Protokoll der Sitzung vom 08.07.2015

Ich finde nicht, dass das etwas mit dem Ethos als Landtagsabgeordneter zu tun hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Das war eine Kurzintervention von Frau Zais. Jetzt wäre eine Reaktion von Kollegen Fischer möglich. Möchte er diese wahrnehmen? – Das kann ich nicht erkennen.

Jetzt führen wir die dritte Runde fort. Möchten aus den Fraktionen weitere Redner das Wort ergreifen? – Kollege Barth hatte schon angekündigt, dass er noch einige Ausführungen machen möchte. Ich frage aber zunächst die SPD-Fraktion, ob noch Redebedarf besteht. – Das ist nicht der Fall. Die Fraktion DIE LINKE? – Auch nicht. Dann ergreift jetzt für die AfD-Fraktion Kollege Barth das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Weiter: tagelange Proteste vor der Erstaufnahmeeinrichtung „Leonardo-Hotel“. Ein Demonstrationstourismus der Flüchtlingsunterstützungsfraktionen – –

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Frechheit! – Valentin Lippmann, GRÜNE: Das ist eine Dreistigkeit!)

Ein lange ausgebliebenes Gesprächsangebot der Stadt Freital fand am letzten Montag statt. Mehr als 380 Freitaler diskutierten in aufgeladener Stimmung mit dem Innenminister. Antworten blieben teilweise aus. Um eine wirklich sachorientierte Auseinandersetzung zu führen, müssen wir die Bürgerinnen und Bürger wirklich ernst nehmen und uns fragen, warum sie Bedenken haben,

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Bedenken?)

wenn Asylbewerber in Ihrer Nähe untergebracht werden.

Ein weiterer Teil des Antrages lautet: „Gewalt und Fremdenfeindlichkeit entschieden bekämpfen.“ Meine Damen und Herren! Ja, es gibt Gewalt und Übergriffe gegen Asylbewerber und Flüchtlinge. Dies will niemand in diesem Hohen Hause bestreiten.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aha!)

Ein weitgehend verschwiegener Aspekt in dieser Debatte ist jedoch die Gewalt zwischen Asylbewerbern in den Aufnahmeeinrichtungen. Meine Damen und Herren, einige Beispiele dazu: In Schmiedeberg werden Eritreer von Tunesiern und Marokkanern aus dem Fenster geworfen. Im Landkreis Meißen weigern sich einige Asylbewerber in den Einrichtungen, die Barleistungen am Auszahlungstag in Empfang zu nehmen. Der Grund: Sie werden von anderen Asylbewerbern bedroht, um die Herausgabe des Geldes an andere Asylbewerber zu erzwingen. Massenschlägereien in Chemnitz und in Schmiedeberg spielten in anderen Diskussionsbeiträgen am heutigen Tag bereits eine Rolle.

Es gibt einen weiteren Aspekt in dieser Debatte: Das ist die Gewalt durch Asylbewerber außerhalb der Heime und Aufnahmeeinrichtungen. Ich möchte einen besonders transparenten Fall herausgreifen. Zwei Schülerinnen wurden auf dem Schulweg im Bus von Schmiedeberg nach Dippoldiswalde sexuell durch Asylbewerber belästigt. Die helfenden Mitschüler wurden von den Asylbewerbern angegriffen. Eltern hatten in der Folgezeit Angst, ihre Kinder unbegleitet auf den Schulweg zu schicken.

Meine Damen und Herren! Was der Bevölkerung sauer aufstößt, ist der massive Missbrauch des Asylrechts und die mittlerweile zu lasche Abschiebungspraxis bei abgelehnten Asylbewerbern.

(Beifall bei der AfD)

Über 98 % der Asylbewerber sind nicht asylberechtigt, weitere 28 % der Asylbewerber sind bleibeberechtigt. Alle anderen müssen konsequenter abgeschoben werden. 2 113 ausreisepflichtig abgelehnte Asylbewerber leben in Sachsen. Die Anzahl der Abschiebungen reduzierte sich 2014 zu 2013 von 1 230 auf 1 037, obwohl die Zahl der Asylbewerber stark angestiegen ist. Herr Minister, es bleibt zu hoffen, dass das Pilotprojekt „Rückführung“ die

angekündigt verstärkte Ausreise abgelehnter Asylbewerber besser garantieren wird.

