Protokoll der Sitzung vom 18.06.2014

Viertens schlagen wir zudem Änderungen hinsichtlich der Lage der Wahltermine außerhalb der Schulferien, des Zugangs von Wählervereinigungen zur Landtagswahl und zur ÖPNV-Erreichbarkeit der Wahlräume vor. Der heute vorgelegte Gesetzentwurf zielt darauf ab, den Zugang zu Wahlen zum Sächsischen Landtag und zu den Kommunalwahlen zu verbessern und Artikel 29 der UNKonvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung umzusetzen.

Mit ihm wollen wir strukturelle Hindernisse, die Menschen davon abhalten, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, beseitigen. Wer ein echtes Interesse an dem Erhalt der demokratischen Ordnung und der demokratischen Legitimation hat, der kann nicht anders, als diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion bitte Herr Abg. Schiemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Anhörung sowie in der Beratung im Innenausschuss des Sächsischen Landtages lag der Schwerpunkt auf der Frage nach der Umsetzbarkeit der Regelungen dieses Gesetzentwurfs und auf der Frage, ob Ausschlüsse von Wahlen – beispielsweise von Personen, die nach dem § 1896 des BGB in allen Angelegenheiten unter Betreuung stehen – noch gerechtfertigt sind oder nicht.

Nach Abwägung und Auswertung der Anhörung wird die CDU-Fraktion dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Ich möchte aber hier noch einmal deutlich ansprechen, dass es für uns wichtig ist, dass die allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze, die im Artikel 4 unserer Verfassung niedergelegt sind, für Menschen mit Behinderung genauso zutreffen wie für Menschen ohne Behinderung. Das heißt, es muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass Menschen mit Behinderung und ohne Behinderung ohne Ansehen der Person den gleichen Zugang zu Wahlen haben. Hier gibt es noch viel Arbeit auch im Freistaat Sachsen zu erledigen.

Auch zur Frage der Wahlrechtsausschlüsse brauchen wir eine neue Diskussion. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass es dazu eine gutachterliche Stellungnahme geben wird, und diese wollen wir entsprechend auswerten. Wir halten es aber auch für notwendig, dass wir als

Freistaat Sachsen gemeinsam mit den anderen deutschen Ländern und dem Bund darüber nachdenken, ob sich diese Regelung nicht überholt hat und den allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen widerspricht.

(Beifall des Abg. Geert Mackenroth, CDU)

Dazu wird es notwendig sein, dieses Gespräch zu führen. Ich hoffe, dass uns dies auch in der nächsten Legislaturperiode gelingt; denn die Rechtseinheitlichkeit in dieser Frage sollte auf jeden Fall gewahrt werden. Deshalb geht es nicht, dass der Freistaat Sachsen hier allein handelt.

Dabei verkennen wir nicht, dass es wünschenswert und wichtig ist, dass jeder Mensch das Wahllokal erreichen kann. Ich habe es damit begründet, dass wir es nicht akzeptieren können, dass Menschen mit Behinderung und ohne Behinderung unterschiedlichen Zugang zum Recht bzw. zur Wahl haben. Die Vertreter der kommunalen Ebene haben darauf hingewiesen, dass es eine Vielzahl von Initiativen gibt. Wir dürfen nicht nachlassen, ein Recht im Freistaat Sachsen zu gewähren, das von allen in gleicher Form genutzt werden kann. Wir wollen, dass jeder an der Wahl teilnehmen kann. Das trifft für alle Menschen in diesem Land zu.

Die im Gesetz geregelte Erreichbarkeit der Wahlräume durch den ÖPNV geht jedoch oft an der Lebenswirklichkeit vorbei; denn die Funktion des ÖPNV ist beispielsweise in Radebeul ganz anders zu bewerten als im tiefen ländlichen Raum, wo der ÖPNV am Wochenende kaum noch erblickt wird.

