Ich finde es nicht verkehrt, wenn Mitglieder des Landtages oder in dem Fall Mitglieder des Kreistages vor Ort gehen, um sich selbst ein Bild zu machen, um letztendlich nicht auf Hörensagen angewiesen zu sein.
Das war eine Kurzintervention. Soll auf diese Kurzintervention erneut regagiert werden, Herr Kollege Panter? – Nein. Dann geht es weiter in der Rednerreihe. Für die AfD-Fraktion ergreift jetzt Frau Kollegin Dr. Petry das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich darum bitten, dass, wenn die Kollegen der verschiedenen Fraktionen Fragen und Gesprächsbedarf haben, miteinander reden. Sie wissen, wir hatten Sie schon einmal zu einem Gespräch eingeladen. Sie haben es noch nicht einmal für nötig befunden, einen Termin zu machen. Also regen Sie sich darüber nicht auf.
(Unruhe im Saal – Dirk Panter, SPD: Immer irgendwelche Behauptungen in die Welt setzen! – Dr. Stefan Dreher, AfD: Das ist dummes Gerede da drüben!)
25 Jahre nach der Wende hat Sachsen einen gewaltigen Weg zurückgelegt. Trotzdem müssen wir konstatieren, dass das wirtschaftliche Niveau unseres Freistaates, wie ich es gestern schon ausführte, erst das Niveau der Bundesländer Saarland und Bremen erreicht hat. Das kann uns nicht glücklich machen, auch wenn wir auf den zurückgelegten Weg stolz sein können. Es zeigt aber gerade beim wirtschaftlichen Aufbau und bei der Aufholjagd, dass es uns nach wie vor an wegweisenden strategischen Konzepten fehlt. Der Länderfinanzausgleich der 25 Jahre zeigt uns ebenso, dass wir immer noch erheblich abhängig von finanziellen Transfers der stärkeren Bundesländer sind. Hier muss unsere gesamte Energie hineingesteckt werden, damit Sachsen möglichst bald an dieser Stelle unabhängiger wird und eigenes Steueraufkommen erwirtschaften kann, das unseren Freistaat stark macht.
Wir wissen, dass Sachsens Wirtschaft viel zu kleinteilig ist, und wir wissen, dass Unternehmer nur eines wollen: unabhängig sein von staatlichen Transfers, unabhängig auch in ihrer eigenen Entscheidung. Deshalb müssen wir in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass der immer noch undurchsichtige Förderdschungel vereinfacht wird und dass durch geförderten Transfer von Wissen aus Forschung und Entwicklung vor allen Dingen in die klein- und mittelständische Wirtschaft erreicht wird, dass der Mittelstand wächst und sich mit dem Mittelstand in anderen Bundesländern noch viel besser messen kann als bisher. Das gilt insbesondere auch für die Exportindustrie.
Manchmal habe ich den Eindruck, bei den Regierungserklärungen unseres Ministerpräsidenten – – Ich würde mir an dieser Stelle vor allen Dingen eine von Herrn Dulig wünschen, nämlich eine dazu, wie er die sächsische Wirtschaft für die Zukunft aufstellen will. Das wird übrigens auch aus der Wirtschaft dringend erwartet, schon seit Langem. Manchmal hat man den Eindruck, dass wir gern das präsentieren, was wir haben, und dass dabei ein bisschen mehr Schein als Sein eine Rolle spielt, wenn nämlich von den 50 000 Beschäftigten im Silicon Saxony gesprochen wird und wir genau wissen, dass es keine 50 000 Beschäftigten sind, wenn der größte Arbeitgeber Globalfoundries circa 4 000 Mitarbeiter hat. Hier sollten wir ehrlicher miteinander sein; denn werden diese Zahlen aufgedeckt – und das ist nicht sehr schwer –, machen wir uns nicht nur im Bundesvergleich unglaubwürdig.
Wir brauchen hier, gerade was den Ausbau der Halbleiterindustrie angeht, tatsächliche europäische Anstrengungen; denn wir werden es sonst nicht schaffen, uns dauerhaft
von der asiatischen und der amerikanischen Konkurrenz abzuheben. Gerade für unsere Anliegen des Datenschutzes und der eigenwirtschaftlichen Entwicklung in Zeiten von NSA und Industriespionage ist es so notwendig, dass wir unabhängig eigene Kompetenz entwickeln.
