Protokoll der Sitzung vom 12.03.2015

der Braunkohlennutzung, sondern wegen der ungelösten strukturellen Probleme.

Wenn vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN kritisiert wird, der Herr Ministerpräsident stelle die Konzerninteressen Vattenfalls vor die Interessen des Freistaates Sachsen, weil er zugesagt hat, die Verwaltungsverfahren zur Weiterführung der Tagebaue zügig voranzutreiben – was den Wert des Unternehmens steigern würde –, dann kann ich nur sagen: Diese Kritik ist Unsinn.

(Beifall bei der AfD)

Diese Kritik übersieht geflissentlich, dass Vattenfall im selben Brief gebeten wird, trotz der Verkaufsabsicht auf notwendige und anstehende Investitionen nicht zu verzichten. Der schwedische Staatskonzern plant bis zum Ende dieses Jahres den Verkauf seiner fünf ostdeutschen Braunkohlekraftwerke. Da könnte man fragen: Warum also die demonstrierte Eile bei den Zulassungsverfahren für Welzow-Süd II und Nochten II? – Der Werterhalt oder gar die Wertsteigerung der betroffenen Braunkohlekraftwerke, die der brandenburgische und der sächsische Ministerpräsident in ihrem Brief an den schwedischen Reichstagsausschuss ansprechen, kostet unsere beiden Bundesländer nichts. Diese Verwaltungsverfahren werden ohnehin durchgeführt. Aber: Diese Verwaltungsverfahren schaffen Planungssicherheit für Vattenfall oder für ein neues Unternehmen – vor allen Dingen für die Angestellten der Unternehmen in der Braunkohleförderung und -verstromung.

Die Regierung muss ein großes Interesse daran haben, diese Planungssicherheit schnell herzustellen, damit der Prozess der Energiewende ruhig und ohne drastische Brüche durchgeführt werden kann. Dabei kann es dem Freistaat fast egal sein, wer Eigentümer der Kraftwerke ist, solange die Bereitstellung grundlastfähigen Stroms sichergestellt bleibt.

Die Redezeit geht zu Ende.

Gut. – Aus diesen Gründen sollten die Länder Sachsen und Brandenburg großes Interesse daran haben, im Rahmen der derzeitigen Käufersuche durch Vattenfall den Wert der Kraftwerke und Tagebaue zu steigern. Herr Ministerpräsident, in diesem Sinne genießen Sie die volle Unterstützung meiner Fraktion.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD und der CDU)

Das war Herr Urban für die AfD-Fraktion. – Wir können jetzt eine zweite Rederunde eröffnen. – Das tun wir auch. Für die einbringende Fraktion ergreift Herr Dr. Lippold erneut das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich für das Protokoll richtigstellen: Es ging nur um einen Brief an

den Schwedischen Reichstag und nicht an den Sächsischen Reichstag.

Herr Vieweg, mir war nicht klar, dass Sie die Koalition schon so satthaben, dass Sie es den GRÜNEN übel nehmen, dass sie Ihre Rolle nicht eingenommen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Pinka, es gibt schon noch einige interessante Punkte in dem Brief, insbesondere in dem Anhang zum Brief, und darauf komme ich jetzt zu sprechen. Dort wird nämlich für die schwedischen Parlamentarier unter anderem beschrieben, welche Konsequenzen man bei einem Rücktritt von der Erweiterung der Tagebaue sieht. Die Umsiedlungsmaßnahmen müssten dann umgehend beendet werden, heißt es dort. Nun, die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, die sich gegen Umsiedlung und Heimatverlust wehren, würde das sicherlich freuen. Das sind aber offensichtlich nicht die Bürger, die unser Ministerpräsident vertritt. Er meint nämlich in dem Brief: Für die betroffenen Bürger, die eine Umsiedlung erwarten, würde das eine Beeinträchtigung ihrer Lebensplanung bedeuten, wenn die Tagebaue nicht kämen. Ja, viele Bewohner der zum Tode verurteilten Ortschaften sind in untragbaren Situationen. Mangels Entscheidungen gibt es noch keine Entschädigungszahlungen. Zugleich werden Leben und Geschäft in solchen absterbenden Ortschaften immer schwieriger.

