Es gibt keinen Anlass für Spekulationen, an der Neutralitätspflicht des Staates – weder der Landeshauptstadt Dresden noch des Freistaates Sachsen – in irgendeiner Form zu zweifeln. Das haben die Kolleginnen und Kollegen gerade mehrfach ausgeführt. Sie verwechseln die Neutralitätspflicht des Staates mit der Annahme, dass er letztendlich in einer politischen Haltungslosigkeit zu agieren hätte, genauso wie Ihre Partei und Pegida gern die Meinungsfreiheit damit verwechseln, dass es quasi nicht möglich sein darf, dass man einer Meinung widerspricht und dass es ein Recht darauf gäbe, unwidersprochen seine Meinung kundzutun. Das ist Ihr Grundproblem.
Wenn es um die politische Neutralitätspflicht des Staates bei Versammlungen geht – und Sie gehen in Ihrer Argumentation immer nur von Pegida-Versammlungen aus –, dann müssen Sie auch an die Pegida-Versammlung selbst denken, was dort so an Unterstützungsleistungen staatlicherseits aufgeboten wird. Dann müssten Sie zukünftig sagen, wenn die Polizei ihnen zwei Beleuchtungswagen zur Verfügung stellt, um eine vollkommen unbeleuchtete Versammlungsfläche auszuleuchten, die schalten sie ab, und dann stehen sie im Dunkeln. Das wollen Sie nicht, also zweifeln Sie auf der einen Seite nicht daran, dass der Staat nicht neutral ist, und auf der anderen Seite nimmt quasi Pegida genauso staatliche Sachen in Anspruch, die selbstverständlich sind, und darüber beschweren sie sich eben nicht. – Jetzt warte ich auf die zweite Runde.
eröffnen wird. – Aber vorher, Herr Wurlitzer, möchten Sie eine Kurzintervention zum Redebeitrag von Herrn Kollegen Lippmann vorschalten.
Genau. Lieber Herr Lippmann, nehmen Sie doch bitte einmal zur Kenntnis, dass die Polizei meistens auf den Veranstaltungen ist, um die Pegida-Teilnehmer vor den linken Chaoten zu schützen.
Ja, genauso ist es, hören Sie es sich ruhig an. Es geht jedes Mal von den linken Chaoten aus, auch von Ihrem Landesvorsitzenden, den habe ich übrigens vorhin benannt, und nicht als Mitglied des Landtags.
Auf die Kurzintervention reagiert jetzt der, dessen Redebeitrag der Kurzintervention unterlag. Bitte, Herr Kollege Lippmann.
Herr Wurlitzer, auf dieses Niveau will ich mich eigentlich nicht herablassen, was Sie hier gerade tun.
Es ist eine infame Unterstellung, wie Sie hier gerade wieder Leute persönlich angreifen. Ich sage Ihnen aber ganz deutlich: Die Feststellung, dass ein Großteil von Gewalttaten ausschließlich aus dem linken Lager von Pegida ausgeht, ist falsch. Fragen Sie den Innenminister. Fragen Sie den Polizeipräsidenten von Dresden. Die können Ihnen das Gegenteil beweisen.
Wir eröffnen eine zweite Rederunde. Herr Spangenberg ergreift das Wort erneut für die einbringende AfD-Fraktion.
Meine Damen und Herren! Das ist ja gerade der Sinn der Übung, dass wir uns andere Meinungen anhören müssen. Ich greife meinen letzten Satz auf. Artikel 8 Abs. 1 sagt, die Versammlungsfreiheit ist das Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat. Das haben Sie anscheinend noch nie gehört. Deswegen können die Bürger demonstrieren. Das ist ihr Grundrecht. Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen. Sie verstehen nicht, dass es auch andere Meinungen gibt.
Herr Baumann-Hasske, Sie haben unterschlagen, dass in der ersten Instanz Düsseldorf verloren hat. Er musste die Lampen wieder einschalten. Erst in der zweiten Instanz hat er dann gewonnen.
Ich gehe mal weiter in der Verletzung der Neutralität. Der Oberbürgermeister von Leipzig kündigte Gegenmaßnahmen in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 21.12. an, die Uni Leipzig verlegte die Vorlesung, damit die Studenten teilnehmen können, der Bürgermeister von Grimma hat Busse losgeschickt.
Dann kommen wir zur Semperoper. Ein krimineller Haufen tagt davor, wird von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts oder von einem Staatsbetrieb – wie auch immer – mit Strom unterstützt. Das ist alles keine Unterstützung? Ich staune nur. Dann musste weggeräumt werden. War mächtig peinlich, nicht? Es waren Berufsprotestierer, die dort lagerten. Da redet keiner mehr drüber. Ich denke, da haben Sie sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Die Vera Lengsfeld, die Ihnen ja mal nahe stand, sagte dazu konkret, sie hätten damit die rote Linie überschritten mit dieser Beeinflussung, mit der Verletzung der Neutralität. Was unser Innenminister gesagt hat, verkneife ich mir. Dazu schätze ich ihn zu sehr. Dazu möchte ich nichts sagen. Er hat sich allerdings auch nicht rühmlich geäußert. Kann ja mal passieren.
