Die Schaffung neuer, besserer Lebensverhältnisse ist unser Ziel und auch das Ziel der Europäischen Union mit ihrem Ansatz der Multilevel-Governance. Gerne können Sie sich dazu Nachhilfe vom Kollegen Lehmann aus der CDU-Fraktion geben lassen. Durch den Ausschuss der Regionen ist er mit diesen Inhalten offensichtlich sehr vertraut.
Sehr geehrter Herr Dulig, im Dezember hatte meine Kollegin Meiwald gefragt, ob Sie gewillt sind, an den eingereichten Operationellen Programmen noch Änderungen vorzunehmen. Das haben Sie verneint und darauf hingewiesen, dass Sie mit Förderrichtlinien eigene Schwerpunktsetzungen vornehmen wollten. Solche kann ich beim besten Willen nur an wenigen Überschriften erkennen – leider ohne passende nachgeordnete Texte. Deshalb werden wir dem Antrag nicht zustimmen.
Das hat weniger mit diesen Richtlinien zu tun als damit, dass unsere Vorstellungen zum Einsatz der europäischen Mittel in der aktuellen Strukturfondsperiode in eine völlig andere Richtung gingen und gehen. Ob wir uns dann noch Bericht erstatten lassen müssen oder Prüfaufträge erteilen müssen, ob wir nun tatsächlich soziale und tarifliche Standards angemessen berücksichtigen wollen, ob wir entbürokratisieren oder öffentlich agieren wollen: Dies alles spielt für mich keine Rolle mehr, wenn man die Zielrichtung verfehlt, Sachsen eine gewisse wirtschaftliche Autonomie zu gewähren und einen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zu führen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte kritische Europäer! Der Antrag zielt auf eine Berichtspflicht der Staatsregierung hinsichtlich einer effektiven Umsetzung der von der EUKommission genehmigten Operationellen Programme sowie auf eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit ab.
Sage und schreibe 2,752 Milliarden Euro stehen in der Förderperiode 2014 bis 2020 an EU-Mitteln für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und für den Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Verfügung.
Das ist eine Menge Geld, meine Damen und Herren. Man könnte glatt in Versuchung geraten und Herrn Juncker persönlich anrufen wollen, um sich bei ihm für die Ausschüttung des Füllhorns über unseren Freistaat Sachsen zu bedanken. In der Tat, Sachsen kann das Geld wirklich gut gebrauchen.
Leider ist die EU nicht die eierlegende Wollmilchsau, als die sie angesichts von Einrichtungen wie ESF oder EFRE auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn natürlich ist für jede Maßnahme, die aus diesen Fonds finanziert wird, eine Kofinanzierung erforderlich. Das sollten wir zumindest nicht vergessen.
Des Weiteren kann man der Begründung zum Antrag entnehmen, dass der Freistaat der EU-Kommission Operationelle Programme zu ESF und EFRE zur Genehmigung vorlegen musste. Die EU-Kommission regiert also in sächsische Angelegenheiten hinein. Nun könnte man dem entgegenhalten, dies sei doch völlig normal: Wer die Musik bezahle, bestimme letztlich auch, was gespielt werde. Dem würde ich auch zustimmen. Meine Damen und Herren, die Sache hat nur einen entscheidenden Haken. Die demokratisch legitimierte Sächsische Staatsregierung muss sich von einer Institution ohne demokratische Legitimierung, nämlich der EU
Kommission, genehmigen lassen, wie sie deren Gelder einzusetzen gedenkt. Konkret läuft das auf folgende Formel hinaus: Eurokratie lenkt Demokratie.
Meine Damen und Herren! Bei aller Freude über den Geldsegen aus Brüssel dürfen wir auch nicht vergessen, woher dieses Geld eigentlich stammt. Bekanntermaßen ist Deutschland der größte Nettozahler der Europäischen Union. Rein rechnerisch gesehen dürfte also ein nicht unbeträchtlicher Teil der EFRE- und ESF-Mittel für Sachsen letztendlich nur ein Rückfluss zuvor geleisteter Beiträge sein. Ohne den Umweg über Brüssel hätte man allerdings völlig eigenständig und demokratisch legitimiert über deren Verwendung entscheiden können.
