Protokoll der Sitzung vom 09.07.2015

(Beifall bei der AfD)

Nun zum Dialog, der beschworen wurde. Dialog ist wichtig. Ich bin weiterhin der Meinung, dass eine menschlich faire Diskussion dazu führen kann, dass Konzepte, dass Kompromisse entstehen und dass Dialog prinzipiell ein positives Element einer demokratischen Gesellschaft ist. Ich kann nicht verstehen, dass Sie, Herr Ministerpräsident, sagen, dass Sie mit extremistischen Menschen oder mit Menschen, die menschenfeindliche Ansichten vertreten, nicht reden. Sie sagen, dass Sie den Dialog mit Bürgern verweigern, die, auch wenn sie schwierig sind, offensichtlich Ansichten vertreten, die nicht mehr zum demokratischen Konsens passen. Ich glaube, wenn Sie diese Politik verfolgen, dann haben Sie mit einer Ausgrenzungspolitik dieser Art geradezu den Boden für Radikalismus bereitet. Das kann nicht richtig sein.

(Beifall bei der AfD)

Diese Art von Ausgrenzung lehnen wir ab. Man muss mit allen Bürgern sprechen. Auch Frau Merkel kann sich nicht aussuchen, wer ihr Volk ist.

(Unruhe bei den LINKEN)

Natürlich, Sie haben es auch nicht begriffen: Demokratie heißt Dialog. Man muss sich mit allen Bürgern unterhalten, auch wenn sie schwierig sind.

Die Aufgabe von Politikern ist zu überzeugen, aber auch andere Meinungen auszuhalten. Das hat Herr Tillich Gott sei Dank gesagt. Wenn Sie den Dialog abbrechen, dann bereiten Sie geradezu denjenigen einen Weg, die mit radikalen Ideen Bürger einzufangen versuchen. Das ist nicht unser Weg. Das sollte auch nicht Ihr Weg sein, wenn Sie tatsächlich eine Staatsregierung für alle Sachsen sein wollen.

(Beifall bei der AfD)

Noch ein Wort zu Bildung. Wir feiern gern die PisaStudien und das sächsische Bildungssystem. Wir wissen, dass die Staatsregierung Anstrengungen unternimmt, mehr Lehrer einzustellen, auch wenn sie weiterhin große Probleme ausblendet, zum Beispiel das Problem der langen Krankheitsausfälle bei Lehrern. Darüber haben wir weiterhin keine ausreichende Datenlage, weil die Staatsregierung diese verweigert.

Ein großes Thema ist das Thema der Inklusion. Wir haben gehört, dass der Etat dafür um ein Vielfaches vergrößert werden soll. Offensichtlich gibt es einen Aktions- und Maßnahmenplan. Ich kann nur empfehlen, sich mit den betroffenen Lehrern in Verbindung zu setzen; sie vermissen ein Dialogangebot ihrer Staatsregierung. Sie werden dazu nicht gehört. Sie beklagen, dass es zwar Aktionen und Maßnahmen geben mag, aber kein Konzept für eine einzuführende Inklusion. Hier scheint mir ein Konzept noch lange nicht vorzuliegen. Ich erwarte von der Staatsregierung, dass sie hier die betroffenen Schüler, Lehrer und Eltern ausreichend mitnimmt.

(Beifall bei der AfD)

Zuletzt ein Wort zur direkten Demokratie. Ich war erfreut zu hören, dass die Staatsregierung selbst einen Demokratiekongress plant, nachdem wir auch im Mai dieses Jahres einen abgehalten haben. Offensichtlich wird dieses Instrument nun ernst genommen. Schön, dass wir das angestoßen haben. Ich glaube, insgesamt hat die Politik den Auftrag, Bürger noch viel ernster zu nehmen als das bisher der Fall ist. Ich hoffe, dass mehr und mehr Abgeordnete sich in den Dialog mit Bürgern begeben und nicht nur über die Bürger reden und Dialogangebote, zum Beispiel von der Landeszentrale für politische Bildung, kritisieren. In diesem Zusammenhang möchte ich ganz ausdrücklich Herrn Richter und seine Arbeit loben und eingestehen, dass wir im Wahlprogramm einen Fehler gemacht haben, diese Zentrale abschaffen zu wollen. Diesen Fehler werden wir selbstverständlich korrigieren.

