Protokoll der Sitzung vom 19.11.2015

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Mit Kollegen Zschocke, Fraktion GRÜNE, sind wir am Ende der ersten Runde

angekommen. Wir beginnen mit einer zweiten Runde. Das Wort ergreift Kollege Hartmann für die CDUFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bedrückend, an die Opfer der Pariser Terroranschläge vom Freitag zu denken. Dieses Mitgefühl wird jeder haben, dem die Angehörigen der vielen Söhne, Töchter, Eltern, Verwandten, Freunde und Bekannten in den Sinn kommen.

Auch wenn es nicht der erste Anschlag dieser Art ist, macht diese Tat fassungslos und mahnt uns, an die Worte Luthers „Mitten in dem Leben sind wir vom Tod umfangen“ zu denken. Diese Attentäter rütteln an den Grundfesten unserer freiheitlich-westlichen Demokratie. Sie erschüttern unsere Selbstgewissheit, in Sicherheit, Frieden und Freiheit leben zu können.

Doch genau diesem Gefühl der Angst dürfen wir nicht nachgeben. Wir müssen unsere zivilisatorischen Errungenschaften verteidigen. Anderenfalls haben die Attentäter genau das erreicht, was sie wollen. Deshalb sei – auch in Richtung der LINKEN – deutlich gesagt: Appeasement-Politik – das wissen wir seit Neville Chamberlain – ist an dieser Stelle genau der falsche Ansatz.

(Beifall bei der CDU)

Ganz klar betreiben der Rechtsstaat, die Demokratie, die Europäische Union an dieser Stelle keine Kriegsrhetorik, sondern sie werden gegen diesen internationalen Terrorismus geschlossen Flagge zeigen und die entsprechenden Konsequenzen ziehen.

(Beifall bei der CDU)

Hier geht es auch nicht, wie dargestellt, um die Einschränkung von Freiheitsrechten – im Gegenteil; es geht um deren Verteidigung. Der Kern der Frage ist, genau diese Freiheitsrechte zu schützen.

(Beifall bei der CDU)

Dann ist auch diese Rhetorik in dem Bezug auf Hannover ein völlig falscher Ansatz. Denn ich will deutlich sagen: Hier haben Sicherheitskräfte, hier hat ein Bundesinnenminister Verantwortung übernommen in einem Ausgleich zwischen den Freiheitsrechten und dem Schutz der Bevölkerung, der Menschen – und das war sicherlich keine einfache Entscheidung. Aber im Zweifel steht der Schutz von Leib und Leben von Tausenden, Zehntausenden Menschen immer im Fokus der Entscheidung.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD sowie des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

In Richtung der AfD möchte ich sagen: Nun ist die Kalaschnikow wahrlich kein deutscher Waffenexportschlager. Der Bezug auf die Anschläge in Paris und ein Verweis auf die Sicherheitsarchitektur in Sachsen ist eine billige Rhetorik und durchaus durchschaubar.

Ich will Ihnen deutlich sagen: Wir brauchen an dieser Stelle keine Betroffenheitsrhetorik und keinen Wettbewerb um politische Deutungshoheit. Was wir brauchen, sind kluge politische Entscheidungen, die nicht nur den Familien der Opfer, sondern allen Europäern das Gefühl vermitteln, dass wir in Sachsen, in Deutschland, in der Europäischen Union alles dafür tun, das Risiko solcher Anschläge weiter zu minimieren – wohl wissend, dass es nicht in unserer Macht steht, eine hundertprozentige Sicherheit zu geben.

