Protokoll der Sitzung vom 20.11.2015

Doch das ist nicht alles. Auf der nächsten Seite, also auf Folie 25, steht, dass „Krankenhäuser schon heute einen Teil der ambulanten Versorgung übernehmen, weil eine flächendeckende medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet ist.“ Da muss man doch seitens der Staatsregierung wach und tätig werden, anstatt diesen Mangel unaufhörlich weiter zu verwalten und nichts dagegen zu tun.

(Beifall bei den LINKEN)

Im vierten Absatz der Stellungnahme stellen Sie fest, dass in den strukturschwachen Regionen sektorenübergreifende Versorgungsstrukturen notwendig sind. Ich verstehe beim besten Willen nicht mehr, warum Sie so gegen unseren Antrag sprechen, der Sie lediglich dazu auffordern soll, diese sektorenübergreifende Bedarfsplanung auch sicherzustellen und sich auch im Bundesrat entsprechend dafür einzusetzen. An diesem Punkt sei gesagt, dass hier ganz besonders deutlich wird, dass es nicht um Sachpolitik, sondern einzig und allein um Parteipolitik geht. Sie sprechen sich gegen unseren Antrag aus, nicht, weil er inhaltlich und sachlich schlecht ist, sondern schlichtweg, weil Ihnen das Parteilogo auf dem Titelblatt nicht passt.

(Zuruf von der AfD: Das kennen wir irgendwo her! – Uwe Wurlitzer, AfD: Genau! Danke schön!)

Bei der Antwort zu Punkt 3 frage ich mich, ob Sie den Antrag richtig gelesen haben; falls doch, ob Sie ihn richtig verstanden haben. Es geht im Antrag nicht darum, den Innovationsfonds nach § 92 a SGB V in Sachsen einzurichten – was völliger Blödinn wäre –, sondern um die Gestaltung eines finanziellen Anreizes, der nach diesem Modell geschaffen werden soll. Bei den Kommunen ging es auch mit zusätzlichen Fonds.

Sie müssen auch zugeben, dass die von Ihnen geschaffenen Programme bislang nicht annähernd den gewünschten

Erfolg erzielt haben. Betrachten wir die Initiativen der Staatsregierung, stellen wir fest, dass zum Beispiel die Teilnehmer am Programm „Studienbeihilfe“, welches seit dem Jahr 2008 läuft, immer noch nicht als Ärzte im ländlichen Raum praktizieren. Genauso wenig können Sie, werte Staatsregierung, garantieren, dass sie das überhaupt jemals tun werden.

Auch bei dem im Jahr 2013 ins Leben gerufenen Förderprogramm „Ausbildungsbeihilfe“ sind trotz des deutlich höheren finanziellen Anreizes nicht alle Förderplätze besetzt. Selbst wenn das der Fall wäre, dann würden die Absolventen dieses Programms wohl frühestens in zehn Jahren als Ärzte zur Verfügung stehen. Ob dann überhaupt noch ein Bedarf angesichts der katastrophalen medizinischen Verhältnisse im ländlichen Raum besteht, ist mehr als fraglich.

So können bereits jetzt schon Hilfsfristen gerade im ländlichen Raum nicht mehr eingehalten werden. Herzinfarkte sind immer noch die häufigste Todesursache im Freistaat; wir liegen in Sachsen deutlich über dem Bundesdurchschnitt, was die tödlich endenden Herzinfarkte anbelangt. Bei einem Herzinfarkt zählt aber, wie bei jedem medizinischen Notfall, ganz besonders jede Minute. Dass die Staatsregierung untätig zuschaut, wenn Hilfsfristen nicht eingehalten werden, ist als grob fahrlässig zu werten. Die Ausrede, und das auch noch in der Beantwortung der Anfrage, Drucksache 6/1914, niederzuschreiben, dass Wetter- oder Straßenverhältnisse daran schuld seien, ist schon fast zynisch und hilft den Patienten wirklich wenig.

