anschaffung der erforderlichen Hard- und Software dafür hat.
Wenn Sie die haben, dann hätten wir das als Landtag gern zumindest umrissen bekommen, damit wir wissen, in welcher Dimension der uns noch zu übergebende Ansatz für den Haushalt 2015/2016 in diesen Punkten sein wird.
Ich gestatte mir in diesem Punkt noch einen kurzen Schwenk auf den 19. September des vergangenen Jahres, als wir hier in der 83. Sitzung des Sächsischen Landtages über die Geburtswehen bei der Etablierung der modernen Informationstechnologien im allgemeinen und des sogenannten Fachverfahrens Forumstar im Bereich der Rechtspflege im Arbeitsalltag debattiert hatten. Damals hatten wir klipp und klar gesagt, dass von den Gerichten, den Staatsanwaltschaften und deren Dienststellen der Notruf kommt, dass das in der Praxis nicht funktioniert. Stichwort war seinerzeit der Beitrag in der „Sächsischen Zeitung“: „Ausruf der Gerichtsprotokollanten: Stopp, mein Rechner hängt!“
Die damals auch erörterte Passage im Jahresbericht 2012 des Sächsischen Rechnungshofes, dass die ursprünglichen Kostenschätzungen der Staatsregierung allein zur Formularentwicklung von Forumstar deutlich unrealistisch waren, veranlasst uns zu der Frage, ob die Staatsregierung inzwischen einen belastbaren Überblick über die absehbaren Kostenfolgen des weiteren IT-Ausbaus im Allgemeinen und der Entwicklung der elektronischen Akte im Besonderen hat.
Es ist ehrenwert und wird von uns mangels anderen Kenntnisstandes nicht infrage gestellt, dass Sie, Herr Staatsminister, darlegen, dass der Einsatz von IT in Sachsen intensiv und besser vorbereitet werde als in anderen Bundesländern. Das bleibt aber ein allgemeiner Formelsatz, solange wir keine tatsächlichen Vergleichswerte haben.
Zuletzt, aber keineswegs hintangestellt, einige Anmerkungen zu Ihren Ausführungen in der Fachregierungserklärung zu der Problematik mobile Bürgerdienste und Online-Bürgerbeteiligung.
Der moderne Staat von morgen muss darauf ausgerichtet und darauf eingerichtet sein, dass ein immer größerer Anteil von Bürgerinnen und Bürgern die Nutzung moderner Medien beherrscht und in der Klärung seiner Alltagsfragen, in Bezug auf Umgang mit der Verwaltung und mit Behörden auf das Internet zurückgreifen kann. Dafür ist das Portal Amt24 eine gute Sache. Wir finden es außerordentlich beachtlich, wenn – wie von Ihnen berichtet – im Jahr 2013 über 2,7 Millionen Formulare über die Onlineangebote dieses Portals abgerufen worden sind. Es ist auch gut, dass die Staatsregierung offensichtlich in Rechnung stellt, dass unabhängig davon immer noch ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung aus den unterschiedlichsten Gründen nicht im Internet aktiv ist, weniger Internet affin ist, wie Sie es genannt haben. Diesem Teil der Bürgerinnen und Bürger Behördendienstleistungen über in Probe befindliche Bürgerterminals anzubieten oder vor allem Bürgerinnen und Bürger in betagtem Lebensalter zu Hause oder im Seniorenheim mit dem mobilen Bürgerkoffer aufzusuchen, ist ebenso zu begrüßen. Das sagen wir ausdrücklich.
Aufgrund der sich entwickelnden Ausdünnung der Behördenstellen entsteht ohnehin das Problem, dass der Bürger immer weniger Möglichkeiten hat, sich an Behörden zu wenden, wenn es keinen Ersatz für die Schließung von Behördenstellen gibt.
Weder der demografische Wandel, die Anpassung an sinkende Einwohnerzahlen noch der sich verschärfende internationale Wettbewerb oder der rasante wissenschaftlich-technische Fortschritt können nämlich die verfassungsrechtliche Maxime des Artikels 82 unserer Landesverfassung suspendieren, wonach die Verwaltung dem Wohl der Allgemeinheit verpflichtet ist und dem Menschen zu dienen hat. Die Verpflichtung auf das Allgemeinwohl und die Dienstleistung für den Menschen, die im Mittelpunkt jedes Verwaltungshandelns stehen muss, wie dies Artikel 82 Abs. 1 Satz 1 der Sächsischen Verfas
sung als Grundprinzip für die Arbeit der Landesverwaltung festlegt, wurzelt letztlich in der Würde des Menschen. Die ist nach Artikel 14 unserer Verfassung geschützt, nach dem Rechtsstaatsprinzip ebenso. Die Ansprüche aus selbiger Verfassungsnorm sind verbindliches, objektives Verfassungsrecht. Ihnen muss jede Überlegung, wo, wie und in welche Richtung wir Staatsmodernisierung betreiben, letzten Endes Genüge tun.