Ergänzend kann ich an dieser Stelle auf die Möglichkeit der Briefwahl hinweisen. Es ist eine Möglichkeit. Die Briefwahl ist ein gleichrangiges Recht, wie am Wahlsonntag zur Wahl zu gehen, und kann entsprechend genutzt werden. In der Realität machen immer mehr Menschen von dieser Möglichkeit Gebrauch, ohne wirklich darauf angewiesen zu sein, nur um die Ausrede zu haben, mit dem ÖPNV nicht zum Wahllokal zu kommen. Das stellt eine klare Option dar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach unserer Auffassung besteht auch keine Regelungsnotwendigkeit für die Aufnahme von Wählervereinigungen im Wahlgesetz. Wenn diese landesweit tätig sind, Kandidaten und Listen aufstellen, sind sie automatisch politische Parteien und unterfallen den Regelungen, die dafür bereits im Wahlrecht existieren. Auch das wurde in der Anhörung ganz klar beantwortet. Dazu gehören sowohl die Rechte als auch die Pflichten, die Parteien regelmäßig – auch nach den Wahlen – in den Gebieten, sprich: im Freistaat Sachsen, zu erfüllen haben.

Wir haben ausführlich das Für und Wider der Wahlrechtsausschlüsse von Personengruppen diskutiert. Mit diesem Gesetzentwurf sehen wir eine Diskussion angestoßen. Ich verweise darauf, dass wir die Abstimmung mit dem Bund benötigen, damit es zur Rechtseinheitlichkeit der Umsetzung kommt. Wir sehen hier Handlungsbedarf, auch neuen Diskussionsbedarf, ob die Regelung im BGB so noch zeitgemäß ist.

Es geht natürlich bei den betroffenen Personengruppen immer um die Entscheidungsfähigkeit und um die Handlungsfähigkeit, an die die Wahlfähigkeit geknüpft wird. Es geht nicht um eine Wahlfähigkeitsprüfung. Die ist verfassungsrechtlich so meines Erachtens bedenklich, aber vielleicht auch nicht zulässig. Bevor das Gesetz geändert wird, sollten wir das Ergebnis ebendieser Untersuchung abwarten. Wichtig ist zu wissen, dass die Betreuung in einer Angelegenheit, bei der man automatisch vom Wahlrecht ausgeschlossen wird, heute den Ausnahmefall darstellt und dass ein Richter schon heute über den Umfang der Betreuung zu entscheiden hat. Dabei berücksichtigt dieser in der Regel auch die Rechtsfolgen einer vollumfänglichen Betreuung. Hier sehen wir für die Zukunft jedoch deutlichen Gesprächsbedarf. Ich hatte schon zweimal darauf hingewiesen.

Auch die GRÜNEN haben wie wir mit unserem 6. Gesetz zur Änderung des Sächsischen Wahlgesetzes, das wir heute unter Tagesordnungspunkt 7 behandeln werden, eine Regelung vorgeschlagen, außerhalb der Ferien zu wählen. Sie knüpfen aber an die nicht beeinflussbare Festlegung der Ferientermine an. Unser Gesetzentwurf hingegen vermeidet, dass Wahlen vor den Ferien stattfinden müssen. Die Sachverständigen

Prof. Dr. Wollenschläger, Prof. Dr. Strohmeier und

Prof. Dr. Grzeszick haben bestätigt, dass es verfassungsrechtlich zulässig ist, eine in Grenzen flexible Regelung zu ermöglichen. Eine hohe Wahlbeteiligung mit einem Termin außerhalb der Ferien zu erreichen ist somit ein legitimes Ziel, welches mit dem Demokratieprinzip einhergeht.

Die von uns vorgeschlagene Regelung steht daher klar im Einklang mit Artikel 44 der Sächsischen Verfassung. Selbstverständlich muss der Wahltermin vor Ablauf der Wahlperiode stattfinden. Artikel 44 der Sächsischen Verfassung gibt klare Vorgaben dafür.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch kurz konkret auf den Gesetzentwurf der CDU- und der FDP-Fraktion eingehen, der ja später ohne Aussprache behandelt wird. Dieser steht im unmittelbaren Kontext mit dem hier in Rede stehenden Gesetzentwurf. Nach der geltenden Rechtslage wird der dreimonatige Zeitraum für die Durchführung der Landtagswahlen nach Kalendermonaten berechnet. Entsprechend der jetzigen Regelung fällt dieser Zeitraum für die nächste reguläre Landtagswahl in die Ferienzeit Juni, Juli oder August. Um den Wahltag für die siebente reguläre Landtagswahl wie zu den ersten vier Landtagswahlen wieder im Herbst im Anschluss an die Ferienzeit durchführen zu können, soll der Zeitraum von drei Monaten für die Wahldurchführung bis an das Ende der auf fünf Jahre ausgerichteten Wahlperiode gelegt werden.

