Wenn Sie davon sprechen, dass es in Großstädten im Westen rechtsfreie Räume gebe, dann frage ich mich schon: Was meinen Sie denn jetzt mit rechtsfreien Räumen, die Sie festgestellt haben?
Erstens weiß ich nicht, womit Sie das belegen, und zweitens ist es ganz schön arrogant, wenn wir von rechtsfreien Räumen in einem Land reden, in dem, ja, Illegale tagelang, wochenlang Asylheime blockieren können, in dem Menschen Brandanschläge verüben, in dem Menschen Steinwürfe gegen Flüchtlingsunterkünfte vornehmen, in dem wir jeden Tag Nazischmierereien erleben, in dem wir regelmäßig Böllerangriffe erleben gegen Politiker oder Geflüchtete. Ich spreche von Hasstiraden in sozialen Netzwerken und von der Hetze in Flugblättern gegen Flüchtlinge.
Ich glaube, wir haben in den letzten Wochen und Monaten nicht einen einzigen Tag erlebt, wo all das nicht stattgefunden hat. Sachsen ist eine Hochburg des Hasses, den wir tagtäglich erleben.
Ja, der Islamische Staat hinterlässt uns einen syrischen Pass. Was macht die Staatsregierung, die Staatskanzlei? – Sie geht auf dieses Argument ein, obwohl wir mittlerweile wissen, dass die Mehrzahl der Attentäter französische Staatsbürger gewesen sind, die sogar in Frankreich geboren wurden. Also hören wir doch auf zu erzählen, dass es Geflüchtete seien, die jetzt zu uns kommen und uns Angst machen!
Wir machen die Angst selber, indem wir sie selbst verbreiten. Wir müssen aber mit Menschen umgehen, die unter uns leben,
und es ist manchmal schwierig, mit ihnen umzugehen. Aber mit Fingern darauf zu zeigen und zu sagen, es sind Geflüchtete, die hierher kommen, die das missbrauchen, wenn wir sie mit offenem Herzen empfangen, das ist doch genau das, was der Islamische Staat von uns erwartet.
Sachsen braucht eine unerschrockene und sensible Zivilgesellschaft, und mancherorts gibt es diese auch schon. Wir brauchen vor allem Solidarität mit denjenigen, die vor dem IS geflüchtet und zu uns gekommen sind. Das ist doch die beste Antwort auf den Wahnsinn, den der IS macht. Wir brauchen vor allem keine Einschränkung der Demokratie, wir brauchen keine Einschränkung von Freiheitsrechten und wir brauchen auch keine Einschränkung von Bürger- und Bürgerinnenrechten. Die dürfen wir kein Stück hergeben.
Wir tun es aber schon. Wir haben es in Hannover getan. Ich halte es für einen großen Fehler, dass wir in Hannover dieses Fußballspiel abgesagt haben.
Für die Fraktion DIE LINKE sprach Kollege Gebhardt. Als Nächste ergreift für die AfD-Fraktion Frau Kollegin Dr. Petry das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wie jedes Mal, wenn ein Anschlag passiert, ob in Paris oder andernorts: Betroffenheit ist verständlich, ja, Betroffenheit müssen wir zeigen, aber dabei dürfen wir nicht stehenbleiben.
Deswegen war es auch den Opfern von Paris gegenüber ein Stück weit zynisch, gleich reflektorisch zu behaupten, das alles habe nichts mit der aktuellen Lage in Europa, mit einer Einwanderungswelle ungekannten Ausmaßes, zu tun, bei der wir immer noch darüber streiten, ob es eine Flüchtlingskrise oder einfach eine Welle ungestörter Einwanderung ist, die von Politikern fast aller Parteien seit Jahren nicht nur toleriert, sondern befördert wird.
Meine Damen und Herren! Wir müssen natürlich darüber diskutieren, welche Zusammenhänge es zwischen dem Terroranschlag in Paris und der aktuellen Politik in Europa gibt. Deswegen reicht es nicht aus, wenn wir Betroffenheit zeigen. Sicherlich ist die Jagd auf Hintermänner jetzt angesagt. Es erstaunt auch, wie viele Ermittlungserfolge plötzlich zu verzeichnen sind, obwohl man Jahre zuvor undefinierte und unkonkrete Terrorwarnungen in den Medien mehr als genug hatte. Wie schon im Jahr 2011 stellen wir auch heute fest, dass sofort eine Diskussion über Bürgerrechte losgetreten wird.
Herr Kupfer, ich stimme Ihnen nicht zu, dass wir noch mehr Einschränkungen bei den Bürgerrechten brauchen. Dies ist nicht die richtige Antwort auf die Terroranschläge von Paris.
