Protokoll der Sitzung vom 11.06.2015

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD – Beifall der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Nun folgt die SPD-Fraktion. Herr Abg. Winkler, Sie haben das Wort; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sicherlich werde ich einiges wiederholen, was Kollege Fischer bereits erwähnt hat. In diesem Fall ist es dennoch sehr wichtig.

Die Absatzförderung von Agrarprodukten zielt natürlich darauf ab, unsere sächsischen Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft zu stärken. Aus der Sicht der Konsumenten werden regionale Produkte immer wichtiger. Die Menschen möchten nicht nur wissen, was sie essen, sondern auch, woher ihr Essen kommt. Für viele Menschen sind regionale Labels genauso wichtig wie das Label Bio. Daher besteht vor allem das Bedürfnis nach einer nachhaltigen Lebensweise, aber auch die Sicherheit, dass der Joghurt nicht erst Tausende Kilometer durch Europa gekutscht wurde, im Vordergrund. Dahinter steht

vor allem eine Verbundenheit zur Region und das größere Vertrauen in die Qualität der Produkte bei Landwirten und Erzeugern vor Ort. Natürlich kann sich der Käufer von regionalen Produkten sicher sein, dass er frische Produkte kauft.

Bei der Absatzförderung geht es um Transparenz und Verbraucherinformation. Die geförderten Maßnahmen sollen grundsätzlich darauf abzielen, die Verbraucher zu informieren. Stärker als bisher erhoffen sich die Koalitionspartner eine Sensibilisierung der sächsischen Konsumenten für die heimischen und saisonalen Produkte, die in jeder sächsischen Region verfügbar sind und vor allem in sehr hoher Qualität angeboten und verarbeitet werden.

Mit unserem gemeinsamen Antrag möchten wir eine Evaluierung der Absatzförderung und die regelmäßige Verbesserung der Strukturen im Bereich der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie die Förderung und Entwicklung neuer Absatzmöglichkeiten und letztendlich, das wurde bereits gesagt, die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum erreichen.

Bei den Akteuren der Branche fehlt es mit Blick auf die Vermarktung oft an Wissen, Professionalität und vor allem an Vernetzung und Kooperation. Das jedenfalls ist das Ergebnis einer Bedarfs-, Potenzial- und Machbarkeitsstudie zur regionalen Vermarktung sächsischer Produkte.

Diese Studie wurde vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau im letzten Jahr angefertigt. Als ein zentraler Punkt stellte sich in dieser Analyse heraus, dass Sachsen zwar ausreichend regionale Rohstoffe produziert, diese allerdings nicht ihren Weg zu den sächsischen Verarbeitern und Abnehmern finden. Das bedeutet, an dieser Stelle muss viel mehr in Strukturen der Wissensvermittlung, Qualifizierung und Vernetzung investiert werden.

Das gilt auch für den ökologischen Landbau, dessen Stärkung uns an dieser Stelle genauso wichtig ist. Eine Auswertung des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie aus dem Jahr 2013 zu den ökoverarbeitenden Strukturen in Sachsen kam zu dem Schluss, dass die Bereitschaft der Landwirte zur Betriebsumstellung eher zurückhaltend ist. Als wesentlicher Grund werden fehlende Ökovermarktungsstrukturen in Sachsen angegeben.

Zwar setzten gut zwei Drittel der Unternehmen ihre Produkte in Sachsen ab, jedoch hauptsächlich in den Städten. Da die Betriebe jedoch oft sehr klein strukturiert sind, fehlen häufig personelle, finanzielle und strukturelle Kooperationsmöglichkeiten. Überhaupt wird sich die Ausrichtung der Absatzförderung in den nächsten Jahren auf die Themen Verbraucherinformation, Regionalität, Nachhaltigkeit und Natürlichkeit konzentrieren müssen, auch aufgrund des zunehmenden ökologischen Landbaus.

Ein Absatzmarkt – das hat Kollege Fischer schon herausgestellt – birgt in besonderer Weise ein hohes Potenzial:

die Gastronomiewirtschaft, vor allem in Verbindung mit dem Tourismus.

(Beifall des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

Regionale Besonderheiten und Spezialitäten werden für Naherholungs- und Fremdenverkehrsregionen immer wichtiger, um – das ist auch deutlich – sich von gleichförmigen und austauschbaren Massenprodukten abzusetzen und die Besonderheiten des eigenen Gebiets hervorzuheben. Oder wie es in unserem Antrag formuliert wird: „Regionale und saisonale Produkte sind die geschmackliche Visitenkarte unseres Freistaats für unsere Gäste.“

Hier haben auf der einen Seite die Gastronomen zu wenige Kenntnisse über regionale Produkte, auf der anderen Seite müssen sich auch die Erzeuger auf die Gastronomen einstellen. Das heißt, sie müssen wissen, wie viel gebraucht wird und zu welchem Preis. Das gilt für alle Erzeuger einschließlich des ökologischen Landbaus.

