Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

Ich möchte an dieser Stelle aber deutlich sagen: Wir wünschen uns den selbstständigen, eigenverantwortlichen Arzt, der wohnortnah die Versorgung sichert. Doch an jenen Stellen, wo dies nicht möglich ist, müssen wir über diese anderen – neuen – Modelle nachdenken. Ich betone dies vor allem mit Blick auf den ländlichen Raum; mein Kollege Wehner ist schon darauf eingegangen. Das vertraglich geregelte Angestelltenverhältnis ist derzeit auch bei Ärzten beliebt.

Gerade im ländlichen Raum sind Medizinische Versorgungszentren eine Antwort auf die Frage, wie neue Versorgungsstrukturen erhalten werden können. Klar ist: Wir haben an der einen oder anderen Stelle Nachholbedarf.

Knapp die Hälfte der Medizinischen Versorgungszentren sind in den Kernstädten angesiedelt; circa 15 % befinden sich im ländlichen Raum. Viele Medizinische Versorgungszentren verfügen übrigens inzwischen über Zweigstellen. Weite Wege für Hausbesuche stellen eine Herausforderung dar, aber mit den Zweigstellen kann man dieser Entwicklung Rechnung tragen. Einzelpraxen sind immer weniger anzutreffen. Das System des Arztsitzes mit lebenslanger Bindung auf dem Land bietet keine Attraktivität mehr. Es wird offensichtlich zum Auslaufmodell.

Auch durch das Aufheben der Residenzpflicht konnten wir diese Tendenz nicht stoppen.

Allerdings – auch das haben Umfragen ergeben – kann sich knapp die Hälfte der Mediziner vorstellen, befristet – ein, zwei, vielleicht auch fünf Jahre – auf dem Land zu arbeiten. Durch das Angestelltenverhältnis kann dieser Versuch gestartet werden, und man kann dadurch entsprechenden Bedarfen gerecht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen oft über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf; auch dazu leisten die Medizinischen Versorgungszentren einen wichtigen Beitrag. Auch junge Ärztinnen und Ärzte wünschen sich eine ausgeglichene Balance zwischen Beruf und Privatleben. Kinderbetreuung und Freizeit sind dabei wesentliche Schwerpunkte.

Aber – jetzt kommen wir zur finanziellen Seite – durch die Senkung der Vergütung für den Kooperationsfaktor sehen sich die Medizinischen Versorgungszentren einer wesentlichen Hürde gegenüber: Trotz der vielfachen Behandlungsleistungen, die den Patienten im MVZ zuteil werden, zählen sie nur als ein Behandlungsfall. Berechtigterweise spricht der Bundesverband der Medizinischen Versorgungszentren dabei von einem Nachteilsausgleich. Wir stehen fest an der Seite der Ärzte, wenn es darum geht, einen Kompromiss zu finden, der die leistungsgerechte Honorierung der ärztlichen Tätigkeit auch in dieser Form der Versorgung sichert.

Ihnen ist sicherlich klar, dass es für den Patienten keinen Unterschied gibt, ob er einen Arzt in einem Ärztehaus oder in einem Medizinischen Versorgungszentrum konsultiert. Ihm sind auch die finanziellen Strukturen völlig egal. Wichtig ist ihm nur, dass er einen Arzt findet.

Wir sind gespannt, wie der Bund mit diesem wichtigen Themenkomplex weiter umgehen wird. Kommunen als MVZ-Betreiber – das ist nur ein Vorschlag, der vom Bund gekommen ist und im Raum steht. Ich bin gespannt, wie sich das umsetzen lässt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Medizinische Versorgungszentren sind nicht Lückenbüßer der Versorgung. Sie sind mit Sicherheit kein Geschenk an Krankenhäuser, sondern Bestandteile moderner Leistungserbringung. Es gilt hier mit wesentlichen Vorurteilen aufzuräumen. Genau dazu soll unser Antrag beitragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Frau Lauterbach für die Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank, Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Medizinische Versorgungszentren – das ist doch einmal ein spannendes Thema. Der Antrag hätte glatt von den LINKEN kommen können.

(Benjamin Karabinski, FDP: Ist er aber nicht! – Christian Piwarz, CDU: Und warum nicht, Frau Lauterbach?)

