Protokoll der Sitzung vom 30.04.2015

Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier appelliere ich an die Verantwortung aller Abgeordneten aller Fraktionen in diesem Hohen Hause, keine Plattform für so etwas zu bieten; der politische Diskurs findet in der Debatte statt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wir sind in einer neuen Rednerrunde, weswegen ich in die Runde schaue. Kollege Hartmann hat für die CDU-Fraktion die Diskussion erneut eröffnet. Gibt es weitere Rednerinnen oder Redner, die ans Rednerpult schreiten wollen? – Das ist nicht der Fall. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Ich erteile das Wort Innenminister Ulbig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ja, es ist richtig, dass wir uns nicht zum ersten Mal über dieses Thema und diesen Themenkomplex hier in diesem Hohen Hause unterhalten. Ja, es ist auch richtig, dass es, was die Betrachtung betrifft, teilweise unterschiedliche Positionen gibt. Dennoch bin ich froh, dass dieses Thema erneut auf der Tagesordnung steht, und ich möchte für die Staatsregierung, weil es da gerade teilweise falsche Behauptungen gab, klar und deutlich erklären: Die Staatsregierung tritt jeder Form des Extremismus entschieden entgegen, und wir haben dabei alle Phänomenbereiche im Blick.

Wir werden uns dort wehren, wo unsere Demokratie und unser Rechtsstaat angegriffen werden. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen uns die Entwicklungen der letzten Wochen und Monate durchaus mit Sorge begleiten. Ich spreche von Politikern, Abgeordneten und Bürgermeistern, die massiv angefeindet und bedroht werden, nur weil sie sich dafür einsetzen, Grundrechte gewahrt zu sehen.

Ich spreche aber auch von Asylbewerberheimen, auf die Angriffe stattfinden. Allein in diesem Jahr haben wir – Stand Ende März – bereits 19 diesbezügliche Ermittlungsverfahren durch das Operative Abwehrzentrum eingeleitet.

Ich spreche aber auch von staatlichen Einrichtungen, die – das wurde hier mehrfach diskutiert – in diesem Jahr wiederholt Ziel von Angriffen gewesen sind, die der Zerstörungswut anheimgefallen sind. Und ich spreche von Polizisten, die am Rande von Demonstrationen, aber auch

aus anderen Situationen heraus tätlich angegriffen werden mit vermeintlich völlig unterschiedlichen Facetten. Aber im Kern muss man klar und deutlich sagen: Egal, aus welcher Motivation heraus, und egal, was dahintersteht: Es ist nicht akzeptabel! Deshalb werden wir uns konsequent dagegen wenden, und wir werden eine solche Entwicklung auch nicht hinnehmen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Natürlich lebt Demokratie vom Diskurs, von der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungen, aber immer friedlich und auf dem Boden des Grundgesetzes – und das ist das Gegenteil von dem, was Extremisten wollen. Deshalb ist es unser Recht – aber auch unsere Pflicht –, die Demokratie zu schützen, zu verteidigen und zu fördern – und das mit sehr unterschiedlichen Instrumenten, die uns im Rechtsstaat an die Hand gegeben worden sind, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dazu gehören Polizei, Staatsschutz, Landeskriminalamt, aber auch das Landesamt für Verfassungsschutz. Es ist der erste und ein wichtiger Partner für eine wehrhafte Demokratie. Wir können uns nur gegen etwas wehren, wenn wir es auch kennen. Deshalb beobachtet der Verfassungsschutz diejenigen extremistischen Gruppen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen

wollen. Deshalb ist das Landesamt für Verfassungsschutz auch ein verlässlicher Extremismusscanner und durchaus auch ein Frühwarnsystem, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Die Zahlen aus dem Verfassungsschutzbericht sind jetzt mehrfach zitiert worden. Deswegen werde ich sie jetzt nicht weiter vertiefen bzw. noch einmal aufrufen.

Ich möchte zwei Punkte aus dem Verfassungsschutzbericht ansprechen, die bisher eher keine Rolle gespielt haben:

Erstens, zu den rechtsextremistischen Konzerten: Das soll keine Entwarnung sein, um nicht falsch verstanden zu werden, das will ich klar sagen, aber ich will doch deutlich machen: Im Jahr 2008 gab es 43 rechtsextremistische Konzerte, im Jahr 2014 nur 14. Es gibt also diesbezüglich einen Tiefstand in Sachsen, was bedeutet: Es scheint möglich zu sein – wenn man sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzt, wenn es Aufklärung gibt, wenn man sich den Menschen zuwendet –, die Menschen dazu zu bewegen, mit ihrem Eigentum sorgsamer umzugehen und die Bereitschaft in der Gesellschaft zu senken, Gebäude für Konzerte zur Verfügung zu stellen.

Zweitens, zum Verfassungsschutzbericht: Wir haben das erste Mal ein Kapitel, das sich dem Thema „Anziehungskraft des politischen Extremismus auf Jugendliche“ widmet, aufgenommen. Ich denke, das ist wichtig, um deutlich zu machen und vielleicht auch eine Diskussion in unserer Gesellschaft ein Stück weiterzutragen, was die Anreize für junge Leute im Hinblick auf Extremisten sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, neben dem Verfassungsschutz gilt es natürlich auch – das wird getrennt, Frau Köditz, ganz klar –, Straftäter konsequent zu verfolgen. Deswegen bin ich froh, dass wir das Operative Abwehrzentrum im Freistaat Sachsen haben.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das ist eine besondere Einheit, die mit Spezialisten ausgestattet ist. Wenn wir uns die Ergebnisse anschauen, lässt sich feststellen, dass sie durchaus erfolgreich sind. Denn wenn eine solche Struktur eine Aufklärungsquote von circa 75 % hat, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann kann sich das sehen lassen. Damit keine Zweifel aufkommen: Das gilt für alle Bereiche, die da ermittelt werden. Da wird auch nicht unterschieden, ob an der einen oder anderen Stelle ein wenig mehr bzw. etwas weniger ermittelt wird. Das ist also eine sehr gute Arbeit vonseiten der Polizei, die da geleistet wird.

