Protokoll der Sitzung vom 27.04.2015

Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2020 die CO2-Emission im Vergleich zu 1990 um 40 % zu senken. Das wurde im Winter 2014 in einem „Aktionsprogramm Klimaschutz“ von der ganzen Bundesregierung verabschiedet. Insgesamt soll der Stromsektor laut „Aktionsprogramm Klimaschutz“ 59 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Das ist richtig so. Wir dürfen die ehrgeizigen Klimaziele nicht aufgeben, aber verantwortliche Politik bedeutet sowohl ein Bekenntnis zum Klimaschutz als auch ein Bekenntnis zu einem gestaltenden Strukturwandel.

Das Wirtschaftsministerium schlägt jetzt vor, die verbleibenden 22 Millionen Tonnen CO2 durch eine zusätzliche Abgabe auf ältere Braunkohlenkraftwerke zu erzielen. Das ist für uns nicht akzeptabel; denn es führt in der Lausitz zu möglichen Verwerfungen. In der Lausitz – also in Brandenburg und in Sachsen – arbeiten aktuell 8 000 Beschäftigte in der Braunkohle, und der Vorschlag der Bundesregierung riskiert einen Teil dieser Arbeitsplätze. Das dürfen wir nicht zulassen – gerade in der Lausitz, wo die Menschen und die Wirtschaft um jeden Arbeitsplatz hart kämpfen, und gerade in der Lausitz, die als ländlicher Raum wie überall im Osten vor großen Herausforderungen steht.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Deshalb ist es gut und richtig, dass hier auch die betroffenen Bundesländer im Osten zusammenstehen.

Ja, wir stellen uns dem Strukturwandel. Aber wir gestalten ihn mit den Menschen gemeinsam und mit Augenmaß. Das bedeutet, wir bekennen uns zur Energiewende. Das bedeutet, es gibt kein Zurück zur Atomenergie. Wir setzen langfristig auf erneuerbare Energien. Sachsen als Standort für Fotovoltaik- und Speichertechnologien wird dazu seinen Beitrag leisten. Aber wir bekennen uns auch zur Braunkohle als Brückentechnologie. Die SPD Sachsen plant deshalb, an der Braunkohle bis 2050 festzuhalten. Wir wollen den Strukturwandel. 2050 wären das 60 Jahre Strukturwandel in der Lausitz. Die Beispiele aus dem Ruhrgebiet zeigen, dass ein solch gravierender wirtschaftlicher Umbruch auch eine solche Zeit braucht.

Strukturwandel bedeutet – das gehört auch zur Wahrheit –, dass Arbeitsplätze in der Braunkohle weniger werden.

Das stellen auch die Lausitzer und die IG BCE gar nicht infrage. Aber sie wollen den Strukturwandel und nicht den Strukturabbruch. Wir brauchen deshalb einen Strukturwandel, der den Menschen neue Perspektiven und die Möglichkeit für neue Arbeitsplätze gibt, bevor die Förderung und Verstromung der Braunkohle endet. Dafür brauchen wir Sicherheit und Unterstützung. Wir sollten also das eine tun – Arbeitsplätze in der Lausitz sichern und neue Perspektiven schaffen –, ohne das andere zu lassen – also Ausbau erneuerbarer Energien und Klimaschutz fördern. Das heißt auch: Die Lausitz braucht mehr Unterstützung aus Berlin und nicht weniger.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Viele Lausitzer waren in Berlin und haben genau dafür demonstriert. Auch ich danke Martin Dulig. Dass er in Berlin war und den Menschen seine Unterstützung zugesagt hat, war ein wichtiges Zeichen. Ich begrüße die inzwischen vorsichtigen positiven Signale aus Berlin. Sigmar Gabriel hat gesagt: „Wir brauchen Klarheit über die Zahlen und Folgen. Vorher wird nichts entschieden.“ Das ist richtig so. Diese Einladung werden wir herzlich gern annehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Kollege Homann sprach für die SPD-Fraktion. Als Nächste ergreift mit Herrn Böhme die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich merke schon, es ist eine aufgeheizte Debatte oder es wird vielleicht noch eine. Ich trage dazu auch gerne bei. Wir sprechen schließlich über das Thema Kohle, und ich möchte gleich zur Sache kommen.

(Zuruf von der CDU)

Herr Rohwer, wo sitzen Sie denn? Wenn Sie die ganze Zeit von Ihrer Energiepolitik sprechen oder davon, dass Sie irgendetwas gemacht haben, dann frage ich mich: Wer ist denn nun die Bundesregierung? Das sind Sie doch als CDU- und SPD-Regierung. Wenn Sie diese massive Kritik vorbringen, dann ist es eine Kritik an Ihrer eigenen Regierung.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Wenn Sie die Zahlen der Demonstranten in Berlin anführen, dann möchte ich ergänzen, dass auch 6 000 Menschen im Rheingebiet waren und gegen den Kohleabbau demonstriert haben. Das ist auch ein wichtiges Zeichen für eine nicht einseitige Diskussion.