Berlin ist allerdings deutlicher und hat seinen Bediensteten aufgegeben, absolut neutral und zurückhaltend bei diesen Dingen zu sein, meine Damen und Herren. Ob Sie juristisch falsch gehandelt haben, ist völlig uninteressant. Es geht darum, dass Sie das Gespür nicht haben, wann Sie reagieren dürfen und wann nicht. Das müssen Sie machen. Sie haben nämlich Vertrauen verspielt, Porzellan zerschlagen
und die Politik letzten Endes wieder einmal in ein negatives Licht gerückt. Sie haben damit Bürger diffamiert, und das, meine Damen und Herren, durfte nicht sein. In diesem Sinne beim nächsten Mal mehr Zurückhaltung.
Die einbringende Fraktion hat mit Herrn Spangenberg eine zweite Rederunde eröffnet. Gibt es aus den anderen Fraktionen dazu Redebedarf?
Nein. Möchte die Staatsregierung in dieser 2. Aktuellen Debatte das Wort ergreifen? – Bitte, Herr Staatsminister Jaeckel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Sächsischen Landtags! Die AfDFraktion will der Regierung und allen politisch Tätigen einen Spiegel vorhalten. Der Spiegel soll ein Mittel dazu sein, um eine sogenannte sachorientierte Politik zu legitimieren. Der Titel enthält ja eine unausgesprochene These: dass die öffentliche Hand ihre Neutralitätspflicht bei politischen Demonstrationen verletze, indem sie den Rahmen für diese Demonstrationen finanziell unterstütze.
Ich werde jetzt nicht wiederholen, was Herr BaumannHasske, Herr Richter und Herr Modschiedler zur Frage der Neutralitätspflicht, der Staatsaufgaben und der politischen Handlungslogik gesagt haben. Als Vertreter der Staatsregierung halte ich es für wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Titel dieser Aktuellen Debatte einen Verfassungsbruch unterstellt. Das, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete der AfD-Fraktion, ist grober Unfug.
Die Demokratie ist nämlich nicht nur, Herr Spangenberg, eine juristische Kategorie, sie ist zugleich auch ein politisches Ideal. Wir sollten uns doch einig sein, dass für dieses politische Ideal die freie politische Willensbildung konstitutiv ist. Was Sie meines Erachtens nicht hinreichend unterscheiden, ist, dass bei Wahlakten eine Neutralitätspflicht des Staates zu beachten ist. Bei Wahlakten muss nämlich nach den Verfassungsprinzipien unseres Grundgesetzes und auch der sächsischen Landesverfassung die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen hin erfolgen und nicht umgekehrt.
Die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsregierung geht aber einen ganz anderen Weg. Die Staatsregierung nimmt staatsleitende Funktionen wahr, und dazu gehört – wie andere Vorredner auch schon gesagt haben – die Öffentlichkeitsarbeit. Diese unterliegt einem ganz klaren Grundprinzip. Daran orientieren sich die Staatskanzlei und alle Staatsministerien. Es ist eine formalisierte Form der Information, die einen Dialog der gesellschaftlichen Kräfte untereinander, aber auch gegenüber dem Staat ermöglicht. Das ist für die demokratische Legitimität mindestens so wichtig wie Wahlen. Der Bürger nimmt daran teil und kann Einfluss nehmen auf den ständigen Prozess der politischen Meinungsbildung. Genau das war das Ziel aller Dialogforen und aller Veranstaltungen, die unter der Ägide der Staatsregierung und auch der Stadt Dresden durchgeführt worden sind.
Lassen Sie mich noch konkret auf die Aufrufe eingehen, die durch die Staatsregierung getätigt worden sind. Der Ministerpräsident und der stellvertretende Ministerpräsident haben aufgerufen, friedlich für eine Kultur des Miteinanders und des gegenseitigen Respekts einzustehen. Diese Veranstaltungen wurden von vielen Organisationen und Verbänden genutzt, aber in der Mehrzahl – die Zahl 35 000 wurde für die Veranstaltung auf dem Neumarkt schon genannt – auch von Bürgerinnen und Bürgern. Es ist eine Aufforderung zu einem politischen Willensbildungsprozess. Ich lege Wert auf die Feststellung, dass die Staatsregierung ein Signal für etwas setzen wollte und nicht gegen etwas.
Es ging nicht darum, gegen eine bestimmte Demonstrationsbewegung, die seit Wochen die Montage in Dresden beschäftigt, Stellung zu beziehen, sondern es ging darum, ein deutliches Zeichen für Humanität und für ein friedliches und freundliches Land mit engagierten und offenen Menschen zu setzen.
Nein, meine Damen und Herren, das, was Sie betreiben, ist der untaugliche Versuch, Regierungsmitglieder, Mandatsträger und alle anderen, die sich in unserem Gemeinwesen in Funktionen verdient machen, unter dem Deckmantel eines vermeintlichen Verfassungsbruchs zum Schweigen zu bringen. Das untergräbt die Legitimität unserer Demokratie.
Wenn Sie also in den Spiegel schauen, den Sie uns vorhalten wollen, dann sehen Sie eine AfD, die die vielfältigen, vielleicht manchmal auch bunten und lauten Wechselwirkungen zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Willensbildung verkennt.
Meine Damen und Herren! Damit ist die Aktuelle Debatte beendet. Ich kann den Tagesordnungspunkt schließen.