Protokoll der Sitzung vom 30.04.2015

wohingegen die Abgeordneten der Oppositionsparteien an allem etwas auszusetzen haben. Ich bekenne offen, dass mir Letzteres in Bezug auf die Antworten des Chefs der Staatskanzlei auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE betreffend die Standortkampagne „So geht sächsisch.“ heute etwas schwerfällt.

Gestatten Sie mir daher, dass ich nicht im Einzelnen auf die Ergebnisse der Großen Anfrage eingehe, sondern einige Ausführungen allgemeiner Art zu der Kampagne machen möchte.

Wie einige von Ihnen vielleicht wissen, bin ich selbst in der Tourismusbranche tätig. Ich weiß daher nur allzu gut, wie wichtig eine pfiffige Vermarktung ist, um Menschen anzulocken, damit sie ihren Urlaub oder ein verlängertes Wochenende an einem Ort oder in einer Region verbringen.

(Beifall bei der AfD)

Die Standortkampagne „So geht sächsisch.“ ist deshalb auf jeden Fall eine gute Idee. Natürlich geht es dabei nicht nur um den Tourismus. Vielmehr verfolgt die Kampagne einen umfassenderen Ansatz. Es geht darum, die Bekanntheit und die Attraktivität des Freistaates unter Einbeziehung der Themen Wirtschaft, Wissenschaft,

Tourismus, Kultur und Sport zu erhöhen. Es soll also jegliche Art von Neugierde auf unsere Heimat gefördert werden. Das finde ich gut und richtig.

Gelingt dies aber auch? Aus Gesprächen mit Menschen aus den westlichen Bundesländern weiß ich, dass die Landeshauptstadt Dresden dort inzwischen sehr gut bekannt ist. Schwieriger wird es, wenn die Sprache auf das Zittauer Gebirge, die Sächsische Schweiz, das Erzgebirge oder das Vogtland kommt. Geografische Erklärungen sind in diesem Fall meist unumgänglich. Diese regionalen touristischen Gebiete sollten daher ebenso wie Dresden als Landeshauptstadt beworben werden. Natürlich fungiert Dresden als ein Zugpferd für ganz Sachsen. Dennoch ist Sachsen viel mehr als die Semperoper, der Zwinger, die Gemäldegalerie, das Schloss Pillnitz und das Grüne Gewölbe. Wenn es der Kampagne gelingt, dies den Menschen in Deutschland und Europa zu vermitteln, dann ist viel erreicht.

Eine tolle Idee im Rahmen der Kampagne war sicherlich die Gestaltung einer kompletten Straßenbahn in Frankfurt am Main in Zusammenarbeit mit der Dresden Marketing GmbH. Bis Mai 2016 wird sie dort zwischen Römer und Maintower unter dem Motto „Weltstars aus Sachsen – So geht sächsisch“ für Sachsen und die Landeshauptstadt Dresden werben. Wer einmal in Frankfurt am Main war und das internationale Flair erlebt hat, kann sich vorstellen, auf wie viele weltweit wirkende Multiplikatoren die Kampagne trifft.

Daneben gilt es, weitere Vorzüge unseres Freistaates in den Vordergrund zu stellen. Was spricht dagegen, bezahlbare Mieten und die sehr gute Kinderbetreuung in ganz Sachsen in der Kampagne nach außen zu tragen? Warum sollen nicht auch die lukrativen Wirtschaftsstandorte im ländlichen Raum mit ihren attraktiven Gewerbegrundstückspreisen und konkurrenzfähigen Personalkosten als Pluspunkt Sachsens herausgestellt werden? In meinen Augen spricht nichts dagegen. Wichtig ist nur, dass am Ende auch kleine und mittlere Unternehmen von der Standortkampagne profitieren. Viele davon sind sicherlich im Tourismus tätig, natürlich nicht alle.

