Was mich wirklich stört: Mit Ihrer Undifferenziertheit treffen Sie ja nicht nur uns. Sie treffen auch das Ehrenamt; Sie treffen Menschen, die sich an ihrem Feierabend politisch engagieren; „Feierabendpolitiker“, die sich nach ihrer Arbeit hinsetzen und sich Hunderte Seiten des kommunalen Haushalts zu Gemüte führen, die die Geduld ihrer Familie und ihre Gesundheit strapazieren, um in Nachtsitzungen über Gelder für Sozial- und Sporteinrichtungen zu entscheiden. All diese Menschen leiden unter Ihrer Stimmungsmache gegen die Politik. Und genau denen, die sich in ihrer Freizeit in diesen schweren Zeiten immer noch für politische Themen engagieren, möchte ich anlässlich Ihrer platten Debatte heute einmal herzlich danken.
Ja, guten Tag! Ich möchte kurz erwidern: Das Bild einer satten, überfressenen Politikerkaste ist nun nicht das Bild, das wir entwerfen – das ist das Bild, das inzwischen leider in vielen Protestbewegungen deutlich laut gemacht wird.
Wenn Sie jetzt den Boten der schlechten Nachricht beschimpfen, dann machen Sie genau das, was wir als Politiker nicht machen sollten. Wir sollten, wenn solche Nachrichten aus dem Volk kommen, dann auch ein Ohr dafür haben und uns ein bisschen am Kopf kratzen, ob wir nicht vielleicht selbst ein klein wenig Schuld daran tragen.
Das war eine Kurzintervention von Herrn Urban auf den Redebeitrag von Hanka Kliese. Frau Kollegin Kliese, Sie könnten reagieren? – Nicht. Damit geht es jetzt weiter in der Rederunde und wir kommen zur Fraktion GRÜNE. Das Wort ergreift Frau Kollegin Maicher.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Debatte hat gezeigt: Ihr fehlt die ehrliche Überschrift. Statt Gründe für die Glaubwürdigkeitskrise von Medien und Politik sollte die AfD nicht verbrämen, was sie am liebsten sagt: Lügenpresse und Volksverräter – das wäre der richtige Titel dieser Aktuellen Debatte gewesen;
denn dieses Bild von Politik und Medien versuchen Sie ja überall zu verbreiten. So redet beispielsweise der AfDFraktionsvorsitzende in Thüringen, Björn Höcke. Zu seinen Rufen putscht er die Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmer in Erfurt auf – das ist ja Ihre Herbstoffensive, die Sie als Bundesvorsitzende der AfD ausgerufen haben, Frau Petry. So reden Ihre Freunde von der Pegida, an die sich Ihr AfD-Kreisverband Dresden im September anschleimte. – Ich darf einmal zitieren: „Sehr geehrter Herr Bachmann, wir freuen uns sehr, dass es Ihnen so trefflich gelungen ist, unsere Position einer wachsenden Anzahl von Dresdner Spaziergängern zu vermitteln.“
Ihr Generalsekretär biedert sich kurze Zeit später noch einmal an – ich zitiere wiederum –: „Pegida ist eine richtige und wichtige Bürgerbewegung“ und dass „die Ziele doch in vielen Punkten identisch seien mit der AfD“.
Heute also diese Debatte zum Thema Glaubwürdigkeitskrise der Medien. Sie beschwören eine Glaubwürdigkeitskrise der Medien. Ja, wir merken es, Sie sind frustriert, weil sich die Medien nicht Ihrer Meinung unterwerfen.
Aber da haben Sie etwas nicht verstanden. Die Aufgabe der Medien ist es, Meinungsvielfalt zu ermöglichen. Und wenn Journalisten populistische Thesen, Verschwörungstheorien und menschenverachtende Aussagen hinterfragen und Widerspruch üben, dann ist das nicht Einschränkung von Meinungsvielfalt.
Die verfassungsrechtlich verankerte Aufgabe der Medien liegt im Gegenüberstellen, im Informieren, in der kritischen Aufklärung, in der Kritik am Staat und all seinen Gruppen, und wenn Ihnen das nicht gefällt, dann ist das aber unsere demokratische Verfasstheit, und das ist gut so.
Die AfD erhält ausreichend Aufmerksamkeit. Aber wenn Sie Journalisten von Ihren Parteitagen ausschließen und sich danach aufregen, dass nicht berichtet wird, dann haben Sie selbst ein Problem, und zwar eines mit Ihrer Logik.
Ihnen geht es um etwas ganz anderes: Sie wollen sich hier und überall als Opfer gerieren. Ihr Vorgehen ist nicht nur verlogen, es ist auch gefährlich; denn auf Ihren Demonst
rationen wird gerufen „Lügenpresse auf die Fresse“. Sie sind Mitverursacher dafür, dass Journalisten angegriffen werden – sowohl auf Ihren Demonstrationen als auch bei Ihren Freunden von Pegida.
Ich komme jetzt zum zweiten Thema: Glaubwürdigkeitskrise der Politik. Unglaubwürdig wird Politik vor allem dann, wenn sie den Mund zu voll nimmt und das Blaue vom Himmel verspricht. Diese Masche kann zeitweise sehr erfolgreich sein in den Wahlergebnissen. Aber auf Dauer – und daran glaube ich noch immer – wird das nicht aufgehen. Ein Beispiel dafür war die Politik der sächsischen FDP – ich glaube, Sie sind jetzt ein guter Kandidat, dass dies auch auf Sie zutrifft.
