Die Antragsteller wollen in einem Widerspruchsverfahren über kommunale Abgabenbescheide den Behörden und den Bürgerinnen und Bürgern das Recht geben, das Verfahren so lange auszusetzen, bis in einem Musterverfahren eine Grundsatzentscheidung getroffen ist.
Wir haben es eben schon gehört: Diese Möglichkeit, die hier eingeräumt werden soll, gibt es bereits. Die Behörden und die Bürgerinnen und Bürger können bereits heute ein Verfahren aussetzen. Es widerspricht zwar in einem gewissen Umfang dem Grundsatz, dass Verwaltungsverfahren zügig durchzuführen sind, wie er in § 10 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz zum Ausdruck kommt – natürlich sollen Verfahren nicht überlang dauern –; aber für eine solche Aussetzung wie diese gibt es einen sachlichen Grund, und vor allem stimmen ja der- oder diejenige, die von einer Aussetzung benachteiligt werden könnten, nämlich die Widerspruchsführer, zu. Insofern ist es natürlich möglich, so vorzugehen. Anderenfalls könnte die Widerspruchsführerin/der Widerspruchsführer Untätigkeitsklage erheben.
Die vernünftige Behörde kann also an den Widerspruchsführer herantreten, ihn auf ein Musterverfahren hinweisen und mit ihm die Aussetzung des Verfahrens vereinbaren. Umgekehrt kann der rechtlich bewanderte Widerspruchsführer/die Widerspruchsführerin eine Behörde darauf hinweisen, dass er/sie den Widerspruch zunächst nur einlege, um die Rechtskraft des Bescheides zu vermeiden, und die Behörde ersuchen, die Angelegenheit zunächst ruhen zu lassen. Schon weil damit vermeidbare Arbeit vermieden werden kann, wird die Behörde dem entsprechen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Notwendigkeit, dem Bürger zusätzlich einen Anspruch einzuräumen, ist für uns nicht erkennbar. Sie würde voraussetzen, dass sich die Behörden weigern, wie beschrieben zu verfahren. Dazu ist nichts erläutert und, abgesehen von möglichen Einzelfällen, auch kaum etwas vorstellbar. Deshalb war es wichtig, hierzu die kommunalen Spitzenverbände zu hören. Wir haben eben sehr ausführlich dargestellt bekommen, wie sie sich dazu eingelassen haben. Sie sind natürlich aufgeschlossen gegenüber Musterverfahren, weil in der Tat dadurch Einsparungen erzielt und Verfahren vereinfacht werden können; aber die Ausgestaltung, wie hier vorgeschlagen, lehnen sie ab.
Das Thema Akteneinsichtsrecht ist auch schon ausführlich dargestellt worden. § 29 Verwaltungsverfahrensgesetz gibt hierzu Regelungen vor, die auch für diese Verfahren gelten. Insofern sehen wir keine Notwendigkeit, eine solche Regelung zu treffen, und werden den Antrag ablehnen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE verfolgt bei Kommunalabgabenstreitigkeiten zwei Ziele: die Ausweitung von Musterverfahren und eine Konkretisierung des Akteneinsichtsrechts. Kurz und prägnant zusammenfassen lässt sich dieses Gesetzesvorhaben, Herr Schollbach, mit den Worten: schlecht abgeschrieben aus Mecklenburg-Vorpommern.
Sie haben nämlich schlicht und ergreifend § 12 Abs. 3 des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommerns übernommen. Aber wenn Sie schon abschreiben, dann bitte Sachsen-konform. Auch hier gilt der alte Juristensatz: „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.“ In ihren Stellungnahmen haben die kommunalen Spitzenverbände die Mängel des Gesetzentwurfes sehr deutlich aufgezeigt.