Ich möchte zum Thema kommen. Ich begrüße grundsätzlich die Pläne der Bundesregierung und des Wirtschaftsministers Gabriel. Er hat erkannt, dass letztendlich nichts anderes übrig bleibt als zu handeln, wenn man Ihre Klimaschutzziele erreichen will, die Sie in der damaligen

schwarz-gelben Regierung beschlossen haben. Wenn man es ernst meint, dann muss man auch etwas dafür tun.

Wir als LINKE hatten vor Jahren gefordert, dass man einen Ausstiegsplan erarbeiten muss, der vorsieht, bis 2040 aus der Braunkohle auszusteigen. Wir halten diesen Zeitraum für wichtig, um zum Beispiel die Energiesicherheit aufrechtzuerhalten, aber auch den Strukturwandel voranzubringen und letztendlich dem Klimaschutz zu dienen. Die GRÜNEN wollten das bis 2030, die SPD, wenn sie sich denn mal dazu äußert, bis 2050, und die AfD und die CDU haben – ja vielleicht bis heute – noch gar nicht darüber nachgedacht, dass man aus der Kohle aussteigen muss.

(Zuruf von der AfD: Ist klar!)

Die Bundesregierung hat darüber nachgedacht und beschlossen, dass es passieren muss. Das begrüße ich. Wenn man die Klimaschutzziele erreichen will, ist es auch dringend nötig. Wenn man dieses Modell von unserem Klimaschutzausstieg 2040 annimmt, dann heißt das nicht, dass man erst 2035 damit anfängt, einzelne Blöcke abzuschalten, sondern das müsste eher passieren. Das muss jetzt passieren, das hätte schon gestern passieren müssen. Damit muss man beginnen, und das passiert nun endlich.

Die Bundesregierung macht nämlich nichts anderes. Dass der Aufschrei jetzt bei Ihnen so groß ist, zeigt mir, dass Sie in den letzten Jahren nicht daran gedacht haben, einen Ausstiegsplan zu fokussieren oder einen Strukturwandel in Angriff zu nehmen. Natürlich ist es brenzlig für die Beschäftigten und für die betroffene Region. Selbstverständlich ist es auch nachvollziehbar, dass ein Abschied von einer Braunkohlenindustriekultur sehr schwierig ist und gleichzeitig für die Menschen verheerende Folgen hat, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren und vor allem damit ihr Einkommen. Wenn Sie nun aber so tun, als würde das von jetzt auf gleich passieren und vom Himmel fallen, dann beweist mir das, dass Sie die letzten Jahre darauf gehofft haben, dass alles so bleibt, wie es ist, und Sie sich nicht weiter um die Lausitz kümmern müssen.

Dazu möchte ich klarstellen, dass Sachsen Herrn Gabriel hätte zuvorkommen können, wenn man eigene Ausstiegspläne entwickelt hätte, die einen Strukturwandel besser ermöglichen. Man hätte ein eigenes Klimaschutzgesetz so gestalten können, dass es seinen Namen auch verdient. Und man hätte den Strukturwandel selbst beginnen können. Meine Fraktion hat einen Antrag zum Strukturwandel eingebracht. Den werden wir in den nächsten Tagen behandeln. Dann werden wir sehen, wie ernst Sie es meinen mit der Region Lausitz, mit dem Strukturwandel in der Lausitz.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Zum Vorhaben an sich: Es ist keine Stilllegung, was die Bundesregierung per se plant, wie man es bei Kernkraftwerken sehen kann, wo man ganz genau weiß, dass ab dem und dem Zeitpunkt dieses oder jenes Kraftwerk

stillgelegt wird. Es ist ein Steuerungs-/Finanzhebel, der angelegt wird und vor allem die ältesten und damit oftmals die ineffizientesten Kraftwerke betrifft. Hier werden Freigrenzen gesetzt, bevor diese Steuer in Kraft tritt, maximal 20 Euro pro Tonne. Dieser Wert wird wahrscheinlich auch gesenkt. Man hat hier noch viel Spielraum. Man hätte auch andere Wege gehen können. Man hätte auch knallhart sagen können: Wir führen Grenzwerte ein und sagen, dass man ab 2019 zum Beispiel einen bestimmten CO2-Grenzwert pro Kilowattstunde einführt. Dann hätte auch Planungssicherheit hergestellt werden können.

(Frank Heidan, CDU, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Böhme?

Herr Heidan, Sie können doch nachher eine Kurzintervention machen, wenn es recht ist.

(Zuruf von der CDU: Oh!)