Ganz ohne Kritik möchte ich das Rednerpult gleichwohl nicht verlassen. Die lange Zeitdauer von der Konzeption bis zur Umsetzung der Kampagne kann nicht ohne Widerspruch bleiben. In der Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE erklärt Staatsminister Dr. Jaeckel dies unter anderem damit, dass die europaweite Ausschreibung anderthalb Jahre gedauert hat. Meine Damen und Herren! Das lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Europaweite Ausschreibungen dauern schlicht und einfach zu lange. Das kann natürlich nicht so bleiben. Für den Europaminister Dr. Jaeckel ergibt sich somit aus seiner eigenen Antwort echter Handlungsbedarf.

Unsere Meinung ist folgende: Für die sächsische Standortkampagne brauchen wir Brüssel nicht. Das können wir Sachsen allein.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Nun spricht die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Frau Schubert, bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der letzten Zeit komme ich zugegebenermaßen nicht mehr wirklich oft dazu. Manchmal schaffe ich zur Sicherung des eigenen Überlebens den Gang in den Supermarkt. Bei einem dieser Gänge steuerte ich zielgerichtet zu den Milchtüten. Da prangte es mich an: das Sachsenwappen. Auf Müllers Milchtüten prangte es über einer adrett und farblos gekleideten Frau mit einem Kinderwagen. Darüber steht folgendes: Wir finden, wer Karriere macht, sollte sich auch einen Sportwagen leisten können. Ich stutzte. Vor Kurzem gehörte ich wohl noch zu eben jener Zielgruppe, die Sachsen zu erreichen versucht. Im erwerbs- und gebärfähigen Alter mit guter Hochschulausbildung, gesellschaftlich engagiert und weiblich. Ich fragte mich also, ob mich die Botschaft auf der Milchtüte damals hätte dazu bewegen können, Sachsen wieder als meinen Lebensmittelpunkt zu wählen. Im Geiste antwortete ich wie folgt: Nö!

(Beifall bei den GRÜNEN – Sebastian Fischer, CDU: Lassen Sie es doch!)

Keine einzige Maßnahme der Standortkampagne, die mir bekannt ist, hätte mich dazu bewogen. Bewogen haben mich meine familiären Wurzeln, die Möglichkeit, an der TU Dresden, am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeografie Südost- und Osteuropas, der gerade abgewickelt wird, einen Lehrauftrag anzunehmen, die Aussicht auf Rückkehr in meine Heimatregion Oberlausitz, in der mein Engagement geschätzt und gewollt wurde.

Von dieser eher qualitativ am Fallbeispiel orientierten Werbewirkungsanalyse möchte ich zum Thema des Entschließungsantrages der LINKEN kommen und zu quantitativen Fakten übergehen. Gerade noch haben wir uns mit dem Haushalt befasst. Kein anderes Land gibt so viel Geld für eine Imagekampagne wie Sachsen aus. Allein das ist uns Grund genug, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Kosten dieser Kampagne in keinerlei Relation zum Nutzen stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben auch für diesen Doppelhaushalt wieder die Halbierung des Mittelansatzes beantragt. Das Ergebnis ist uns bekannt. Es werden weiterhin 8 Millionen Euro pro Jahr für „So geht sächsisch.“ zur Verfügung stehen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich möchte nur zum Vergleich Folgendes sagen: Die Kampagne der Baden-Württemberger „Wir können alles. Außer hochdeutsch“ läuft seit dem Jahr 1999 und hatte in ihren haushalterisch besten Zeiten ein Budget von 3,2 Millionen Euro pro Jahr. Im Jahr 2011 wurde das Konzept angepasst. Seitdem stellt Stuttgart für die Imagepflege nur noch 400 000 Euro pro Jahr in den Haushalt ein.