Nun zu den Musterverfahren. Schon jetzt sind Musterverfahren in Kommunalabgabenverfahren gemäß § 68 ff. VwGO möglich, wenn alle Parteien zustimmen und das Verfahren ruhend stellen; der CDU-Kollege hat darauf hingewiesen. Die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten könnten allerdings – dem stimmen wir zu – deutlicher und ausdrücklich im Sächsischen Kommunalabgabengesetz geregelt werden. Der Vorschlag der Fraktion DIE LINKE ist kompliziert und umfangreich. Eine schlanke und unmittelbare Regelung sieht anders aus.
Hinzu kommt, dass die Widerspruchsführer einseitig bevorteilt werden bei der Ausübung von Gestaltungsrechten. Die Waffengleichheit der Parteien im Verfahren gerät in Gefahr. Der Sächsische Städte- und Gemeindetag stellt auch fest – Zitat –: „Weiterhin fällt auf, dass weite Passagen der Gesetzesbegründung fehlgehen, weil offenkundig die geltende Rechtslage nicht zutreffend beurteilt wird.“ Der Sächsische Landkreistag unterbreitete konkrete Vorschläge für eine mögliche Neuregelung zur Durchführung von Musterverfahren in Kommunalabgabenstreitigkeiten. Die Fraktion DIE LINKE hat diese Vorschläge ignoriert, wie wir in Ihrem Änderungsantrag in der letzten Sitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses bezüglich des ersten Teils feststellen mussten.
Nun zum zweiten Teil, der Akteneinsicht. Auch die Neuregelung zum Akteneinsichtsrecht in Kommunalabgabenstreitigkeiten ist entbehrlich, da dieses Recht nach der derzeitigen Rechtslage ebenfalls schon besteht. Auch die inhaltliche Umsetzung lehnen wir ab. Verwaltungskosten sollen erst entstehen, wenn der Abgabenschuldner die Fertigung von mehr als 100 Kopien aus den Kalkulationsunterlagen verlangt. Diese Regelung würde nach Ansicht der kommunalen Spitzenverbände und auch nach Auffassung unserer Fraktion zu unverhältnismäßigen Kostenbelastungen bei den Widerspruchsbehörden führen und damit die Kommunen unangemessen benachteiligen.
Der Sächsische Städte- und Gemeindetag hat dazu sehr treffend ausgeführt – Zitat –: „Es kann nicht angehen, Rathäuser und Geschäftsstellen von Abwasserzweckverbänden auf diese Weise zu „Billigdruckzentralen“ für Widerspruchsführer umzufunktionieren.“ Darüber hinaus widersprechen die Regelungen zum Akteneinsichtsrecht den Grundsätzen des Sächsischen Verwaltungskostengesetzes. Aus all diesen Gründen können wir dem Gesetz nicht zustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf begeben wir uns in die Tiefen der Abgabenordnung, die auch für das kommunale Abgabenrecht maßgeblich ist. Meine generelle Feststellung: Die weitgehende Verweisung im Sächsischen Kommunalabgabengesetz auf die Abgabenordnung unter gleichzeitiger Regelung haufenweiser Abweichungen ist gesetzessystematisch eher unschön, allerdings in anderen Bundesländern auch die Regel. Dabei ist es nicht nur der Gesetzentwurf der LINKEN, der dieses Problem erzeugt, sondern es zieht sich durch das gesamte Kommunalabgabengesetz.
Mit dem Gesetzentwurf hat die Fraktion DIE LINKE von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Verwaltungsverfahren zur Erhebung von Kommunalabgaben auf Landesebene eigenständig zu gestalten. Die mit diesen Änderungen vorgeschlagene Möglichkeit, Widerspruchsverfahren wegen der Gültigkeit einer Abgabensatzung ruhen zu lassen, solange ein anderes Verfahren wegen dieser Abgabensatzung beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht, bei einem Obersten Bundesgericht oder beim Europäischen Gerichtshof noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, wird von uns ausdrücklich begrüßt. Gleiches gilt für den im Entwurf geregelten Fall, dass ein Verfahren wegen einer Rechtsfrage anhängig ist, die in einem Widerspruchsverfahren entscheidungserheblich ist. Auch in diesem Fall ist ein Ruhen des Verfahrens durchaus sinnvoll.
