Protokoll der Sitzung vom 08.10.2015

Die ganzen Ressentiments und Kampfbegriffe, die wir eigentlich nicht verwenden wollen, sind heute auch wieder gefallen: Lügenpresse, Volksverräter. Die Nazikeule wurde sofort wieder herausgeholt. Genau das ist es, was wir nicht machen sollten.

Es gibt nicht nur die „besorgten Bürger“. Ich habe meine Zweifel, ob jeder, der bei Pegida mitläuft, tatsächlich Gutes im Schilde führt. Ich möchte sagen, dass ich in meinen vielen Gesprächen, die sicherlich wir alle mit Bürgern führen, die Sorgen wahrnehme. Es gibt Sorgen bei den Bürgern. Es ist wichtig, dass wir das als Thema begreifen und uns auch dieser Sache stellen.

Wir müssen uns also fragen, ob wir immer die richtigen Antworten oder die richtige Art der Vermittlung unserer Themen und Lösungen für die komplexen Sachverhalte finden. Letztendlich brauchen wir nämlich die Menschen dafür. Wir brauchen Antworten. Wir brauchen die Menschen dafür, dass die Akzeptanz für die Lösung von Fragen zur Flüchtlingskrise auch geschaffen wird. Daran habe ich manchmal meine Zweifel. Vielleicht war es ein Denkanstoß, den wir heute hier mit der Debatte bekommen haben. Diesen brauchen wir. Diesen müssen wir auch so nach außen tragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Gibt es noch weitere Beiträge? – Das ist nicht der Fall. Ich frage jetzt die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Minister Jaeckel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Eine der großen Errungenschaften der friedlichen Revolution vor 25 Jahren ist auf der einen Seite die Garantie der Meinungs- und Pressefreiheit. In den letzten Wochen stellen wir fest, dass Journalisten in Ausübung ihrer Arbeit und Verrichtung ihrer Tätigkeiten angegriffen, diffamiert und beleidigt werden. Es kommt sogar zu körperverletzungsähnlichen Tatbeständen.

Auf der anderen Seite haben wir die Versammlungsfreiheit, die ebenfalls durch unsere Sächsische Verfassung garantiert ist. Es stehen zwei Grundrechte nebeneinander, für deren Wirkung und Auswirkungsweise der Freistaat Sachsen durch seine Staatsregierung Sorge zu tragen hat. Wir als Staat werden die beiden Rechte – sowohl die Versammlungsfreiheit als auch die Meinungs- und Pressefreiheit – wirksam garantieren. Das macht unsere Polizei – übrigens mit einer ungeheuren Arbeitsleistung seit über einem Jahr, wofür ich ausdrücklich noch einmal den Dank der Staatsregierung aussprechen möchte.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Genau so deutlich müssen wir aber auch sagen, dass jede Form der Gewaltanwendung keine Form der Meinungs

auseinandersetzung ist. Wer dazu auffordert, wie es letzte Woche in Internetmedien geschehen ist, stellt sich außerhalb unserer Ordnung. Deshalb werden wir als Staatsregierung diese Form der Meinungsäußerungen unterbinden und gegen Straftaten entsprechend vorgehen.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Meine Damen und Herren! Frau Muster, Herr Meyer hatte die Auseinandersetzung mit Ihrem Thema in der Aktuellen Debatte begonnen. Ich möchte dies gerne fortführen. Zunächst einmal möchte ich etwas zum Begriff der Glaubwürdigkeit sagen. Die Glaubwürdigkeit entsteht aus der Bereitschaft von Menschen, Personen und Handlungen Glauben zu schenken. Nun möchte ich einmal Ihr Thema der Aktuellen Debatte kurz übersetzen. Sie sagt nämlich Folgendes: Weil die AfD nicht bereit ist, Politikern in Bundes-, Landes- und Kommunalparlamenten Vertrauen entgegenzubringen, sprechen Sie von einer Glaubwürdigkeitskrise der Politik. Weil die AfD nicht bereit ist, die Pressevielfalt, Meinungsfreiheit und Darstellung von Informationen in den Medien hinzunehmen, sprechen Sie von einer Krise der Medien. Entspricht dies tatsächlich den Tatsachen?