Liebe Kollegen Abgeordnete, der Ruf nach mehr Europa klingt immer sehr wohlfeil. In Anlehnung an eine alte Reklame für Kirschpralinen aus dem italienischen Piemont möchte man ausrufen: Wer kann dazu schon Nein sagen?
Niemand kann ernsthaft gegen eine immer bessere Verständigung der europäischen Nationalstaaten und Koordinierung ihrer Politik sein. Immer dort aber, wo man unter „mehr Europa“ die Übertragung von Kompetenzen auf die supranationale EU versteht, geht damit zugleich ein Weniger an Demokratie einher.
Vielen von Ihnen mag als langfristiges Fernziel eine EU vorschweben, die wie ein demokratisch verfasster Nationalstaat funktioniert. So hatte ja auch die Einführung des Euro keine vornehmlich ökonomischen Gründe,
Aber, meine Damen und Herren, wie schon die massiven Probleme innerhalb der Euro-Gruppe klar veranschaulichen, ist eine solche demokratisch verfasste EU, in der die Stimme eines jeden EU-Bürgers überall den gleichen Wert haben müsste, derzeit auch als Fernziel völlig unrealistisch. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal „mehr Europa!“ fordern.
Auch unsere Fraktion denkt über Europa nach. Wird beispielsweise Griechenland entgegen früheren Zusagen ein weiteres Rettungspaket oder einen weiteren Schuldenschnitt erhalten?
Die AfD-Fraktion wird dem CDU/SPD-Antrag nicht zustimmen, sondern sich aus grundsätzlichen Erwägungen der Stimme enthalten. Wir tun das, weil wir der Auffassung sind, dass die EU-Strukturfonds die wirtschaftlichen Unterschiede in Europa eher verstärken als ausgleichen.
Insgesamt atmen die Operationellen Programme keinen europafreundlichen Geist. Meine Damen und Herren, die Strukturfonds können in Einzelfällen, wie das Beispiel Irland gezeigt hat, durchaus positive Auswirkungen haben, wenn sie mit solider Verwaltung und solider Wachstumspolitik kombiniert werden.
Es gibt jedoch bisher keine eindeutigen Belege dafür, dass die Strukturfonds insgesamt eine positive Gesamtwirkung auf die europäische Wirtschaftsentwicklung gehabt hätten. Die Fonds weisen gewichtige Mängel auf, zum Beispiel die mangelhafte Beziehung zwischen Förderung und Ergebnissen. Die Einbeziehung aller Mitgliedsländer in die EU-Regionalförderung – unabhängig von ihrem Wohlstandsniveau – ist ökonomisch unbegründet. Wie die EU-Kommission selbst zugegeben hat, entstehen zusätzlich vermeidbare und beträchtliche Verwaltungs- und Opportunitätskosten. Erstens entstehen Mitnahmeeffekte, da wohlhabendere Mitgliedsländer auch ohne Förderung Investitionen anziehen würden. Zweitens werden in den wohlhabenderen Mitgliedsländern die Strukturfonds
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich diese Situation zum Schluss an einem Beispiel unter Bezug auf unser Nachbarland Polen verdeutlichen. Im Rahmen des EUStrukturfonds erhielt Polen – wie auch Rumänien und Ungarn – unter dem Kriterium der Konvergenz, also der wirtschaftlichen und sozialen Angleichung, beträchtliche Finanzmittel. Polen erhielt zwischen 2007 und 2013 insgesamt 67 Milliarden Euro an EU-Fördergeldern.
Polnische Unternehmen, die Arbeitslose einstellten, konnten einmalig einen Zuschuss in Höhe des fünffachen monatlichen Durchschnittslohns pro neu geschaffenen Arbeitsplatz erhalten. Der Durchschnittslohn betrug 2012 in Polen circa 1 000 Euro. Zusätzlich konnten diese Unternehmen die Sozialabgaben bis zum Dreifachen des Mindestlohnes erstattet bekommen. Ich beziehe mich hierbei auf einen Bericht der NRW-Bank, also der landeseigenen Förderbank.
