Mir liegt eine Wortmeldung von der CDU-Fraktion vor. Oder wünscht die AfD noch einmal zu sprechen? – Für die Debatte? – Okay.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auf die einzelnen Redebeiträge nicht eingehen, weil sie mir einfach zu flach waren.
Ich skizziere nun – wie angekündigt – eine Auflistung der analytischen Schwachstellen der Arbeitsmarktanalysen, die einer Korrektur bedürfen.
Erstens: Sowohl die Arbeitsagentur als auch das IAB haben nur Informationen über einen Teil der offenen Stellen. Daher ist eine Hauptsäule Ihrer Prognosen die Befragung verschiedener Unternehmen, die aber immer lediglich stichprobenartig stattfindet. In Sachsen wäre es denkbar, diese Stichproben auf ein repräsentatives Maß zu heben oder vielleicht sogar alle Unternehmen zu befragen.
Zweitens: Die Fragen, die den Unternehmen gestellt werden, sind häufig zweideutig. In einer Umfrage der DIS AG unter 250 Unternehmen mit mehr als 1 000 Mitarbeitern wurde festgestellt, dass sich ein angeblicher Mangel nicht durch Zahlen belegen lässt, sondern – schlicht – die subjektive Wahrnehmung durch die Personalverantwortlichen darstellt.
Drittens: Häufig wird gefragt, ob Stellen bedarfsgerecht besetzt werden konnten. Eine negative Antwort geht in die Statistik als Mangel ein, ungeachtet der Tatsache, dass die Stelle dennoch besetzt ist. Lediglich die Qualität des Mitarbeiters entspricht nicht vollständig den Erwartungen, und das kann viele Ursachen haben.
Viertens: Die Arbeitsagentur spricht von einem „Mangel“, wenn im Durchschnitt auf eine Stelle drei oder weniger Bewerber fallen. Ist diese pauschale Zuweisung sinnvoll, vor allem, wenn die Bewerber in der gleichen Region wohnen?
Fünftens: Völlig unterschiedlich ist die Bewertung des Zeitraums zwischen der Veröffentlichung einer Stellenausschreibung und deren Besetzung. Ist diese Zahl an sich aussagekräftig, ohne eine weitere Bewertung, warum im
Einzelfall die Besetzung länger gedauert hat? Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Die Festlegung, dass man ab einer festgelegten Zeitspanne von „Mangel“ sprechen kann, ist jedenfalls nicht sinnvoll.
Genau. – Wir müssen jenseits politisch korrekter Wunschträume, dass alle Wirtschaftsflüchtlinge auch potenzielle Fachkräfte sind, eigene hohe Standards festlegen. Eine Halbierung des notwendigen Mindesteinkommens – wie geschehen – hilft hier sicher nicht. Zudem muss eine Verantwortung der Wirtschaft auch dann sichergestellt werden, wenn die mit Nachdruck aus dem Ausland angeforderten Fachkräfte einmal konjunkturbedingt entlassen werden müssen.
Siebtens: Gibt es einen qualifizier- und quantifizierbaren Zusammenhang zwischen zu hohen Anforderungen im Alltag, Qualifikationen und persönlicher Flexibilität des Arbeitnehmers auf der einen und der Wahrnehmung des Unternehmens für einen Mangel auf der anderen Seite? Ist es – überspitzt formuliert – akzeptabel, von „Mangel“ zu sprechen, wenn eine Stelle nicht innerhalb einer Woche mit einem jungen Hochschulabsolventen mit Prädikat „Examen“ besetzt werden kann, der Berufserfahrung mitbringt, drei Sprachen fließend spricht sowie zeitlich und örtlich flexibel ist und versichert, so bald keine Kinder bekommen zu wollen?
Achtens: Welche Kriterien würden junge Fachkräfte in Sachsen halten? Welche Rolle spielen Übernahmegarantien, Wohnraumlösungen, Betriebskindergärten etc.?