Dabei stellt sich schon die Frage, was an Sachsens Standortkampagne so innovativ ist, wenn Jahr über Jahr dermaßen viel Geld zur Verfügung gestellt wird? Aus der Haushaltsbefassung kann ich berichten, dass weder die Staatsregierung noch die Koalitionsfraktionen gegenüber dem Parlament glaubhaft darlegen konnten, warum auch in diesem Jahr eine so teure Imagekampagne gerechtfertigt ist.

Im Koalitionsvertrag steht – Zitat –: „Die Standortkampagne „So geht sächsisch.“ zur weiteren Erhöhung des Bekanntheitsgrades von Sachsen im In- und Ausland soll weiterentwickelt werden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Einbeziehung und Stärkung aller Akteure und Partner von Wirtschaft, Tourismus, Kunst, Kultur und Sport, die sich unter der Dachmarke ‚So geht sächsisch.‘ wiederfinden.“

Noch allgemeiner gehalten ist der Zweck der Standortkampagne im Koalitionsvertrag von 2009. Diesen haben wir uns natürlich auch noch einmal angeschaut – Zitat –: „Um die Bekanntheit und Attraktivität des Freistaates Sachsens zu erhöhen, soll mit einer neuen Dachmarke eine breit angelegte Imagekampagne beginnen, die Wirtschaft, Wissenschaft, Tourismus, Kultur und Sport einschließt.“

Da das bereits der zweite Doppelhaushalt ist, in dem diese Kampagne mit solch einem Budget ausgestattet ist, möchte ich hier als Parlamentsmitglied auf unsere Kontrollfunktion gegenüber der Staatsregierung und ihrer Verwaltung hinweisen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es geht hier immerhin um Steuergelder. Allein das ist Grund genug. Die Staatsregierung ist dem Landtag zu Rede und Antwort verpflichtet.

Im Fall der Standortkampagne ist es die Staatskanzlei. Wie die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE zeigt, interessieren sich nicht nur wir GRÜNE für diese Kampagne. Die Beantwortung der Großen Anfrage durch die Staatsregierung hätte allerdings kaum oberflächlicher ausfallen können. Im Ergebnis ist zu sagen, dass die Antworten mehr Fragen aufgeworfen als Transparenz in das Umsetzungsverfahren gebracht haben. Daher haben wir auch noch einmal nachfragen müssen. Wir hoffen, dass die Antworten der Staatskanzlei dieses Mal informativer ausfallen. Wir fragten unter anderem noch einmal konkreter nach, welche vertraglichen Grundlagen es mit Theo Müller Sachsenmilch gibt, sodass die Werbung mit dem Sachsenwappen auf der Rückseite der Milchtüte prangt.

Allgemeine Platzhalter wie – Zitat – „Ziel der Kampagne ist es, den Bekanntheitsgrad von Sachsen im In- und Ausland zu erhöhen“ oder – Zitat – „Alle Entscheidungen werden in ganz enger Abstimmung mit der Staatskanzlei getroffen“ sind weder informativ noch zeitgemäß.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum ersten Zitat muss man sagen, dass der derzeitige Bekanntheitsgrad Sachsens vermutlich kaum noch zu übertreffen ist. Viel schlimmer hätte es auch ohne die Kampagne nicht werden können. Es wären aber immerhin 8 Millionen Euro pro Jahr gewesen, die man hätte einsparen können. Das sind Mittel, die zum Beispiel für die auskömmliche Finanzierung der FÖJ-Stellen hätten eingesetzt werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn vonseiten der Staatskanzlei mitgeteilt wird, man würde die aktuelle Lage in aller Ruhe analysieren – im Koalitionsvertrag steht immer, wir werden das prüfen –, stellte sich wieder einmal die Frage, ob der Mitteleinsatz angebracht ist. Das Thema hatten wir aber gerade.