Die Redezeit!

Meine Damen und Herren, ich danke recht herzlich.

(Beifall bei der AfD)

Das war Herr Barth für die AfD-Fraktion. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Die CDU-Fraktion eröffnet eine vierte Rednerrunde. Bitte, Kollege Hartmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, wir stehen auch vor der Herausforderung mit Menschen umzugehen, die in unser Land kommen, unseren Kulturkreis nicht kennen und bestimmte Regeln vielleicht am Anfang nicht verstehen. Deshalb bedarf es Maßnahmen von Integration. Ja, es gibt auch Asylbewerber, die sich nicht an unseren Rechtsrahmen halten, straffällig werden und zum Teil intensiv straffällig werden. Dagegen gilt es konsequent vorzugehen und die Straftaten zu ahnden. In Sachsen sind es aktuell 499 Intensivstraftäter.

Nein, wir haben keine überdimensionale Ausländerkriminalität, wenn wir sie ins Verhältnis setzen. Es ist wie in unserer eigenen Gesellschaft auch: Es ist ein kleiner Teil, der sich nicht an die Regeln hält, der gewalttätig ist, der Intensivstraftaten begeht, zum Teil auch Drogenhandel betreibt, und zwar in unakzeptabler Weise wie am Dresdner Hauptbahnhof. Ja, es sind auch ausländische Straftäter, zum Teil Asylsuchende, beteiligt.

Aber damit eine Pauschalität über alle zu ziehen ist unverantwortlich. Ich denke, es bedarf der Differenzierung, wie es, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch bei der Frage von Angriffen und Übergriffen auf Asylsuchende oder Einrichtungen einer Differenzierung bedarf. Ich finde es schon sehr bedauerlich, wenn wir aufgrund von Einzeltaten, die alle nicht hinnehmbar sind, in eine Pauschalkritik hineingeraten und der Eindruck vermittelt wird, dass ganz Sachsen aus Rassisten und Ausländerfeinden bestehe und wir hier ein riesengroßes nationalsozialistisches Kernproblem hätten.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sowohl die Pauschalisierung von Ausländern und straffälligen Kriminellen als auch die Pauschalisierung Sachsens als ein Land von fremdenfeindlichen Dummköpfen wird dem Thema nicht gerecht. Insofern sind beide Seiten gefragt, ein differenziertes Bild zu bringen.

Den letzten Teil meiner Redezeit möchte ich dazu nutzen, eines deutlich zu machen und Frau Zais die Antwort nicht schuldig zu bleiben: Die Staatsregierung hat gehandelt. Ich möchte es noch einmal verdeutlichen: vor einer Herausforderung, die heißt, täglich 130 bis 150 Asylsuchende in unserem Land pro Tag – pro Tag! – unterzu

bringen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, stellt jede Gesellschaft, jede Verwaltung und jeden von uns vor große Herausforderungen. Angesichts dessen ist es billig, einfach so zu tun, als bestünden dort Probleme, die inakzeptabel seien – es sind vielmehr Verständnis und Unterstützung gefragt: 130 bis 150 Asylsuchende pro Tag!

Sie haben einen Anspruch darauf, untergebracht zu werden, und zwar zu vernünftigen Rahmenbedingungen. 130 pro Tag! Das heißt nicht, dass wir jene, die schon hier sind, jeden Tag in die Heimat zurückführen. Wir hatten diese Diskussion. Das heißt, es kumuliert sich täglich. Und das müssen Sie in einem Unterbringungskonzept, in der Klärung der Herausforderungen, unterbringen. Sie können beklagen, dass es kurzfristige Unterbringungen gibt. Welche Alternative hätten wir denn? Dass wir wie in den von SPD und GRÜNEN geführten Bundesländern die Menschen in Zelten unterbringen?

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE – Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das ist nicht die Lösung. Ich sage es nicht als Kritik an anderen Bundesländern, sondern ich sage es, um deutlich zu machen, dass alle Bundesländer vor großen Herausforderungen stehen, dass alle Landesregierungen – egal ob sie von CSU, Schwarz-Rot, Schwarz-Grün oder Grün-Rot geführt sind – dieselben Herausforderungen zu lösen haben und dieselben Probleme haben, bis hin zur Unterbringung in Zelt- und Containerstandorten. Aber es bedarf der Fairness miteinander, nicht darüber zu schimpfen, sondern sich dieser Herausforderung insgesamt zu stellen und diesen latenten, kritischen Unterton etwas zurückzunehmen, indem man in den Ländern, in denen man in der Verantwortung steht, zu gleichen oder auch härteren Möglichkeiten greifen muss, weil die Potenziale und Gestaltungsmöglichkeiten abnehmen.