Es ist schon interessant, wie sich die Anträge über die Jahre hinweg entwickeln bzw. halten und wie sie sich ähneln. Die Linksfraktion hatte in der vergangenen Wahlperiode einen ähnlichen Antrag zum Thema gestellt, der jedoch viel ausführlicher und tiefgründiger war. Dazu gab es eine umfangreiche Antwort der Staatsregierung. Der Antrag selbst wurde jedoch abgelehnt. Sie haben lange über diesen Fehler nachgedacht, muss ich sagen.

Der erste Teil des vorliegenden Antrags ist eine normale Kleine Anfrage – nicht wirklich weltbewegend.

Zum zweiten Teil: Ich denke, die Staatsregierung und auch Frau Ministerin sind durchaus in der Lage, den eigenständigen Beitrag eines Medizinischen Versorgungszentrums zur Sicherstellung der Versorgung der Patienten anzuerkennen. Dazu müssen Sie die Staatsregierung nicht ersuchen.

Wir LINKEN sind auf vielen Gebieten natürlich viel ungeduldiger und fordernder; ich denke, das ist auch richtig so. Zum Thema „medizinische Versorgung“ gibt es viel mehr und viel größere Baustellen, zum Beispiel die Investitionen in Krankenhäuser, den Ärztemangel und die vielen Probleme im Pflegebereich.

Zu dem Thema „Medizinische Versorgungszentren“ sind noch andere Akteure im Boot, die ihren Beitrag leisten müssen. Wie arbeitet die Kassenärztliche Vereinigung mit? Welche Ärzte wollen in welche Regionen? Bekommen sie dafür eine Zulassung? Welche Ärzte werden dort gebraucht? Das ist nicht nur Aufgabe der Staatsregierung.

Sie haben einige Hemmnisse bereits genannt, Herr Wehner, auch Lösungsvorschläge unterbreitet und Ihren Part dabei beschrieben. Also: Machen Sie Ihre Hausaufgaben!

Sie sollten auch über Nutzungshemmnisse reden. Da sehe ich zum einen das Alter der Patienten. Sachsen ist das älteste Bundesland. Medizinische Versorgungszentren sind zentral gelegen; das ist okay so. Aber ich sehe die Situation des öffentlichen Personennahverkehrs in Sachsen nicht als so stabil an, dass Patientinnen und Patienten ohne Probleme das nächstgelegene MVZ erreichen können, wenn es notwendig ist. Wie kommt also der alte, der kranke Mensch, wie kommt Mutti mit Kindern, wie kommt der Rollstuhlfahrer in das MVZ zu seinem bzw. ihrem Hausarzt?

Ich unterbreite Ihnen dazu einen Vorschlag; sonst heißt es wieder: „Die LINKEN meckern nur.“ Frau Jonas, schauen Sie nach Brandenburg! Dort gibt es inzwischen 90 Gemeindeschwestern. Sie können den Patientinnen und Patienten die Wege zum Krankenhaus, zur ambulanten Versorgung, zu Krankenkassen, Apotheken, Pflegediensten und Pflegeeinrichtungen erleichtern. Diese an den Hausarzt in einem Medizinischen Versorgungszentrum anzubinden und damit flächendeckend sichere, zukunftsweisende Strukturen der ärztlichen Versorgung

aufzubauen, wäre endlich ein Schritt in die richtige Richtung – fast weltbewegend. Die Gemeindeschwestern dürfen das jetzt auch.

(Staatsministerin Christine Clauß: Der Hausarzt auch!)

Ja, ich weiß.

Das erfordert aber politische – zukunftsweisende! – Entscheidungen, nicht nur Wahlkampfgetöse.

Herr Wehner, Sie dürfen auch „Poliklinik“ sagen. Der Begriff stammt nicht aus der DDR, sondern ist älter. Polikliniken gibt es schon viel, viel länger.

