Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

Der Kollege ist darauf eingegangen, wie engagiert die Kolleginnen und Kollegen in den Beratungsstellen sind. Ich konnte mich letzte Woche davon überzeugen. Ich war nämlich im Rahmen des Perspektivwechsels einen ganzen Tag in der Jugendsucht- und Drogenberatungsstelle in Chemnitz. Ich weiß also noch etwas genauer als vorher, wovon ich spreche.

Ich denke, man kann nicht davon ausgehen, dass die Kolleginnen und Kollegen deshalb, weil offensichtlich die Zahl der Abhängigen oder zumindest der User steigt – das ist auch bei Crystal nicht genau dasselbe –, in ihren Feierabend hineinarbeiten. Es kann natürlich einmal notwendig sein, wenn ich tatsächlich einen ganz dringenden Fall habe und ich den Menschen nicht wieder wegschicken kann, weil ich befürchten muss, dass er am nächsten Tag nicht wiederkommt. In der Regel sollten wir die Suchtberatungsstellen so ausstatten, dass sie tatsächlich dem Ansturm – so nenne ich es jetzt einmal – gerecht werden, und natürlich ist das immer im Zusammenhang mit allen anderen Süchten zu sehen, zum Beispiel auch der Spielsucht. Crystal und Spielsucht ergänzen sich nämlich ganz hervorragend, weil man unter Crystal viel besser, viel länger, viel ausdauernder spielen kann und obendrein auch noch viel schneller ist.

Also: Wenn wir heute zur Spielsucht nichts machen, zum Beispiel keine Fachstelle einrichten, dann hat das natürlich auch etwas mit Crystal zu tun. Damit beschaffen sich die Leute nämlich das Geld, zum Beispiel für Crystal, oder um ihren Lebensunterhalt überhaupt noch zu finanzieren, weil sie eben nicht mehr arbeiten gehen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der Abg. Dagmar Neukirch, SPD)

Herr Krauß, möchten Sie auf die Kurzintervention antworten? – Das ist nicht der Fall. Die FDP hat keinen Redebedarf mehr. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Bartl. Herr Bartl, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten nicht nur die gute Hoffnung, dass – zwar spät, aber nicht zu spät, für Dezember war er versprochen –, der 10Punkte-Plan kommt. Jetzt im Mai liegt er vor; am 6. Mai wurde er vom Innenminister vorgestellt. Wir hatten in diesem Landtag schon mal in den späten Neunzigerjahren bzw. frühen 2000er Jahren eine Einheit, dass diese Trias sein muss. Das ist zugunsten eines vordergründigen Setzens auf die Repression aufgegeben worden. Das ging gründlich in die Hose. Das war eindeutig nicht der „Bringer“.

Ich dachte wirklich, wir wären in diesem Hohen Hause auf dem besten Weg zurückzukehren, ohne Ideologisierung und ohne daraus Wahlkampfmunition zu sammeln, damit wir gemeinsam dieses Phänomen, dieses gesell

schaftliche Problem Bekämpfung von Crystal in Sachsen angehen.

Herr Krauß, was Sie jetzt geliefert haben, macht bei mir den Eindruck, dass Sie es mehr oder weniger nur als eine neue Vorlage nutzen wollen, um sich für den Wahlkampf in Stellung zu bringen. Jawohl.

(Beifall bei den LINKEN und der NPD)

Ganz eindeutig: Dieses 10-Punkte-Programm hat viele Leerstellen, es hat viele Unfertigkeiten. Frau Neukirch und Frau Herrmann haben diese aufgezeigt. Es ist trotzdem ein Anfang.

Können wir uns wenigstens auf die Reihenfolge einigen, die letzten Endes in dem 10-Punkte-Programm in der Triasform – und heute auch in dem Thema Prävention, Beratung, Repression – genannt wird, und dass diese drei Säulen in der Reihenfolge abgearbeitet werden? Wir brauchen nämlich tatsächlich eine Verzahnung zwischen allen dreien – das ist überhaupt nicht die Frage.

(Staatsminister Markus Ulbig: Genau!)

Ich möchte mich mit Nachdruck dagegen verwahren, ich hätte von dem Thema keine Ahnung. Ich gehe als Strafverteidiger mit betroffenen Menschen nicht selten – in der Woche manchmal zwei Mal – zu Gericht. Ich erlebe, was diese Droge mit ihnen gemacht hat. Im Grunde genommen haben mir dabei junge Menschen gesagt: Also, ich kann, wenn ich die Droge genommen habe – in einem Fall ist es belegbar –, bis zu 15 Tage ohne Schlaf existieren. Drei, vier Tage sind überhaupt keine Übung.