(Beifall bei der CDU)

Diese Staatsregierung wird ihrer Verantwortung gerecht. Sie hat ein Konzept der Unterbringung vorgelegt, das bis 2017 umzusetzen ist. Sie hat sich den bestehenden Herausforderungen mit 5 000 Plätzen gestellt, um gleichzeitig mit 89 neuen Personalstellen, davon 50 Neueinstellungen, noch in diesem Jahr eine bessere Steuerung und Unterstützung dieses Prozesses herbeizuführen und den Justizbereich zu stärken. Das sollte man zur Kenntnis nehmen, bevor man sich in Pauschalkritik ergießt.

Auch die schwarz-rote Bundesregierung und die Mehrheit, die Koalition, im Bundestag hat sich mit der Neuregelung dieser Verantwortung als Bundesgesetzgeber hinsichtlich beider Aspekte gestellt: für eine Stärkung derer, die in besonderen Härtefällen, zum Beispiel Menschenhandel, kommen, langfristig in Deutschland sind und hier eine Perspektive haben, aber auch für ein konsequenteres Handeln auf der anderen Seite.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darüber hinaus hat die Staatsregierung viele Dialoge geführt, mit über 800 Teilnehmern –

Die Redezeit!

– und auch mit Asylbewerbern. Diese Vorwürfe sind einseitig und werden der Sache nicht gerecht. Ich lade Sie ein, gemeinsam mit uns die Verantwortung zu tragen und sich den Herausforderungen des Asylrechts in ganz Sachsen zu stellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Wir sind mitten in der vierten Rederunde. Gibt es aus den Fraktionen heraus weiteren Redebedarf?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Keine Redezeit mehr!)

Ja, die Redezeiten sind für einige Fraktionen knapp bemessen und eine Fraktion hat ihre Redezeit bereits aufgebraucht.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Wie angekündigt, macht unser Ausländerbeauftragter, Kollege Mackenroth, von seinem Rederecht Gebrauch. Er ergreift jetzt das Wort; bitte sehr.

Geert Mackenroth, Sächsischer Ausländerbeauftragter/Integrationsbeauftragter: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Aktuelle Debatte hat das mit Abstand wichtigste innenpolitische Thema zum Gegenstand, und das ist gut so.

Ich sage gleich zu Beginn deutlich: Beim Thema Asyl und Aufnahme von Flüchtlingen sind parteipolitische Polemik und Populismus, von welcher Seite auch immer, völlig fehl am Platz. Ich sehe uns alle als Abgeordnete in der besonderen Pflicht, Haltung zu zeigen sowie offensiv und selbstbewusst mit Vorurteilen aufzuräumen – von Brüssel über Berlin und Dresden, bis in die kleinste Ortschaft unseres Freistaates.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Wenn ich mich heute in Europa umschaue, so vermisse ich schmerzlich die viel beschworene europäische Solidarität. Ich stelle fest, dass nur einige wenige Mitgliedsländer drei Viertel aller Flüchtlinge in der EU aufnehmen. Die gemeinsame Wertegemeinschaft scheint mir in Unordnung, denn nur in einem gesamteuropäischen Kontext lässt sich eine dauerhafte Lösung zur Bewältigung der weiterhin wachsenden Flüchtlingsströme finden.

Bis das passiert, müssen sich der Bund und auch unser Freistaat auf weiterhin stark wachsende Antragszahlen einstellen. Die langen Bearbeitungszeiten – über 200 000 offene Verfahren beim BAMF – sind für alle Beteiligten kaum zu bewältigen. Die Besetzung der kürzlich zusätzlich bewilligten Stellen muss schnellstmöglich erfolgen, damit zeitnah entschieden werden kann.

Unser Grundgesetz garantiert, dass im Falle eines Asylantrages jeder Einzelfall sorgfältig geprüft wird. Dies gilt