Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

Die Staatsregierung musste die Antwort schuldig bleiben, da ihr dazu keine vertieften Erkenntnisse vorliegen. Sie antwortete mit Blick auf von Crystal abhängige Eltern: Diese Daten werden von der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik bisher nicht erfasst und müssten demzufolge bei den Jugendämtern und in den Landkreisen und kreisfreien Städten abgefragt werden. Den dafür notwendigen Aufwand und die Recherchearbeit sieht die Staatsregierung als nicht gerechtfertigt an.

Demgegenüber, liebe Kolleginnen und Kollegen, berichtete am 12.06.2014 die Diakonie in einer Pressemitteilung mit der Überschrift „Integrierte familienorientierte Beratung der Diakonie in Sachsen bewährt sich“, dass in der Schwangerschaftskonfliktberatung ein hoher Bedarf an Unterstützung bestehe wobei immer mehr Schwangere mit Drogenproblemen in die Beratungsstellen kämen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein erstes Bekenntnis zum Handeln ist der 10-Punkte-Plan. Mit unserem Antrag machen wir Vorschläge, wie er auf der Grundlage des 2. Sächsischen Drogen- und Suchtberichts mit Leben erfüllt werden kann. Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht als Nächster Herr Krauß, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind beim Thema Sucht sehr gut aufgestellt. Wir haben einerseits – das ist schon gesagt worden – den 2. Sächsischen Drogen- und Suchtbericht, der dieses Jahr vorgelegt worden ist, und andererseits den in diesem Jahr vorlegten 10-PunktePlan zur Prävention und zur Bekämpfung des CrystalKonsums.

Dort sind viele wichtige Punkte aufgeschrieben, zu denen wir in den kommenden Monaten und vielleicht sogar Jahren einen Plan haben, wie wir diese dort genannten Ziele umsetzen können. Wir brauchen keinen extra Zeitplan oder Nachhilfe vonseiten der GRÜNEN. Dort ist viel Gutes aufgeschrieben. Das gilt es jetzt umzusetzen. Wir müssen auch nichts oben draufsetzen.

Die GRÜNEN haben es selbst gesagt: Der 10-PunktePlan ist ambitioniert, er ist allumfassend. Das ist der große Vorteil. Er betrifft nicht nur das Sozialressort. Jetzt geht es darum, ihn mit Leben zu erfüllen.

(Elke Herrmann, GRÜNE: Ich habe doch gerade gesagt, dass wir das machen sollen!)

Richtig ist: Es gibt auch im 2. Sächsischen Drogen- und Suchtbericht Themen, die angesprochen worden sind, denen man jetzt nachgehen muss, wenn ich zum Beispiel an die Jugendhilfe denke. Das ist eine neue Aufgabe und man muss schauen, wie man Jugendhilfe und Suchthilfe stärker miteinander vernetzen kann. Uns sagen auch die Berater, dass sie zum Teil überfordert sind, wenn eine junge Frau in die Beratungsstelle kommt, die vielleicht erst 16, 17 Jahre alt und suchtkrank ist. Dann ist das eine neue Herausforderung, weil die Suchtberater bislang diese Probleme nicht hatten. Wir haben auf der anderen Seite Erziehungsberatungsstellen, die dafür zuständig sind. Jetzt muss man schauen, wie man beide Systeme miteinander verzahnen kann. Das ist das richtige Herangehen.

Insgesamt ist der 10-Punkte-Plan davon geprägt, dass er drei Bausteine hat, die zusammengehören. Einen Baustein darf man nicht allein betrachten. An erster Stelle steht das Thema Prävention durch Information, danach kommt das Thema Beratung und Behandlung und als Drittes kommt das Thema Repression. Das sind drei wichtige Punkte, die aber einen Kontext bilden.

Mich hat diese Woche eine Oberärztin angesprochen, die sich um Drogenkranke kümmert. Sie hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Thema Repression für sie enorm wichtig ist. Sie behandelt vor allem CrystalPatienten. Sie hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, dass das Thema Repression wichtig ist. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Droge möglichst erst gar nicht in unser Land kommt.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU, und bei der NPD)

Deshalb sollte man die Punkte auch nicht gegeneinander abwägen, sie sind gleichgewichtig. Wir hatten das bereits in der Mai-Sitzung behandelt. Es gab unterschiedliche Schwerpunktsetzungen. Wir sagen: Diese Punkte gehören gleichwertig nebeneinander. Wir brauchen sowohl die Prävention als auch die Beratung und Behandlung, wir brauchen aber auch Repression. Wir sollten die Repression nicht hintanstellen, wie es leider bei den GRÜNEN hin und wieder der Fall ist.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind gut aufgestellt. Wir haben einen klaren Fahrplan sowohl mit dem 10-Punkte-Plan als auch mit dem Suchtbericht. Dieses gilt es jetzt umzusetzen. Dafür brauchen wir keine Nachhilfe, sondern Leute, die das machen. Wir haben gute Leute in der Praxis, in den Ministerien, die bereit sind, anzupacken.