(Staatsminister Martin Dulig: In der letzten Plenardebatte wurde von Ihnen noch von nationaler Wirtschaft geredet!)
Das muss miteinander nicht im Widerspruch stehen. Eine starke nationale Wirtschaft in einem Europa der Vaterländer kann durchaus eine große Rolle spielen.
Anstatt also nur Erfolge zu verkünden, denke ich, wäre es gut, einmal Fehler zuzugeben und aus diesen zu lernen.
Was die Energiepolitik angeht, bin ich dankbar für die Ausführungen, dass Strafzahlungen auf Kohleenergieerzeugung verhindert wurden. Dies allerdings mit Klimaschutz zu ummanteln hat immer noch ideologische Züge. Es ist gar nicht notwendig, dies zu tun. Allein das ökonomische Bewusstsein sollte es völlig klar machen, dass wir auf die Braunkohle auch in Zukunft nicht verzichten können.
Nun zu dem Thema, das offensichtlich am allermeisten bewegt, auch wenn es in der Tat nur ein gesellschaftspolitisches Thema ist, das uns bewegen sollte – die Asylpolitik. Wir stehen selbstverständlich für das Recht auf Asyl und für den Schutz von Bürgerkriegs- und Kriegsflüchtlingen. Herr Tillich, ich begrüße Ihre Aussage ausdrücklich, dass es ebenso notwendig ist, die Rechtsbereiche Asylpolitik und Einwanderungspolitik zu trennen. Ich hätte mir die Aussage deutlicher gewünscht. Aber wenn Sie es erkannt haben, dann ist es ein Weg, auf dem man gemeinsam weitergehen sollte.
Nur durch die Trennung von Asylpolitik und Einwanderungspolitik wird es Migranten möglich, auch über andere Wege als über das Asylverfahrensgesetz einzuwandern. Dass wir Einwanderung, qualifizierte Einwanderung brauchen, steht außer Frage.
Allerdings stimme ich Ihnen darin nicht zu, dass wir als Sachsen oder auch als Deutschland nicht definieren können, welche Einwanderung wir brauchen. Das ist ein souveränes Recht eines jeden Staates, und das sollte Deutschland auch wahrnehmen.
Rechtsstaatliche Verfahren sind ebenso eine Selbstverständlichkeit. Als wir jedoch vor einigen Monaten darauf hingewiesen haben, dass wir eine schnellere Abwicklung eben jener Verfahren, mehr Personal in allen möglichen Bereichen, unter anderem auch der Verwaltungsgerichtsbarkeit und bei der BAMF brauchen, wurden diese Anträ
Gestern erfuhren wir, dass die Staatsregierung nun auf diesen Weg geht und Personalaufstockungen plant. Ehrlicher wäre es gewesen, an dieser Stelle der Opposition gegebenenfalls noch einmal zuzustimmen. Wir wissen, dass diese Verfahren immer noch viel zu lange dauern. Im Übrigen nur ein Vergleich: In Griechenland dauert ein aktuelles Asylverfahren tatsächlich nur drei Monate. Bei uns dauert es zehn bis 15 Monate.
Der Wertekanon, auf den wir uns sicherlich alle aus humanistischen oder christlichen Werten verständigen können, kann immer nur ein Teil einer rechtsstaatlichen Ordnung sein. Humanistische und christliche Werte können die Regelkonformität, also das Halten an Recht und Gesetz, nicht ersetzen. Wenn man den Rednern in diesem Hohen Haus zuhört, hat man manchmal den Eindruck, als sei eine Trennung von Rechtsstaatlichkeit und humanistischen Werten möglich. Dabei basieren besonders unsere demokratischen westlichen Gesellschaften darauf, dass beides gilt: Recht und Gesetz und selbstverständlich ein humanistisches christliches Menschenbild.
Wir bejahen, dass Asylbewerber von vornherein Sprachkurse und damit die Möglichkeit erhalten sollen, die deutsche Sprache zu erlernen. Hierfür sind aber wesentlich mehr Anstrengungen möglich. Ich weiß aus eigener Erfahrung von Besuchen in Erstaufnahmeeinrichtungen in Sachsen, dass dies zum Teil nicht ausreichend wahrgenommen wird, weiß aber auch, dass dafür nach wie vor nicht genug Lehrpersonal zur Verfügung steht.
