Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: Zunächst DIE LINKE, sodann die CDU, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird.
Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Schaper; bitte, Sie haben das Wort.
Danke schön. Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle Jahre wieder flammt in Deutschland die Diskussion über die Einführung einer Impfpflicht auf. Derzeit wird sie ausgelöst durch den rasanten Anstieg von Masernausbrüchen in Bayern, in Berlin, aber auch in Sachsen, insbesondere hier in Leipzig.
Dies wiederum erhöht das Risiko, dass längst besiegt geglaubte Infektionskrankheiten wie Masern wieder aufleben und eben nicht ausgelöscht werden können. In Deutschland besteht derzeit keine generelle Impfpflicht. Deshalb besitzt inzwischen weniger als jeder Zweite unter den Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter und bei den Senioren sogar nur jeder Dritte einen ausreichenden Impfschutz.
Daher beginnt ein ausreichender Impfschutz bei den ganz Kleinen schon von Anfang an. Der Präsident der Sächsischen Landesärztekammer, Prof. Dr. Schulze – –
Kleinkinder sollten ab dem elften Lebensmonat zweimal gegen Masern geimpft werden, damit ein vollständiger Impfschutz erreicht wird. Man muss Eltern immer wieder auf die Vorteile des Impfens und die Nachteile des Nichtimpfens hinweisen. Im Fall einer Nichtimpfung ist nicht nur das eigene Kind gefährdet, sondern auch andere Kinder und Erwachsene werden der Gefahr einer unter Umständen lebensbedrohlichen Ansteckung ausgesetzt. Die Gefahr betrifft insbesondere diejenigen Kleinkinder, die zu jung für die Impfung sind, oder diejenigen, die tatsächlich nicht geimpft werden können, weil sie eine Immunkrankheit bzw. eine Immunschwäche haben.
Um einen wirkungsvollen Schutz für unsere Gesellschaft zu erreichen, bräuchten wir eine Impfrate von mindestens 95 %. Es ist aber mehr als fraglich, ob solch eine hohe Impfrate mit öffentlicher Werbung auf Basis einer Impfempfehlung zu erreichen ist. Sprüche und bunte abschreckende Bilder auf Zigarettenschachteln motivieren auch nachweislich den Raucher nicht, lieber einen Kaugummi zu kauen.
Das Hauptargument der Impfgegner ist, dass es auch ohne Schutzimpfung – am Beispiel der Masern festgemacht – einen ausreichenden Immunschutz gebe, was falsch ist, wie auch jüngst und die Vergangenheit bzw. Gegenwart zeigen. Das ist Augenwischerei und basiert lediglich auf einem gewissen Datenschutz von den Durchgeimpften. Schließlich ist ja der größte Teil vernünftig. Das Argument, dass eine in der Kindheit selbst durchlebte Krankheit besser vor der Krankheit im Erwachsenenalter schützt als eine Impfung, ist eine hoch riskante Einstellung, denn die Erkrankung ist mit zigfach höheren Gefahren für lebensgefährliche Komplikationen verbunden. Ungefähr bei einem von tausend Kindern, die an Masern erkrankt sind, entwickelt sich eine Enzephalitis. Dies führt oft zu bleibenden Hirnschäden oder nicht selten zum Tod – entweder akut oder erst nach Jahren.
Eine zweimalige Impfung stärkt das Immunsystem jedoch derart, dass der Impfschutz durchaus einer Immunantwort nach einer durchlebten Krankheit gleichkommt.
Zum letzten großen Argument der Impfgegner, dem Risiko des Impfstoffes selbst: Ein Impfstoff ist ein Arzneimittel und somit den wirklich zahlreichen Hürden der
Zulassung hier in Deutschland unterworfen, bevor er angewandt werden darf. Wenn wir dieses Argument gelten lassen, würden wir die gesamte Pharmaindustrie und die Wissenschaft und die entsprechenden Behörden grundsätzlich infrage stellen.
Auf der anderen Seite haben wir viele Menschen, die sich der Bedeutung einer Schutzimpfung immer noch nicht bewusst sind und sich mit dem Thema überhaupt nicht auseinandersetzen. Sie entscheiden sich nicht bewusst gegen eine Impfung, aber auch nicht bewusst dafür. Hier braucht es eine weitere Stärkung und Motivation für die Impfung von Kindern. Dazu möchte ich Artikel 24 Abs. 1 aus der UN-Kinderrechtskonvention zitieren: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf ein erreichbares Höchstmaß an Gesundheit an sowie auf Inanspruchnahme von Einrichtungen zur Behandlung von Krankheiten und Wiederherstellung der Gesundheit. Die Vertragsstaaten bemühen sich sicherzustellen, dass keinem Kind das Recht auf Zugang zu derartigen Gesundheitsdiensten vorenthalten wird.“
Hierin sehen wir eine staatliche Fürsorgepflicht, wenn Eltern nicht alles tun, um ihre Kinder vor gefährlichen Erkrankungen zu schützen. Dieser Pflicht müssen wir nachkommen. Das müssen wir, um jene zu schützen, die wegen ihres Alters oder medizinischer Kontraindikationen nicht geimpft werden können.