Abschließend möchte ich noch eine Sorge kundtun. Das Vertechnisieren der Gesellschaft, die Nutzung moderner Medien ist richtig und wichtig, aber es darf nie die Situation eintreten, dass das demokratische Staatswesen, dass die Verwaltung im Freistaat Sachsen für die Bürgerinnen und Bürger kein Gesicht mehr hat, dass der Bürger nicht mehr auf handelnde Menschen im Bereich der Verwaltung trifft, die sich exakt von diesen Verfassungsgrundsätzen leiten lassen. Insofern muss Modernisierung immer auch den Effekt mit bewirken, dass das Leben in Sachsen tatsächlich lebenswerter wird. Nicht nur finanzielle Einsparungen dürfen eine Rolle spielen.
Das war der Abg. Herr Bartl, der für die Fraktion DIE LINKE sprach. Jetzt ergreift für die CDU-Fraktion Herr Kollege Kirmes das Wort. Bitte, Herr Kirmes.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Allein der Titel der Fachregierungerklärung sagt schon Wesentliches aus. Er sagt uns zum einen: Sachsen ist stark. Er sagt uns zum anderen: Darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Insoweit ist er auch eine Zielbeschreibung. Die Staatsregierung hat Leitlinien vorzugeben, die uns in die Zukunft weisen sollen.
Bildlich gesprochen gibt es Räume, die zukunftssicher und modern gestaltet worden sind. Auch Herr Bartl musste das einräumen, bei aller Kritik, die er geübt hat. Es gibt Räume, die durchaus noch zu entrümpeln sind, und es gibt die Räume, die noch leer sind und die wir zukunftssicher und wegweisend gestalten wollen. Insofern stimmt unsere Fraktion allen Anstrengungen zu, die in diese Richtung gehen und von der Staatsregierung ausgehen. Die zukunftssichere Gestaltung unseres Freistaates ist eines unserer Hauptanliegen.
Gestaltung ist aber ein Prozess, nicht eine Sammlung von all dem, was sich jeder wünscht und was wir dann in den Raum stellen, sondern wir wollen mit Blick auf die Zukunft gestalten. Das heißt, dass auch noch Aufgaben vor uns liegen. Ich meine, auch das ist in der Fachregierungerklärung zum Ausdruck gekommen.
Wir wollen uns dem Wettbewerb auch im Verhältnis zu den anderen Bundesländern stellen, gleich, wann wir wo an welcher Stelle in diesem Wettbewerb stehen. Das Ziel
Bei den zukünftigen organisatorischen Anpassungen in der sächsischen Verwaltung denke ich auch an technische Anforderungen. Es ist genannt worden: zeitgemäße Kommunikation der sächsischen Verwaltung mit den Bürgern. Aber ich denke auch an das flächendeckende Angebot von Verwaltungsdiensten. Dies erfordert zum Teil tief greifende, manchmal in den einzelnen Regionen auch schmerzliche Eingriffe.
Herr Staatsminister Martens, Sie haben dargestellt, dass bereits einige in der Vergangenheit zum Teil heftig diskutierte Projekte auf den Weg gebracht worden sind. Beispielhaft haben Sie das Gesetz zur Neuordnung von Standorten der Verwaltung der Justiz im Freistaat Sachsen erwähnt.
Mein sehr geehrten Damen und Herren! Bei allen Vorbehalten und aller Kritik an diesem Projekt, die nicht zuletzt auch aus unserer Fraktion geäußert wurden, bleibt eines: Wir haben mit diesem Gesetz Voraussetzungen geschaffen, die, erstens, der demografischen Entwicklung entsprechen, zweitens, auf die geänderten Kommuniaktionsmöglichkeiten zwischen Bürgern und Verwaltung reagieren, sowie drittens, auch den finanziellen Möglichkeiten mit Blick auf den auslaufenden Solidarpakt und die deutliche Abschmelzung von EU-Fördermitteln Rechnung tragen. Gleichzeitig haben wir es bei aller Kritik geschafft, dabei, viertens, eine räumlich ausgewogene Struktur- und Regionalpolitik im Auge zu behalten. Das heißt, dass die flächendeckende Präsenz der Verwaltung und der Justiz ermöglicht wird.