In Anlehnung an die Regelung des Bundes in Artikel 39 Abs. 1 Satz 3 Grundgesetz wird dabei im Unterschied zu den bisherigen Berechnungen des Zeitraums nicht von den Kalendermonaten seit Beginn der Wahlperiode ausgegangen, sondern die Berechnung der Frist nach

Monaten entsprechend den §§ 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch beginnend von dem Tag des Zusammentritts des neugewählten Landtages zugrunde gelegt. Hiermit ist sichergestellt, dass die Neuwahl spätestens vor dem Ablauf von fünf Jahren seit dem Beginn der laufenden Wahlperiode gemäß Artikel 44 Abs. 2 Sächsische Verfassung durchgeführt wird.

Da das Parlament seine eigene Wahlperiode nicht verlängern darf – das wäre verfassungswidrig –, muss eine Änderung, die frühestens für den 6. Sächsischen Landtag gelten kann, noch vom 5. Sächsischen Landtag und damit noch während der derzeit laufenden Wahlperiode vorgenommen werden. Wir werden daher später für unseren Gesetzentwurf um Zustimmung werben und bitten, den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abzulehnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Für die Fraktion DIE LINKE Frau Köditz, bitte.

(Eva Jähnigen, GRÜNE, steht am Saalmikrofon.)

Sie möchten eine Kurzintervention machen? – Bitte schön.

Ich möchte gern kurzintervenieren auf das, was Kollege Schiemann zur Frage des Wahltages gesagt hat.

Sie haben praktisch schon Ihren Gesetzentwurf, der später behandelt wird, begründet. Wir sehen in unserem GRÜNEN-Antrag bewusst eine andere Regelung vor.

Wir glauben einerseits, dass dieser Wahltag am Ende der Sommerferien ungünstig ist. Das war eine politische Entscheidung, die man hätte vermeiden können. Das ist das eine. Wir wollen allerdings auch, dass zukünftige Landtage das politische Ermessen für so eine Entscheidung zu Wahlen in den Ferien nicht mehr haben. Deshalb möchten wir den Entscheidungsspielraum so umgestalten, dass der Wahltag vor die Ferien gelegt werden muss.

(Zuruf von der CDU: Davor oder danach?)

Vor den Ferien oder nach den Ferien. Aber Ihr Vorschlag sieht vor, den Ermessensspielraum so zu erweitern, dass es faktisch doch zu einer Ausdehnung der Legislaturperiode kommen kann, und zwar gegen den klaren Wortlaut der Sächsischen Verfassung. Wenn wir beachten, dass die Legislaturperiode in Sachsen mit fünf Jahren relativ lang ist, länger als beim Bundestag, dann halten wir das nach wie vor zumindest für bedenklich, auch wenn die Sachverständigen gesagt haben, es sei gerade noch so verfassungskonform.

Fünf Jahre ist eine lange Legislaturperiode. Wir haben Ihnen eine Regelung vorgeschlagen, die diesen Zeitraum ganz klar nicht verlängert, die aber Wahltage in den

Ferien vermeidet. Schade, dass wir das in diesem Jahr durch die falsche politische Entscheidung der Regierung noch haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Schiemann, möchten Sie sich dazu äußern? – Das ist nicht der Fall.

Bitte, Frau Abg. Köditz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der heute zu behandelnde Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN trägt den Titel „Gesetz zur Verbesserung des Zugangs zu Wahlen und zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht“. Unsererseits gab es anfänglich doch ein paar Irritationen bezüglich der einzelnen Aspekte des Gesetzentwurfes. Barrierefreiheit und Wahltermin, kostenlose Räume und die Gleichsetzung von Parteien und Wählervereinigungen, das ist ein bunter Blumenstrauß an Themen zwischen UN-Behindertenrechtskonvention und der Verbesserung des Zugangs zu Wahlen.

