Protokoll der Sitzung vom 18.06.2014

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU sowie des Staatsministers Dr. Jürgen Martens und der Staatsministerin Christine Clauß – Die oben genannten Abgeordneten führen weiterhin ihr Gespräch.)

Darf ich um etwas Aufmerksamkeit bitten? Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn es Diskussions- oder Absprachebedarf gibt, dann bitte draußen!

(Jürgen Gansel, NDP: Der rote

Zwergenaufstand ist abgeblasen! –

ist eine Frage des Respekts! –

Zum Thema

Respekt habe ich gerade viel gelernt! –

der Brüllaffe aus Solingen! –

Sagen Sie einmal

etwas zum Thema Gewalt, Herr Brangs! –

Gegenruf von der SPD: Ruhe!)

Herr Schimmer, ich ermahne Sie erneut.

Ich bitte jetzt, dass wir der Regierungserklärung des Herrn Wirtschaftsministers weiter folgen können.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Wir als Staatsregierung wollen gleichzeitig die Voraussetzungen dafür schaffen, dass möglichst attraktive und gut bezahlte Arbeitsplätze bei uns entstehen. Wir wollen, dass unsere Heimat für alle Bürger noch attraktiver wird. Wir wollen unsere Chancen nutzen und auf zukünftige Herausforderungen frühzeitig vorbereitet sein.

Dabei werden wir unsere Forderungen selbstbewusst auf der europäischen Ebene und auch gegenüber dem Bund vertreten. Dem Ziel, wirtschaftlich und finanziell auf eigenen Beinen zu stehen, sind wir ein großes Stück näher gekommen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Beifall des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Sachsen befindet sich auf Erfolgskurs. Sachsen ist Zuwanderungsland. Nie seit der Wende waren weniger Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen. Zu keinem Zeitpunkt hatten mehr Menschen in Sachsen einen Arbeitsplatz. Die Stimmung in der Wirtschaft ist gut. Die Rahmenbedingungen stimmen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Sachsen geht es gut. Das spricht sich rum. Die Menschen kommen nach Sachsen. Können Sie sich, sehr geehrte Damen und Herren, noch an die Debatten zu Beginn dieser Legislatur erinnern? „Abwanderung stoppen!“ war da das Thema gewesen. Seit drei Jahren ziehen mehr Menschen nach Sachsen, als Menschen unseren Freistaat verlassen, übrigens auch aus unseren östlichen Nachbarländern. Die Zeiten, in denen berufliche Perspektivlosigkeit zur Abwanderung zwang, sind endgültig vorbei. Sachsen ist Zuwanderungsland.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Darauf können wir alle gemeinsam stolz sein, sehr geehrte Damen und Herren. Sachsen hat bereits heute den niedrigsten Pendlersaldo aller ostdeutschen Bundesländer. In Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg

Vorpommern fahren im Verhältnis zur Beschäftigtenzahl im Saldo rund drei mal so viele Menschen zu ihrer Arbeit über die Landesgrenze. Einpendler nach Sachsen entlasten die Arbeitsmärkte der angrenzenden Bundesländer. Hätten Sie das vor fünf Jahren für möglich gehalten? Sachsen entlastet den Arbeitsmarkt der Nachbarbundesländer durch Zuwanderer und Einpendler. Ja, das ist eine sächsische Erfolgsgeschichte.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir haben früh damit begonnen, uns um Rückkehrer und Zuwanderer zu kümmern. Mit unserer Kampagne „Heimat für Fachkräfte“ wollen wir diese Anstrengungen fortsetzen und die Erfolge festigen. Voraussetzung für diese Trendumkehr ist ein attraktiver Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote ist in Sachsen so niedrig wie noch nie seit der Deutschen Einheit. Wir haben uns im Verhältnis zu den anderen ostdeutschen Ländern in den letzten fünf Jahren am besten entwickelt. Wenn der Trend so anhält, werden wir in diesem Jahr mit Nordrhein-Westfalen das erste westdeutsche Flächenland hinter uns lassen.

Wo stehen wir heute? Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Sachsen stieg seit 2009 um 5,5 % und ist so hoch wie zu keinem Zeitpunkt in den letzten Jahren. Das sind auch ganz persönliche Schicksale. Das sind zusätzlich 77 000 Menschen in Sachsen, die einen Arbeitsplatz haben. Die Bruttolöhne stiegen mit 11,5 % seit 2009 deutlich stärker als im ostdeutschen Durchschnitt. Der Aufschwung kommt bei den Menschen in Sachsen an.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die meisten neuen Jobs sind ganz normale Vollzeitstellen mit Renten- und Krankenversicherung und allem, was dazugehört. Es war richtig, den ersten Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt unserer Politik zu stellen.