Was das mit dem Körper anrichten muss und wo der Körper dann letzten Endes landet, ist ja nun ganz eindeutig.

Aber das Problem ist: Diese Menschen, die das betrifft, gehen nicht mehr von sich aus zur Drogenberatungsstelle. Sie sagen, dort stehen alle bereit, man braucht nur hinzukommen. So einfach ist es eben nicht. Ich brauche letzten Endes das gesellschaftliche System, das sich tatsächlich als Aufgabe der Gesamtgellschaft diesem Phänomen widmet.

(Alexander Krauß, CDU: Deswegen die gute Beratung und Weiterbildung; das steht ja drin!)

Dieser Ansatz muss zuallererst da sein.

Das zweite Problem ist: Es gibt einen sehr schönen Beitrag in der Internetzeitung „Leipzig“, der unmittelbar nach der Veröffentlichung des 10-Punkte-Planes erschienen ist und der auch auf Herrn Hartmann und Herrn Karabinski Bezug nimmt und dergleichen mehr. Er sagt etwas ganz Bemerkenswertes: Wer sich also mit dem zunehmenden Konsum dieser zerstörerischen Droge beschäftigt, muss sich auch mit dem Befinden der aktuellen sächsischen Gesellschaft beschäftigen. Mit einfachem Bekämpfen wird es nicht getan sein.

Das Problem ist: Warum haben wir denn diesen ausufernden Konsum von Betäubungsmitteln allgemein und von Drogen im Besonderen? Das hängt einfach auch damit

zusammen – Herr Julke, der diesen Beitrag in der Internetzeitung am 8. Mai 2014 verfasst hat, hat es völlig zutreffend dargestellt –: Crystal ist eine Droge, die perfekt in eine Zeit passt, in der die jungen Menschen von allen Seiten geradezu zum Exzess angetrieben werden, ob in der Arbeit, beim Feiern und beim Selbstverwirklichen.

Das sind Gedanken, die der Landtag auch aufnehmen muss, wenn er sich mit der Frage beschäftigt: Wie gehen wir an die entsprechende Bekämpfung – Bekämpfung ist in dem Falle nicht mal der richtige Begriff –, an die entsprechende Gestaltung dieses Phänomens, an die Umkehr dieses Phänomens heran? Das ist in diesem Kontext logischerweise zu sehen neben der entsprechenden Frage der Prävention, der Beratung, die zuallererst funktionieren muss, die zuallererst ausgestaltet sein muss und bei der wir die gravierenden Bedenken haben, dass diese 1,4 Millionen Euro ausreichend sein können.

Ich will noch sagen: Es ist überhaupt nicht erörtert worden, wie lange die oder der Strafgefangene in den Justizvollzugsanstalten teilweise warten muss, der von sich aus Beratungsbedarf selbst anmeldet. Das ist ein Komplex für sich. Wir haben dort inzwischen einen außerordentlich hohen Anteil von Abhängigen.

Herr Bartl, ich bitte Sie, zum Ende kommen.

Dort ist das noch komplizierter. Ich glaube einfach, dieses Problem zu ideologisieren oder es in irgendeiner Form mit einfachen Mustern – wie etwa Polizisten oder Zollbeamte abzuziehen von der Beobachtung der Schwarzarbeit und in die entsprechende Repression zu stecken – wird nicht die Lösung sein. Das Erste ist, Polizei oder andere Bereiche müssen in der Prävention wieder platziert werden.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Dagmar Neukirch, SPD – Elke Herrmann, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Frau Friedel, eine Kurzintervention oder Debattenbeitrag?

(Sabine Friedel, SPD: Debattenbeitrag!)

Bitte schön, Frau Friedel für die SPD-Fraktion. – Jetzt gibt es aber doch noch eine Kurzintervention. Sie können schon vorkommen, das geht dann schneller. – Frau Herrmann, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte noch einmal das verstärken, was der Kollege vor mir gerade gesagt hat: dass wir uns zu dieser Trias bekennen, aber dass Repression eben nur ein Teil der Maßnahmen sein kann.