Man hätte auch wie bei anderen Schadstoffen einfach Grenzwerte einführen können, sodass die Kraftwerke eine gewisse Planungssicherheit haben. Es wird nicht unbedingt die ältesten Kraftwerke auf einmal treffen, sondern vor allem die ineffizientesten. Darum geht es, glaube ich. Wenn wir heute von ältesten Kraftwerken und der 20Jahre-Regelung reden, dann trifft das vor allem für die ertüchtigsten Kraftwerke zu, also für diejenigen, die vor 20 Jahren neu ertüchtigt wurden. Man könnte also, wenn man Grenzwerte hätte, –

Ihre Redezeit geht zu Ende.

– die Industrie anregen, in neuere Technologien und effizientere Kraftwerke zu investieren, und damit nicht einfach pauschal festlegen, nur weil ein Kraftwerk zu alt ist, es schließen zu müssen.

Danke.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Herr Böhme, Fraktion DIE LINKE. Jetzt spricht für die AfD-Fraktion Herr Urban.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Wir sprechen über den Antrag der CDU- und der SPD-Fraktion „Arbeitsplätze schützen, Regionen stärken – für eine sichere, bezahlbare und nachhaltige Energieversorgung in Sachsen“. Auch ich beginne mit einem kurzen Zitat des SPDWirtschaftsministers Albrecht Gerber: „Das Papier muss weg!“

„Das Papier muss weg“ bedeutet: Das Papier eines Herrn Baake, grüner Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, das ein Eckpunktepapier zum Strommarkt ist, hat unter anderem dazu geführt, dass wir eine große Debatte

über die Kohleverstromung in Deutschland und Demonstrationen haben, zu denen Tausende Beschäftigte aus dem Energiesektor nach Berlin gehen, weil sie Angst um ihre Arbeitsplätze und ihre Zukunft haben.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Auch unser Wirtschaftsminister Herr Dulig hat sich diesem Protest angeschlossen. Das ist auch richtig und nicht verwunderlich, denn dieses Eckpunktepapier betrifft nicht nur Brandenburg, sondern auch Sachsen.

Inzwischen wird auch den Ministerpräsidenten unserer beiden Bundesländer nachgesagt, dass sie in einen offenen Konfrontationskurs zum Bundeswirtschaftsministerium gehen. Auch das ist nicht verwunderlich. Allerdings ist die Kritik von CDU-Politikern am Bundeswirtschaftsministerium aus meiner Sicht nicht ganz redlich, denn diese Bundesregierung ist CDU-geführt. Gerade die Energie- und Klimapolitik in Abstimmung mit unseren Partnerländern in der EU ist eine Politik, die von Frau Merkel als Chefsache maßgeblich mitgestaltet wird.

Der Vorgang um dieses Eckpunktepapier macht aus meiner Sicht zwei Sachen überdeutlich: Zum einen hat die Bundesregierung mit dieser Kehrtwende in der Energiepolitik bezüglich der Verstromung der Braunkohle – so wie sie von Frau Merkel und Herrn Gabriel vertreten wird – inzwischen ein massives Glaubwürdigkeitsproblem, denn beide haben Ende letzten Jahres in der Lausitz noch versichert, dass die Arbeitsplätze in der Kohle erhalten bleiben und notwendig sind.

Zudem wird offenbar, dass Länderregierungen – egal welcher Couleur – in Wirtschaftsentscheidungen von derartig großer Tragweite von der Bundesregierung nicht einbezogen und am Ende vor vollendete Tatsachen gestellt werden.

Frau Merkel und ihre Regierung stehen für einen deutschen Alleingang beim Klimaschutz, der die Menschen, die Wirtschaft und auch die Natur in unserem Land einseitig benachteiligt. Die Klimaschutzpolitik der deutschen Bundesregierung möchte eine 40-prozentige Reduzierung des CO2-Ausstoßes bis zum Jahr 2020 – bis dahin sind es noch fünf Jahre. Die Klimaschutzpolitik der EU möchte ebenfalls eine 40-prozentige Reduzierung der CO2-Emmission, allerdings bis zum Jahr 2030 – bis dahin sind es noch 15 Jahre.

Die EU hat viele Schlupflöcher für diese Politik vorgesehen. Zum einen billigt sie ärmeren Ländern finanzielle Kompensationen zu, wenn sie CO2-Gase reduzieren müssen. Diese Kompensationen müssen am Ende zu einem großen Teil auch von Deutschland getragen werden, da Deutschland der größte Nettozahler der EU ist. Außerdem sind Ausnahmeregelungen für bestimmte Maßnahmen vorgesehen, wenn sie die Wirtschaft der Länder zu stark benachteiligen.

Die Gewerkschaften rechnen mit bis zu 100 000 Arbeitsplätzen, die bundesweit gefährdet sind, wenn die Klimaschutzabgabe für die „fossilen“ Kraftwerke in der geplanten Form durchgeführt wird. Gleichzeitig wäre dieser

Arbeitsplatzverlust in Deutschland eine Sicherung von Arbeitsplätzen in der Kohle- und Atomindustrie in Tschechien, in Polen und in Österreich. Das Handeln der Regierenden in Berlin muss aus unserer Sicht als unverantwortlich bezeichnet werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)