(Beifall bei der AfD)

In diesem Sinne wünsche ich diesem Hohen Haus eine faire Diskussionskultur,

(Zuruf von den GRÜNEN)

die den jeweiligen Abgeordneten, auch wenn er nicht die eigene Meinung vertritt, ernst nimmt und menschlich fair behandelt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion DIE GRÜNEN spricht nun Herr Abg. Zschocke. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Tillich, für die deutlichen Worte, die Sie gegen menschenverachtende Stimmung und Rassismus in Sachsen gefunden haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Diese Worte waren überfällig und wichtig. Es wäre besser gewesen, wenn Sie diese Worte schon vor Ort gefunden hätten. Unmittelbar nach dem Brandanschlag haben 200 Meißnerinnen und Meißner auf dem Markt deutlich gemacht, dass Meißen nicht für Rassismus und Hass steht, sondern für Weltoffenheit und Solidarität. Sie waren zeitgleich am Tatort. Es wäre ein Leichtes gewesen, fünf Minuten auf den Markt zu kommen und wenige Worte an die Meißner Bürgerschaft zu richten. Sie hätten nur gewinnen können. Ich gehe davon aus, dass Sie das ab heute tun werden, Herr Tillich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deutliche Worte hätte ich mir auch gewünscht zu dem destruktiven Populismus in Ihrer eigenen Fraktion. Für Menschen ohne Papiere einen Aufenthalt hinter Gittern zu empfehlen, weil dies deren Gedächtnisleistung enorm fördert, ist schlichtweg zynisch, ist rechtswidrig und geht Pegida auf den Leim.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn aber der Fraktionschef der CDU, Herr Kupfer, sagt, dass Alexander Krauß damit recht hat, und Sie, Herr Tillich, sich nicht äußern, dann ist das kein rechtspopulistischer Ausrutscher eines einzelnen Abgeordneten mehr. Das wird dann zur Haltung der sächsischen CDUFraktion

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

und passt einfach nicht zu Ihrem heute vorgetragenen christlichen Anspruch, zuerst Hilfe anzubieten und nicht danach zu fragen, woher jemand kommt, Herr Tillich. Sie müssen deutliche Worte finden. Sie müssen auch dann deutliche Worte finden, wenn Verantwortliche das Problem verdrängen, wie zum Beispiel Landrat Steinbach, der die rechten Umtriebe vom Heimatschutz Meißen nicht sieht oder sehen will. Den Rassisten muss deutlich Paroli geboten werden. Ignoranz wirkt wie Brandbeschleuniger, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich habe es heute gehört, Herr Tillich. Hier weht offenbar seit heute in der CDU ein anderer Wind. Herr Krauß und Herr Kupfer, Sie müssen jetzt auch den Kurs wechseln.

(Frank Kupfer, CDU: Jawohl!)

Sie haben anerkannt, dass die weltweit rasant ansteigenden Flüchtlingszahlen an Sachsen nicht vorbeiziehen werden. Sind Sie darauf aber wirklich vorbereitet? Es reicht eben nicht aus, sich für die Handlungsfehler Ihres Innenministers Asche auf das Haupt zu streuen. Seien Sie einmal ehrlich: Vertrauen Sie darauf, dass er das künftig besser hinbekommt? Ich vertraue nicht darauf. Ich vertraue Ihren wohlklingenden Worten insgesamt nicht. Sie erzählen uns zum Beispiel zurzeit sehr viel von Dialog als vertrauensbildende Maßnahme in Richtung Bevölkerung. Dabei war es doch vor allem der diskursfeindliche und monarchistische Politikstil der sächsischen CDU in den vergangenen Jahrzehnten, der vielen Sachsen die Lust an der Demokratie verleidet hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die politische Bildung in Sachsen liegt im Argen. Ihre Landeszentrale experimentiert mit wirklich fragwürdigen Dialogformaten herum. Es erinnert ein ganzes Stück an Goethes Zauberlehrling. Wenn Sie an dieser Einschätzung zweifeln, dann lesen Sie einmal die „Sächsische Zeitung“. Unser ehemaliger Abgeordneter Karl-Heinz Gerstenberg wurde am Dienstag während einer solchen Veranstaltung von einem Teilnehmer symbolisch erschossen. So sieht es aus. Sie erzählen uns, dass Sie mit Menschenfeinden und Rassisten nicht reden. Sorgen Sie bitte auch dafür, dass sich in Ihren Dialogforen keine Rassisten und Menschenfeinde der NPD hineinmogeln.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Frau Petry, ich möchte einen Satz zu Ihnen und der AfD sagen: Sie versuchen, den Rechtsruck, den sie gerade vollziehen, zu vertuschen.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: Das ist Schwachsinn!)

