Protokoll der Sitzung vom 27.04.2015

(Beifall bei der AfD)

Herr Abg. Lippmann für die GRÜNEN, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Thema Vorratsdatenspeicherung ist eigentlich alles gesagt. Zu keinem Thema wird und wurde in den letzten zehn Jahren so intensiv diskutiert wie bisher. Deswegen bin ich verwundert, dass sich

Justizminister Maas offensichtlich dazu bereit erklärt hat, hierbei einen Kompromiss einzugehen.

Liebe SPD, ich sage es einmal wie folgt: Von der CDU war zu dieser Frage nicht viel zu erwarten. Die Linie war klar. Nach den nunmehr vorgelegten Eckpunkten kann man zwei Dinge konstatieren: Erstens ist die SPD umgefallen. Zweitens: Sie kennen alle folgenden Standardwitz zum Thema Vorratsdatenspeicherung: Was ist der Abstand zwischen einer schweren Straftat und der Einführung der Vorratsdatenspeicherung? Die Antwort lautet: UHL. Die Zeit, die ein Justizminister zur Opferung der zentralen Bürgerrechte braucht, könnte man wohl zukünftig als ein „Maas“ bezeichnen.

Liebe Freundinnen und Freunde von der SPD, ich glaube, hier liegt das Problem. Die SPD scheint die Bedrohung einer Unterdrückung durch Überwachung nicht erkannt zu haben. Dazu muss ich ganz klar sagen: Wir stehen vor der Herausforderung, dass die Vorratsdatenspeicherung eben ein massiver Eingriff in die Grundrechte ist. Das kann man nicht leugnen. Sie ist ein massiver Eingriff.

Sie stellt die Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht. Sie speichert erst einmal pauschal die Daten, ohne dass ein konkreter Anlass dafür besteht.

(Unruhe – Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Das ist die Umkehrung eines rechtsstaatlichen Prinzips, das wir als GRÜNE hochhalten. Wir sagen: Ohne einen konkreten Verdacht sollen solche Daten nicht gespeichert werden; es soll zumindest nicht die Verpflichtung bestehen, entsprechende Daten zu speichern.

Herr Hartmann, zum Thema Facebook: Der Unterschied zwischen dem Staat und Facebook dürfte ja noch darin bestehen, dass Facebook, wenn es meine Daten einmal hat, nicht am nächsten Tag vor meiner Tür steht und eine Hausdurchsuchung durchführt. Das ist der Unterschied zwischen Facebook und dem Staat.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN – Lachen bei der CDU)

Deshalb ist es kein Argument, permanent darauf zu verweisen, dass die Bürgerinnen und Bürger – vielleicht ist dieser Vorwurf ja richtig – viel zu viele Daten von sich preisgeben. Aber Facebook hat kein staatliches Gewaltmonopol. Darin liegt der Unterschied.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Liebe Koalition! Ich hatte ja eigentlich erwartet, dass jetzt ein großer Dissens zum Thema Vorratsdatenspeicherung offenkundig wird. Allerdings bin ich Herrn BaumannHasske für seine Ausführungen in der Sache sehr dankbar. Wir GRÜNE gehen davon aus, dass die momentane Regelung zur Vorratsdatenspeicherung spätestens den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs nicht standhalten wird. Von daher bin ich in diesem Punkt etwas unbesorgter als DIE LINKE. Die Anforderungen, die der EuGH definiert, waren so hoch, dass auch das

momentane Eckpunktepapier von Herrn Maas und Herrn de Maizière diese nicht erfüllen kann.

Richtig ist: Das Bundesverfassungsgericht hat seinerzeit etwas mildere Maßstäbe angelegt. Allerdings hat es in seiner Begründung, die skizziert, wie eine konkrete Vorratsdatenspeicherung aussehen könnte, dem Gesetzgeber eine solche Hürde mitgegeben, dass damit zu rechnen ist, dass er dieser nicht gerecht werden kann.

Was ich der Koalition vorwerfe: Sie hat mit dem neuerlichen Versuch, die Vorratsdatenspeicherung hier einzuführen, wieder einmal jenen ein Instrument in die Hand gegeben, die schon seit Jahren bei jeder Straftat nach der Einführung der Vorratsdatenspeicherung lechzen. Ich persönlich habe große Sorge, dass – sollte sie eingeführt werden – ein Damm bricht und dass wir zukünftig nicht mehr über eine Rücknahme diskutieren, sondern nur noch über die Frage, für welche weiteren Straftaten die Vorratsdatenspeicherung genutzt und ob die Speicherfrist ausgeweitet werden soll.