Unglaubwürdig wird die Politik zum Zweiten, wenn gelogen wird, dass sich die Balken biegen. Ihre AfDEuropaabgeordnete von Storch verbreitet auf Facebook Meldungen wie: Zwei Millionen Flüchtlinge dieses Jahr in Deutschland, fünf bis sieben Millionen Flüchtlinge, die über Familiennachzug nach Deutschland nachkommen. Das sind absurde Zahlen, die sogar die Pegida-Hetze noch übersteigen.
Unglaubwürdig wird Politik zum Dritten, wenn Politiker mit Ressentiments zu arbeiten versuchen; das heißt, wenn es nicht um die vorgetragenen Argumente geht, sondern ausschließlich um deren Wirkung. Hier gab es gerade in der letzten Woche Beispiele, die ich widerwärtig finde. Ich glaube, Sie ahnen, wen ich meine: den Bundesinnenminister.
Nicht ganz so geschickt war unser Ministerpräsident am letzten Freitag im „MDR-Sachsenspiegel“. Dass sich Flüchtlinge Deutschkursen verweigern, Herr Ministerpräsident, das ist doch nicht unser aktuelles Problem. Unser aktuelles Problem ist, dass wir nicht genug Deutschkurse für Asylsuchende anbieten können.
Auch Martin Dulig hat in einer Sprache, für die er sich schämen sollte, Ziele in den Raum gestellt, ohne zu sagen, wie er den Zuzug von Flüchtlingen mit humanen Maßnahmen begrenzen will – auch das ist unglaubwürdig.
Glaubwürdigkeit in der Politik ist eine dauerhafte Herausforderung. Nur populistische Parteien wie die AfD müssen sich darum nicht kümmern, weil jeder weiß, dass sie keine glaubwürdige Politik machen. Sie bieten keine Lösung an.
Mit Frau Kollegin Maicher, Fraktion GRÜNE, sind wir am Ende unserer ersten Rederunde angekommen. Wir eröffnen mit großer Sicherheit eine weitere. Die einbringende Fraktion ergreift durch Frau Dr. Muster das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe LINKE, liebe GRÜNE, liebe SPD, auf Ihre enttäuschten Erwartungen werde ich in der dritten Rederunde eingehen. Ich spüre förmlich, dass ich bei Ihnen etwas kaputt gemacht und Sie enttäuscht habe. Aber haben Sie noch etwas Geduld!
Ich komme nun zur Glaubwürdigkeitskrise der Politik. Nach Umfragen von Meinungsforschungsinstituten haben Politiker und Versicherungsmakler den schlechtesten Leumund und genießen die geringste Glaubwürdigkeit. Nur 15 % der Befragten schenken nach einer Forsa-Studie von 2014 der Berufsgruppe der Politiker ihr Vertrauen.
Wie kam es dazu? Es geht wieder um das Thema Wahrheit. Bürger erwarten die Umsetzung von Parteiprogrammen, Zusagen und Wahlversprechen.
Ich möchte mit einem Zitat beginnen: „Manche unserer Gegner können es sich nicht verkneifen, uns in der Zuwanderungsdiskussion in die rechtsextreme Ecke zu rücken, nur weil wir im Zusammenhang mit der Zuwanderung auf die Gefahr von Parallelgesellschaften aufmerksam machen. Das, liebe Freunde, ist der Gipfel der Verlogenheit, und eine solche Scheinheiligkeit wird vor den Menschen wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen. Deshalb werden wir auch weiter eine geregelte Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung fordern.“
Liebe Kollegen von der CDU, Sie haben es längst erkannt: Das war aus einer Rede der heutigen Bundeskanzlerin Merkel auf dem 17. Parteitag der CDU 2003 in Leipzig.
Frau Merkel hat heute von ihren 2003 getroffenen Aussagen offensichtlich Abstand genommen. Nicht zuletzt der Brief, den einige von Ihnen geschrieben haben, ist dafür ein deutliches Zeichen.
Nun zu Sachsen: Zum Wegfall der Grenzkontrollen Ende 2007 hieß es, dass die Kriminalität im Grenzraum zu Polen und Tschechien nicht ansteigen werde. Tatsächlich verzeichnen wir seit 2008 einen rasanten Anstieg an Diebstahlsdelikten.
Lange wurde auch die schlechte Personalsituation bei Kindergärtnerinnen und Lehrern schöngeredet. Über Jahre wurde hier eingespart. Jetzt haben wir wenige, viel zu wenige Lehrer in den Klassenzimmern. Der Betreuungsschlüssel in unseren Kindergärten ist schlechter als der in den meisten anderen Bundesländern.
Beim Thema Windkraft hatte Ministerpräsident Tillich maßgeblichen Anteil daran, dass für die Mindestabstände, die wir brauchen, im Bundesrat eine Länderöffnungsklausel erreicht wurde. Dies war sehr verdienstvoll. Der Koalitionsvertrag verhindert jedoch die landesrechtliche Umsetzung.
Leider erfahren die Bürger nach wie vor erst aus der Presse, wo Asylunterkünfte eingerichtet werden und wann mit der Belegung zu rechnen ist. Das Märchen von den syrischen Ärzten und Ingenieuren ist ausgeträumt. Selbst Frau Nahles spricht von einer großen Zahl an Analphabeten und Hilfsarbeitern unter den Migranten. Die Zahl der Arbeitslosen wird dadurch ansteigen, und die Sozialkassen werden belastet.
Nur bei den Wahlen können unsere Bürger direkt auf die Politik Einfluss nehmen. Sie entscheiden bei den Landtagswahlen für fünf Jahre, wer in diesem Landtag sitzt. Eine Wahlbeteiligung von 49 % – wie bei unserer letzten Landtagswahl – ist jedenfalls ein schlechtes Zeichen. Die AfD setzt sich für mehr direkte Demokratie durch Volksentscheide und damit für mehr Bürgerbeteiligung ein.