(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE – Uwe Wurlitzer, AfD, steht wieder am Mikrofon.)
Nein, jetzt nicht; vielen Dank. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland ist keine Schicksalsgemeinschaft, sondern wir sind eine Wertegemeinschaft. Wir haben ein Grundgesetz, wir haben eine Verfassung. Wir haben die Würde des Menschen zu achten und wir haben auch ein Recht auf Asyl in unseren Grundrechten festgeschrieben.
Wer sich von diesen Werten verabschiedet, wer sich in selbstreferenziellen Räumen befindet – dazu gehören das Internet und die neuen Medien –, der möchte nur sich selbst bestätigen. Der ist nicht bereit, objektive Berichterstattung, Medien mit anderen Aussagen und anderen Wahrheiten als den eigenen zu akzeptieren.
Das bringt eine Gefahr mit sich. Wenn die Leute nur noch sich selbst bestätigen, dann kommen sie natürlich auf die Idee: Mensch, wenn ich nicht alleine bin, könnte es ja sein, dass ich eigentlich die Mehrheit bin.
Und wenn ich die Mehrheit bin, scheint es ja so zu sein, dass die anderen dummes Zeug reden. Es könnte aber auch sein, dass Sie auf der falschen Spur sind. Sie simulieren, meine Damen und Herren von der AfD, gemeinsam mit Pegida eine Mehrheit, die so nicht existiert.
Meines Erachtens brauchen wir, wenn sich jemand hinstellt und das sogenannte Abendland verteidigen will, eine Verteidigung unserer Grundwerte. Da würde es mich schon freuen, wenn die Verteidigung der Nächstenliebe auf der Agenda stehen würde.
Für die Fraktion DIE LINKE sprach soeben Herr Kollege Scheel. Für die SPD spricht jetzt Frau Kollegin Kliese.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor einigen Wochen hörte ich eine Sendung im Radio. Darin hieß es: „Der Deutsche Bundestag ist heute erstmals nach seiner zweimonatigen Sommerpause wieder zusammengekommen. Nach zwei Monaten Sommerferien müssen die Abgeordneten heute das erste Mal wieder zur Arbeit gehen.“
Natürlich ärgert mich ein solch unbedarfter Kommentar sehr, denn er zeichnet ein sehr verzerrtes Bild von unserem oft anstrengenden parlamentarischen Alltag. Doch
Ich finde es gut, dass dieser Moderator und die Presse uns nicht das Wort reden müssen. Ich finde es gut, dass ich zwischen den verschiedenen Medien auswählen kann, weil sie die Dinge ganz unterschiedlich bewerten. Ich finde es gut, dass der intellektuelle Diskurs in unserem Land maßgeblich von Menschen geprägt ist, die von Beruf Journalisten und kritisch sind.
Das, was ist nicht gut finde, ist, wenn Journalisten bedroht werden, wenn sie Angst haben müssen, auf Demonstrationen zu gehen, wenn sie bedroht werden auf Demos einer Bewegung, mit der die AfD laut Frauke Petry „große Schnittmengen“ sieht.
Sie wollen über Glaubwürdigkeit sprechen. Das können wir gern tun. Wenn Sie sich hier in diesem Haus von den Angriffen auf Journalisten bei Pegida glaubwürdig distanzieren wollen, dann distanzieren Sie sich doch einmal von Pegida.
Wenn Sie sich glaubwürdig von Gewalt gegen Ausländer distanzieren wollen, dann widersprechen Sie doch mal Lutz Bachmann. Aber, nein, das geht ja nicht, weil nämlich Ihr Fanklub und der Fanklub von Lutz Bachmann nicht ganz trennscharf sind.
Sie haben jetzt ernsthaft von uns verlangt, dass wir uns von Bürgern, die ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit wahrnehmen, distanzieren?
Ich verlange von Ihnen, dass Sie sich distanzieren von Menschen, die Gewalt gegen Journalisten ausüben.
