Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

Weiterhin gibt es natürlich Kontrollinstanzen, die hervorragend arbeiten. Ich möchte daran erinnern, dass der Landesbeirat für Tierschutz seit 1992 aktiv ist. Er berät das Staatsministerium in Tierschutzfragen.

Das alles hätten Sie nachlesen können im Tierschutzbericht der Staatsregierung, der für jeden Einzelnen von Ihnen herunterladbar ist.

Die Staatsregierung ist hier aktiv. Das möchte ich ausdrücklich würdigen. Vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2011 hat die Staatsregierung über 158 Millionen Euro Fördermittel für Investitionen im Bereich Tierhaltung ausgereicht. Diese kommen auch der Tierhygiene und Tiergesundheit zugute. 1 087 Projekte wurden in der Tierhaltung umgesetzt.

Unser Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, verortet im Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, bietet an: Winterschulungen mit der Landesuntersuchungsanstalt zu Tierschutz und Tierkennzeichnung, Sachkundelehrgänge zu Tierhaltung, Tierschutz, Schlachtverordnung, Anwender- und Produktseminare, Praktikerseminare zur Tiergesundheit, zu Hygiene und neuer Technologie in der Tierhaltung.

All das findet täglich statt. In all diesen Bereichen sind die Mittelständler im ländlichen Raum aktiv und eingebunden.

Ich komme zum Fazit. Der Tierschutz im Freistaat Sachsen ist gewährleistet. Ein Verbandsklagerecht ist ein neuer überflüssiger Bürokratismus.

Es gilt wie immer: Ich lade Sie ein. Kommen Sie dorthin, wo landwirtschaftliche Produkte entstehen. Schauen Sie sich die neue Stallanlage der Agrargenossenschaft in Dobra an. Schauen Sie sich an, wie die Milchwirtschaft Dorfheimat in Diera arbeitet. Neueste wissenschaftliche Standards werden dort umgesetzt. Das betrifft auch die

Sauenzuchtanlage in Reinersdorf. Wenn Sie die besichtigen möchten, stelle ich mich gern zur Verfügung.

Festzuhalten ist: Überall dort wird Wertschöpfung betrieben. Das Tierwohl ist ebenfalls ein wirtschaftlicher Faktor, muss an vorderster Stelle stehen und steht an vorderster Stelle.

Gott erhalte uns unsere ehrbare Landwirtschaft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Zuruf der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Für die Linksfraktion Frau Abg. Kagelmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Im Naturschutz ist es längst Realität, beim Tierschutz verharrt man über zehn Jahre nach der Aufnahme des Staatsziels in das Grundgesetz immer noch in bekannten und immer wieder gehörten Abwehrritualen. Wie beim Naturschutz wird sich die Vernunft, die letztlich nur der Verfassungslogik folgt – und darum geht es, Herr Fischer –, so wie in zahlreichen weiteren Bundesländern auch in Sachsen durchsetzen. Da bin ich mir sehr sicher.

Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten; denn wer A sagt, wer also den Tierschutz verfassungsrechtlich und gesetzlich stärkt, muss auch B sagen und anerkannten Tierschutzvereinen als den bürgerschaftlichen Anwälten der Tiere das Instrument zur Durchsetzung – die Verbandsklage – einräumen.

Warum spielen Sie trotzdem dieses Spiel auf Zeit? Zumindest für sein Land hat ein Schweizer Tierschützer eine plausible Erklärung gefunden. Ich zitiere Erwin Kessler, den Präsidenten des Vereins gegen Tierfabriken in der Schweiz: „Mit einem fortschrittlichen Tierschutzgesetz wird die Öffentlichkeit beruhigt. Mit einem raffinierten Nichtvollzug wird gleichzeitig dafür gesorgt, dass es keine Auswirkungen auf die bestehende Praxis hat.“

Könnte es sein, dass diese kurze Analyse in weiten Teilen gleichermaßen auf Sachsen zutrifft und daraus der koalitionäre Beißreflex resultiert? Wobei der angesprochene Nichtvollzug weniger den kommunalen Ämtern – und hier insbesondere den Veterinärämtern – anzulasten wäre als vielmehr deren hoffnungsloser Aufgabenüberlastung bei personeller Unterdeckung.