(Dr. Frauke Petry, AfD, steht am Mikrofon.)

Frau Dr. Petry, Sie haben eine Zwischenfrage?

(Heiterkeit im Plenum)

Entschuldigung.

Eine Zwischenfrage, Frau Dr. Petry.

Darf ich fragen, woher Sie die Aussage nehmen, dass die AfD dazu nicht bereit ist? Das scheint mir eine einseitige Interpretation zu sein.

Das hat mit der Tatsache zu tun, dass Sie von Ihrer These her sofort auf eine Glaubwürdigkeitskrise in der Politik und den Medien schließen. Ich werde den Punkt gleich ausführen.

Ich hatte die Frage gestellt, ob die Tatsachen eine solche Stellungnahme, dass eine Glaubwürdigkeitskrise vorläge, tatsächlich rechtfertigen. Es gibt Medienuntersuchungen, die von einigen Abgeordneten dargestellt wurden. Hoch interessant ist, dass eine Untersuchung der „Zeit“ ergeben hat, dass die Glaubwürdigkeitsfrage bezogen auf die Medien mit der Parteienpräferenz zu tun hat. Es ist nämlich so, dass insbesondere die AfD-Anhänger die Darstellung in den Medien als einseitig und nicht objektiv empfinden.

Das ZDF hat eine Untersuchung vorgenommen, wonach es derzeit keine Glaubwürdigkeitskrise der Medien gibt, aber Unterschiede in der Glaubwürdigkeit einzelner Medien. So wird insbesondere den Nachrichtenkanälen und öffentlich-rechtlichen Medien nach wie vor eine hohe

Glaubwürdigkeit zugestanden. Während in den sozialen Medien von dieser Glaubwürdigkeit nicht so stark gesprochen wird. Das liegt daran, dass es sich in den sozialen Portalen nicht um Nachrichtenportale, sondern eher um den Austausch von Meinungen handelt.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Minister?

Frau Präsidentin, gern.

Frau Dr. Petry, bitte.

Kennen Sie die Untersuchungen aus dem Jahr 2013 und früher, bei denen Politikern eine Glaubwürdigkeit von unter 10 % bescheinigt wurde? Damals gab es die AfD noch nicht.

Ja, Sie haben recht, Frau Petry. Diesen Punkt möchte ich in meinem nächsten Gedanken ausführen.

(Lachen des Abg. Frank Heidan, CDU)

Ich habe mich darauf bezogen, dass eine Untersuchung aus dem Jahr 2014 vorliegt. Natürlich gibt es statistische Untersuchungen aus den Vorjahren.

Kritik, die Sie damit ansprechen, ist willkommen. In den Medien wird sehr intensiv über die Kritik von Bürgern an den Medien- und Rundfunkräten gesprochen. Die Politik nimmt sich doch der Kritik aus der Gesellschaft an. Wir haben allein hier – dem zentralen Ort der politischen Meinungsbildung im Freistaat Sachsen – sechs Aktuelle Debatten und neun Anträge aller Fraktionen zum Thema Asyl- und Flüchtlingskrise bearbeitet.

Das Problem ist ein anderes. Wir haben in Deutschland eine Medienverdrossenheit. Diese Medienverdrossenheit entsteht aus der Medienkonzentration in den letzten drei Jahrzehnten. Herr Prof. Donsbach, der leider verstorben ist, hat von der Boulevardisierung gesprochen. Er hat von der Tatsache gesprochen, dass eine Unterscheidbarkeit zwischen öffentlich-rechtlichen und privat-rechtlichen Medien immer schwieriger wird, weil es keine Unterschiede mehr gibt. Schließlich kapitulieren auch viele vor der Komplexität der Darstellung politischer Probleme. Prof. Donsbach – ich möchte ihn noch einmal zitieren –, hat Folgendes geschrieben: „Ein großer Teil der Menschen fühlt sich alleingelassen, fühlt sich nicht mehr hinreichend repräsentiert und das auch von einem großen Teil der Medien“.

