Weder die Energiewende noch der Klimaschutz werden von uns grundsätzlich infrage gestellt. Die Frage ist nur, ob das Eckpunktepapier des Staatssekretärs Baake die richtige Grundlage bildet. Ich sage: Wir brauchen kein theoretisches Klimaschutzkonzept, das in der praktischen Wirklichkeit der Energiewirtschaft nicht funktioniert.
Ich habe den Redebeiträgen aufmerksam zugehört, war mir bei einigen aber nicht so sicher, ob man sich mit den Wirkungen des Baake-Papiers tatsächlich auseinandergesetzt hat. Die Konsequenz der Umsetzung wäre nicht ein geordneter Ausstieg aus der Braunkohle. Wer das behauptet, sagt schlichtweg die Unwahrheit. Wir stehen vielmehr vor der Gefahr, dass es zu Strukturabbrüchen kommt. Und warum das alles?
Ich will durchaus auch an die Verantwortung der Bundeskanzlerin Merkel erinnern. Sie will in Paris unbedingt mit guten Zahlen glänzen. Sie will, dass Deutschland Klassenprimus wird. Sie will für Deutschland bereits zehn Jahre vor dem von der EU gesetzten Termin das Erreichen der Klimaschutzziele verkünden.
Ich erinnere die Bundeskanzlerin aber daran, dass sie Verantwortung auch für das Industrieland Deutschland hat. Ich gehe davon aus, dass sie weiß, was Strukturwandel auf Ostdeutsch heißt, das heißt, welche Erfahrungen die Ostdeutschen in den 1990er-Jahren damit gemacht haben. Strukturwandel bedeutete damals in erster Linie Deindustrialisierung und Arbeitslosigkeit. Das kann doch nicht unsere Antwort auf die neuen Herausforderungen durch die Energiepolitik sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr wohlfeil, den Ausstieg aus der Braunkohle zu fordern, auf der anderen Seite aber nicht darüber zu reden, wie wir den Wohlstand sichern wollen. Es hört sich gut an, ist aber billig, wenn behauptet wird, mit der Entwicklung des Wohlstandes könne es so weitergehen, da es mit der Energieversorgung schon irgendwie funktionieren werde. Ich sage: Die Energie muss irgendwo herkommen.
Wenn man sich die Argumente in dem Baake-Papier anschaut, wird deutlich, dass es so wie vorgeschlagen nicht funktionieren kann. So ist in dem Papier zu lesen, „dass die Beiträge zur Verminderung der CO2-Emissionen in den letzten Jahren allein durch die Steinkohle und andere Brennstoffe erbracht worden seien; die Braunkohle habe keinen signifikanten Minderungsbeitrag geleistet“. Wie bitte? Diese Aussage wundert mich nicht, wenn man eine Berechnung ab dem Jahr 2000 vornimmt. Aber was passierte denn ab 1990? Damals ist – durch die Deindustrialisierung – der Preis bereits bezahlt worden. Alexander Krauß hat schon darauf hingewiesen. Man argumentiert unsauber, wenn man den Berechnungszeitraum so wählt, dass als Ergebnis herauskommt, die Braunkohle habe keinen Beitrag geleistet, und stattdessen auf andere Energieträger hinweist, denen jetzt ein gewisser Schutzmantel geliefert wird. So funktioniert es nicht.
In dem Papier wird ferner ausgeführt, „der Klimabeitrag führe nicht zu Stilllegungen von Kraftwerken. Ältere Kraftwerke, die den Klimabeitrag zu leisten hätten, könnten sich betriebswirtschaftlich optimieren und ihre Stromproduktion auf die Stunden im Jahr mit den höchsten Strompreisen beschränken“, ist weiter zu lesen. Diese Datengrundlage des BMWi ist schlichtweg unrealistisch. Das ist schon gutachterlich nachgewiesen worden. Die Zahlenbasis des Baake-Papiers ist längst hinterfragt worden. Insbesondere werden der für 2020 zu erwartende Strompreis viel zu hoch und die Fixkosten von Kraftwerken und Tagebauen zu niedrig angesetzt. Realistisch sind folgende Annahmen: Es ist von einem Strompreis von 32 Euro pro Megawattstunde auszugehen. Die Fixkosten von Kraftwerken werden bei 60 Euro pro Megawattstunde, die Fixkosten von Tagebauen bei 90 bis 100 Euro pro Megawattstunde liegen. Dann müssten wir allerdings bereits 2017 bei den meisten Kraftwerksblöcken zu Abschaltungen kommen. 2017! Ein geordneter Ausstieg sieht anders aus, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Diese frühen Abschaltungen würden einen Dominoeffekt auslösen, weil die Fixkosten auf die dann noch bestehenden Kraftwerke umgelegt werden müssten. Auch das steht anders im Baake-Papier: „Einen Dominoeffekt gibt es nicht, da Tagebaue und Kraftwerke in einem Verbundsystem agieren, in dem die geringere Auslastung einzelner Kraftwerke durch andere abgefangen werden kann und außerdem die Tagebaue durch Kohlebahnen untereinander verbunden sind.“ Falsch, genau umgekehrt ist es. Genau,