Meine Damen und Herren! Das regionale Agrarmarketing ist mit einem sehr überschaubaren Mitteileinsatz ein wirkungsvolles Instrument. Hierzu zählen zum Beispiel Projekte zur Förderung von Messebeteiligungen und Ausstellungen. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass gerade kleine und mittlere Betriebe und Unternehmen ohne diese Beteiligungsmöglichkeiten nicht in der Lage gewesen wären, sich im Wettbewerb positiv zu behaupten.

Wir kennen die Kritiker dieser Förderpolitik und auch die kritischen Hinweise einzelner Rechnungshöfe. Natürlich liegt die Qualitäts- und Absatzförderung im Interesse der Produzenten. Sie ist allerdings nicht Aufgabe der Wirtschaft allein. Es liegt auch im Interesse eines Landes, originäre Imagewerbung für den hiesigen Agrar- und Ernährungsbereich zu betreiben. Daher wäre es ein wesentlicher Wettbewerbsnachteil für das Land und die Betriebe, wenn diese Fördermöglichkeiten künftig vernachlässigt und nicht weiter intensiviert würden.

In einigen Bundesländern – auch das ist schon erwähnt worden, mehr indirekt als direkt –, zum Beispiel in Bayern und Thüringen, aber auch in Schleswig-Holstein, gibt es Gütezeichen und Gütesiegel. Es handelt sich dabei um eine Zusatzkennzeichnung der damit ausgezeichneten Produkte auf freiwilliger Grundlage. Sie steht gleichermaßen für Qualität und Herkunft. Ich denke, es ist an der Zeit, Ähnliches auch in Sachsen einzuführen.

Für die kleine und mittelständisch organisierte sächsische Ernährungswirtschaft spielt Sachsen als Absatzmarkt eine besondere Rolle, aber für größere Unternehmen reicht das nicht. Ein weiteres Ziel des Antrags ist die bessere Marktpositionierung auch auf Märkten außerhalb von Sachsen und Deutschland. Die Absatzförderung sächsischer Agrarprodukte und von Produkten der Ernährungswirtschaft soll die Wertschätzung für die „Marke Sachsen“ im In- und Ausland auf allen Marktstufen verbessern und in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft die entsprechenden organisatorischen Strukturen schaffen, um den

Absatz sächsischer Agrarprodukte und Lebensmittel im In- und Ausland weiter zu steigern.

Eine Förderung regionaler Produktion und Vermarktung ist eine wesentliche Strategie für eine nachhaltige Entwicklung. Die Stärkung regionaler Wirtschaftsstrukturen bedeutet vor allem eines: kurze Wege vom Erzeuger zum Verbraucher. Durch regionale Märkte wird die heimische Wirtschaft gefördert. Produktion, Wertschöpfung und Arbeitsplätze bleiben in der Region.

Werte Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir zum Abschluss noch eine Bemerkung. Es gibt in weiten Teilen unserer Bevölkerung eine grundsätzlich positive Grundstimmung gegenüber unserer Land- und Ernährungswirtschaft. Diese positive Grundstimmung gilt es zu erhalten und besser auszunutzen. Vor allem sollte aber vermieden werden, diese positive Grundstimmung negativ zu beeinflussen – durch Verteufelungspolitik und das Verallgemeinern einzelner negativer Erscheinungen und Ereignisse. Auch das ist Absatzförderung – die gelebte Absatzförderung sächsischer Agrarprodukte, die nicht einmal etwas kostet.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Staatsministers Martin Dulig)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Kagelmann. Bitte sehr, Frau Kagelmann, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Werte Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst zwei Vorbemerkungen.

Nach einem bekannten SPD-Politbarden soll Opposition ja Mist sein. Da ist sicherlich etwas dran. Aber wenn ich mir Ihren Antrag so ansehe, sehr geehrte Kollegen von CDU und SPD, dann scheint Regierung ja auch nicht amüsanter zu sein, wenn man als Koalitionsfraktionen verkrampft so tun muss, als treibe man die eigene Regierung mit innovativen Impulsen vor sich her.

(Heiterkeit bei der AfD)

Dazu fehlt es in dem konkreten Antrag schlicht an Impulsen, was bei einem langweilig-braven Berichtsantrag nicht sonderlich verwunderlich ist.

(Sebastian Fischer, CDU: Da stehen Handlungsansätze!)

Zweitens: Ich gehöre ja gerade nicht zu denjenigen, die einer stärkeren Exportorientierung der sächsischen Landwirtschaft das Wort reden wollen. Aber dass Handelssanktionen im Allgemeinen ein äußerst umstrittenes Instrument sind und die gegen Russland im Besonderen gerade auch den Produktabsatz sächsischer Bauern treffen würden, war zu erwarten. An den Russlandsanktionen bewahrheitet sich die alte Volksweisheit: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt in der Regel selbst hinein.