Wir werden uns zu diesem Antrag der Stimme enthalten in der Hoffnung, dass Sie noch einmal darüber nachdenken und mehr daraus machen, als im Antrag steht.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die SPD spricht Frau Neukirch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag überraschte mich in zweierlei Hinsicht: Nach dem Lesen der Überschrift habe ich mich gefragt, wozu man Medizinische Versorgungszentren denn noch nutzen sollte, wenn nicht für die ambulante Versorgung. Beim Lesen von Punkt 2 Ihres Antrags erinnerte ich mich daran, dass das größte Hemmnis auf dem Weg zur Zielerreichung die schwarz-gelbe Bundesregierung war. Insbesondere das FDP-geführte Gesundheitsministerium verschlechterte die Rahmenbedingungen für Medizinische Versorgungszentren erheblich. Das ist in der Stellungnahme des Bundesverbandes der Medizinischen Versorgungszentren nachzulesen. Aber besser spät als nie.

Nun haben Sie also doch die Einsicht gewonnen, dass es vielfältige Gründe für Zusammenarbeit, Vernetzung und flexiblere Beschäftigungsmöglichkeiten auch im ärztlichen Berufsbereich gibt. Zu dieser Erkenntnis beigetragen hat ganz sicher auch die Initiative der sächsischen Medizinischen Versorgungszentren und Berufsausübungsgemeinschaften, die sich mit der Gründung eines Netzwerks auf den Weg gemacht haben, ihren Beitrag zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung zu leisten. Dazu werden die Anstrengungen gebündelt und das Anliegen auch in die Landespolitik getragen.

Frau Jonas, ich weiß, dass auch Sie einen Anteil daran haben. Die Gründe für die Zukunft von Gemeinschaftspraxen oder MVZ sind zum Teil schon angesprochen worden. Der Trend zur Anstellung bei jungen Ärzten, Herr Wehner, ist nicht nur bei Frauen so, sondern auch Männer bevorzugen die Anstellung für ihre berufliche Zukunft, und zwar zu 55 % in Kliniken, und Frauen eher in MVZ oder in Anstellung in einer Praxis. Aber bei beiden Geschlechtern ist es mittlerweile so, dass sich nicht einmal ein Drittel der Nachwuchsärzte eine Niederlassung für ihre berufliche Zukunft wünscht. Viele Nach

wuchsärzte – Frau Jonas hat es angesprochen – können sich durchaus vorstellen, zeitlich befristet auf dem Land zu arbeiten, allerdings nicht in einer Einzelpraxis und auch nicht als Lebensentscheidung.

Diese Gründe und Entwicklungen sprechen doch für sich. Wenn wir junge Ärztinnen und Ärzte auf das Land bekommen wollen, müssen wir die Einsatzmöglichkeiten dafür schaffen, und das heißt eben auch, die Strukturen für diese zeitlich befristeten Tätigkeiten zur Verfügung zu stellen. Dafür müssen viele Akteure überzeugt werden. Da stellt sich die Frage, wo derzeit noch die Hemmnisse sind. Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen durch den Gesetzgeber, die ja nun verbessert werden sollen, sind natürlich auch die Akteure wichtig, die sich innerhalb dieses Rahmens um die Ausgestaltung und Belebung der Vorschriften kümmern müssen, die Kassen und insbesondere die kassenärztlichen Vereinigungen. Hier liegt in Sachsen noch ein bisschen Entwicklungsbedarf vor, denn kassenärztliche Vereinigungen in anderen Bundesländern sind durchaus etwas weiter. Aber ich denke, das wird sich hier durch die Situation auf dem Land in Zukunft auch noch anders entwickeln. Kurz und gut, wir stimmen dem Antrag zu und sind gespannt auf die Stellungnahme und auf die Umsetzung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Frau Herrmann für die GRÜNE-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gleich vorweg – auch wir unterstützen das Anliegen des Antrages, denn Medizinische Versorgungszentren helfen unter anderem dabei, die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum sicherzustellen. Das haben die Vorredner schon gesagt. Gleichzeitig hat Frau Jonas gesagt, sie sind keine Lückenbüßer. Deshalb müssen wir über die anderen Vorteile von medizinischen Versorgungszentren mehr sprechen als darüber, dass sie die Versorgung im ländlichen Raum sicherstellen, denn sonst kommt das doch als Lückenfüller bei uns an.