Die Staatsregierung hat in der gesamten Laufzeit nicht überzeugend darstellen können, dass sie ein schlüssiges und in sich greifendes Konzept für den Standort Sachsen entwickelt und erprobt hat. Sie verweist immer wieder darauf, dass es sich bei „So geht sächsisch.“ um eine Dachmarke handelt. Wie sich allerdings die regionalen Tourismusverbände, die Wirtschaftsförderung, die Landkreise und andere konzeptionell einfügen und andocken, wissen wir bis heute nicht. Die Kampagne ist zu teuer und verfehlt, weil nach wie vor nicht einmal die Zielgruppen klar sind. Studierende gewinnt man durch Qualität, Fachkräfte durch ordentliche Löhne, Frauen durch bessere Karrierechancen und Touristen aus aller Welt vor allem durch Weltoffenheit und nicht allein durch ein reiches kulturelles Erbe und eine schöne Natur.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Entschließungsantrag der LINKEN trifft bei uns auf Zustimmung. Allerdings hätten wir weitere Zusätze wie die Forderung nach einer Darstellung Sachsens auch als Lebensstandort, regelmäßige Werbewirkungsmessungen mit unaufgeforderter Bekanntgabe der Ergebnisse an die Mitglieder des Sächsischen Landtages und eine transparente Auftragsvergabe mit ordentlicher Begründung durch die Staatskanzlei, wenn die Auftragssummen den Wert von 50 000 Euro überschreiten, erwartet.

Mit Blick auf einen Artikel in der heutigen „Sächsischen Zeitung“, wo im Rahmen der Kampagne eine neue Sonderbriefmarke mit einem „Meissen Couture Mops“ vorgestellt wird, kann ich nur mit Kopfschütteln fragen: So geht sächsisch? Ei verbibbscht!

(Beifall und Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde in der Aussprache zu der Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. Wird eine zweite Runde gewünscht? – Herr Abg. Colditz, bitte. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst bin ich dankbar, dass wir zu der Sachlichkeit, die der Kollege Tischendorf selbst eingefordert hat, zumindest jetzt am Schluss wieder zurückgekehrt

sind. Ich denke, man sollte Sachlichkeit nicht nur einfordern, man muss sie in der Diskussion auch selbst an den Tag legen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Bevor ich zu meinem eigentlichen Redemanuskript komme, will ich einfach noch einmal eine Frage stellen, insbesondere an die Antragsteller: Wissen die Antragsteller eigentlich wirklich, worüber wir reden?

(Zurufe von den LINKEN: Ja!)

Ich denke, wir haben schon hinsichtlich des Grundverständnisses ein Problem. Wir reden über eine Standortkampagne für Sachsen. Wir reden nicht – wie Herr Kollege Vieweg schon sagte – über die Vermarktung des Erzgebirges oder der Lausitz oder des Elbsandsteingebirges, wir reden über das gesamte Land, in seiner regionalen Vielfalt. Das ist der eine Ansatz: eine Zusammenfassung aller Regionen. Der zweite Ansatz ist die Vielfalt der Themen, der gesellschaftlichen Themen, die eine Rolle spielen.

Wenn ich das voraussetze und die Komplexität im Blick behalte, diesen regional und thematisch übergreifenden Ansatz, dann kann ich nicht allen Ernstes davon ausgehen, Herr Kollege Tischendorf, dass die Standortkampagne nur eine Summierung regionaler Vermarktungsinitiativen ist. Das reicht nicht aus. Selbstverständlich kommt es darauf an, dass aus den Regionen heraus – nehmen wir von mir aus das Erzgebirge; wir sind beide Erzgebirger – auch die Regionen vermarktet werden: auf Messen, über verschiedene touristische Prospekte usw. Aber das ist nicht der Ansatz der Standortkampagne.

Die Standortkampagne steht über dieser regionalen Vermarktung, gewissermaßen als Dachmarke obendrüber. Sie bezieht diese regionalen Aktivitäten mit ein. Das müssen wir erst einmal begreifen.

(Beifall bei der CDU – Klaus Tischendorf, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Herr Colditz – –

Das Zweite, das wir begreifen müssen – –