Die AfD möchte nun hier eine Glaubwürdigkeitskrise ausrufen. Es gibt aber nicht pauschal die Medien und die Politik. Klar gibt es negative Darstellungen in der Öffentlichkeit und Politik, die wir auch schon beschrieben haben. Was wird aber von uns erwartet? Frau Fiedler hatte darauf hingewiesen, dass wir differenzieren müssen. Herr

Dierks und Herr Mann haben auf die verfassungsinstitutionelle Rolle einer Fraktion im Sächsischen Landtag hingewiesen. Es mag richtig sein, dass man auf Demonstrationen plakativ agiert. Als Fraktion aber, das möchte ich Ihnen gern in das Stammbuch schreiben, ist man Teil einer Verfassungsinstitution und hat sich auch in diesem Sinne hier einzubringen.

(Dr. Kirsten Muster, AfD, steht am Mikrofon.)

Frau Muster, nicht jede Problemlage ist eine Glaubwürdigkeitskrise. Die Glaubwürdigkeit entsteht dadurch, dass Fakten geliefert werden. Das hatten Sie in Ihrer Rede angedeutet. Sie haben gesagt, dass wir mehr Fakten liefern und weniger meinen müssen. Wir müssen aber auch den Konsens in der Gesellschaft erhalten und sehen, welche Nöte, Sorgen und Ängste vorhanden sind. Genau so ist es aber auch unsere Aufgabe, unser Augenmerk auf die Gruppe der Menschen zu richten, die sich engagieren, in unserer Gesellschaft mitmachen und auch in der Krise, die wir derzeit mit den Flüchtlingen erleben, mitmachen und in der Gesellschaft Akzente setzen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Gerne.

Frau Dr. Muster, bitte.

Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, dass der MDR seit Anfang dieses Jahres unter dem Begriff Glaubwürdigkeitskrise eine Informationsreihe ins Leben gerufen hat, in der es immer wieder um Teile der Glaubwürdigkeitskrise der Medien geht? Ein Beitrag wurde zum Beispiel am 26. Mai 2015 ausgestrahlt.

Bitte stellen Sie nur die Frage.

Das Thema war: Politik und Medien bürgernah und ehrlich. Das war ein Teil dieser Reihe.

Bitte stellen Sie nur eine Frage.

Das ist mir bekannt.

Gestatten Sie mir zum Schluss des Redebeitrags der Staatsregierung in Fortführung des Stichworts von Herrn Meyer einen Denkanstoß zu geben. Wir sollten uns nicht über Glaubwürdigkeitskrisen, sondern über Glaubwürdigkeitsgewinne unterhalten. Diese Glaubwürdigkeitsgewinne entstehen meines Erachtens im Verhältnis zu den

Medien, indem sie sachdienliche Informationen erhalten und nicht diffamiert werden. Das Stichwort Lügenpresse ist schon gefallen. Die Sprache verrät schon den Gedanken.

Vier Punkte sind mir wichtig. Wir müssen in der Politik Lösungsvorschläge ehrlich vermitteln. Herr Wendt von der AfD-Fraktion, Sie hatten vorhin angedeutet, dass Sie durchaus Lösungsvorschläge erarbeiten würden. Ich höre bisher nur Schlagworte, die Sie an uns als Staatsregierung richten.

(Beifall des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Ich habe bisher keine nachhaltigen Lösungsvorschläge gefunden, bei denen ich gewusst hätte, welchen Ansatz Sie haben. Vielleicht ist das auch ein Hinweis an Sie, dass man an diesen Punkten noch etwas mehr Arbeit hineinstecken könnte.