Sicherlich muss der Sicherheitsapparat, müssen die Dienste und die Polizei in die Lage versetzt werden, ihre Arbeit zu machen. Aber das wäre seit Jahren ihre Aufgabe gewesen. Wir müssen nicht nur in Sachsen darüber reden, dass die „Polizeireform 2020“ ein völliger Fehlschlag war; deswegen rudern Sie auch richtigerweise zurück. Ähnliches gilt für die Bundespolizei und gilt auch dafür, dass wir Grenzen seit Langem ganz bewusst nicht mehr kontrollieren und in Kauf nehmen, dass mögliche Terroristen, mögliche Schläfer nach Deutschland und Europa einwandern.
Deswegen müssen wir nicht bedauern, dass es ein Missgefühl zwischen Trauerbekundungen gibt. Es ist völlig normal, dass Opfer, die geografisch und kulturell näher sind, vielleicht im eigenen Land eher eine größere Trauerwelle nach sich ziehen, als die vielen Toten auf der ganzen Welt, die wir aber jeden Tag betrauern müssten.
Die Frage ist nur: Welche Maßnahmen können wir tatsächlich ergreifen und was lernen wir daraus für den gesellschaftlichen Diskurs in Deutschland? Bekommen die Hinterbliebenen eine Geldrente in Deutschland, in Frankreich? Für Frankreich haben wir das nicht zu entscheiden, für Deutschland aber wohl.
Gibt es Konsequenzen für den Waffenexport? Denn bisher scheint auch Kommissionspräsident Juncker in Brüssel nur auf die Idee zu kommen, das Waffenrecht für die eigenen Bürger einmal mehr einzuschränken, obwohl wir genau wissen, dass es nicht diese Waffen waren, mit denen die Terroranschläge verübt wurden. Deswegen richten wir uns ganz klar dagegen, dass diese Art von Beschränkungen weiter vorgenommen werden.
Wird die Haltung zu Demonstrationen im eigenen Land verändert, speziell zu Pegida und anderen Demonstrationen? Denn dort wird von Brandstiftung geredet, aber tatsächlich haben diese Demonstrationen einen gesellschaftlichen Diskurs angestoßen, dem sich die meisten Parteien, auch hier im Landtag in Dresden, nach wie vor verweigern.
Wie können wir in der Bildung dafür sorgen, dass eine positive Haltung zum Rechtsstaat gefördert wird? – Indem Präventionsmaßnahmen nicht reduziert, sondern aufgestockt werden. Und ja, durch diese können auch extremistisch angehauchte Jugendliche, die nichts weiter können, als zu Demonstrationen zu schreien, dazu angehalten werden, den Rechtsstaat zu fördern.
Noch eine Bemerkung zu denjenigen, die fliehen. Ja, es fliehen natürlich viele Menschen auf der ganzen Welt vor Terrorismus und Krieg. Aber wenn Sie sagen, es fliehen nur jene, dann zeigt das nur, dass Sie die Lage nach wie vor nicht verstanden haben.
Wenn das BAMF in einem Brandbrief am 11. November rügt, man wisse bei der Mehrzahl der Asylbewerber gar nicht, woher sie tatsächlich kämen, und wir wissen jetzt schon, dass die Verfahren innerhalb der BAMF-Institute nicht mehr rechtsstaatlich vollendet werden können, dann wissen wir genau gar nicht, was Ihre Behauptung stützt. Dann müssen wir davon ausgehen: Je mehr unregistrierte Menschen nach Deutschland und Europa kommen, desto weniger wissen wir, was im eigenen Land eigentlich passiert.
Deshalb fordern wir als Alternative für Deutschland, dass Sachsen und die Bundesregierung alles dafür tun, um den Rechtsstaat und die eigenen Bürger zu schützen, aber nicht, indem wir weiter überwacht werden, sondern indem wir dafür sorgen, dass Grenzen kontrolliert, Asylverfahren
reformiert und die Freiheitsrechte der eigenen Bürger ernst genommen werden – viel ernster als bisher.
Frau Kollegin Dr. Petry sprach für die AfD. Jetzt spricht für die Fraktion GRÜNE Herr Kollege Zschocke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die barbarischen Anschläge – das zeigt die Debatte – erschüttern jeden von uns bis ins Innerste. Sie folgen dem Angriff auf das russische Passagierflugzeug über Ägypten mit über 220 Toten; Herr Panter erwähnte es. Wenige Tage vor dem Schrecken starben in Beirut infolge eines Doppelanschlages 40 Menschen. Viele weitere Anschläge gingen dem voraus.