(Alexander Krauß, CDU: Das ist so!)

Aber auch das sind gesellschaftliche Kosten der Kohleverstromung, liebe Kolleginnen und Kollegen, und es sind Kollateralschäden Ihrer Braunkohleplanung, meine

Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Deshalb haben Sie – haben leider wir alle – die Pflicht und Schuldigkeit, uns auch dann um die Wiedergutmachung dieser Schäden zu kümmern, wenn sich ein Investor aus einem von Ihnen gewollten und vorbereiteten Projekt zurückziehen sollte.

Des Weiteren wird behauptet: Mit dem Verzicht auf das Vorantreiben der Erweiterungsvorhaben drohe spätestens 2026 das abrupte Ende aller Braunkohlenkraftwerke und sonstiger Heiz- und Industriekraftwerke in der Lausitz, die damit ihre gesamte Basis verlören. So etwas wird zu einem Zeitpunkt behauptet, zu dem selbst die Bundesnetzagentur in ihrem genehmigten Szenarienrahmen für das Jahr 2025 die zwei ältesten Blöcke des Kraftwerks Boxberg nicht mehr berücksichtigt. Eine rasche Abschaltung dieser mehr als 35 Jahre alten Meiler würde jedoch den Kohlebedarf des Kraftwerks aus dem Tagebau noch in etwa halbieren, und auch ohne jede Erweiterung dieses Tagebaus könnten die verbliebenen Blöcke dann noch Jahrzehnte versorgt werden. Ein Einstieg in den Ausstieg ist das Gebot der Stunde, begleitet von einem geförderten Strukturwandel – ein allmählicher Abschied von der Kohle.

Stattdessen erwecken Sie den Eindruck, es gebe überhaupt keine Alternative zu einem Szenario, in dem alle Kraftwerke bis zum Tag x jeden Tag 24 Stunden unter Volldampf laufen und dann alle gleichzeitig abgeschaltet werden.

All diese Überlegungen, die für die Zukunft der Tagebauerweiterungen und der betroffenen 1 700 Menschen von größter Tragweite sind, erschienen Ihnen offenbar zu komplex, um sie dem zuständigen Fachausschuss des schwedischen Parlaments zur Kenntnis zu bringen. Sie bevorzugten die einfachen Argumente und die verkürzten Schlussfolgerungen und liefern für Ihren unbedingten Realisierungswillen die Begründung, Sie müssten mit der Braunkohle nach der Atomausstiegsentscheidung die Versorgungssicherheit der deutschen Energiewende retten.

Wenn Sie wenigstens selbst daran glauben würden, dann hätten Sie Ihre Interpretation von Gemeinwohlzielen darauf abstellen können. Aber auch Ihnen ist ja klar, dass es sich dabei um eine Maskierung handelt, und Sie haben die Maske schon selbst abgesetzt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dazu schreibt Herr Staatsminister Dulig in den letzten Tagen in der Antwort auf eine Kleine Anfrage zur Zukunft der Braunkohle: „Eine Grundabtretung ist zulässig, wenn das Vorhaben zur Erreichung eines Gemeinwohlzieles – hier die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen – vernünftigerweise geboten ist.“

Das, meine Damen und Herren, schließt übrigens auch den Export von Braunkohle ein. Die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen ist das von Ihnen interpretierte Gemeinwohlziel, meine Damen und Herren von der Koalition, und nicht etwa die Energieversorgungssicherheit, die Sie dem schwedischen Parlament als Begründung für die Tagebauerweiterung liefern.

So müssen wir wohl abschließend die Situation wie folgt zusammenfassen:

Erstens. In Sachsen sind Bürger immer dann in Gefahr, unter Nutzung eines Bundesberggesetzes aus dem Dritten Reich von einem Grundabtretungsverfahren überzogen zu werden, wenn sich unter ihrem Haus und Grund irgendetwas Verkaufbares befindet.

Die Redezeit geht zu Ende.

– Einen Satz noch, bitte.

Zweitens. Es entsteht der Anschein, rechtsstaatliche Verfahren könnten von der Staatsregierung nach eigenem Belieben beschleunigt und verzögert werden.