Ganz klar ist: Wir brauchen angemessene Reaktionen. Es hilft nichts, vom „Terrornotstand“ zu sprechen oder davon, dass die Politik der offenen Grenzen und der Welcome-Jubel schuld an dieser Entwicklung seien. Ich denke, es ist ein plumper und falscher Versuch, die Terrorakte in Paris oder die Situation in Hannover als einen Baustein für eine Antiasyl-Debatte zu missbrauchen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Es gibt mit Sicherheit das Risiko, dass mit Flüchtlingen auch Terroristen in unser Land kommen. Aber nicht jeder Flüchtling ist ein Terrorist und – auch in die Richtung der AfD gesprochen – Ihre Argumentation verkennt eine Tatsache: Es sind auch Deutsche und Europäer, die dem Aufruf des IS gefolgt sind und sich als deutsche Staatsangehörige an solchen Terrorakten beteiligen.

Wir brauchen klare Antworten auf die jetzige Situation – und das sind mehr als allgemeine Bekenntnisse. Wir brauchen eine europäische Antwort in sicherheitspolitischen Fragen. Wir brauchen eine konsequente Bestrafung und Verfolgung derer, die für diese Anschläge verantwortlich sind. Wir brauchen eine Korrektur in der Integrationspolitik, die da heißt, dass wir an die, –

Ihre Redezeit geht zu Ende.

– die bei uns leben, den Wertemaßstab unserer Gesellschaft nicht nur als Bekenntnis, –

Ihre Redezeit ist zu Ende.

– sondern als gelebte Praxis anlegen; und wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um die europäischen Grenzen zu sichern und die Verfahren kontrolliert zu führen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Das war Herr Kollege Hartmann. Jetzt die SPD-Fraktion? – Kein Redebedarf. DIE LINKE? – Bitte, Herr Kollege Stange; Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die

Abscheulichkeit der Anschläge vom letzten Freitag ist menschlich kaum fassbar und der berechtigte Aufschrei quer durch Europa nur allzu verständlich.

Das Mitgefühl mit den Überlebenden, die Trauer um die Opfer und die Anteilnahme mit den Hinterbliebenen sind heute bereits geäußert worden und ich bin Ihnen, Herr Ministerpräsident, durchaus dankbar für Ihre klaren Worte auch am Ende Ihrer Rede. Sie waren wichtig, weil wir in einem Moment sind, in dem wir vor allem – im Gegensatz zu Ihnen, Herr Hartmann; da muss ich Ihnen widersprechen – und zuallererst auch Analyse brauchen; innehalten, bevor wir schnell aus der Hüfte schießen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Hohen Hause wäre es durchaus auch angemessen gewesen, weil wir Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als einen Wertekanon verstehen, sich ebenfalls für die Opfer von Beslan oder für die Opfer von Moskau 2002 zu erheben – aber ja, manchen sind die Opfer in Europa eben näher. Das halte ich aber im Sinne unseres Wertekanons nicht für gerechtfertigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der belgische Historiker und Archäologe David Van Reybrouck hat in einem Brief an den französischen Präsidenten François Hollande unter anderem – ich übersetze es – sinngemäß geschrieben, dass er mit den letzten Worten durchaus konform geht, die da heißen: Es war ein Akt der totalen Barbarei. Allerdings, seine Kriegsrhetorik geißelt er zutiefst und führt, kurz zusammengefasst, unter anderem aus: „Ohne Bushs idiotische Invasion in den Irak hätten wir niemals sprechen müssen über den Islamischen Staat. Millionen von uns demonstrierten gegen die Invasion in 2003. Ich war unter ihnen. Es war weltweiter Protest. Wir hatten recht. Nicht, dass wir zwölf Jahre hätten in die Zukunft blicken können; nicht, dass uns klar war, was kommen wird; aber heute realisieren wir: Was in Paris am Freitag passiert ist, ist eine indirekte Konsequenz des Krieges der Rhetorik Ihres Kollegen Bush im September 2001.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der französische Präsident hat angekündigt, anlässlich des Weltklimagipfels in Paris keine Demonstrationen und Versammlungen zuzulassen. So verständlich angesichts der zeitlichen Nähe zum Terroranschlag diese Reaktion auch sein mag – es ist eine Einschränkung der Freiheit von Staats wegen. Wir haben einerseits also die klare Ansage, wir wollen mehr Freiheit haben, und schränken dennoch die Freiheit ein. Dies ist kein starkes Zeichen der demokratischen Zivilgesellschaft.