weil wir diese Verbindung zwischen Tagebauen und Kraftwerken haben, haben wir andere Fixkosten, haben wir eine andere Kostenrelation zwischen diesen beiden Trägern. Das wird in diesem Papier völlig verkannt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich setze auf Sigmar Gabriel, und ich setze auf Sigmar Gabriel, dass er sein Wort hält. Er hat uns Energieministern und der Öffentlichkeit zugesichert, dass er dem Kabinett keinen Vorschlag unterbreitet, der zu Strukturabbrüchen führen wird. Die Datenbasis des Baake-Papiers wurde hinterfragt und meiner Meinung nach auch widerlegt. Die Frage ist nur, wer dafür zuständig ist, Alternativen zu suchen; denn die Klimaziele werden nicht infrage gestellt. Sie können doch nicht einseitig nur der Braunkohle angelastet werden. Wir lassen uns als Länder, wie Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Sachsen, aber nicht vors Loch schieben. Die Verantwortung, auch für die Alternativen, liegt weiterhin beim Bundeswirtschaftsministerium, gerne mit unserem Zutun. Wir sitzen seit Wochen mit am Tisch und wollen Teil der Lösung sein. Wir sind gern bereit, mit zu suchen, wie wir zu einer vernünftigen Energiepolitik kommen. Nur dann gehören, bitte schön, auch die anderen Beteiligten mit an den Tisch, sowohl die Unternehmen als auch die Gewerkschaften, und das von Anfang an.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich von der Dramatik gesprochen habe, dann appelliere ich in diesem Hohen Haus an alle, die Verantwortung dafür tragen. Denn unabhängig von der Frage, wie wir zu dem Thema Braunkohle stehen: Es muss in unserem Interesse sein, dass wir eine geordnete, eine vernünftige Energiepolitik machen. Es muss in unserem Interesse sein, auch unter den aktuellen Verkaufsverhandlungen von Vattenfall unsere eigenen sächsischen Interessen zu wahren. Das wird die große Herausforderung für Sachsen sein, denn welcher Investor will unter diesen Umständen aktuell Vattenfall kaufen?
Dann reden wir nicht über einen Strukturwandel, den wir organisieren können, sondern darüber, dass wir auf einmal keinen Partner mehr haben, bei dem wir unsere sächsischen Interessen durchsetzen könnten. Aber wir haben sächsische Interessen, und das ist mehr als nur der Strukturwandel, das sind auch die Renaturierung und ebenso die Pensionslasten der Beschäftigten. Dabei reden wir nicht über ein paar Zehntausend Euro, sondern über eine Summe, die ziemlich gewaltig ist. Ich möchte, dass nicht wir sie tragen, sondern diejenigen, die dafür Verantwortung tragen, und das ist die Energiewirtschaft selbst, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist also auch unser sächsisches Interesse, dass wir zu einem vernünftigen Kurs kommen und die Übergänge organisieren können.
Zum Schluss noch ein Wort zum großen Strukturwandel. Ich bin etwas vorsichtig, immer von Strukturwandel zu sprechen, denn die Erfahrung ist eine andere. Die Erfahrung hier ist, dass Strukturwandel Deindustrialisierung und Arbeitslosigkeit bedeutet. Die Erfahrungen, wo
erfolgreicher Strukturwandel funktioniert hat, wie zum Beispiel im Ruhrgebiet, taugen nur bedingt als Blaupause für das, was wir an Strukturwandel vorhaben. Deshalb ist das eine Aufgabe, die weit mehr ist als nur ein Konzept oder einen Gesetzentwurf vorzulegen. Nordrhein-Westfalen und das Ruhrgebiet mit der Lausitz zu vergleichen schließt sich aus.
Dann müssten auch die Bedingungen des Strukturwandels im Ruhrgebiet für uns gelten. Zur Wahrheit gehört auch, dass dieser dort über einen langen Zeitraum mit Milliarden Subventionen organisiert wurde. Von daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das nicht banal, wenn wir über Strukturwandel in der Lausitz reden. Dass das für die Politik eine dauerhafte Aufgabe ist, steht außer Frage, aber ein Gesetzentwurf allein regelt diese Frage nicht. Jetzt geht es erst einmal darum, dass wir unsere sächsischen Interessen in der Energiepolitik vertreten und einfordern, wobei wir nicht nur die ideologische Frage zu klären haben, ob wir für oder gegen die Braunkohle sind, sondern wie wir zu einer vernünftigen Energiepolitik kommen.
Mit Herrn Staatsminister Dulig sind wir nun fast am Ende der Aktuellen Debatte angekommen, aber ich sehe eine Kurzintervention an Mikrofon 1.
Vielen Dank, Herr Präsident. Ja, eine Kurzintervention von mir. Die Aktuelle Debatte heißt „Arbeitsplätze schützen, Regionen stärken – für eine sichere, bezahlbare und nachhaltige Energieversorgung in Sachsen“.