Die Toten hinterlassen verzweifelte Familien und Freunde, aber auch für die Verletzten wird das Leben nie mehr so sein, wie es war. Diejenigen, die mit dem Schrecken davon kamen, bleiben für lange Zeit traumatisiert.
Das Ziel der Terroristen ist klar: Furcht, Schrecken und Hass verbreiten. Egal, ob wir in einem Café sitzen, in ein Konzert gehen oder durch eine Einkaufspassage laufen – niemand soll sich mehr sicher fühlen. Das ist das Ziel. Der Terror zielt direkt auf den Zusammenhalt und das friedliche Zusammenleben und er treibt die Spaltung und Radikalisierung voran. Er greift unsere Lebensart, unsere Lebensvorstellungen an.
Umso mehr, meine Damen und Herren, beeindrucken mich die Menschen in Paris, die trotz großer Trauer und Schmerzen weiter aufrecht durch ihre Stadt gehen und sich eben nicht von Terroristen diktieren lassen, wie sie leben wollen. Das, meine Damen und Herren, ist der Kern dieser Auseinandersetzung.
In einer offenen und freien Gesellschaft zu leben, in der vielfältige Formen und unterschiedliche Vorstellungen vom Leben respektiert werden, in der verschiedene Menschen auch ohne Angst verschieden sein können, auf der Basis gemeinsamer Grundwerte, diese Freiheit gilt es gegen Terroristen zu verteidigen.
Sie gilt es aber auch gegen jene zu verteidigen, die diese Situation jetzt für ihre Ziele missbrauchen und die Angst vor Fremden und fremden Religionen schüren oder die Freiheit falschen Vorstellungen von Sicherheit opfern. Die verständlichen Sicherheitsbedürfnisse und Ängste anzuerkennen heißt eben gerade nicht, auf Ausgrenzung, Abschreckung und Panikmache zu setzen. Die Angriffe auf Freiheit, Frieden und Humanität können nicht dadurch abgewehrt werden, dass Freiheit, Frieden und Humanität dafür geopfert werden, meine Damen und Herren.
Der Ruf nach der Verschärfung von Sicherheitsgesetzen ist eine zwar erwartbare, aber falsche Schlussfolgerung
aus solchen Ereignissen. Schnell werden dann gesetzliche Maßnahmen durchgesetzt, die zwar mehr Sicherheit vorgaukeln, jedoch die Freiheit und Bürgerrechte massiv einschränken. Dazu sage ich ganz deutlich: Hier müssen wir in den kommenden Wochen und Monaten alle sehr wachsam sein.
Sicherheit im Inneren ist vor allem Aufgabe der Polizei. Sie braucht keine schärferen Gesetze, sondern vor allem ausreichend und gut ausgebildete Beamtinnen und Beamte. Die sächsische Sparpolitik hat in den vergangenen Jahren zu Sicherheitsrisiken beim Schutz der Bevölkerung, aber auch bei der Eigensicherung der Beamten geführt. Ich hoffe inständig, dass dieser Kurs jetzt beendet wird. Sachsen braucht mehr Polizistinnen und Polizisten. Herr Tillich, wir nehmen Sie dabei wirklich beim Wort. Wer für Sicherheit Leib und Leben riskiert, der hat Anspruch auf moderne und ordentliche Ausstattung. Ich möchte nicht, dass wir uns hier immer und immer wieder darüber streiten müssen.
Sicherheit für die Bevölkerung heißt auch Sicherheit für die Flüchtlinge. Viele flüchten genau vor diesen Terroristen und solchen Terrorakten. Sie sind bei uns in Sachsen, weil sie dem täglichen Terror in ihrer Heimat entkommen wollen. Angesichts dessen ist es regelrecht verantwortungslos, Themen wie Terror, Religion und Flucht so unzulässig zu vermischen, dass damit die Debatte um Begrenzung der Zuwanderung befeuert werden kann, so wie Sie es machen, Frau Petry. Ich sage es deutlich: Schlagbäume, Verweigerung von Solidarität schützen kein bisschen vor Terror. Wir können ja den Terror nicht aussperren, indem wir Flüchtlinge aussperren.
Die stärkste Waffe gegen den IS-Terror ist nach wie vor eine großzügige Willkommenskultur für Menschen aus Syrien; denn wenn diese sich vor den IS-Banden nicht mehr in Sicherheit bringen können, dann bleibt ihnen nichts anderes übrig, –
– als sich zu unterwerfen. Eine Politik der Abschottung stärkt den IS-Terror. Wenn Flüchtlinge sich hier aufgenommen fühlen, eine Perspektive für sich und nachziehende Familien finden, –