Im vierten und im letzten Punkt unseres Antrages wollten wir schließlich die Staatsregierung dazu bewegen, eine wissenschaftliche Studie zur Neuausrichtung der Krankenhausplanung in Auftrag zu geben. Damit sollten unter anderem neue Grundlagen für die Personalbemessung im pflegerischen Bereich und im Bereich der Notfallversorgung geschaffen werden. Sie schreiben dazu, dass „die aktuellen Gesetzesvorhaben auf Bundesebene zur Krankenhausreform und zur Verbesserung der medizinischen und pflegerischen Versorgung in allen Sektoren bei künftigen Krankenhausplanungen im Freistaat berücksichtigt werden. Warum dabei aber „eine allumfassende Bedarfsermittlung und vorausschauende Gesamtplanung, die alle Bereiche der gesundheitlichen, medizinischen und pflegerischen Versorgung erfasst“, keinen zusätzlichen Nutzen erbringt, bleibt einzig und allein Ihr Geheimnis.

Eine Studie diesbezüglich könnte sehr wohl von Nutzen sein, um die Fördergelder aus dem von der Bundesregierung geschaffenen Strukturfonds zu beantragen. Wie will man denn sonst prüfen, ob durch ein Stilllegungsvorhaben Versorgungslücken entstehen, keine inhaltsgleichen

Versorgungskapazitäten in benachbarten Krankenhäusern geschaffen und die maßgeblich rechtlichen Bestimmungen für die vorgesehene Nachfolgenutzung eingehalten werden. Das versteht doch niemand.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass diese Gelder bis zum 31.07.2017 beantragt werden müssen. Wenn Sie sich

mit demselben Tempo wie bisher den Herausforderungen in der medizinischen Versorgung stellen, werden wir diese Frist nicht einhalten können – oder Sie machen es wie bisher, nämlich Pi mal Daumen.

Natürlich ist mir klar, dass es auf dem Gebiet der gesundheitlichen Versorgung neben der eigenen landespolitischen Verantwortung eine bundespolitische Komponente gibt. Deshalb anschließend dazu noch einige Anmerkungen:

Nötig ist eine sozialräumliche, sektorenübergreifende Bedarfsplanung, die eine Personalbemessung in der Pflege und in der ärztlichen Versorgung berücksichtigt, die sich an den Bedürfnissen und Bedarfen der zu versorgenden Patienten orientiert und für die Beschäftigten eine humane Arbeitswelt garantiert.

Das zurzeit gültige DRG-System widerspiegelt den Personaleinsatz nur ungenügend. Auch das ist schon lange bewiesen. Nötig ist weiterhin ein Versorgungssystem, das nicht ausschließlich profitorientiert ist. Wenn das Krankenhaus zweifelsfrei zur sozialen Daseinsvorsorge gehört, dann darf auch kein privater Dritter einen Gewinn aus diesem Versorgungssystem ziehen. Gesundheit ist keine Ware!

Eine einheitliche bedarfsorientierte Planung bedarf einheitlicher Planungsinstrumente. Sie funktioniert nicht, wenn für den ambulanten Bereich die KV Sachsen zuständig ist und für den Krankenhausbereich ein Planungsausschuss unter Verantwortung der Gesundheitsministerin. So kann soziale Daseinsvorsorge nicht funktionieren, allenfalls nebenher.

Deshalb mein Appell und natürlich der Appell der LINKEN für eine verbesserte Gesundheitsversorgung und ein Werben für Ihre Stimme.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Wehner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Schaper! Was machen wir denn nun mit Ihrem Antrag?

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Zustimmen!)

Dazu komme ich gerade. Sie sind ja sehr emotional bei der Sache, und ich möchte Ihnen auch etwas bei dem Thema entgegenkommen.

Vielleicht können wir uns wenigstens darauf einigen, dass das Thema, das Sie angesprochen haben, nämlich die bedarfsgerechte, flächendeckende und gut erreichbare medizinische Versorgung, auch für uns ein wichtiges Thema ist. Das ist zumindest der kleinste gemeinsame Nenner, denn wir reden ja über Jahre hinweg bereits darüber, dass die ärztliche Versorgung gerade im ländlichen Bereich, zum Beispiel in Kamenz, anders ist als in

Dresden. Deswegen kommen auch besondere Herausforderungen auf uns zu.