Da wird Sand in die Augen der Bevölkerung gestreut, wenn behauptet wird, hier gehe es vorrangig um Terrorismusabwehr. Es ist ein Feigenblatt zu behaupten, dass es um Terrorismusabwehr geht. Wer sich den Straftatenkatalog anschaut, der dort beschrieben ist, und die momentane Forderung selbst aus den Reihen der Union hört, diesen möglichst schnell auszuweiten, dem wird klar: Wir stecken demnächst wahrscheinlich in einer Situation, in der permanent die Forderung aufkommen wird, die Vorratsdatenspeicherung auszuweiten. Insofern streuen Sie der Bevölkerung Sand in die Augen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was ich Ihnen bei der Vorratsdatenspeicherung ebenfalls zum Vorwurf mache: Ich finde, es ist absehbar – dafür brauche ich nicht viel Fantasie –, dass man der Polizei zukünftig, wenn sie vollkommen berechtigt wieder nach einer besseren sachlichen und personellen Ausstattung fragt und für eine solche eintritt, als Erstes entgegenhalten wird: Ihr habt doch jetzt erst mal die Vorratsdatenspeicherung. Damit habt ihr ein schönes Ermittlungsinstrument, und jetzt solltet ihr ruhig sein.

Das wird kommen. Dazu braucht man kein Prophet zu sein. Deshalb lehnen wir GRÜNE die Vorratsdatenspeicherung ab.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Frau Friedel, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich möchte die Gelegenheit zu einer Kurzintervention nutzen. – Herr Kollege Lippmann, es geht zwar um das Abhören, aber man sollte trotzdem auch zuhören. Ich glaube, der Kollege Baumann-Hasske hat die Position der sächsischen SPD und auch unserer Landtagsfraktion relativ deutlich gemacht. Ich wünsche Ihnen aber trotzdem

gerne, dass Ihre große flammende Rede in Berlin ordentlich Gehör findet und alles wieder umwirft.

Außerdem finde ich es drollig, dass die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition sehr viel weniger gelassen mit unterschiedlichen Meinungen in der Koalition umgehen als die Koalition selbst.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Ich wünsche mir, dass der nächste Schritt zu einer neuen politischen Kultur noch ein wenig weiter greift und dass unterschiedliche Meinungen ganz sachbezogen zur Kenntnis genommen werden können, ohne dass man gleich den Untergang des Abendlandes in Betracht zieht.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Lachen bei der AfD)

Zur Beantwortung erhält Herr Lippmann das Wort.

Werte Kollegin Friedel, ich habe in meinem Beitrag ja ausgeführt, dass ich für die Ausführungen des Herrn Kollegen Baumann-Hasske sehr dankbar bin.

(Zuruf der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Ja, machen Sie mir das jetzt bitte nicht zum Vorwurf. Die Fraktion DIE LINKE hat hier ein bundespolitisches Thema auf die Agenda gehoben. Ich glaube beileibe nicht, dass die SPD in Sachsen in der Lage ist, den bundesweiten Trend zu stoppen, nachdem sich Herr Maas und Herr de Maizière relativ einig sind.

(Unruhe bei der SPD)

Gestatten Sie mir deshalb, dass ich relativ grundsätzliche Ausführungen zur Vorratsdatenspeicherung gemacht habe. Zur Frage des politischen Stils sowie des parlamentarischen Umgangs miteinander: Ich glaube, wir werden morgen noch sehen, wie sich das Bahn bricht und welche Blüten das treibt.

(Zustimmung der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Dann reden wir weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir treten in die zweite Runde ein. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Abg. Bartl.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Lippmann, wir haben fast überhaupt keinen Dissens in der Sache. Nur den einen: Ich halte das gar nicht einmal für ein nur bundespolitisches Thema.

(Zuruf von den GRÜNEN: Vorrangig bundespolitisch!)

Ich verweise auf die Verfassung. Auch in der Sächsischen Verfassung ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein Bestandteil der Menschenwürde nach Artikel 1. Wir werden sehen, ob die Vorratsdatenspeicherung – nach dem, was verlautbart wurde, ist das ja schon angedacht – nur die Speicherung zum Zwecke der Nutzung in der Straftatenbekämpfung vorsehen wird.

Wir werden auch eine Öffnungsklausel bekommen, wonach die Länder die gesammelten Daten – ob sie zehn Wochen lang gespeichert werden oder auch länger, ist dann unwichtig – ebenfalls nutzen können, und zwar für die präventive Arbeit, die Gefahrenabwehr. Das wird ja schon diskutiert mit der Maßgabe, dass dann die Landespolizeigesetze angepasst werden müssen. Insofern reden wir heute mit dieser Aktuellen Debatte nur über das Entree.

Wir wollen schnellstens darüber nachdenken, wie wir dies als Parlament abwehren können. Wir werden sehen, wie unsere Staatsregierung sich dann gegenüber der Bundesregierung verhält, gegenüber dem Bundestag und im Bundesrat.

Damit sind wir beim zweiten Thema. Mit hoher Intensität wird jetzt etwas verlautbart. Die Leitlinien kann momentan kein Sterblicher lesen. So weit zur Transparenz.

(Zuruf des Abg. Christian Hartmann, CDU)

Keiner kann diese Leitlinien lesen. – Ja, Sie schon, lieber Herr Hartmann. Das glaube ich.

(Heiterkeit des Abg. Christian Hartmann, CDU)