Werter Herr Kollege Bartl, auf die Justiz bezogen: Es nützt uns nichts, wenn wir zwar kleine Gerichte vor Ort haben, aber keine spezialisierten Richter mehr, weil ein kleines Gericht alles abdecken muss. Den Richtern stehen Fachanwälte gegenüber. Ich meine, dass es durchaus sinnvoll ist, vernünftige Struktureinheiten zu schaffen, aber andererseits auch, dass es möglich sein muss, dass die Justiz Dienstleistungen für den Bürger erbringt. Hierfür ist Kreativität gefragt. Als es um das Standortegesetz ging, habe ich dazu bereits Stellung bezogen.
Natürlich kann man die eine oder andere Entscheidung hinterfragen. Aber unter dem Strich bleibt doch, dass die Staatsregierung ein Gesamtkonzept für eine langfristige Entwicklung der Behördenstruktur verfolgt, die es – darauf haben wir im Zusammenhang mit dem Standortegesetz hingewiesen – bundesweit bisher noch nicht gegeben hat. Insofern sind wir in Sachsen auch strategisch gut aufgestellt. Wir haben die Zukunft Sachsens aktiv zu gestalten, sodass wir nicht den Ereigniszwängen und Notwendigkeiten von morgen hinterherlaufen müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh, dass diese Koalition ganz klar nachhaltig und strategisch denkt und handelt und nicht, wie von Teilen der Opposition manchmal gefordert, im Gewohnten und Liebgewon
nenen verharrt. Das ist sicherlich anstrengender, unpopulär und gerade auch in der Darstellung vor Ort nicht immer ganz bequem.
Aber unsere sächsische Politik zeichnet sich dadurch aus, dass wir Belastungen und Probleme, die wir heute lösen können und für deren Lösungen wir Fundamente legen können, nicht auf morgen verschieben. Das ist nachhaltige Politik. Dafür stehen die Regierungsfraktionen und insbesondere auch die CDU.
An dieser Stelle könnte man auf einige Einzelprojekte eingehen, die in der Fachregierungserklärung genannt wurden. Genannt wurden das E-Government, das uns in den nächsten Wochen noch beschäftigen wird, die elektronische Vorgangsbearbeitung in der sächsischen Verwaltung, die mobilen Bürgerdienste, wie der Bürgerkoffer, das Bürgerterminal und auch das Amt24. Damit wird es trotz der notwendigen strukturellen Veränderungen in der Verwaltung auch weiterhin möglich sein, Verwaltungsdienste in der Zukunft sinnvoll und flächendeckend anzubringen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, so viel in der ersten Runde von mir. Auf einige wesentliche konkrete Einzelheiten wird in der zweiten Runde mein Kollege Marko Schiemann eingehen.
Herr Präsident, Vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit seiner Regierungerklärung hat der Staatsminister eine Bilanz der Tätigkeit der Staatsregierung im Bereich Staatsmodernisierung und Bürokratieabbau in den letzten fünf Jahren gezogen. Bei dieser Bilanz – ich habe vorher noch einmal den Koalitionsvertrag gelesen – ist mir aufgefallen: Wer sich von vornherein nicht viel vornimmt, der kann am Ende auch jubeln, wenn er nicht viel vollbracht hat. Insofern waren die Freude und Begeisterung des Staatsministers über das, was er alles tat, vollständig angemessen.
Was heißt „moderner Staat“ eigentlich? Geht es dabei wirklich um die Online-Bohranzeige beim Sächsischen Oberbergamt? – Ich denke nicht. Ich bin dankbar für den Entschließungsantrag der GRÜNEN – er wird später noch vorgestellt werden –; denn er macht ein wenig deutlich, worum es beim modernen Staat eigentlich geht. Modern heißt, auf der Höhe der Zeit zu sein. Er muss geeignete Antworten auf Fragen und Herausforderungen geben, die die Zeit stellt: Wie organisieren wir Bildung in einer technologischen Welt, in der immer mehr einfache Tätigkeiten wegfallen und die Anforderungen an uns Menschen immer komplexer werden? Wie organisieren wir Verkehr
und Energie in Zeiten des Klimawandels und stetig abnehmender Ressourcen? Wie organisieren wir gesellschaftlichen Zusammenhalt in Zeiten größerer Freiheit, aber auch viel größerer Ungleichheit? Wie organisieren wir Sicherheit in einer entgrenzten Welt, in der das Internet eine wichtige Rolle spielt?
Das sind die eigentlichen Fragen der Zeit, auf die ein moderner Staat Antworten finden muss. Ich denke, dass das, was hier zum Thema Staatsmodernisierung in Sachsen gesagt wurde, vollständig an dem vorbeigeht, was man sich eigentlich vornehmen muss.