(Demonstrativer Beifall bei der AfD)

Zum Antrag selbst: Die gefühlte Richtung der Stichworte stimmt erst einmal: regional und saisonal, Absatzförderung und Ökolandbau, Analyse von Organisationsstrukturen. Zu Teil 1 des Antrags werden wir die Daten dann vermutlich aus den statistischen Jahresberichten vorgelegt bekommen. Die in Teil 2 geforderte Konzeption kann im Wesentlichen dem Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum entnommen werden. Aber gut, seien wir gespannt, was noch so kommen wird.

Um nicht missverstanden zu werden: Es ist gut, sich um Meißner Fummel, Lausitzer Leinöl und Dresdner Christstollen zu kümmern, um die in dem Antrag aufgemachte Produktpalette noch zu erweitern. Freilich sollte die in der Begründung erwähnte geschmackliche Visitenkarte für unsere Gäste aus sächsischen Produkten hergestellt werden.

Aber wenn man schon von Absatzförderung spricht, was ist dann mit der fast schon peinlichen, weil fortgesetzten Absage der Staatsregierung an ein inzwischen noch höher gefördertes europäisches Schulfruchtprogramm?

(Sebastian Fischer, CDU: Ah, jetzt!)

Wie sieht es mit der Schulmilchversorgung aus? Wie wäre es mit einer Initiative zur flächendeckenden Einrichtung von Schulküchen, in denen regionale Produkte ansässiger Landwirtschaftsbetriebe saisonal, am besten unter Einbindung von Schülerinnen und Schülern, zu einem leckeren, frischen Speisenangebot verarbeitet werden? Nachhaltiger kann regionale Absatzförderung nicht sein; denn wenn Kinder erleben, wie lecker Essen schmecken kann, das nicht aus der Tiefkühltruhe kommt oder stundenlang totgekocht, warmgehalten und breitgefahren wurde, und wie viel Spaß das gemeinsame Kochen außerdem noch machen kann, dann prägt man Ernährungs- und Verbrauchergewohnheiten der Zukunft. Das nenne ich Sensibilisierung sächsischer Konsumenten.

Kommen Sie mir jetzt nicht wieder reflexartig mit dem Abwehrargument der alleinigen Erziehungsverantwortung der Eltern. Schauen Sie sich einfach die Untersuchungen zur Zunahme von Adipositas und Fehlernährung bei Kindern an. Bewerten Sie die Zusammenhänge zwischen Übergewicht und sozialem Status und überschlagen Sie dann die künftigen gesellschaftlichen Aufwendungen für die Folgeerkrankungen.

So betrachtet, dürfte Schulküche wesentlich preiswerter ausfallen. Und dennoch: Neben dieser eher kleinteiligen, aber nicht kleinkarierten Sichtweise darf man nicht den Blick für eine langfristig tragfähige Produktions- und Absatzperspektive für die gesamte Landwirtschaft verlieren. Da muss man an die grundsätzlichen Probleme landwirtschaftlicher Produktion in Deutschland und Sachsen heran. Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass knapp 60 % der landwirtschaftlichen Flächen bundesweit für den Anbau von Futtermitteln beansprucht werden und deshalb Flächen für die direkte Erzeugung von Ernährungsgütern im Inland fehlen.

(Frank Kupfer, CDU: Das war früher nicht anders. Die Pferde brauchten auch Hafer!)

Unsere Überschüsse, insbesondere bei Milch und Fleisch, werden also nur aufgrund der Inanspruchnahme von landwirtschaftlicher Fläche in erheblichem Umfang im Ausland realisiert. Allein Sojabohnen wurden außerhalb Deutschlands in einem Umfang von 1,3 Millionen Hektar für den bundesdeutschen Verbrauch angebaut. Zum Vergleich: Sachsen hat insgesamt eine landwirtschaftlich nutzbare Fläche von etwa 900 000 Hektar. Da läuft etwas verkehrt. Aktuell bleiben in Sachsen nur etwa 4 % der Ackerfläche, die für den Anbau von Hülsen- und Hackfrüchten, sonstigem Gemüse und Gartengewächsen genutzt werden können. Das erklärt unter anderem den dürftigen Selbstversorgungsgrad mit heimischem Gemüse und Obst.

(Frank Kupfer, CDU, steht am Mikrofon.)

Frau Kagelmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Kupfer, bitte.

Würden Sie mir recht geben, dass es in erster Linie eine unternehmerische Entscheidung ist, welche Früchte der Bauer anbaut?

Da gebe ich Ihnen selbstverständlich recht, Herr Kupfer. Aber der Staat ist ja gerade dazu da – und genau darüber wollen wir heute sprechen –, geeignete Instrumente zu finden, um den Unternehmen die Entscheidung in die eine oder andere Richtung zu erleichtern.

(Beifall bei den LINKEN)

Das nennt man im Übrigen lenkende Politik, und dazu sind wir eigentlich alle hier.

Ich komme zurück auf den dürftigen Selbstversorgungsgrad, und da sind wir dann auch schon bei meinem Beispiel vom Lausitzer Leinöl. Das wird es nämlich bald nicht mehr geben, wenn sich nichts tut.