Tatsächlich kann mit einer solchen Verfahrensregelung – Herr Schollbach hat darauf bereits hingewiesen – eine stärkere Wahrnehmung der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung erreicht werden. Ebenso wie DIE LINKE sehen wir mit der Möglichkeit des Ruhens des Widerspruchsverfahrens und des Abwartens einer rechtskräftigen Entscheidung bis zum Abschluss eines Verfahrens eine Absenkung des Prozessrisikos. Das ist bürgerfreundlich und spart Kosten sowie Aufwand für die Verwaltung, aber auch bei möglichen künftigen Klägern.
Was uns allerdings in dem Gesetzentwurf fehlt, sind belastbare Zahlen oder zumindest eine größere Anzahl belegter sächsischer Verfahren. Gibt es tatsächlich so viele gleich gelagerte Fälle, dass es sich für die Einfüh
rung von Musterverfahren im Verwaltungsverfahren lohnt? Dazu bleibt der Gesetzentwurf eine Begründung weitestgehend schuldig. Mit einem solchen Musterverfahren ist gerade auch mit Blick auf die zu treffende Vereinbarung der Beteiligten nach § 7 e ein nicht unerheblicher Aufwand verbunden. Hier wäre eine Klarstellung hinsichtlich der Anzahl vergleichbarer Fälle wünschenswert gewesen, wie sie etwa die Verwaltungsgerichtsordnung vorsieht. Dort sind für Musterverfahren demnach mehr als 20 Verfahren gegen eine behördliche Maßnahme notwendig.
Auch die Formulierung, wonach mehrere Widerspruchsführer eine Prozessgemeinschaft bilden, ist aus unserer Sicht eher unglücklich gewählt, da sich die Widerspruchsführer eben gerade noch nicht im Verwaltungsprozess, sondern noch im Vorverfahren befinden.
Worüber man – dies wurde bereits angesprochen – auch hätte trefflich diskutieren können, das ist die Frage, ob nicht die bloße Aufnahme des § 363 Abs. 2 Abgabenordnung in den Anwendungsrahmen des SächsKAG ausgereicht hätte. Wir können aber als GRÜNE der Intention des Gesetzentwurfs folgen und werden ihm daher zustimmen. Gefreut haben wir uns vor allem über die vorgeschlagene Regelung zum Akteneinsichtsrecht in Unterlagen, die der Abgabenfestsetzung zugrunde liegen.
Dass die Abgabenordnung – anders als andere Verfahrensordnungen des öffentlichen Rechts – kein explizites Akteneinsichtsrecht vorsieht, ist für uns ein großes Defizit. Wir wollen die Gelegenheit nutzen, um im Rahmen unserer Gesetzgebungskompetenz auf Landesebene diese Lücke im Gesetz zu schließen. Die von Ihnen vorgeschlagene Regelung bietet dazu eine Möglichkeit. Ob sie tatsächlich nicht notwendig ist, wie der Sächsische Landkreistag in seiner Stellungnahme darlegt, ist sicherlich fraglich. Dies sei jedoch dahingestellt, denn schädlich ist eine solche Formulierung definitiv nicht. Deshalb wundert es uns auch etwas, dass DIE LINKE jetzt einen entsprechenden Änderungsantrag vorlegt und damit einen Schritt zurück macht.
Dem Änderungsantrag werden wir – das kann ich schon vorwegnehmen – nicht zustimmen, dem Gesetzentwurf gleichwohl.