Versuchen wir eine Sortierung. Forderungen, die im direkten Zusammenhang mit der UN-Behindertenrechtskonvention stehen, wie Barrierefreiheit der Wahlräume, Unterstützungspersonen, Schriftgröße und Wahlmaterialien in einfacher Sprache, finden die volle Unterstützung der Fraktion DIE LINKE. Bei der Erreichbarkeit der Wahlräume wird es schon komplizierter. Bei der „Erreichbarkeit der Wahlräume mit barrierefrei zugänglichem öffentlichem Personennahverkehr“, wie es im Gesetzentwurf heißt, ist die Lage, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, in den ländlichen Räumen außerhalb der Großstädte schon etwas komplexer. Das haben Sie auch in der Anhörung von den Sachverständigen aus der kommunalen Familie zur Kenntnis nehmen müssen.

Ihr Änderungsantrag macht es nicht besser. Wenn Sie jetzt die unbestimmte Kategorie von „zumutbarer Entfernung zu Fuß“ einführen wollen, dann frage ich: Was ist denn zumutbar? Diese Frage stellt sich uns, gerade wenn es um Menschen mit Beeinträchtigungen bzw. Behinderungen geht. Was ist dort zumutbar? Deshalb werden wir uns in solchen Punkten nur enthalten können.

Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf soll der Ausschluss vom Wahlrecht für Menschen, die durch richterliche Entscheidung unter Betreuung stehen oder durch richterliche Anordnung im Zusammenhang mit einer Straftat in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen sind, aufgehoben werden. Dazu gibt es aktuell bundesweit eine Debatte zu den unterschiedlichsten dabei zu berücksichtigenden Faktoren. Allerdings kam es am Rande der Anhörung zu Kommentaren und Sichtweisen, die uns eher vermuten lassen, dass sich der Katalog der Auszuschließenden eher vergrößern als verkleinern würde. Die einfache Aufhebung der derzeitigen Regelung birgt für uns die Gefahr des Missbrauchs

gerade bei den unter Betreuung stehenden Personen. Gänzlich abwegig wird es für uns, wenn es Berufsbetreuer sind.

Meine Damen und Herren! Es sind richterliche Entscheidungen, die zum Ausschluss führen. Es wäre schon eine gewisse Unterstellung, wenn man sagt, dass es sich die Richterinnen und Richter damit zu einfach machen würden.

Aus eigenem Erleben kann ich jedenfalls nicht behaupten, dass es so ist. Ganz im Gegenteil. Auch in diesem Punkt wird sich die Fraktion DIE LINKE enthalten müssen; denn die Umsetzung der Forderung im vorliegenden Gesetzentwurf ist für uns nicht geklärt.

Gänzlich ablehnen müssen wir als LINKE allerdings die Forderung, dass Kommunen Räume unentgeltlich für Wahlveranstaltungen zur Verfügung stellen sollen. Dies greift aus unserer Sicht einerseits in die kommunale Selbstverwaltung ein, andererseits entstehen den Kommunen trotzdem Kosten. Es wäre mir völlig neu, dass Kommunen eine Wahlkampfkostenrückerstattung bekommen.

Ablehnen müssen wir auch den grünen Versuch, dem Frust auf Parteien an sich zu begegnen, indem sich manche nicht Partei, sondern Wählervereinigung nennen, trotzdem aber für Landtagswahlen alles so vorlegen müssen wie eben Parteien. Die Einfügung des Begriffs „Wählervereinigung“ ins Wahlgesetz erachten wir in diesem Zusammenhang nicht als zielführend.

Zum Schluss noch die Sache mit dem Wahltermin. Damit soll der Zugang zu Wahlen verbessert werden, um noch einmal zum Gesetzesnamen Bezug zu nehmen. Der Wahltermin soll außerhalb der Schulferien liegen. Bitte ein wenig mehr Gründlichkeit! Gemeint sind doch sicherlich die Schulferien in Sachsen; denn ansonsten wird es bei den verschiedenen Terminen in Deutschland sehr kompliziert, noch einen Wahltermin zu finden.