Meine Damen und Herren, mit der Fachkräftestrategie 2030 hat die Sächsische Staatsregierung einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der vieles richtig, aber viel zu abstrakt analysiert und leider auch vieles vergisst. Zudem sind die vorgeschlagenen Organe leider fast ausnahmslos staatlich organisiert. Der Staat kann aber nur bedingt Beschäftigung schaffen. Um aber tatsächlich wirksame Maßnahmen einleiten zu können, bedarf es erst einmal einer fundierten Analyse. Man kann keine korrekte Antwort geben, wenn die Frage nicht hinreichend präzise gestellt ist. Die beantragte Kommission soll dabei helfen, diese fundierte Analyse zu erarbeiten.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege von der AfD, Sie hatten eben gesagt, dass das hier flache Redebeiträge waren. Ich würde eher Ihren Antrag so bezeichnen, da dieser ziemlich flach war. Allein, wenn ich mir die Fragen 1 bis 8 anschaue – Sie sind kurz darauf eingegangen –, muss ich Sie fragen: Sie wollen den Firmen doch nicht im
Ernst vorschreiben – mit der Frage 5 zum Beispiel: Welche Maßnahmen müssten Firmen ergreifen, um attraktiv zu werden? –, sie müssten Betriebskindergärten einrichten, vielleicht BA-Studenten anstellen, das Programm 50plus, das es in der Vergangenheit gab, in ihrem Unternehmen umsetzen etc? Das kann es ja wohl nicht sein. Fragen Sie bitte Ihre Kollegin Grimm, die erfolgreiche Bus- und Fuhrunternehmerin ist, wie ich mir habe sagen lassen, ob Sie ihr auch vorschreiben wollen, wie sie unternehmerisch tätig zu werden hat; das ist ja durchaus möglich.
Ich komme noch einmal zurück auf den Redebeitrag meines Kollegen Alexander Krauß. Sie reden hier von Mangel. Wir haben keinen Mangel, sondern einen erhöhten Bedarf. Und warum haben wir den erhöhten Bedarf? Weil unsere Wirtschaftspolitik, die wir hier in Sachsen gemacht haben, jetzt greift. Es hat etwas länger gedauert, aber es greift. Wir haben die Wirtschaft unterstützt. Wir haben in den letzten 25 Jahren zum Beispiel mit der GAFörderung gute Wirtschaftspolitik gemacht, um das Tohuwabohu, das 1989 hier vorgefunden wurde, abzubauen.
Wir haben fleißige und kluge Unternehmer gehabt, die gesagt haben: Jawohl, wir machen das, wir wollen hier etwas verändern, wir behaupten uns auf dem Markt. Dass Sachsen jetzt eine Exportquote von über 60 % hat, ist nicht vom Himmel gefallen, sondern das waren die Unternehmer, das waren die Arbeitnehmer, die in den Firmen gearbeitet haben. Jetzt ernten wir die Früchte unserer Förderung, unseres unternehmerischen Erfolges und des Fleißes der Arbeitnehmer, die in den einzelnen Firmen arbeiten. Das sind die Ergebnisse.
Da können Sie weiß Gott nicht sagen, dass es hier einen Mangel gebe, sondern es gibt einen erhöhten Bedarf. Und das sage ich Ihnen auch: Wir haben das in den Doppelhaushalt 2015/2016 deutlich hineingeschrieben. Lesen Sie nur einmal den Vorspann auf Seite 9: Insbesondere für die Arbeitsmarktförderung und für die Fachkräfteallianz werden 7,5 Millionen Euro im Jahr 2015 und circa 8,5 Millionen Euro mehr Landesmittel eingesetzt als in den Jahren zuvor. Ich rede jetzt noch gar nicht von dem Meisterbonus: Der Vorschlag der Koalitionsfraktionen, dafür noch einmal eine Million Euro extra mit aufzunehmen, wurde letztendlich auch durch den Landtag bestätigt.
Was brauchen wir für die Zukunft? Wir brauchen nicht solche Anträge, wie Sie sie hier formuliert haben, die in sich auch gar nicht stimmig sind. Die vordergründige Aufgabe der Fachkräftesicherung wird weiterhin bei den Unternehmen zu realisieren sein. Denn wenn der Staat das macht, wird es meistens falsch.
Wenn Sie hier eine solche Kommission bilden wollen, dann darf ich Sie einmal daran erinnern, dass Sie als AfD angetreten sind, um gegen die Bürokratie vorzugehen. Dann fragen Sie mal Ihren Bundesvorsitzenden, Herrn
Lucke, oder auch Ihren ausgeschiedenen Herrn Henkel, was die beiden vor einem halben oder einem Dreivierteljahr gesagt haben.
Wir bleiben bei der dualen Ausbildung. Wir bleiben dabei, dass der Fachkräftebedarf weiterhin in der Verantwortung der Unternehmen bleibt. Wir bleiben dabei, dass jeder Arbeitgeber selbst dafür verantwortlich ist, an seiner Attraktivität zu arbeiten. Das ist unser Ziel, das ist unser Anspruch an Wirtschaftspolitik. Es gibt viele Möglichkeiten, wie man attraktiv werden kann. Da rede ich nicht nur von geldwerten Vorteilen, Betriebskindergartenplätzen oder sonstigen Vergünstigungen, sondern ich rede auch von einem Unternehmertum, das, ausgerüstet mit Sozialkompetenz, seine Firmen leitet. Wir werden uns daher nicht über Prognosen unterhalten müssen, die ständig von Ihnen hinterfragt werden, sondern wir werden die Entwicklung in Sachsen mit einer guten Wirtschaftspolitik weiter begleiten. Dazu ist Ihr Antrag sicherlich nicht sehr hilfreich.