Wie sieht es bei den Jugendlichen und bei den älteren Arbeitnehmern aus? Junge Menschen haben hervorragende Möglichkeiten, in ihrer Heimat einen Ausbildungsplatz zu finden. In Sachsen gibt es für jeden Jugendlichen eine Lehrstelle. In der Altersgruppe der 60- bis 65-Jährigen sind heute doppelt so viele sozialversicherungspflichtig beschäftigt wie 2009. Anders als unmittelbar nach der Wende nehmen die Unternehmen heute den Wert ihrer Erfahrungsträger ganz anders wahr. Nie seit der Wende war die Arbeitslosigkeit geringer. Die Beschäftigung liegt auf Rekordniveau. Jugendliche und ältere Arbeitnehmer werden in den Arbeitsmarkt integriert. So geht sächsisch!

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Sicherung des Fachkräftebedarfs ist eine Zukunftsaufgabe, der wir uns stellen. Gut qualifizierte Fachkräfte sind die Voraussetzung für erfolgreiche Unternehmen. Sie sind es, die mit neuen Ideen neue Produkte und Dienstleistungen schaffen. Die Staatsregierung hat sich mit ihrer Fachkräftestrategie 2020 einem integrierten Ansatz aus frühkindlicher Bildung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und lebenslangem Lernen verschrieben. Wir setzen auf individualisierte und arbeitsmarktnahe Lösungen. Nicht der Bildungsträger, sondern das einzelne Unternehmen und der einzelne Arbeitnehmer können die individuellen Förderbedarfe am besten einschätzen. Daher unterstützen wir Arbeitnehmer und Unternehmer bei ihrer Verantwortung für die Weiterbildung direkt mit unserer Förderung.

Beispiel dafür sind der Weiterbildungsscheck und das einzelbetriebliche Förderverfahren. Mit dem Weiterbildungsscheck erhalten Arbeitnehmer eine hohe finanzielle Förderung für berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen. Dabei suchen sie sich selbst das für sie am besten passende Angebot. Die Nachfrage ist seit der Einführung im November 2010 mit über 10 000 bewilligten Anträgen und einer Zuschusssumme von 24 Millionen Euro enorm. Der Weiterbildungsscheck ist ein Erfolgsmodell für die Arbeitnehmer im Freistaat Sachsen.

Die Arbeitnehmer sind in der Lage, Verantwortung für ihre Weiterbildung zu übernehmen und sie wollen es auch. Wir haben mit unserer Förderung den Rahmen dafür geschaffen, dass sie es auch können. Wir glauben an die Chancen jedes Einzelnen. Deswegen ist es unser Ziel in der Arbeitsmarktpolitik, auch für gering Qualifizierte, Langzeitarbeitslose und lernschwache Jugendliche einen Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu schaffen, und zwar durch individuell zugeschnittene Eingliederungshilfen. Wir geben diesen jungen Menschen eine zweite Chance.

Für die Vermittlung von Jugendlichen mit schlechten Startchancen in eine betriebliche Ausbildung stehen 5,5 Millionen Euro zur Verfügung. Wir haben zudem mit dem QAB-Programm und dem ESF-Programm zur

individuellen Einstiegsbegleitung mit rund 42 Millionen Euro wichtige Maßnahmen zur Heranführung von Langzeitarbeitslosen an den ersten Arbeitsmarkt ergriffen. Die Vermittlungsquote der QAB-Teilnehmer in den Arbeitsmarkt ist hoch. Zwei Drittel der Teilnehmer fanden eine neue Perspektive im ersten Arbeitsmarkt. Mit diesen Maßnahmen helfen wir den Betroffenen selbst und unterstützen zugleich ausbildungswillige Unternehmen, freie Stellen zu besetzen. Diese Ansätze gilt es fortzuführen; denn wer Hilfe braucht, soll sie auch erhalten, maßgeschneidert auf die Situation der Arbeitslosen und der Unternehmen. Hilfsprogramme nach dem Gießkannenprinzip dagegen helfen den wirklich Bedürftigen nicht.

Unsere maßgeschneiderte Förderung schafft die Möglichkeit zum Einstieg. Zielgerichtete Weiterbildung bietet die Chance zum Aufstieg. Höhere Einkommen durch bessere Qualifikation – so unterstützen wir die Arbeitnehmer in unserem Land.