Es ist nicht von der Hand zu weisen: Es gibt die Sorge bei den Kommunen vor dem Anwachsen dieses Aufgabenberges durch Tierschutzverbandsklagen und vor allem durch die Gewährung von Mitwirkungsrechten. Das wurde beim 4. tierschutzpolitischen Fachgespräch meiner Fraktion Anfang Juni deutlich. Aber genauso wenig lässt sich bestreiten, dass die bestehende Praxis, beispielsweise in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung, in der Tierversuchsforschung oder in der Fleischindustrie, in Deutschland und auch in Sachsen immer häufiger infrage

gestellt wird, und zwar trotz eines umfangreichen Regelwerkes vom Stall bis zum Schlachthof.

Egal, für wie berechtigt man also im Einzelfall Proteste gegen örtliche Stallneubauten oder konkrete Haltungsbedingungen einordnet: Die Imageprobleme der Nutztierhaltung können nur durch mehr Transparenz und stärkere Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern abgebaut werden, nicht durch weniger. Es sollte also im Interesse der Veterinär-, Bau- und Ordnungsämter sowie gleichermaßen der Tierhalter liegen, die Zusammenarbeit mit anerkannten Tierschutzvereinen zu suchen und deren Kompetenz zu nutzen, damit letztlich die Spreu vom Weizen getrennt werden kann, nämlich der vermeintliche Verstoß gegen Tierschutzrecht vom tatsächlichen.

(Beifall der Abg. Elke Herrmann GRÜNE – Sebastian Fischer, CDU: Aber das wird doch alles kontrolliert, nachgewiesen und dokumentiert!)

Das Klagerecht ist Ausdruck dieser Anerkennung von Kompetenz, indem es Tierschutzvereinen eine Verhandlungsmacht auf Augenhöhe einräumt, die Tierhalter im Übrigen längst haben, und ich bitte Sie, Herr Fischer: Niemand klagt zum Spaß. Dafür ist ein Klageweg viel zu aufwendig und vor allem zu teuer, gerade für einen gemeinnützigen Verein.

(Sebastian Fischer, CDU: Ha, ha, ha! – Christian Piwarz, CDU: Ja, ja!)

Der wirkliche Vorteil eines Verbandsklagerechts liegt in der frühzeitigen Einflussnahme auf Verwaltungsentscheidungen durch eine Beteiligung von Tierschutzvereinen. Solche Entscheidungen bringen mehr Rechtssicherheit und damit auch mehr öffentliche Akzeptanz – eigentlich aus gesellschaftlicher Sicht eine Win-win-Situation. Und noch etwas: In den Tierschutzvereinen tummeln sich in der Mehrheit nicht nur unkontrollierbare Wutbürger. Dort engagieren sich genauso wie in den bereits klageberechtigten Umweltvereinen häufig Menschen, die ihre Profession neben oder nach ihrem Berufsleben ehrenamtlich weiter ausleben, in diesem Fall häufig Tierärzte oder Tierpfleger. Es ist einfach unfair, diesen Vereinen pauschal fehlende Sachkenntnis unterstellen zu wollen.

(Beifall der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE – Sebastian Fischer, CDU: Das macht doch gar niemand! Man will doch nur Innovation verhindern!)

Eine Gefahr allerdings besteht tatsächlich: Ein Verbandsklagerecht könnte Defizite bei der Durchsetzung des Tierschutzes öffentlich machen. Es könnte deutlich machen, wie leichtfertig und regelmäßig bestehendes Tierschutzrecht mittels Ausnahmeregelungen umgangen wird, beispielsweise in der Forschung, in der trotz der wachsenden Anzahl tierversuchsfreier Verfahren immer mehr Tiere getötet werden. Es könnte deutlich machen, dass tierschutzrechtliche Auflagen und Anordnungen nicht oder unzureichend kontrolliert werden. Es könnte deutlich machen, dass Hinweisen über Rechtsverletzun

gen im Tierschutz nicht oder nicht zeitnah nachgegangen wird oder nachgegangen werden kann.

Ich gehe allerdings davon aus, sehr geehrte Damen und Herren der Koalition, sehr geehrte Frau Staatsministerin, dass das in Sachsen praktisch nicht vorkommen kann. Insofern dürften Sie überhaupt keine Probleme mit dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN haben.

DIE LINKE jedenfalls unterstützt das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine vorbehaltlos, und ich darf Ihnen hier und heute versprechen: Sie werden das Thema weiter an der Backe haben, egal, wie Sie sich heute entscheiden.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Christian Piwarz, CDU: Das ist nicht gerade eine Einladung zur Zustimmung, oder?)