Gibt es vonseiten der Fraktionen weiteren Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich jetzt den Herrn Staatsminister, das Wort zu nehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ja nun mindestens zwei Möglichkeiten, Ihren Antrag zu bewerten. Die eine Möglichkeit ist, bei einem so wichtigen Thema gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Die andere Möglichkeit ist, sich darüber zu ärgern. Ich habe mich über Ihren Antrag geärgert. Das Thema ist zu wichtig, als dass man hier einen so undifferenzierten Antrag stellen kann.
Entweder kümmern Sie sich um das Thema – dann bitte auch fachlich. Dann kümmern Sie sich auch um die Differenzierungen, die die Vorrednerinnen und Vorredner schon angesprochen haben. Oder geht es Ihnen nur darum – was Sie selbst kritisiert haben –, auf ein Thema zu setzen, das gerade in Mode ist? Aber das ist kein Modethema. Sie kritisieren selbst, dass Zeitungen den Begriff sozusagen benutzen, ohne ihn zu hinterfragen.
Wir haben in Sachsen einen erhöhten Fachkräftebedarf. Er wird von Branche zu Branche unterschiedlich bewertet werden. Jetzt stellt sich doch die Frage: Was ist zu tun? Wir müssen die duale Ausbildung stärken, und zwar
qualitativ. Wir haben ja kein quantitatives Problem, sondern die Frage ist, wie wir eine neue Wertschätzung gegenüber der dualen Ausbildung herbeibringen können, um gerade jungen Leuten klarzumachen: Wenn sie eine Ausbildung machen, dann können sie ihr Leben meistern, dann können sie Karriere machen, können sich und ihre Familie ernähren. Sie haben eine Vielfalt an Berufsbildern vor sich. Mit einer dualen Ausbildung können sie tatsächlich etwas erreichen und nicht nur einem Ideal hinterherrennen, das in Deutschland so gerne produziert wird: dass nur eine akademische Ausbildung etwas wert ist. Deshalb: Stärkung der dualen Ausbildung.
Es geht darum, auch das Reservoir zu nutzen, das wir haben: leistungsschwache Schülerinnen und Schüler, den Anteil von Frauen erhöhen und auch diejenigen berücksichtigen, die als Langzeitarbeitslose vielleicht zu schnell abgestempelt werden. Wir haben viel zu tun bei der Weiterbildung und Qualifizierung. Wir haben auch die Verantwortung, die Zuwanderung zu nutzen, um unseren Fachkräftebedarf zu decken. Das alles gehört zusammen.
Da warten wir nicht darauf, dass Ihre Expertenkommission nach ein paar Jahren einmal ein Ergebnis liefert. Jetzt müssen wir etwas tun. Das ist unser Unterschied: Sie wollen ein riesengroßes Bürokratiemonster aufbauen, wir wollen Bürokratie abbauen. Sie wollen jetzt Statistiken erheben.
Wir haben keine Zeit, sondern wir sind dabei, darüber zu reden, was die richtigen Antworten sind, um zu handeln – nicht wir allein, sondern zusammen mit Expertinnen und Experten. Die wollen wir nicht für Statistiken nutzen, sondern für Lösungen. Expertinnen und Experten sind auch Unternehmerinnen und Unternehmer, Gewerkschaften, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und natürlich eben auch die Politik. Deshalb gibt es eine Fachkräfteallianz. Das ist die konkrete Antwort, die wir geben, und nicht das, was Sie uns hier vorschlagen: eine Expertenkommission, die in ein paar Jahren angeblich zielgenau irgendwelche Ergebnisse bringen soll.
Wenn ich mir Ihren Antrag durchlese, dann frage ich mich auch: Wenn man das konsequent weiterdenkt, vor allem Ihren nationalen Wirtschaftsansatz, den Sie heute ja zum zweiten Mal gebracht haben, was wollen Sie mit den Ergebnissen Ihrer Statistik dann eigentlich erreichen? Sollen dann als Nächstes Gesetze kommen, die bestimmen, wie viele Kinder eine Familie zu gebären hat?
Wollen Sie dann als Nächstes strukturieren, welche Kinder welche Ausbildungsberufe nehmen sollen? Wollen Sie vorschreiben, welche Kinder auf welche Schulen gehen sollen?
Was ist denn eigentlich die Konsequenz, was ist die Logik, die bei Ihnen dahintersteckt, wenn es darum geht,
eine Analyse, eine Statistik zu erfassen? Wir setzen auf einen anderen Weg, nämlich darauf, die Trends zu beschreiben, die wir sozusagen hochrechnen –