Hierzu sehen wir verschiedene Möglichkeiten, unter anderem den Erlass einer Rechtsbestimmung, dass in öffentlichen Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten und Schulen nur Kinder aufgenommen werden dürfen, die den Impfstatus nachweisen können. Das wird derzeit durch die Staatsregierung geprüft. Dieser muss nach § 20 Infektionsschutzgesetz von den obersten Landesgesundheitsbehörden öffentlich empfohlen werden.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden, aber versuchen Sie doch einmal mit einem ungeimpften Hund nach Europa, beispielsweise nach Dänemark, einzureisen oder ohne Gelbfieber-Impfnachweis in Teile Afrikas, nach Asien oder Südamerika zu gelangen. Dies wird Ihnen nicht gelingen – aus gutem Grund.
Sorgen wir doch im Land für bestmöglichen Schutz! Summa summarum müssen wir das Verantwortungsgefühl jeder und jedes Einzelnen stärken, eine Pflicht avisieren, die im Detail durchaus flexibilisiert sein kann – für sich selbst und für das Gemeinwohl.
Vielen Dank, Herr Präsident! Ich bin dankbar dafür, dass wir heute schon zum zweiten Mal über das Thema „Impfen“ sprechen können. Die öffentliche Diskussion zeigt, dass es sich lohnt, über die Fragen des Impfschutzes intensiv nachzudenken.
Ich will voranstellen, dass Impfen in zweierlei Hinsicht sinnvoll ist. Zum einen schützt es den Einzelnen vor bestimmten Krankheiten. Zum anderen wird der Schutz der gesamten Bevölkerung erhöht; denn wenn es eine „Herdenimmunität“ gibt, sind auch diejenigen im Schutz, die, zum Beispiel wegen Vorerkrankungen, nicht geimpft werden können. Daraus folgt: Der Staat muss alles ihm Mögliche tun, damit die Impfraten steigen, das heißt, damit die Bereitschaft der Bürger steigt, sich impfen zu lassen.
Ich will aber hinzufügen, dass ich gegen eine absolute Impfpflicht bin, wie sie in dem Antrag gefordert wird.
Die Kollegen der LINKEN in anderen Ländern und im Bund haben zu dieser Frage durchaus verschiedene Meinungen. DIE LINKE im Bund will nun doch keine Impfpflicht einführen, sondern es bei der Freiwilligkeit belassen. Die Genossen hier in Sachsen wollen es ein bisschen „härter“ haben, fordern also die Impfpflicht. Man könnte lange darüber philosophieren, warum dem so ist.
Wenn die Durchimpfungsrate unter 90 % liegt, muss man durchaus darüber nachdenken, ob es nicht doch die Pflicht geben sollte, Kinder, die eine Gemeinschaftseinrichtung, zum Beispiel eine Kita, besuchen, vorher impfen zu lassen. Das könnte ich mir durchaus vorstellen. Aber alles, was darüber hinausgeht, hielte ich momentan für schwierig.
Die LINKEN wollen, dass die oberste Landesgesundheitsbehörde eine „öffentliche Empfehlung“ für bestimmte Schutzimpfungen ausspricht. Ich sage Ihnen: Die Empfehlung gib es bereits. Die Ständige Impfkommission empfiehlt dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz Impfungen; ich verweise auf § 20 Abs. 3 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Die Sächsische Impfkommission erarbeitet ihre Empfehlung auf der Grundlage der Empfehlung der Ständigen Impfkommission des Bundes. Wir haben heute in der Befragung von der Ministerin schon gehört, dass die Sächsische Impfkommission auch der Bundesimpfkommission Empfehlungen gibt. Damit ist diese Forderung aus dem Antrag der LINKEN im Grunde erfüllt.
Ich würde Ihnen an dieser Stelle gern den Impfkalender zeigen. Aber ich glaube, der Präsident fände das nicht so gut, da die Geschäftsordnung vorschreibt, dass man vom Rednerpult aus nichts zeigen darf. Vielleicht muss ich den Impfkalender in persönlichen Gesprächen zeigen. Darin finden Sie jedenfalls detailliert sämtliche Empfehlungen.
Die vom Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz herausgegebenen Empfehlungen sowie weitere
Prophylaxemöglichkeiten finden Sie auch im Amtsblatt. Die Ärzte nutzen die Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission als Grundlage für ihre Behandlungen. Der Hausarzt kann mit dem Patienten besprechen, welche Impfung für ihn sinnvoll ist.
Ich fasse zusammen: DIE LINKE fordert eine Impfpflicht auch im Kita-Bereich, und einen Nachweis über den Impfstatus bei Aufnahme in die Kita. Auf Letzteres gehe ich genauer ein. In § 7 des Kita-Gesetzes ist bereits verankert, dass der Gesundheitszustand von einem Arzt überprüft wird. Die Kita darf das entsprechend abfragen.
Wenn Sie eine generelle Impfpflicht einführen wollen, brauchen Sie aber keine gesonderte Impfpflicht für den Kita-Bereich. Wenn Sie eine Impfpflicht für den Kitabereich einführen, ist die Pflicht zur Beratung überflüssig. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie in dem Antrag genauer formuliert hätten, was Sie wirklich wollen und was Ihnen am wichtigsten ist.
Was die Forderung nach Impfkampagnen in Sachsen angeht, so kann man darüber sicherlich diskutieren. Das sollten wir im Ausschuss tun; dort gibt es mit Sicherheit Gelegenheit dazu. Es gibt bereits sinnvolle Projekte, zum Beispiel „Deutschland sucht den Impfpass“. Ich erinnere auch an die Plakatwerbung und die Informationen, die bei den Hausärzten erhältlich sind. Sofern es noch Verbesserungspotenzial gibt, bin ich für Anregungen durchaus offen. Vielleicht können wir das gemeinsam eruieren.