Ihre Landtagsabgeordneten standen in Freital mit Asylgegnern, Rassisten und der NPD in einer Reihe.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Wurlitzer.

Vielen Dank. Können Sie mir kurz erklären, woran Sie den Rechtsruck in der AfD festmachen, der seit dem letzten Wochenende angeblich stattfinden soll?

(Sabine Friedel, SPD: War der Kollege beim Parteitag? – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Erklären Sie ein- mal, warum Herr Lucke bei Ihnen ausgetreten ist!)

Herr Zschocke, möchten Sie darauf antworten?

Ja. Es tut mir leid, Herr Wurlitzer, es war sicherlich die Lügenpresse. Ich zitiere aus der „FAZ“ vom 25. Juni 2015: „80 Asylgegner sowie Pegida-Anhänger, NPD-Mitglieder und Landtagsabgeordnete der AfD. ‚Genug geredet – Asylchaos beenden‘, steht auf einem AfD-Banner, lautstark skandiert die Menge: ‚Wir wollen keine Asylantenheime!‘“ Wenn das kein Rechtsruck sein soll, dann weiß ich es nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Herr Tillich, Ihre wertschätzenden Worte für all die Menschen, die sich für die Flüchtlinge einsetzen und sich in Gesellschaft und Kommunalpolitik engagieren, und für die Fach- und Führungskräfte aus anderen Ländern gehen wirklich sehr gut in das Ohr. Das meine ich wirklich ernst. Sie sollten nur bei zwei Berufsgruppen aufpassen, dass sich diese nicht veralbert vorkommen. Das sind nämlich die Polizei und die Lehrerschaft. Ich möchte einmal ein Beispiel nennen: In der Polizeidirektion ChemnitzErzgebirge, in der Crystal-Hochburg in Sachsen, gibt es gerade einmal zehn Beamte für den Bereich Drogenkriminalität. Für die netten Worte, die Sie gefunden haben, bekommen Sie von ihnen vielleicht ein müdes Lächeln. Wenn dann aber noch die populistische Forderung nach mehr Grenzkontrollen von Vertretern Ihrer Partei und Fraktionen vorgetragen wird, dann klingt das für die Beamten vor Ort wir ein schlechter Witz, Herr Tillich. Wer soll das machen?

Wenn es Ihnen mit der Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs Ernst ist, dann reichen warme Worte der Wertschätzung eben nicht aus. Sie müssen alles dafür tun,

dass Sachsen bei dem Wettbewerb um den dringend benötigten Lehrernachwuchs nicht das Nachsehen hat. Die anderen Bundesländer schlafen ebenfalls nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun sind Sie ganz stolz darauf, dass Sie die Klimaabgabe verhindert haben. Ich frage mich nur, worauf Sie stolz sind: Sind Sie stolz darauf, dass Sie genau das Gegenteil von Planungssicherheit für die Betreiber und Investoren erreicht haben? Sind Sie stolz darauf, dass Millionen Tonnen CO2 zusätzlich in die Atmosphäre geblasen werden? Sind Sie stolz darauf, dass die betroffenen Menschen nun wieder keine Klarheit für ihr weiteres Leben bekommen werden? Vattenfall hat das Interesse an der langfristigen Braunkohleförderung verloren. Ob sie einen Käufer finden, ist fraglich. Notwendig wäre jetzt ein planbarer, geordneter und schrittweiser Rückzug, bei dem alle Beteiligten frühzeitig wissen, was auf sie zukommt. Natürlich sind die Ängste vor dem Verlust des Gewohnten groß und die Vorteile, die danach kommen, nicht greifbar. In einer solchen Situation wirkt aber das Zögern, Verschleppen, Nichtentscheiden und Falsche-HoffnungenMachen wie Gift.