Protokoll der Sitzung vom 20.11.2015

Meine Damen und Herren! Ich rufe die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf. Herr Abg. Dr. Lippold, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eines muss man Ihnen lassen, meine Damen und Herren von der AfDFraktion: Sie kleiden sich wirklich nicht jeden Tag neu in der Politik. Wenn Ihnen ein Hut gefällt, dann behalten Sie ihn auf – selbst wenn er aus Aluminium ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dabei handeln Sie mit höchster Effizienz. Sie generieren mit einem einzigen Satz – ohne Punkt! – einen Zähler auf der Plenarantragsliste des Sächsischen Landtags. Das ist eigentlich nur noch durch einen symbolischen Leerantrag zu toppen. Die Effizienzoptimierung treiben Sie hier weiter: Der Antragseinbringer spricht, packt ein und geht.

(Zuruf von der AfD: Können Sie mal sehen!)

Doch zum Inhalt! Zu Ihrem Antrag ist wenig Neues zu sagen. Alle anderen Fraktionen, die Staatsregierung sowie alle Experten in der Anhörung im Umweltausschuss – mit Ausnahme der von Ihnen eingeladenen Experten – haben in diesem Jahr bereits mehrfach gesagt, dass sie die Anwendung der Länderöffnungsklausel zwecks Einführung einer pauschalen Abstandsregel nicht für sinnvoll halten und deshalb auch nicht vorhaben, dies zu unterstützen bzw. zu tun. Seitdem haben sich weder die gesetzlichen Rahmenbedingungen noch die Faktenlage geändert.

Das wäre es eigentlich, was zu Ihrem Ein-Satz-Antrag zu sagen wäre.

Zu Ihrer Begründung noch einige Worte, denn darin werden auch Sie ausführlicher. Sie schreiben, dass Sie existierende Richtlinien – ich zitiere – „als Grundlage für den Bau derart starker Emittenten dieser Schallwellen“ – damit meinen Sie Infraschall – für ungeeignet halten. Sie schreiben weiter, dass Sie es für „sträflich“ halten – ich zitiere wieder –, „derartige Einflüsse eines der größten Emittenten … zu ignorieren“.

Schauen wir uns das im Licht der belegbaren Fakten an: Laut einer von der Windenergie-Gegnerszene und auch von Ihnen wiederholt hoch und runter zitierten Publikation des Robert-Koch-Instituts sieht das Institut sehr wohl weiteren Forschungsbedarf zu den Auswirkungen niederfrequenter Schallemissionen. Es betont aber, dass alle bisherigen Untersuchungen einheitlich ergeben hätten, dass die festgestellten Infraschallpegel von Windkraftanlagen unterhalb der normalen Wahrnehmungsschwelle lägen. Zur individuellen Wahrnehmung durch besonders sensitive Personen lägen keine ausreichenden Daten vor.

Genau das qualifiziert das Thema natürlich dafür, durch Sie interpretiert und instrumentalisiert zu werden. Deshalb möchte ich speziell zu diesen individuellen Wahrnehmungen die wissenschaftliche Faktenlage sprechen lassen. Über individuelle Wahrnehmungen wird tatsächlich in der Literatur berichtet. Beschwerden aus der Bevölkerung über sogenannte Brummtöne häuften sich erstmals 1999 und 2000 in Baden-Württemberg. Die Behörden führten daraufhin an insgesamt 13 Orten

Schall-, Erschütterungs- und Magnetfeldmessungen

durch, ohne das Phänomen eindeutig klären zu können.

Seitdem sind wir ein großes Stück weiter. Jetzt gibt es die AfD. Die Behörden brauchen demnach keine Messinstrumente mehr, da die AfD ihnen sagen kann, woran das liegt: Das liegt natürlich an den verhassten Windmühlen!

