Protokoll der Sitzung vom 08.10.2015

(Beifall bei der CDU und der SPD – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Ein bisschen mehr Applaus!)

Die Ausführungen von Staatsministerin Petra Köpping zeigen, dass ihr Blick in Bezug auf Chancengleichheit weiterhin ungetrübt ist. Das Ministerium ist dabei, die Vorgaben des Koalitionsvertrages entsprechend umzusetzen.

Damit möchte ich auf das Grundsätzliche Ihres Antrags eingehen. Bei allem Respekt bezüglich der Forderungen Ihrerseits – und es handelt sich um ein wahres Potpourri an Analysen und Darstellungen, an Handlungsfeldern und Erarbeitungen – sollte man sich zwei Aspekte noch einmal bewusst machen:

Erstens tragen wir alle eine Verantwortung dem Steuerzahler gegenüber. Ich tue mich schwer damit, Geld für Analysen auszureichen, deren Nutzen in einigen Bereichen durchaus hinterfragt werden kann.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Das weiß man erst nach der Analyse!)

Von Steuerverschwendung möchte ich in diesem Zusammenhang noch gar nicht reden.

Zweitens möchte ich anmerken: Es gibt Bereiche, in denen auch wir noch Handlungsbedarf sehen und um die wir uns auch kümmern werden. Was wir aber nicht nachvollziehen können, ist Ihre Unterstellung, dass in den vergangenen Jahren überhaupt nichts unternommen wurde.

Wir werden daher den Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Nun sind wir auf die Ausführungen der SPD-Fraktion gespannt. Frau Abg. Iris Raether-Lordieck, Sie haben das Wort.

(Steve Ittershagen, CDU: Das war parteiisch!)

Herr Präsident, das kann ich mir gut vorstellen. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Keine Treffer“ – es war vor vier Jahren, als Liane Deicke, gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, in der 5. Legislaturperiode eine Rede hier im Landtag mit diesen zwei Worten begann. Der damalige Anlass war ein gemeinsamer Antrag der SPD und der Linksfraktion mit dem Titel: „Ressortübergreifendes frauen- und gleichstellungspolitisches Handlungskonzept für den Freistaat Sachsen erarbeiten“. Mich beschlich nicht nur bei dem Titel das Gefühl, dass mir der jetzt hier diskutierte Antrag bekannt vorkommt. Beide Anträge sind in weiten Teilen wortgleich. Die einzige Frage ist folgende: Warum hat man dann nicht wieder den 29. Februar, wie im Antrag von 2012, als Stichtag genommen, sondern den 28. Februar? Bekanntlich haben wir im Jahr 2016 wieder ein Schaltjahr.

Der Antrag ist trotzdem wie damals berechtigt. Frau Buddeberg, Sie haben recht. Das Konzept gab es damals nicht und heute auch noch nicht.

Beim Zurückblicken fand ich die Rede von Liane Deicke mit ihrem Anfang: „Keine Treffer“. Das bezog sich auf ihre Suche in der Datenbank des GenderKompetenzZentrums nach Datenmaterial für Sachsen. Letztlich beschrieben diese beiden Worte „keine Treffer“ die klein gestutzte Gleichstellungspolitik im Freistaat. Das Thema war

praktisch von der ersten ministeriellen Ebene bis in die untersten Etagen des Ministeriums auf Wanderschaft geschickt worden. Wichtige Institutionen sollten überhaupt nicht mehr gefördert werden. Der Landesfrauenrat zum Beispiel stand plötzlich vor der Tatsache, keine Gelder mehr zu bekommen. Gleichstellungspolitik ist so wichtig, dass sie nicht so vernachlässigt werden darf.

Dazu muss man in bestimmte laut schreiende Bereiche in der Öffentlichkeit schauen, die sich als Verteidigerinnen und Verteidiger der angeblich natürlichen Ordnungen aufspielen. Sie fantasieren Folgendes: Die Gleichstellung sei doch schon lange erreicht. Besonders Frauen sollen sich doch nicht so haben. Die wissenschaftliche Forschung der Gender Studies diskreditieren, indem sie nichts als ihre eigenen, beschränkten Erfahrungen dagegen auffahren.

Nein, wir haben noch keine Gleichstellung – nein, nicht in Deutschland, nicht in Sachsen. Dazu ist es noch ein weiter Weg, viel weiter, als die meisten annehmen würden. Wir müssen Gleichstellung als das begreifen, was sie ist: Eine Aufgabe für alle. Es ist nicht nur eine Aufgabe für politische Ebenen und alle Ministerien. Dafür kann das ressortübergreifende Gleichstellungskonzept sehr wertvoll sein. Es ist auch Aufgabe für jede und jeden Einzelnen. Dazu gehört beispielsweise, sexualisierte Gewalt im öffentlichen und privaten Raum nicht zu tolerieren. Dazu gehört schon im Kleinen, für die Gleichstellung zu arbeiten. Das kann so einfach sein, etwa indem wir auf unsere Sprache achten.