Ich wünsche mir, dass Sie sich distanzieren von Menschen, die Gewalt gegenüber Ausländern und gegenüber Journalisten ausüben.
Aber viel lieber suchen Sie den Schulterschluss zu dem, der Menschen als „Viehzeug“ bezeichnet, um diese Wählergruppe nicht zu verprellen.
Es gibt tatsächlich Faktoren, die unsere Glaubwürdigkeit als Politiker leiden lassen, und ich möchte hier auch selbstkritisch sein. Deswegen möchte ich dazu einige Beispiele aufzählen: Was hat in den letzten Jahren dazu beigetragen? Eine Diskussion um eine Rente mit 67 – um später um eine Politikerrente mit 63 zu diskutieren. Dazu zählten auch die Vortragshonorare von meinem Genossen Peer Steinbrück. Dazu zählt vielleicht auch, wenn Sigmar Gabriel einen Teil von Menschen, die tatsächlich auch gewalttätig waren, als „Pack“ bezeichnet.
So gut ich Gabriel verstehe und auch sympathisch finde, so sehr hätte ich mir doch gewünscht, er hätte etwas anderes gesagt. Vielleicht hätte er besser gesagt: Ihr seid Menschen – wo ist eure Menschlichkeit?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die AfD hat viel über Wahrheit und über das Verachten der Lüge gesprochen. Ich hatte dazu ein sehr interessantes Erlebnis, und zwar zur Wirtschafts-Sommertour von Minister Martin Dulig. Er hatte Abgeordnete aller Fraktionen eingeladen, natürlich auch der AfD. So kam es, dass ich an einem Morgen das Fraunhofer-Institut besuchte – gemeinsam mit Herrn Beger von der AfD und Herrn Brünler von den LINKEN. Kurz darauf wurde eine Pressemitteilung von der AfD herausgegeben, in der nachzulesen war, dass Herr Beger der Einzige gewesen sei, der diese Einladung in Anspruch genommen habe und sich die anderen Abgeordneten für diesen Termin nicht interessiert hätten.
Ich würde einmal sagen, liebe AfD: Wenn Sie sich über die Lügenpresse beschweren, dann schreiben Sie doch einfach mal keine Lügenpressemitteilungen.
(Beifall bei der SPD, den LINKEN und vereinzelt bei der CDU – Uwe Wurlitzer, AfD, steht am Mikrofon.)
Herr Wurlitzer, ich nehme an, Sie wollen jetzt erklären, dass Sie das richtiggestellt haben. Natürlich haben Sie das getan, aber die Meldung ist erst einmal so hinausgegangen, und das ist schlichtweg unseriös.
Am Ende ist es wieder dieselbe Masche, mit der Sie versuchen, sich bei der unzufriedenen Bevölkerung anzudienen. Sie entwerfen das Bild einer realitätsfernen, satten, überheblichen Politikerkaste und stellen sich selbst daneben und zeigen mit dem Finger darauf. Dass Sie damit versuchen, uns Abgeordnete zu schädigen – denen gegenüber Sie im Hause stets respektvoll und höflich sind –, tja, das ist geschenkt und auch unglaubwürdig.
Was mich wirklich stört: Mit Ihrer Undifferenziertheit treffen Sie ja nicht nur uns. Sie treffen auch das Ehrenamt; Sie treffen Menschen, die sich an ihrem Feierabend politisch engagieren; „Feierabendpolitiker“, die sich nach ihrer Arbeit hinsetzen und sich Hunderte Seiten des kommunalen Haushalts zu Gemüte führen, die die Geduld ihrer Familie und ihre Gesundheit strapazieren, um in Nachtsitzungen über Gelder für Sozial- und Sporteinrichtungen zu entscheiden. All diese Menschen leiden unter Ihrer Stimmungsmache gegen die Politik. Und genau denen, die sich in ihrer Freizeit in diesen schweren Zeiten immer noch für politische Themen engagieren, möchte ich anlässlich Ihrer platten Debatte heute einmal herzlich danken.