Wenn es um den Missbrauch von Recht geht, habe ich hierzu sehr wunderliche Ausführungen gehört, dass es keinen Rechtsmissbrauch gebe. Herr Gebhardt, Sie sollten sich mit Ihrer Rechtsabteilung in Verbindung setzen. In den §§ 226 und 242 des BGB sind klare Aussagen des Rechtsmissbrauchs geregelt. Vielleicht schauen Sie dort nach, bevor Sie behaupten, es gebe keinen Rechtsmissbrauch.
Was den Rechtsmissbrauch im Rahmen von Asylverfahrensgesetzen angeht, so kann ich persönlich die Menschen verstehen, die in Deutschland einwandern wollen. Sie sehen derzeit keine andere Möglichkeit, als dies über das Asylverfahrensgesetz zu tun. Dies bietet ihnen eine relativ sichere Möglichkeit, in Deutschland zu bleiben, selbst wenn das rechtsstaatliche Asylverfahren abschlägig beschieden wurde. Hier ist vielmehr die Politik zu kritisieren, also die Staatsregierung, aber auch die Bundesregierung. Sie vermeiden es seit Jahren, klare Regeln zur Einwanderung zu schaffen, die attraktiv genug sind für Migranten, für Einwanderungswillige aus aller Welt, um
Ein Satz, Herr Ministerpräsident, hat mich besonders erschreckt. Sie haben gesagt, dass Sie neue sächsische Bürger durch Einwanderung begrüßen. Da fehlte aber etwas. Der Satz war richtig, aber Sie haben kein einziges Mal davon geredet, dass wir in Sachsen auch einen Kindermangel, einen Bevölkerungsmangel haben, den wir selbst wie in ganz Deutschland durch 60 Jahre fehlende Familienpolitik herbeigeführt haben. Hier hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie ein klares Bekenntnis zu mehr Kindern und zu mehr Familienpolitik aussprechen. Das hat komplett in Ihrer Rede gefehlt.
Heute Morgen konnte ich in der Zeitung lesen, dass uns in den kommenden Jahrzehnten in Sachsen über 200 000 Bürger in Summe verloren gehen werden. Wo sind Ihre Ideen für mehr Kinder, für bessere Konzepte zur frühen Familiengründung und natürlich auch zur besseren Vereinbarkeit von Ausbildung oder Studium mit Kindern? Hier muss zusammengearbeitet werden. Die AfD-Fraktion hat dazu bereits Vorschläge gemacht. Wir werden weitere folgen lassen.
In Ihrer Rede haben Sie davon gesprochen, dass wir stolz auf 2 000 offensichtlich gut integrierte ausländische Ärzte sein können. Für diese Individuen und auch für die Menschen, die sie in diesem Land versorgen, mag das zweifelsohne richtig sein. Aber Sie haben es vermissen lassen, die Kehrseite der Medaille zu erwähnen. Erstens müssen wir auch beklagen, dass viele deutsche Mediziner, deutsche Ärzte ins Ausland abwandern, weil sie hier nicht mehr Arbeitsbedingungen vorfinden, für die sie bereit sind zu arbeiten. Zweitens haben Sie völlig unerwähnt gelassen – wenn wir über humanistische Werte sprechen –, dass im gleichen Atemzug in Bulgarien, Rumänien und anderen europäischen Ländern die Gesundheitssysteme zusammenbrechen. Durch diese Art von Politik in Europa sorgen wir dafür, dass die Sozialsysteme in angeblichen Partner- und Freundesstaaten nicht mehr funktionieren. Das kann nicht die richtige Politik sein.
Deshalb fordere ich Sie auf, wenn über Einwanderung und Asyl geredet wird, dass bitte auch über eine Familienpolitik gesprochen wird. Wir können eine Debatte über die Einwanderung nicht ohne eine Debatte über die Familien in diesem Land führen. Ich bin sicher, dass die sächsischen Bürger weiterhin ein positives Bild von der Einwanderung haben werden. Aber dieses kann nicht zulasten einer eigenen Familienpolitik gehen. Auch diese Verantwortung haben wir.