Ich möchte zur Prävention noch etwas sagen, weil mir das wichtig ist: Natürlich ist die Repression wichtig, aber selbstverständlich gilt das auch auf der anderen Seite: durch Instrumente möglichst frühzeitig darauf hinzuwirken, dass solche Entwicklungen nicht verstärkt, sondern eher reduziert werden. Deswegen haben wir uns frühzeitig mit dem Programm „Weltoffenes Sachsen“ auf den Weg gemacht, und ich möchte behaupten – anders, als das hier diskutiert worden ist –: Es ist uns gelungen, unsere Gesellschaft zu erreichen und deutlich zu machen: Dort, wo wir Demokratie stärken, hat Extremismus keine Chance.

Deswegen ist es auch gut, dass im aktuellen, gestern verabschiedeten Haushalt ein entsprechender Haushaltstitel enthalten ist; und Kollegin Köpping wird gut dafür sorgen, dass die Mittel zielgerichtet im Land eingesetzt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte zum Abschluss kommen und deutlich machen: Ja, es ist richtig und notwendig, sich gegen Extremismus, gegen solche Bestrebungen, aber auch gegen solche Handlungen konsequent zu wenden. Das bedeutet einerseits aus der gesamten Gesellschaft heraus und andererseits für die einzelnen Bausteine in der Sicherheitsarchitektur, dass jeder seine Arbeit macht. Aus diesem Grund gibt es für mich ganz klar keine Notwendigkeit, Kritik am Verfassungsschutz zu üben, sondern zu sagen: Dort wird sehr gute Arbeit geleistet, und wir werden auf diese Arbeit in Zukunft nicht verzichten können. Das gilt auch für die Polizeieinheiten, und ich will es gleichermaßen für die Justiz sagen: Wir werden im Rahmen der Strafverfolgung konsequent gegen Extremisten vorgehen und dafür sorgen, dass sie am Ende auch ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Am Ende dieser 1. Aktuellen Debatte sprach Herr Innenminister Ulbig für die Staatsregierung. Sie ist damit abgeschlossen.

Wir kommen nun zu

2. Aktuelle Debatte

Verletzung der Neutralitätspflicht bei

politischen Demonstrationen durch die öffentliche Hand

Antrag der Fraktion AfD

Zunächst hat die Antragstellerin das Wort. Das Wort ergreift Herr Spangenberg.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Schade, bedauerlich, dass wir über so etwas reden müssen. Eigentlich müsste das selbstverständlich sein. Das Thema dürfte hier gar nicht zur Sprache kommen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Weil es ja auch kein Thema ist!)

Moment, Moment, Sie werden hören; warten Sie doch mal ab, ein bisschen Demokratieverständnis können Sie doch gebrauchen. Sie auf jeden Fall, Herr Lippmann.

(Heiterkeit bei der AfD)

Artikel 8 ist die Grundlage – das wissen wir – für Demonstrationsfreiheit, und ich spreche hier noch die

Artikel 20 und 28 Grundgesetz an, nämlich die Neutralitätsverpflichtung der öffentlichen Hand.

Seit November 2014 erleben wir Demonstrationen mit einem völlig anderen Charakter. Wer sich erinnert – manche werden es nicht wissen, weil sie zu jung sind –: Es gab Demonstrationen Startbahn-West in Frankfurt am Main, ganz konkrete Themen, Abwassergebühren unter Biedenkopf, Atommülltransporte und Autobahnproteste. Das waren immer Demonstrationen gegen eine klare Sache. Da konnte man immer polemisch auf die eine oder andere Seite springen und sich darüber aufregen und sagen: Wählt mal mich, wir werden das abstellen!

Hier haben wir ein ganz anderes Thema.

(Unruhe – Zurufe)

Hören Sie doch erst einmal zu, Sie können sich dann aufregen!

Allgemeine Politikverdrossenheit war diesmal das Thema bei diesen Demonstrationen, gegen diesen GenderSchwachsinn, gegen Asyl-Informationsdefizite, meine Damen und Herren, der Euro, die Mitbestimmung, die europäische Politik und auch die Lügenpresse – die insbesondere, meine Damen und Herren, da kann ich Ihnen auch etwas davon erzählen.

(Oh-Rufe – Beifall bei der AfD)

Genau, von Ihnen, Herr Lippmann, ja.

Also, meine Damen und Herren, eine ganz neue Form. Hier hat man sich gegen viele Felder des Staates aufgelehnt, von denen man glaubte, dass sie nicht in Ordnung sind. Das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen. Was meinen Sie, was ich mir von Ihnen alles schon anhören musste. Das nehme ich zur Kenntnis. Wir sind in einer Demokratie, da können wir das nicht anders machen. Das haben Sie immer noch nicht begriffen. Aber Ihre „Frau Luxemburg“ hier drüben, die hat das doch so schön formuliert. Sie kennen doch den Satz. Ich will ihn gar nicht erst aufführen. Sie kennen ihn, da war sie weiter als Sie; das ist schon eine ganze Weile her.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, ein Abgeordneter – wie wir – ist ja seinem Gewissen verpflichtet – das klingt immer so schön –; wir darüber hinaus auch noch unseren Wählern. Aber wer in ein öffentliches Amt gewählt ist, da sieht die Sache – –

(Zurufe)

Lassen Sie mich doch einmal ausreden. Sie können doch dann meckern.

Wer in ein öffentliches Amt gewählt wird, hat eine andere Aufgabe,