Eine Nebenfolge dieser Förderpolitik ist die Beschleunigung der Migration innerhalb der EU. Viele junge Griechen wanderten nach Polen aus. Dies berichtete – mit
einem kritischen Unterton – die griechische Zeitung „Kathimerini“. Das deutsche Nachbarland ist somit zu einer Quelle der Hoffnung für die Südosteuropäer geworden; denn in den vergangenen Jahren hat Polen in Verbindung mit den EU-Fördermitteln zahlreiche Direktinvestitionen aus dem Ausland angezogen. Das ist gut für Polen, aber schlecht für Griechenland, weil dessen Fachkräfte abwandern und damit die demografische Schieflage weiter verstärkt wird. Somit wird durch die EUStrukturfonds die Wanderungsbewegung innerhalb Europas zulasten der Schwachen stark forciert. Das ist kein gutes Programm für Europa.
Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Abg. Günther. Bitte sehr, Herr Günther, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche einmal, wieder auf den eigentlichen Antrag zurückzukommen.
Es geht darum, dass die Staatsregierung dem Parlament berichtet, wie es mit den Operationellen Programmen weitergeht. Es geht darum, dass diese Programme schnellstmöglich umgesetzt werden und dass ein lückenloser Übergang stattfinden soll. Sehr viele Stellen in diesem Land sind auf dieses Geld angewiesen, benötigen es als Kofinanzierung. Soziale tarifliche Standards sollen angemessen berücksichtigt und es soll vor allem gezielt Öffentlichkeitsarbeit zur Ausrichtung auf nachhaltiges Wachstum, Innovation und aktiven Klimaschutz gemacht werden. Es ist nichts dabei, von dem ich sagen würde, das wollen wir nicht auch.
Deshalb kann ich es schon einmal vorwegnehmen: Wir als GRÜNE-Fraktion werden uns diesem Antrag anschließen.
Sie werden mir nachsehen, dass man als Opposition auf einige Dinge hinweist. Zunächst einmal ist der Gedanke wichtig, dass Sachsen ein Empfängerland von Transferzahlungen ist. Das wird weniger, und es wird auch in der neuen Periode schon weniger. Damit müssen wir umgehen. Das heißt, wir müssen unsere Mittel konzentrierter und nachhaltiger einsetzen.
Die Forderungen der EU – weg vom Gießkannenprinzip, hin zu Transparenz, Partnerschaft, Klimaschutz – sind richtige Forderungen. Es ist auch gut, dass das so kommen wird. Es gibt einige Bereiche, bei denen in Sachsen noch erheblicher Handlungsbedarf besteht, etwa bei der Technologieförderung oder im Bereich Klimaschutz. Es gibt Programme, bei denen wir uns mehr wünschen würden, vor allem in der Umsetzung. Wir haben das Thema Bürokratie gehört. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist quasi das Königsfeld, auf dem man
EU-Geld einsetzen könnte. Hier haben wir bereits Problemanzeigen von Empfängern des Geldes bekommen. Sie sagen, wegen der Bürokratie ist es für sie schwierig, das abzurufen. Hier müssen wir sehr aufmerksam sein. Wir werden als Fraktion weiter schauen, ob sich da etwas tut.
Wir sind sehr froh über die Aussage, dass kein Geld mehr in den weiteren Straßenausbau versenkt werden soll. Wir haben als GRÜNE schon seit Jahren vorgetragen, dass wir in Regionen, in denen der demografische Wandel herrscht, zu umweltgerechten, umweltfreundlichen
Verkehrsträgern – Bahn, Bus, Carsharing, Radverkehr – kommen müssen. Mit den Straßen, die alle unterhalten werden wollen, haben wir Zukunftslasten geschaffen, die keiner mehr finanzieren kann.
In dem Plan steht auch, dass der Schiffsgüterverkehr auf der Elbe gefördert werden soll. Hier müssen wir Obacht geben. Wir haben erst kürzlich aus einer Kleinen Anfrage erfahren, dass in unseren sächsischen Binnenhäfen an der Oberelbe nur 8 % der Güter, die dort umgeschlagen werden, etwas mit Schiffsverkehr zu tun haben. Ansonsten geht es um Lkw- und Bahnverkehr-Schnittstellen. Die Elbe ist kein Transportweg.
Sie hat aber ein enormes Potenzial in anderen Bereichen, nämlich dem nachhaltigen Tourismus, Naturschutz, Wasserrahmenrichtlinie.
Ja, Sie können sich einmal mit der Elbe beschäftigen. Ich paddele dort gelegentlich. Es ist immer ein großes Ereignis, wenn man den Kindern einmal einen Frachter zeigen kann.