Auch die Landtage sind – das ist erklärt worden – weiche, denkbare Ziele des Terrors und auch hier müssen wir darüber nachdenken, wie weit die Konsequenzen reichen. Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns darauf einstellen, dass wir die Freiheit nur dann sichern können, –

Die Redezeit ist zu Ende.

– wenn wir sie auch tatsächlich durch die Zivilgesellschaft leben und nicht durch den Staat einschränken lassen.

Die Redezeit ist zu Ende.

Der Eingriff in die Freiheitsrechte untergräbt die freiheitlich-demokratische

Grundordnung und setzt unser Leben als Zivilgesellschaft, wie wir sie bisher kannten, aufs Spiel.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Henning Homann, SPD)

Das war Kollege Stange für die Fraktion DIE LINKE. Gibt es in dieser zweiten Rederunde weiteren Redebedarf? – Das Wort ergreift Frau Kollegin Dr. Petry für die AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, ich glaube, wir müssen noch einige Fakten beifügen. In der Diskussion ist uns wieder Pauschalisierung vorgeworfen worden. Herr Hartmann, wenn Sie das mit der AfD tun, dann kann ich nur sagen: Diesen Vorwurf müssen wir glatt zurückweisen. Dies gilt auch für andere Fraktionen. Wenn hier der Zusammenhang zwischen der Asyl- und Flüchtlingspolitik diverser Parteien und der aktuellen Situation negiert wird, dann zeigt genau dies, dass eine umgekehrte Pauschalisierung vorgenommen wird.

Es ist bekannt, dass in Griechenland und der Türkei syrische Pässe en masse hergestellt werden, damit man sich in Deutschland als Syrer ausgeben und ein vereinfachtes Asylverfahren durchlaufen kann. So ist es unter anderem in einem offenen Brief von Mitarbeitern des BAMF vom 11. November 2015 nachzulesen.

Wir wissen, dass es Schlepperangebote an bereits in Sicherheit lebende Flüchtlinge in der Türkei für die Weiterreise nach Deutschland für 3 000 Euro gibt. Wir wissen, dass andere europäische Länder darauf dezidiert reagieren. Nur Deutschland tut nichts. Dänemark, Schweden, Ungarn und seit dem vergangenen Freitag selbst Frankreich haben beschlossen, ihre Grenzen so zu schließen, dass sie vernünftig kontrolliert werden können. Nur Deutschland zeitigt keine Reaktion. Angesichts dessen von einer „geschlossenen EU“ zu sprechen, Herr Hartmann, ist wohl etwas übertrieben.

(Beifall bei der AfD)

Herr Hartmann, wenn Sie in Ihren Ausführungen gleichzeitig Kritik an diejenigen richten, die eine „AntiAsylpolitik“ betreiben, dann sollten wir endlich darüber sprechen, was Asylpolitik ist; denn darum geht es seit den geöffneten Grenzen, seit Frau Merkels offener Einladung schon lange nicht mehr. Wir wissen, dass die Asylanerkennungsquote nach wie vor bei 2 % liegt. Dies ist keine Asylkrise, dies ist keine Flüchtlingskrise. Der aktuelle

Zustand beschreibt eine Masseneinwanderung, die weder von Deutschland noch von der EU im Zaum gehalten wird und offenbar auch nicht im Zaum gehalten werden soll.

(Beifall bei der AfD)

Zu Ihrer Äußerung, wir betrieben, wenn wir über die Herausforderungen für Sachsen und ganz Europa reden, billige Rhetorik, sage ich: Damit sind Sie Ihrem Fraktionsvorsitzenden in den Rücken gefallen. Herr Kupfer selbst hat von Bezügen zwischen der Terrorsituation und der sächsischen Sicherheitspolitik gesprochen. Vielleicht sollten Sie sich in Zukunft etwas besser absprechen.