Sehr geehrter Herr Dulig, ich bin bitter enttäuscht von Ihnen. Sie fingen ganz gut an. Sie sind der Minister von allen Bürgerinnen und Bürgern hier im Land und nicht nur von einer Region, über die Sie dann nur noch referiert haben, sondern wir haben auch die Sächsische Schweiz, das sächsische Elbtal, das Erzgebirge, das Vogtland und das sächsische Berg- und Heideland. Wir haben also noch mehr Regionen in diesem Freistaat.
Da spielen vielleicht andere Energieträger eine Rolle, wie zum Beispiel die Arbeitsplätze zur Planung, zum Bau und zur Installation von Windkraftanlagen, die in den letzten fünf Jahren nicht gekommen sind oder bei den Wasserkraftanlagen verlustig gehen, des Weiteren die Arbeitsplätze, die im deutschen Solar- und Fotovoltaikbereich vakant waren, und die Arbeitsplätze, die bei der Geothermie vielleicht nicht kommen. Wir sprechen auch noch von einer Tiefengeothermie in Schneeberg. Dazu kamen überhaupt keine Aussagen von Ihnen. Von daher bin ich
Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Frau Pinka! Ich habe gesagt, ich bin Energieminister und nicht nur Braunkohlenminister, um klarzumachen, dass wir auch in Sachsen einen vernünftigen Energiemix brauchen. Dagegen ist nichts zu sagen. Dazu haben wir uns in der Koalition verständigt. Die Frage, die wir gerade zu diskutieren haben, ist eine andere aufgrund von Entscheidungen, die gerade in Berlin getroffen werden. Es geht darum, sächsische Interessen zu wahren, und das betrifft nicht nur die Lausitz.
Wer Wohlstand in Sachsen will, der muss sich auch darum kümmern, dass unsere Industrie funktioniert. Wer Zukunft in Sachsen will, der muss sich auch darum kümmern, dass solche Prozesse geordnet ablaufen. Wenn man jetzt anfängt aufzurechnen, wo welche Arbeitsplätze vorhanden oder entstanden sind, dann ist das etwas gefährlich, denn allein in Sachsen haben wir 3 300 Arbeitsplätze, die direkt von der Braunkohle abhängig sind, und über 6 600, die indirekt davon abhängig sind. Wir reden über 10 000 Menschen, und dahinter stecken Familien, die davon leben. Diese Familien wollen sich darauf verlassen, dass ihnen eine vernünftige Energiepolitik Sicherheit gibt.
Ich würde mir ja wünschen, dass die Anfangsdynamik der erneuerbaren Energien auch in Sachsen so viele Arbeitsplätze gesichert hätte.
Wo sind denn aber die hocheffizienten Unternehmen, die von Gewerkschaften getragen sind und gute Löhne zahlen? Also Vorsicht mit solchen Aufrechnungen. Wir sollten damit aufhören und uns darum bemühen, dass wir hier eine vernünftige Energiepolitik machen und nicht die Menschen und die Regionen gegeneinander ausspielen.
Das war die Reaktion auf die Kurzintervention. Jetzt gibt es eine weitere Kurzintervention; Kollege Krauß, bitte.
Ich bin sehr froh, dass Sie sich für eine klare Industriepolitik eingesetzt haben, die nicht nur der Lausitz zugute kommt, sondern auch dem Erzgebirge und der Sächsi
schen Schweiz. Es geht um Industriearbeitsplätze, und wenn der Strom nicht mehr bezahlbar ist, dann fallen Arbeitsplätze weg. Deswegen geht es in der Debatte nicht nur um die Braunkohle, sondern darum, dass Sachsen Industriestandort bleibt. Sie haben sich dafür ausgesprochen, dass Sachsen Industriestandort bleibt. Dafür ein herzliches Dankeschön.
Das war eine weitere Kurzintervention von Kollegen Krauß. Eine Reaktion erfolgt hierauf nicht. Ich sehe im Rund keine weiteren Kurzinterventionen. Wir können also die 1. Aktuelle Debatte beenden.
Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion DIE LINKE das Wort. Die weitere Reihenfolge ist: CDU, SPD, AfD, GRÜNE; Staatsregierung, wenn gewünscht. Das Wort ergreift Frau Nagel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Wir haben uns heute mit der Vorratsdatenspeicherung ein bundespolitisches Thema auf den Tisch gezogen, das vor Kurzem wieder heftig in die Diskussion gekommen und durchaus für den Freistaat Sachsen relevant ist. Wir leben im Freistaat Sachsen nicht ganz unbehelligt von Grundrechtseingriffen. Mit der Vorratsdatenspeicherung – oder anders gesagt: der anlasslosen Speicherfrist für Telekommunikations-, Verbindungs- und Standortdaten – wird ein solch relevanter Grundrechtseingriff wieder auf uns zukommen, wenn wir ihn nicht stoppen können.