Sie sprechen das Thema Herzinfarktpatienten an. Ich hatte gerade zu diesem expliziten Beispiel bei der Haushaltsbehandlung immer wieder auch das Beispiel des Cardio Angels-Förderprogramms genannt, dass schon im Rettungswagen die Patientendaten so aufgenommen werden können, dass schnell in den entsprechenden Krankenhäusern auch Herzinfarktpatienten behandelt werden können. Auch hier wundert es mich, dass wir das jetzt so grundsätzlich diskutieren, obwohl wir diese Schritte auch im Zuge der Haushaltsbehandlung schon besprochen haben. Eine weitere Stärkung der sektionsübergreifenden Versorgung ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir haben dazu in den Koalitionsverträgen auf Bundes- und Landesebene entsprechende Formulierungen getroffen, so dass wir uns damit auch beschäftigen wollen.

Grundlegend kommt der vorliegende Antrag in den Teilen, die ich gerade nannte, für uns zu spät. Zielführend wäre es dann gewesen, wenn man im Zuge des GKVVersorgungsstärkungsgesetzes, das Sie ja kennen und das im Sommer diskutiert wurde, dieses auch besprochen hätte. Im Übrigen gab es da auch einen Antrag der GRÜNEN, so ähnlich wie Ihr Antrag, der inhaltlich diskutiert und in das Gesetzesvorhaben mit eingebracht wurde.

Es gilt erstens, die Vorgaben des Versorgungsstärkungsgesetzes in die Praxis umzusetzen. Der Gesetzentwurf bietet gute Ansätze, um das grundsätzliche Ziel zu forcieren. Dazu sind verschiedene Beispiele aus dem Versorgungsstärkungsgesetz zu nennen. Das Gesetz gibt den Verantwortlichen mehr Möglichkeiten, stärkere Anreize für Niederlassungen in unterversorgten oder strukturschwachen Gebieten umzusetzen. Dazu wird die Einrichtung von Strukturfonds zur Förderung einer Niederlassung erleichtert, und die Fördermittel werden erweitert.

Zweitens gibt es die Gründungsmöglichkeiten der Versorgungszentren – dies kennen Sie ja –, denn wir haben das ja immer wieder diskutiert, auch als ehemaligen Begriff der „Polikliniken“. Auch da haben die Kommunen die Möglichkeit, die Gründung von Versorgungszentren noch besser umzusetzen. Das muss jetzt nicht nur beim Krankenhaus angesiedelt sein, sondern das kann auch die Kommune machen.

Drittens. Ärzte sollen dort tätig sein, wo sie für eine gute Versorgung gebraucht werden. Künftig soll eine Praxis in überversorgten Gebieten danach besetzt werden, wenn man sich darauf einigt, aber auch nicht danach besetzt werden, wenn es in dem Einzelfall nicht erforderlich ist.

Viertens. Die hausärztliche Versorgung soll nachhaltig gestärkt werden. Die Zahl der mindestens zu fördernden Weiterbildungsstellen soll von 5 000 auf 7 500 erhöht werden. Weiterzubildende in der ambulanten Versorgung sollen die gleiche Vergütung wie ein Assistenzarzt erhalten.

Fünftens. Das Krankenhaus-Entlastmanagement wird verbessert, und strukturierte Behandlungsprogramme werden entsprechend ausgebaut.

Sechstens. Für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen können medizinische Behandlungszentren eingerichtet werden.

Siebtens. Zur Förderung von Innovation in der Versorgung und in der Versorgungsforschung wird dann ein Innovationsfonds beim gemeinsamen Bundesausschuss mit einem Volumen von 300 Millionen Euro jährlich eingesetzt.

Hinsichtlich der Bedarfsplanung hat sich der Bundesrat entsprechend dem Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Es gab die Entschließung zum Versorgungsstärkungsgesetz, das bereits angesprochen wurde. Soweit ich mich erinnere, war auch die Ministerin persönlich im Bundesrat und hat zu dem Thema gesprochen.