Die SPD-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal die Gelegenheit nutzen, all denjenigen Menschen in Sachsen zu danken, die sich in Tierschutzvereinen – zumeist ehrenamtlich – engagieren.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Ohne die aufopferungsvolle Arbeit, ohne ihre viele Zeit, ohne ihr Geld und vor allem ohne ihre Tierliebe stünde es um den Tierschutz in Sachsen schlechter. Dafür gebühren ihnen unser Dank und unsere Anerkennung.

Aber damit allein ist es nicht getan. Damit lassen sich Probleme im Tierschutz nicht lösen. Viele dieser Probleme haben ihre Ursache darin, dass Menschen, zum Beispiel Anlagenbetreiber von Nutztierhaltungsanlagen, gegen tierschutzrechtliche Auflagen klagen können, Tiere aber umgekehrt darauf angewiesen sind, dass Menschen stellvertretend für sie klagen können. Diese Waffengleichheit gilt es, mit der Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzvereine herzustellen.

Nun zu den Argumenten, die mitunter gegen eine solche Klagemöglichkeit vorgebracht werden. Da heißt es zum Beispiel, wir würden eine Klageflut erleben. Genau die gleiche Diskussion hatten wir vor Jahren, als es um die Einführung eines Verbandsklagerechts für Naturschutzvereine ging. Dazu hieß es damals auch, das gehe nicht, da es eine Klageflut geben würde. Und wie sieht die Wirklichkeit heute, nach der Einführung des Verbandsklagerechts, tatsächlich aus? Klageflut: Fehlanzeige!

Tatsächlich ist aber etwas Nützlicheres eingetreten: Bedingt durch die Klagemöglichkeit werden Naturschutzvereine heute viel häufiger schon im Vorfeld eingebunden, und es wird von vornherein nach naturschutzverträglichen Lösungen gesucht. Durch diese Einbeziehung tritt auch für die betroffenen Menschen, zum Beispiel Anwohner, eine gewisse Beruhigung ein, und in nicht wenigen Fällen kommt es dadurch eher zu weniger Klagen von Bürgerinnen und Bürgern. Analog ist das auch mit der

Einführung des Verbandsklagerechts von Tierschutzvereinen zu erwarten. Man hätte ja auch eine einheitliche Bundesregelung einführen können. Die Koalition in Berlin hat das allerdings leider nicht gemeinsam hinbekommen; aber an der SPD hat es an dieser Stelle nicht gelegen.

(Karl Nolle, SPD: Genau!)

Das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine gibt es bereits in mehreren Bundesländern: in Bremen, in Hamburg, in Nordrhein-Westfalen, im Saarland und in Rheinland-Pfalz. In Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg steht es kurz vor der Verabschiedung, und auch in Sachsen-Anhalt gibt es eine entsprechende Initiative. Diese Landesregierungen haben eingesehen, dass das Staatsziel Tierschutz durch das Verbandsklagerecht für anerkannte Naturschutzvereine komplettiert werden muss, weil ohne die Möglichkeit einer Verbandsklage die Normen im Tierschutz nicht ausreichend durchgesetzt werden können.

Daher erscheint es uns überfällig, dass auch bei uns in Sachsen die ewig gestrigen Bedenken beiseitetreten und wir den Tierschutz auf die Höhe der Zeit bringen. Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Für die FDPFraktion Herr Günther, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Herrmann, ich persönlich nehme Ihnen Ihren Einsatz für die Tierrechte und den Tierschutz ab. Aber gut gemeint ist eben nicht gut gemacht. Ich möchte gleich zu Beginn mit aller Deutlichkeit sagen: Ein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände lehnen wir ab.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir sehen hierbei deutlich die Gefahr von Verzögerungen, unter anderem bei der Umsetzung von Bauvorhaben. Das ist klar und deutlich vorherzusagen, und deswegen müssen wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.

Das liegt schon allein am grünen Weltbild. Stets betonen Sie, dass die Tiere in großen Ställen und Betrieben systematisch gequält werden. Das Verbandsklagerecht wäre für Sie ein Instrument, um die Bauern zu gängeln. Das können wir nicht zulassen. Denn nichts ist so falsch wie die Behauptung, große Ställe würden dem Tierschutz entgegenstehen. Das stimmt schlichtweg nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Die modernen Ställe – so wie es sie jetzt gibt – unterliegen sehr strengen Kontrollen.

(Kathrin Kagelmann, DIE LINKE: Dann brauchen Sie doch keine Angst zu haben!)

Noch nie wurde unter solchen hohen Standards produziert wie heutzutage.

(Zuruf der Abg. Kathrin Kagelmann, DIE LINKE)