Das sind zum Beispiel die gemeinsame Nutzung von Praxisräumen und Laboren. Das hilft Kosten zu sparen und bietet die Möglichkeit, die Arbeitszeiten flexibler und familienfreundlicher zu gestalten. Deshalb sind Medizinische Versorgungszentren eine attraktive Alternative zur Niederlassung, auch weil manche Ärzte befristet im ländlichen Raum arbeiten wollen. Das hat meine Kollegin schon gesagt.

Das MVZ eignet sich auch ganz besonders für die Kooperation mit anderen Leistungserbringern, zum Beispiel Pflegediensten und Therapeuten. Deshalb bieten sie auch Vorteile für Patientinnen und Patienten. Es ist nicht so, dass es einem Patienten egal wäre. Wenn ich mir zum Beispiel das Medizinische Versorgungszentrum in Rothenburg anschaue, dann finde ich dort unterschiedliche Fachärzte, die sich auch miteinander beraten können, sich

über den Krankheitsverlauf, Behandlungsziele und Therapie verständigen können. Das ist für den Patienten durchaus von Vorteil. Dazu kommt natürlich noch, dass er mehrere Termine an einem Tag machen kann.

Damit könnten MVZ in Zukunft dazu beitragen, bisher vernachlässigte Bereiche der ambulanten Versorgung in Sachsen weiterzuentwickeln, unter anderem die Versorgung von Menschen mit Einschränkungen und demenziellen Erkrankungen.

Der Antragspunkt 1 ist ein Berichtsauftrag für die Staatsregierung. Ich hätte es gut gefunden, wenn Sie eine Frist gesetzt hätten. Wir wissen, die Legislaturperiode geht zu Ende. Mir würde etwas daran liegen, dass wir den Bericht noch bis zum Ende der Legislatur bekommen. Im Antragspunkt 2 wird von Niederlassungs- und Gründungshemmnissen gesprochen, ohne jedoch diese Hemmnisse zu benennen. Sie haben das jetzt in der Rede nachgeholt. Das sind sicher die Schwachstellen, wie Benachteiligungen im Abrechnungs- und Honorarsystem bei Ärzten, die in einem MVZ arbeiten. Das sind sicher auch die eingeschränkten Möglichkeiten bei der Weiterbildung von Assistenzärzten und noch einige mehr. Wir sollten dann sagen, wie wir uns das schrittweise vorstellen, obwohl viele Dinge vom Bund geregelt werden.

Dafür wird, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Unterstützung der KV benötigt. Das scheint mir in Sachsen besonders schwierig zu sein. Ich würde mich freuen, wenn die Staatsregierung das dicke Brett KV etwas intensiver bohren könnte. Wir können dem Antrag nur zustimmen.

Ich sehe noch eine weitere Chance für Medizinische Versorgungszentren. Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene steht, dass wir medizinische Zentren zur Versorgung Erwachsener mit geistiger Behinderung einrichten wollen, ähnlich der sozialpädiatrischen Zentren. Das ist eine langjährige Forderung, weil für Menschen mit geistigen Einschränkungen und eben auch für demenziell Erkrankte oft die gesundheitliche Versorgung nicht in ausreichendem Maße durch ambulant niedergelassene Ärzte sichergestellt ist. Ich denke, dass das für Sachsen eher ein schwieriges Modell ist.

Ich würde mir wünschen, dass Medizinische Versorgungszentren so aufgestellt sind, dass sie barrierefrei sind und es sich zur Aufgabe machen, Menschen mit geistigen Einschränkungen und demenziell Erkrankte besonders zu betreuen. Gerade wenn wir wissen, dass die Menschen älter werden – ich brauche an der Stelle nur das Stichwort demografische Entwicklung zu nennen –, dann wissen wir, dass in Zukunft noch mehr Behandlungsbedarf hinzukommt. Damit sind die niedergelassenen Ärzte in der Regel überfordert, auch weil diese Leistungen nicht ausreichend vergütet werden.

Ich finde, Medizinische Versorgungszentren haben da eine große Chance, und ich würde mir wünschen, dass Kompetenzzentren in Sachsen entwickelt werden, die genau auf diesen Bereich einen besonderen Schwerpunkt legen.

Vielen Dank.