(Beifall bei der FDP)

Sachsen hat sich mit einer eigenen Bundesratsinitiative zur Änderung des Aufenthaltsrechts aktiv und frühzeitig für eine echte Willkommenskultur für Fachkräfte aus dem Ausland eingesetzt und die bundespolitische Debatte mitgestaltet. Die Vorschläge kamen gemeinsam aus dem Innenministerium und dem Wirtschaftsministerium und haben Eingang in das neue Aufenthaltsrecht gefunden. Ich weiß, lieber Markus Ulbig, dass du in der Innenministerkonferenz deutlich härtere Bretter bohren musstest als ich in der Wirtschaftsministerkonferenz, aber unser Engagement wird dazu beitragen, den Fachkräftebedarf in den Unternehmen im Freistaat Sachsen zu sichern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Staatsregierung aus CDU und FDP hat in den vergangenen fünf Jahren die Rahmenbedingungen für eine positive wirtschaftliche Entwicklung geschaffen. Wir haben die Grundlage dafür gelegt, dass unser Land für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet ist. Im Mittelpunkt der wirtschaftspolitischen Anstrengungen des Freistaates stehen die kleinen und mittelständischen Unternehmer und Handwerker. Der Mittelstand bildet das Rückgrat und den Motor der sächsischen Wirtschaft. Insgesamt sind in Sachsen 99,9 % aller Betriebe mittelständisch. Sie erwirtschaften rund 66 % des Gesamtumsatzes und beschäftigen vier von fünf Arbeitnehmern. Sie sind in Sachsen verwurzelt.

Auch die traditionell mittelständische Tourismuswirtschaft in Sachsen kann neue Wachstumsimpulse verzeichnen. Wir werden das Thema morgen noch ausführlich diskutieren, daher heute nur einige Anmerkungen.

Wir haben bei den Übernachtungszahlen das dritte Rekordjahr in Folge. Die Tourismuswirtschaft erwirtschaftet inzwischen einen Bruttoumsatz von 7,2 Milliarden Euro pro Jahr. Der Trend ist auch im nationalen Vergleich positiv. Mit unserer Tourismusstrategie haben wir dazu die richtigen Weichen gestellt und die Wettbewerbsfähigkeit der Tourismuswirtschaft gestärkt. Das bringt mehr

Besucher nach Sachsen, und die Tourismuswirtschaft profitiert vom erhöhten Umsatz.

(Beifall bei der FDP)

Das Handwerk nimmt in Sachsen einen höheren Stellenwert ein als im Bundesdurchschnitt. Es beschäftigt circa 320 000 Menschen. Die Handwerksdichte liegt deutlich über dem deutschen Durchschnitt. Unsere Handwerker sind die Basis der Wirtschaft in den Regionen. Handwerker schaffen sichere Arbeitsplätze. Sie engagieren sich für Kultur und Sport. Das Handwerk trägt die Hauptlast der Berufsausbildung. Handwerker, sehr geehrte Damen und Herren, haften meist persönlich für ihr Unternehmen. Wir schulden dem Handwerk Dank für dieses Engagement.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Manchmal leidet das Handwerk auch, besonders unter den Lasten der Bürokratie. Die Bürokratie nimmt ihnen die Ressourcen, sich auf das eigentliche Geschäft zu konzentrieren. Die Staatsregierung hat daher auf meinen Vorschlag hin eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, um die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge wieder abzuschaffen. Ich komme aus der Baubranche. Ich weiß, wie aufwendig eine Baulohnabrechnung ist.

(Stefan Brangs, SPD: War sehr erfolgreich!)

Eine Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums hat bestätigt, dass allein durch die Doppelarbeit bei der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge die sächsischen KMUs und ganz besonders die Handwerksunternehmen mit insgesamt 23 Millionen Euro pro Jahr belastet werden.

Nun erwirtschaften die Sozialkassen massive Überschüsse. Diese 23 Millionen Euro jedes Jahr hätten den Unternehmen zukünftig erspart werden können. Allein den sächsischen Unternehmen hätte man entzogene Liquidität von circa 1 Milliarde Euro zurückgeben können. Ich bin mir sicher, dass die sächsischen Unternehmen dieses Geld gut gebrauchen können. Sie hätten es in ihre Zukunft investiert.

Am Montag war ich bei der Seilerei Voigt in Bad Düben. Herr Voigt hat mich sofort auf die Bundesratsinitiative angesprochen. Leider musste ich ihm mitteilen, dass unsere Initiative im Bundesrat abgelehnt wurde. Statt einer Entlastung für kleine und mittlere Unternehmen werden lieber unseriöse Wahlgeschenke finanziert und mit der Rente mit 63 neue Probleme – gerade für die Fachkräfteversorgung kleinerer Unternehmen – geschaffen.