Gibt es vonseiten der Abgeordneten noch Redebedarf? – Dies scheint nicht der Fall zu sein. Somit frage ich nun die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Ulbig, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Baumann-Hasske hat sehr schön dargestellt, wie es den Juristen Freude macht, sich über solche Sachverhalte zu unterhalten. Ich werde einmal versuchen, es aus der Perspektive eines Nichtjuristen darzustellen. Wenn man fragt, worum es denn eigentlich
gehe, dann soll es offenkundig darum gehen, die Verfahrensrechte von Abgabenschuldnern nach dem vorliegenden Entwurf zu stärken, indem man zu großen Teilen von Mecklenburg-Vorpommern abgeschrieben und die Regelungsteile übernommen hat.
Konkret soll ein kommunalabgabenrechtliches Musterverfahren bereits auf der Ebene des Widerspruchsverfahrens eingeführt werden, um dadurch die übrigen Verfahren bis zu einer gerichtlichen Entscheidung ruhen lassen zu können. Aber derzeit besteht in Sachsen überhaupt keine Notwendigkeit für ein solches Gesetz. Bereits jetzt sind Musterverfahren möglich, nämlich dann, wenn sie zwischen den Beteiligten im Rechtsbehelfsverfahren vereinbart werden. Gleiches gilt für das Ruhen von Verfahren, was aber eben nicht dazu führt, dass es zur Aussetzung von Zahlungsverpflichtungen bei Kommunalabgaben kommt.
Dann hat Herr Anton sehr schön ausgeführt und darauf hingewiesen, was in den Ausschüssen und in der Anhörung alles vorgetragen worden ist. Die kommunalen Spitzenverbände, auf die sonst so viel Wert gelegt wird, haben eben auch deutlich gesagt, dass der vorliegende Gesetzentwurf weder rechtlich sauber noch zielführend ist. Dann verweisen Sie, Herr Schollbach, auf Brandenburg und sagen, dort habe es einmal einen CDU-Entwurf gegeben. Es ist ja toll, dass Sie mal einen Entwurf einer CDU-Fraktion als richtig ansprechen!
Aber dann hätte man, um die Geschichte vollständig zu erzählen, wenigstens darauf hinweisen können, dass dies im Jahr 2013 war. Dann sind im Landtag eine Anhörung und eine Debatte durchgeführt worden, und von der rotroten Mehrheit in Brandenburg ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt worden. Dann fragt man sich natürlich, Herr Schollbach: Was ist da gewesen? Offenkundig sind Ihre – –
Ja, also, dann haben die Mitglieder Ihrer Partei, die dort Regierungsverantwortung tragen, offenkundig erkannt, dass es wohl doch nicht das Richtige ist. Deshalb kann zusammengefasst werden:
drittens ist der Gesetzentwurf an vielen Stellen zu unbestimmt formuliert, was bekanntermaßen dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz widerspricht.
(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das haben Sie von Rot-Rot abgeschrieben!)
Meine Damen und Herren, wir können nun zur Abstimmung kommen. Aufgerufen ist das „Gesetz über Musterverfahren in Kommunalabgabenstreitigkeiten im Freistaat Sachsen“, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 6/1695. Da der Ausschuss Ablehnung empfohlen hat, ist die Grundlage für die Abstimmung der Gesetzentwurf. Wir gehen artikelweise vor. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das sieht nicht so aus.
Somit rufe ich nun den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf. Wer möchte ihn noch einbringen? – Herr Schollbach, möchten Sie?
Das ist schon erledigt, gut. – Gibt es Diskussionsbedarf zum Änderungsantrag der Linksfraktion? – Auch dies ist nicht der Fall. Damit lasse ich jetzt über den Änderungsantrag in der Drucksache 6/3334 abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Danke. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen, eine Reihe von Stimmen dafür. Damit ist der Änderungsantrag mit Mehrheit abgelehnt worden.
Ich beginne nun mit der Abstimmung über die Überschrift. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen, Stimmen dafür, dennoch mit großer Mehrheit abgelehnt worden.
Artikel 1, Änderung des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch hier gleiches Stimmverhalten: keine Stimmenthaltungen,