Hinsichtlich der Forderung 1 und 2 Ihres Antrages ist deutlich zu machen, dass dies einen Paradigmenwechsel darstellen würde. So ist beispielsweise im Bereich der geforderten vorausschauenden Versorgungsplanung davon auszugehen, dass eine Verschiebung von Zuständigkeiten stattfindet, das heißt, weg von der Selbstverwaltung, hin zu einer staatlichen Ausgestaltung.

Hinsichtlich des Punktes 2 liegt ein Widerspruch vor. Sie sind auch darauf eingegangen. Um dies noch einmal zu konkretisieren: Unter Erstens wird die Bundesebene aufgefordert, Schritte zu unternehmen und eine sektorübergreifende Versorgungsplanung zu ermöglichen. Aber unter Zweitens sagen Sie, dass das Landesgremium dann doch diese Aufgabe übernehmen soll.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Das eine schließt doch das andere nicht aus!)

Auch ist deutlich zu machen, dass Ihre Forderung über die Vorgaben des genannten § 90 SGB V hinausgeht. Hinsichtlich der dritten Forderung wurden mit dem Versorgungsstärkungsgesetz bereits Möglichkeiten geschaffen. Daher ist dieser Punkt auch entbehrlich.

Da gibt es noch den Punkt 4. Dazu hat das Sozialministerium gesagt, dass ein Gutachten zur Krankenhausplanung in Vorbereitung ist und demnächst in Auftrag gegeben wird.

Deswegen, Frau Schaper, komme ich Ihnen insoweit entgegen, dass Sie ein wichtiges Thema ansprechen. Aber dieser Antrag wird nicht dazu beitragen, dass das Thema nachhaltig gelöst wird. Das ist unsere Aufgabe. Deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD Frau Abg. Neukirch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit mehr als zehn Jahren wird hier in Sachsen und auch hier im Landtag

vom drohenden Ärztemangel gesprochen, und es wird seitdem über Maßnahmen nicht nur diskutiert. Auch wenn man angesichts des großen Handlungsdruckes und des langen Zeitverlaufes etwas ungeduldig werden könnte, muss man im Rückblick feststellen, dass wir in der Zeit enorm vorangekommen sind, weil viele der Maßnahmen, die hier vor zehn Jahren diskutiert wurden, mittlerweile möglich sind, vollzogen wurden und umgesetzt werden.

Insgesamt muss man außerdem feststellen, dass sowohl der Bundesgesetzgeber als auch auf Landesebene die gesundheitspolitischen und landespolitischen Akteure beständig daran arbeiten, Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Allein in diesem Jahr beispielsweise hat der Bundesgesetzgeber zehn gesundheitspolitische Initiativen, Gesetze und Vorhaben auf den Weg gebracht.

Beispielhaft für Sachsen ist zum Beispiel ein Maßnahmenkatalog, der auf den Internetseiten der Staatsregierung nachzulesen ist und der allein 20 Maßnahmen von der Beihilfe, Studienbeihilfe über die Weiterbildung und die Verbesserung bis hin zu konkreten Zuschlägen für Ärztinnen und Ärzte in Sachsen zusammenfasst. Dieser Katalog wird aktualisiert. Man kann immer ablesen, bei welchen Maßnahmen man vorangekommen ist und welche Maßnahmen man vielleicht auch nicht mehr weiter verfolgt, weil sie sich nicht bewährt haben.

Es gibt das Netzwerk „Ärztinnen und Ärzte für Sachsen“ bei der Landesärztekammer, und es gibt einen ganz großen Fördermaßnahmenkatalog bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Sachsen.

Warum haben wir dennoch angesichts dieser vielfältigen Initiativen ein zunehmendes Sicherstellungsproblem in einigen Regionen Sachsens? Derzeit haben wir aktuell drei Planungsregionen mit Unterversorgung, eine davon mit hausärztlich festgestellter Unterversorgung, und wir haben 21 Planungsregionen mit drohender Unterversorgung im haus- und fachärztlichen Bereich. Warum? Ich versuche, vier Gründe zu nennen.