Insofern lassen Sie es uns tun und diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE Frau Lauterbach.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Der 2. Sächsische Drogen- und Suchtbericht liegt vor. Der Bericht konzentriert sich im Wesentlichen auf eine Bestandsanalyse der Hilfesysteme, zeigt das Fortschreiten des Drogenkonsums in Sachsen und somit neue Bedarfe auf. Welche Schlussfolgerungen wir im Landtag ziehen müssen, auch in Verbindung mit dem 4. Kinder- und Jugendbericht, ist aus der Sicht der einzelnen Fraktionen durchaus unterschiedlich.

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist deshalb notwendig, wenn auch sehr umfangreich und detailliert. Das kann durchaus für das Ziel, einen Landessuchthilfeplan zu entwickeln, sehr hilfreich sein. Ich sehe die Notwendigkeit dieses hohen Anspruchs schon, jedoch – mir fehlt der Glaube, dass die Koalition dem auch gerecht werden kann.

Nun zu den einzelnen Punkten. Im Teil 1 des Antrages sind Feststellungen getroffen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen und Beratungsstellen der Sucht- und Drogenhilfe arbeiten seit Jahren an ihrer Leistungsgrenze. Ihnen gilt unser Dank. Wir können ihre Leistung nicht hoch genug schätzen.

(Beifall bei den LINKEN)

In einer unserer letzten Debatten ging es bereits um die Droge Crystal. Dass die Drogenpolitik heute wiederum zur Debatte steht, verdeutlicht den Ernst der Lage. Der Doppelhaushalt 2015/2016 muss auf die wachsenden Zahlen in den Einrichtungen und Beratungsstellen reagieren. Die gewachsenen Anforderungen müssen personell, finanziell und konzeptionell abgesichert werden.

Auch der 10-Punkte-Plan „Sachsen gegen Drogen“ muss in gleicher Weise hinterlegt werden. Wir brauchen für Sachsen mehr als ein Stück Papier. Jeder Schritt wirkliche Bewegung ist wichtiger als jedes Programm.

Zum Teil 2, Punkt 1: Die Forderung der GRÜNEN, bis zum 09.07.2014 zu berichten, ist sicherlich notwendig, um beim Finanzminister bleibende Eindrücke zu hinterlassen. Die Ministerien können viel Papier vollschreiben. Umsetzen müssen es die Träger, die Sucht- und Drogenhilfe anbieten, die Schulen, die Kommunen und die Jugendhilfeeinrichtungen. Diese in die aktive Gestaltung einzubeziehen muss sichergestellt werden. Nur so kann die Umsetzung eines 10-Punkte-Planes gesichert werden.

In der Kürze der Zeit muss eine Rückkopplung mit den Trägern erfolgen, wie diese sich die Zusammenarbeit vorstellen. Das kann eigentlich in der gegebenen Zeit nur oberflächlich werden. Insgesamt ist der Punkt 2.1 ein Berichtsantrag, der so eher einer für den Schreibtisch wird und nicht als eine gute Arbeitsgrundlage gelten kann.

Zum Teil 2.2. Wie in der Überschrift schon unterstrichen – Prävention stärken ist wichtig und auf Dauer sparsamer. Beratungs- und Behandlungsstrukturen verbessern und diese erreichbar zu gestalten, konzeptionell arbeiten mit einem Landessuchthilfeplan, Weiterbildungen sichern, Kommunen in ihren Handlungskompetenzen stärken,

Finanzen nicht nach Kassenlage sichern – das sind Punkte, die schnellstmöglich umgesetzt werden müssen.

Zu Ihrer Kenntnis: Der Landkreis Meißen wird zukünftig einen Suchtbeauftragten mit einem konkreten Konzept haben. Andere Kreise werden nachziehen, weil der Bedarf dazu vorhanden ist.

Verlassen wir uns auf die Landkreise und sitzen diese Probleme aus, oder unterstützen wir sie konstruktiv? Sie brauchen unsere Hilfe. Aber auch das gibt es nicht zum Nulltarif. Wir werden diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Frau Neukirch spricht als nächste Rednerin für die SPDFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der GRÜNEN fasst eigentlich die Debatte des vergangenen Plenums, als wir eine Aktuelle Debatte zum 10-Punkte-Plan der Staatsregierung geführt haben, aus Sicht der SPDFraktion sehr gut zusammen, indem er offene Punkte füllt und offene Untersetzungspunkte dieses Planes einfordert.

Dass die Untersetzung dieses 10-Punkte-Planes dringend erforderlich ist, haben wir in der letzten Plenarsitzung schon ausführlich besprochen. Vor allem ist es wichtig, damit die Akteure vor Ort, die Akteure in der Drogen- und Suchtarbeit in den Schulen, in den Kitas wissen, was auf sie zukommt und was geplant ist.