Auf politischer Ebene haben wir mit dem Koalitionsvertrag für die Gleichstellungspolitik einiges erreicht, sogar an einer Stelle mehr, als sich viele hätten träumen lassen. Heute sitzt hinter mir eine Gleichstellungsministerin mit noch zu wenig – vor allem personellen – Ressourcen ausgestattet. Hierin haben Sie, Frau Buddeberg, auch recht. Petra Köpping verleiht der Gleichstellung in Sachsen wieder politisches Gewicht und eine starke Stimme. Sie wird es sein, die für Treffer bei der Suche nach Kompetenz in Fragen der Gleichstellung und des Gender- Mainstreamings sorgt.

In den Koalitionsverhandlungen haben wir für das Thema Gleichstellung gekämpft. Was in diesem Vertrag steht, möchten wir auch umsetzen. Daran misst man uns. Die Ministerin hat in der Stellungnahme aufgeführt, welche Punkte das sind. Petra Köpping hat bereits viel zu tun, wenn sie die Vorgaben daraus umsetzen möchte. Zu dem Aktionsplan „Vielfalt von Lebensweisen“ haben wir gerade erst im Sozialausschuss diskutiert. Frau Buddeberg, auch hierauf haben Sie bereits hingewiesen.

Im Vertrag steht noch ein anderes großes Projekt, das wir umsetzen möchten: das Gleichstellungsgesetz. Aus dem Frauenfördergesetz soll ein modernes Gleichstellungsgesetz werden. Im Zuge dessen sollen auch die Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten gestärkt werden. Ein ressortübergreifendes Gleichstellungskonzept soll durchaus ein Ziel sein. Zu gegebener Zeit werden wir gern darüber reden.

Mit der Zeitschiene im Antrag aber ist das nicht zu schaffen. Unsere Priorität gibt der Koalitionsvertrag vor. Die liegt im Moment auf dem Aktionsplan und dem Gleichstellungsgesetz. Darum werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Nun spricht für die AfD-Fraktion Frau Abg. Kersten; bitte.

(Patrick Schreiber, CDU: Hey, wir wollen Herrn Spangenberg! – Heiterkeit bei der CDU)

Frau Kersten, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es tut mir leid, wenn ich Sie enttäuschen muss.

(Christian Piwarz, CDU: Sie nicht, aber Ihre Fraktion!)

Mit gewisser Spannung habe ich den Redebeitrag meiner Vorrednerin erwartet und verfolgt. Wie wird sich die SPD angesichts der Tatsache, dass sie in der letzten Legislatur – Frau Buddeberg hatte es angesprochen – gemeinsam mit der Fraktion DIE LINKE genau diesen Antrag schon einmal eingebracht hat, heute positionieren?

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Sich rauswinden!)

Gleichsam stellte sich mir folgende Frage: Welche Intentionen verfolgt die Fraktion DIE LINKE mit diesem Antrag? Hoffte sie, dass die SPD ihre Sachpolitik aus der letzten Legislaturperiode weiter vertritt? Hatte sie gar im Vorab die Zustimmung oder wollte sie die SPD nur vorführen? Welche Absprachen es im Vorfeld dieses Antrags zwischen LINKE und SPD gab, wird deren Geheimnis bleiben. Wie sich die SPD heute zu diesem Antrag positioniert, haben wir gerade erfahren: Sie wird den Antrag ablehnen. Meine Damen und Herren! Es ist schon traurig zu erleben, wie einstige politische Partner die Sachpolitik dem Koalitionszwang opfern.

(Beifall bei der AfD)

Unser Mitgefühl, sehr geehrte Fraktion DIE LINKE, kann ich Ihnen in dieser Angelegenheit versichern.

(Steve Ittershagen, CDU: Das nennt man Kompromiss! – Karin Wilke, AfD: Populismus!)

Die Sympathie für diesen Antrag, das wird keine Überraschung sein, muss ich Ihnen allerdings verwehren. Dass die AfD die zwanghafte Gleichmacherei ablehnt, ist kein Geheimnis mehr. Dass wir der Meinung sind, dass die damit verbundenen größtenteils unreflektiert ausgegebenen Finanzmittel in das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler gehören, ist auch kein Geheimnis. Der vorliegende Antrag schlägt genau in diese Kerbe. Es gibt bereits vielfältig existierende Gesetze in diesem Bereich: wie zum Beispiel das Grundgesetz, die Sächsische Verfassung, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das

Frauenförderungsgesetz, das Sächsische Integrationsgesetz.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das wird alles abgeschafft, wahrscheinlich!?)