Ich finde es gut, dass die drei Punkte, die diesen Bereich betreffen, nicht am Anfang des 10-Punkte-Planes stehen. Ich möchte zu bedenken geben, dass seit 2005 die Drogenfahnder der EU insgesamt über 280 neue synthetische Drogen entdeckt haben. Schon daraus lässt sich ermessen,

welcher Aufwand das ist und was dort auch immer nachwächst. Deshalb ist die Relation zwischen Prävention und Repression so wichtig.

Ich muss mir einfach überlegen als guter Haushälter: Wo bringt das Geld in dem Fall mehr Rendite?

(Beifall der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE, und Klaus Bartl, DIE LINKE)

In der Prävention bringt es einfach mehr Rendite. Ich will noch einen Fachmann zitieren, nämlich den leitenden Chefarzt einer Klink für Psychiatrie und Psychotherapie, der sich zu dem 10-Punkte-Plan geäußert hat. Er hat gesagt: „Das Thema sollte als Gesamtmaßnahme und hier ministeriumsübergreifend bearbeitet werden. Dies umfasst primäre, sekundäre, tertiäre Prävention und nachsorgende Begleitung gleichermaßen. Sucht bedeutet immer, dass das, was nachgefragt wird, dann auch angeboten wird. Ohne Nachfrage kein Problem. Zivilcouragierte, gesundheitsbewusste und persönlichkeitsstarke und

kritische präsente Persönlichkeiten tragen den besten Schutz.“

Angesichts dessen möchte ich einfach zu bedenken geben, dass wir – und das vermisse ich in dem 10-Punkte-Plan – in der offenen Kinder- und Jugendarbeit in den letzten Jahren massiv abgebaut haben. Das wäre so ein Raum, wo Kinder sich zu dem entwickeln können, was der Experte hier gesagt hat, was Schutz bieten würde.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN – Klaus Bartl, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Herr Bartl, Sie möchten antworten?

Ich möchte kurz erwidern. Es war die Intervention auf meine Rede. Ich kann jedes Wort nur unterstreichen, was Frau Herrmann gesagt hat. Das ist das, wessen sich das Hohe Haus, alle die sich verantwortlich fühlen für dieses Problem, wirklich annehmen müssen!

Wir können nicht nur den Mund spitzen, sondern wir müssen jetzt auch pfeifen. Wenn wir darüber reden, was wir in den Haushalt einstellen müssen usw., sollten wir uns mit jenen Menschen verständigen, die tagtäglich im unmittelbaren Umgang mit Betroffenen Erfahrungen sammeln und wissen, was man braucht, um wirksam gegen diese Entwicklungen vorzugehen, um wirksam dafür zu sorgen, dass Betroffene die Chance haben, nicht nur zu gesunden, sondern auch zurückzukehren in ein sinnvolles und perspektivreiches Leben.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Jetzt ist Frau Friedel an der Reihe; Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will auf eine Rede noch mal kurz eingehen, die mir sehr gut gefallen hat. Das war die Rede von Herrn Kollegen Hartmann von der CDUFraktion. Er sagte, wir brauchen Prävention, wir brauchen Beratung, wir brauchen Repression. All das, was er dazu ausgeführt hat, war sehr vernünftig.

Das Problem ist: Zwischen den Worten und den Taten, die Sie unternehmen, klaffen Welten. Sie sagen, wir brauchen Prävention. Aber von ursprünglich über 200 Präventionsbeamten bei der Polizei gibt es künftig nur noch 35. Wie soll denn der schöne Punkt der Rede von Herrn Hartmann erfüllt werden?

Dann kommt: Dann müssen das die Schulen irgendwie machen. Meine Kollegin Frau Neukirch hat es angesprochen. Schulsozialarbeiter in allen Schulen lehnen Sie aber genauso ab.

(Alexander Krauß, CDU: Die Zahl der Schulsozialarbeiter hat deutlich zugenommen in den letzten Jahren! Schauen Sie sich die Statistiken an!)

Schöne Worte, keine Taten!

Zum Thema Repression: Verfolgung durch Polizei und Justiz sei erforderlich, ein hoher Kontrolldruck usw. usf. Sie haben da völlig recht. Herr Hartmann, der so redet, kennt sich aus – er war bei der Polizei. Drogendelikte sind Holkriminalität. Da muss die Polizei unterwegs sein, muss eine Kontrolle machen. Wer heute die Zeitung gelesen hat, hat das mitbekommen. Eine Fahrradstreife hier in Dresden wollte eigentlich kontrollieren, ob die Leute ordentlich Fahrrad fahren, und schnappt einen Drogendealer auf.