Drittens. Obwohl Sie die erweiterten Ausbauziele für erneuerbare Energien in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben, werden die energiepolitischen Ziele des Bundes durch Ihr Handeln ignoriert und sogar torpediert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war für die einbringende Fraktion GRÜNE Herr Dr. Lippold. Jetzt erhält für die Fraktion CDU Herr Rohwer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich erst einmal ganz herzlich beim Kollegen Vieweg bedanken, der zur Verantwortung der GRÜNEN übergeleitet hat – die Verantwortung der GRÜNEN für Menschen in Regionen, für die sie Verantwortung tragen. Deswegen nenne ich an dieser Stelle ein paar Zahlen. Ich habe einmal zusammengerechnet, was die derzeitige Leistungsfähigkeit der Braunkohlekraftwerke in Sachsen, Brandenburg und SachsenAnhalt zusammen ergibt. Das sind, wenn ich richtig gerechnet habe – davon gehe ich als jemand, der Bankkaufmann gelernt hat, aus –, 10 622 Megawatt.

Jetzt schauen wir uns doch einmal an, wie es in einer Region aussieht, in der die GRÜNEN in Verantwortung sind, in Nordrhein-Westfalen: Dort sind im Moment Braunkohlenkraftwerke mit einer Leistung von

11 366 Megawatt am Netz, also ungefähr vergleichbare Größen. Jetzt stellen wir uns doch einmal vor, wie die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen unter Druck geriete, wenn dort Verkaufsverhandlungen stattfänden und sie sich nicht einschalten würde. Da sind Sie mit der Grünen-Partei in Verantwortung.

Ich habe natürlich auch gelesen, dass Sie in der Regierung Wirbel machen und dass das eine oder andere nicht so weiterlaufen soll.

(Dr. Gerd Lippold, GRÜNE: Sauber!)

Dort gibt es wieder interessante Zitate und ich zitiere an dieser Stelle den nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister, der gesagt hat: „Die erteilten Genehmigungen sehen ein Auslaufen für das Jahr 2045 vor und daran ändert sich nichts.“

(Dr. Gerd Lippold, GRÜNE: Der gehört aber zu den anderen!)

Das, was die beiden Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen hier getan haben, geht nur darum, dass wir die jetzigen Tagebaue auch bis über das Jahr 2040 hinaus weiterführen können. Das ist das Ziel der Erweiterung der Tagebaue beispielsweise in Nochten.

Damit sind wir wieder beim Thema. Ich hatte vorhin schon angesprochen: 2007 wurden diese Verfahren eingeleitet, am 18. Februar dieses Jahres war das Ende der Einspruchsfrist zum Rahmenbetriebsplan Tagebau Nochten II und am 4. März hat eine überdeutliche Mehrheit im Gemeinderat Trebendorf diesen Grundlagenverträgen zugestimmt. Jetzt ist die Frage: Wie geht es weiter? Ich bin der Auffassung, das ganze Hohe Haus möchte – denn es haben vier Fraktionen gegen Ihr Ansinnen gesprochen –

(Dr. Gerd Lippold, GRÜNE: Das ganze Haus nicht, nein!)

diese positive Entwicklung in der Lausitz, die ein schwieriger Transformationsprozess ist, nicht unterbrechen. Braunkohlenkraftwerke können nur in der Nähe von aktiven Braunkohlentagebauen sinnvoll betrieben werden. Alles andere wäre eine unnötige Transportbelastung für die Region, für die Menschen und natürlich auch für die Umwelt. Die Lausitzer Region steht zur Braunkohle und auch zur Erweiterung der Braunkohlentagebaue. Mein Kollege Bienst, der Wahlkreisabgeordneter ist, berichtet mir regelmäßig von Gesprächen mit Bürgern aus seinem Wahlkreis, dass sie zu ihm ins Büro kommen und genau diese Planungssicherheit einfordern.

Auch die anschließende Renaturierung der Tagebaulöcher muss erfolgreich weiter gestaltet werden. Deswegen sollten wir als Sächsischer Landtag tatkräftig die Lausitz bei diesem Vorhaben unterstützen und nicht mit Störmanövern dazwischengehen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei der AfD und der Staatsregierung)