Es gibt Regelungen zur Gleichstellung behinderter Menschen im BGB und im Sozialgesetzbuch. Es gibt verschiedene Förderrichtlinien, zum Beispiel die zur Chancengleichheit. Es gibt den Gleichstellungsbeirat sowie sage und schreibe 370 Gleichstellungsbeauftragte in Sachsen. Nun soll ein weiteres, mit Sicherheit kostenintensives – über die sich der Antrag allerdings ausschweigt – und bürokratiebeförderndes Konstrukt geschaffen werden – ein neues Instrumentarium, obwohl zur Wirksamkeit bestehender kaum nennenswerte Ergebnisse vorliegen.

Wurde jemals ernsthaft die Arbeit der 370 Gleichstellungsbeauftragten reflektiert und ausgewertet? Wie wird der Mehrwert solcher Positionen von den Stelleninhabern selbst und vor allem von den Bürgern und Verwaltungsmitarbeitern in den Kommunen eingeschätzt? Diese Fragen wurden von der AfD-Fraktion in der Vergangenheit bereits mehrfach gestellt, jedoch ohne erhellende Antworten zu bekommen. Hier liegt der eigentliche Handlungsschwerpunkt.

Natürlich macht es manchmal Sinn, Aktivitäten zu bündeln. Allerdings müssen die damit verbundenen erhofften Vorteile wie zum Beispiel schnellere Wirksamkeit, Kosteneinsparung, verwaltungstechnische Vereinfachung, Entbürokratisierung auch publiziert werden. Als Begründung für die Erforderlichkeit des Konzeptes zu benennen, dass es ein solches in Sachsen noch nicht gibt, erscheint uns dann doch ein wenig mager.

Doch nun kurz zu den einzelnen Punkten des Antrages. Unter Punkt a wird die Analyse und Darstellung der gesellschaftlichen Herausforderungen bei der rechtlich gebotenen Gleichstellung gefordert. Meine Damen und Herren! Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Gleichstellung sind gegeben und vorhanden. Dazu hatte ich bereits gesprochen. Falls es nach Meinung der antragstellenden Fraktion immer noch zu beklagende Unterschiede gibt, lohnt vielleicht einmal die Frage, ob dies tatsächlich durch rechtliche Defizite begründet ist oder vielmehr durch biologische individuelle Unterschiede. Gesetzliche Zwangsgleichstellungsregeln wie die sogenannte Frauenquote werden niemals zu einer gesellschaftlich anerkannten Gleichstellung der Geschlechter führen, allenfalls kommt es zu einer positiven Diskriminierung von Frauen.

Die Punkte b und c erübrigen sich nun aufgrund von Nichterforderlichkeit von Punkt a, und Punkt d setzt auf die Einbeziehung von Multiplikatoren und Verbänden. Davon, meine Damen und Herren, darf doch wohl in der bisherigen Gleichstellungspolitik ausgegangen werden. Wer ist es denn, wer in diesem Bereich immer wieder neue Forderungen aufmacht? Es sind die Vertreter der Frauen- und Gleichstellungsvereinigungen, die der Politik

und der Verwaltung das Leben schwer und die Kassen leer machen.

An dieser Stelle sei auch einmal die Frage erlaubt, wohin uns eine Politik der Gleichmacherei führt. Hat sich irgendetwas am Bewusstsein oder Selbstverständnis eines Studenten geändert, nur weil er jetzt Studierender genannt wird? Verhält sich Mann oder Frau jetzt anders im Straßenverkehr, nur weil diese jetzt Zufußgehende statt Fußgänger genannt werden? Zu solchen Obskuritäten führt mittlerweile unsere Gleichstellungspolitik.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Wer nicht singen kann, wird kein Sänger werden. Wer kein Instrument spielen kann, wird auch im Orchester nicht mitspielen können. Aus Männern können wir keine Frauen machen, und aus Frauen werden keine Männer.

Meine Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/GRÜNE. Es spricht Frau Abg. Meier. Bitte sehr, Frau Meier, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben ja heute schon gehört, dass es diesen Antrag schon einmal vor fünf Jahren gab. Damals hat Gitta Schüßler von der NPD hier gesprochen. Wir haben jetzt gerade die AfD gehört. Welch Geistes Kind diese ist, sehe ich daran: Was Frau Schüßler geredet hat, das war nämlich fast das Gleiche wie das, was Sie vom Stapel gelassen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Tatsächlich ist das hier heute meine erste Rede. Ich freue mich auch, dass es meine erste Rede ist, die ich zur Gleichstellungspolitik halten darf. Wir haben es ja heute schon gehört: Gleiche Chancen von Frauen und Männern sind Grund- und Menschenrechte. Das ist nicht nur im Artikel 3 des Grundgesetzes verankert, sondern auch im Artikel 18 unserer Verfassung.