Dass es diese Absprache mit den Akteuren vor Bekanntgabe des 10-Punkte-Planes bei der Erarbeitung nicht gegeben hat, finde ich allerdings angesichts der rasanten Entwicklung und der vielfältigen Probleme mehr als bedauerlich. Leider ist es nicht das erste Mal, dass wir erleben, dass große Vorhaben verkündet werden und die Betroffenen dies nur aus der Presse erfahren. Wenn Sie vorher beispielsweise mit der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren gesprochen hätten, dann wüssten Sie genauer, wo der Schuh drückt, und könnten den 10Punkte-Plan mit konkreten Maßnahmen untersetzen.

Die Vorschläge der Landesstelle beispielsweise – aus unserer Sicht übrigens mit äußerst moderaten zusätzlichen finanziellen Forderungen versehen – betreffen zum Ersten die Sicherstellung und eine Verbesserung des Fachkraftschlüssels in den Beratungsstellen, zum Zweiten den Ausbau von Projekten und Kapazitäten für besondere Zielgruppen und insbesondere für mitbetroffene Kinder, zum Dritten den Ausbau der Angebote zur suchtspezifischen Eingliederungshilfe und zum Vierten die Sicherstellung, nur die Sicherstellung der Vollbeschäftigung der Fachkräfte in den Fachstellen der Suchtprävention.

Die Notwendigkeit für diese äußerst moderaten Forderungen wird aus dem Bericht der Suchtkrankenhilfe abgeleitet, und ich würde gern, damit wir hier einen einheitlichen Stand haben, worüber wir reden, drei Punkte aus diesem

Bericht für das Jahr 2013 vorlesen. In der Zusammenfassung steht geschrieben:

Erstens. Der Hilfebedarf aufgrund der Suchtproblematik im Zusammenhang mit illegalen Drogen hat 2013 erneut um 6 % deutlich zugenommen und erreicht mit über 7 000 Klienten einen Höchststand in den sächsischen Suchtberatungsstellen.

Zweitens. Der zunehmende Hilfebedarf im Bereich der illegalen Drogen äußert sich im steigenden Antragsvolumen zu Drogenentwöhnungsbehandlungen plus 17 % und Jugendhilfemaßnahmen plus 49 %.

Drittens. Rückläufige Beratungsleistungen für Menschen mit Alkoholproblemen minus 8 % in den Suchtberatungsstellen, die auch seltener zu Therapievermittlungen führen, minus 10 %. Das verweist jedoch auf eine zunehmende Überlastung sächsischer Suchtberatungsstellen, die sich negativ auf die Angebotsstruktur für Menschen mit Alkoholproblemen auswirkt und zur Verdrängung dieser Hilfebedarfsgruppe führt. – So weit zum Bericht der Suchtkrankenhilfe.

Derzeit geht also die Ressourcenverschiebung für Crystal zulasten der Angebote für alkoholabhängige Menschen. Doch die am weitesten verbreitete Droge in Sachsen ist und bleibt nach wie vor der Alkohol.

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Hier haben wir die höchsten Zahlen an Klienten und auch die höchste Zahl an Beratungen in den Beratungsstellen. Wir reden im Jahr 2012 von über 17 000 Krankenhausdiagnosen aufgrund einer alkoholbezogenen Störung. – Nur so viel zum Ausmaß dieses Problems.

Das heißt, dass unser Suchthilfesystem einerseits die Versorgung dieser wichtigen Bereiche sichern muss und nebenher parallel dazu auf die veränderten Konsummuster im Bereich der illegalen Drogen eingehen können muss. Crystal stellt uns jetzt vor diese Herausforderung, und wir merken, dass die Regelfinanzierung in den Beratungsstellen leider nicht ausreicht, um flexibel auf dieses veränderte Konsumverhalten reagieren zu können.

Es ergibt sich weiterhin ein erhöhter Abstimmungsbedarf mit den anderen Hilfesystemen. Dabei denke ich insbesondere an das medizinische Versorgungssystem, an die Bundesagentur für Arbeit – ein wichtiger Akteur –, an die Kinder- und Jugendhilfe, aber auch an Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen in Sachsen, die sich mit ihren Angeboten auf diese veränderte Klientelgruppe einstellen müssen.

Zur Prävention möchte ich kurz auf Folgendes hinweisen – letzte Woche habe ich viele Gespräche mit Selbsthilfegruppen von Eltern geführt und hatte ein Gespräch mit Polizisten, die täglich Einsätze in Haushalten fahren, in denen drogenabhängige Eltern leben –: Man bekommt zu hören, dass die bisherigen Bemühungen der Prävention einfach nicht ausreichen, dass es eine bleierne Hilflosigkeit angesichts des Ausmaßes des Problems gibt und dass dringend gewünscht wird, mehr Ansprechpartner, klare

Strukturen und Unterstützungsangebote zur Verfügung gestellt zu bekommen.

Das sind Hilferufe, die wir unbedingt hören sollten und die uns zum Handeln, gerade im Sinne des Antrages der GRÜNEN, motivieren sollten. Ich bitte Sie: Stimmen Sie dem Antrag zu – meine Fraktion wird es tun – und dann kommen wir ein Stück voran!