Schauen wir uns das in Bezug auf die – nach Aussage der AfD – angeblich zu den größten Emittenten gehörenden Windenergieanlagen konkret an, und zwar anhand der Daten zur individuellen Wahrnehmung. Ich nehme Bezug auf die Studie des Umweltbundesamtes, die auch Sie selbst, allerdings höchst selektiv, bereits angeführt haben. Danach verteilen sich die Beschwerden aus der Bevölkerung über Infraschall und tieffrequente Geräusche auf identifizierbare Quellengruppen wie folgt: Die zwei größten Quellengruppen waren mit 35 % raumlufttechnische Anlagen und Produktionsanlagen sowie – mit immerhin 33 % – Anlagen der Energieerzeugung und des Transports. Dieses Drittel Energieerzeugung und Transport – sind das Ihre verhassten Windmühlen? Weit gefehlt! Dieses Drittel setzt sich wie folgt zusammen: 28,2 % Wärmepumpen, 25,4 % Biogasanlagen, 19,7 % Blockheizkraftwerke, 9,9 % Windkraftanlagen und 7 % Transformatoren, um die wichtigsten Einzelquellen zu nennen.

Sie fordern keine Abstände für Wärmepumpen oder Transformatoren, Sie halten Lüftungsanlagen in Großstädten nicht für sträflich. Sie fordern auch kein Moratorium für Fahrzeuge, Bundesstraßen oder Autobahnen, und Sie fordern auch keine Absiedlung aus Gebirgsregionen, in denen jeder Föhnwind intensive niederfrequente Schallemissionen erzeugt. Sie kümmert das alles nicht, denn Ihnen geht es nicht um Schallimmission, denn Sie wollen die Errichtung von Windkraftanlagen stoppen. Deshalb verbinden Sie selektiv das eine mit dem anderen.

Wir haben das hier bereits wiederholt für durchsichtig und in der Sache für völlig untauglich erklärt. Heute füge ich noch hinzu, dass Sie uns hier in der Begründung schlicht Unwahrheiten auftischen. Man kann sich in der Sache in diesem Hohen Hause sehr ernsthaft streiten, meine Damen und Herren, aber das gehört sich einfach nicht. Deshalb lehnen wir den Antrag selbstverständlich ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Wir kommen zur zweiten Runde. Für die Fraktion AfD Herr Abg. Wild. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Fritzsche, ganz schnell: Ja, wir hätten gern einen Sachverständigen geschickt. Aber wissen Sie, woran das gescheitert ist? Die andauernden Verleumdungskampagnen gegen unsere Partei haben es geschafft,

(Gelächter bei der CDU und den GRÜNEN)

dass keiner bereit war, für die AfD zu sprechen. Das ist die Wahrheit! Beim Antrag der LINKEN zur Länderöffnungsklausel hatten wir noch einen Sachverständigen.

(Sören Voigt, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Zu 10 H: Das bedeutet eben keine Störung der Regionalplanung, weil niemand unbedingt ein 200 oder 250 Meter hohes Windrad bauen muss.

Herr Wild, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

10 H mit hundert Metern geht auch.

Sie gestatten nicht.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

– Ja, die Redezeit wäre dann besser. Mir ist durchaus bewusst, dass Sie trainiert sind, unsere Anträge abzulehnen, nur weil sie von der AfD kommen. Das ist traurig, aber Ihre Ignoranz zeigt das ja, Ihre Ignoranz gegenüber den Wissenschaftlern und internationalen Gremien, die wirklich einen Zusammenhang zwischen Krankheit und Windkraftanlagen sehen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Mit Wissenschaft haben Sie es sonst auch nicht so!)

Die Sinnlosigkeit, Sie mit Argumenten zu überzeugen, ist offensichtlich. Deshalb versuche ich es jetzt andersherum und zeige Ihnen die Auswirkungen Ihrer Politik exemplarisch für ganz Sachsen. Weil meine Redezeit immer mehr schwindet, muss ich es jetzt kurz machen.

Es geht um die Situation meiner Heimatstadt Lengenfeld im Vogtland. Vor vielen Jahren gab es Planungen, an zwei Standorten 60 Meter hohe Windkraftanlagen zu bauen. Ein großer Teil der Bevölkerung hat das abgelehnt, der Stadtrat hat es abgelehnt, der Bürgermeister hat es abgelehnt, also wurde nicht gebaut. Mehr als zehn Jahre später erfahren wir aus der Presse, dass genau an diesen Standorten jetzt nicht 60 Meter, sondern 200 Meter hohe Anlagen gebaut werden. Mehrere Versammlungen haben ergeben, dass Bürger, Stadtrat und Bürgermeister noch immer gegen diesen Bau sind. Sie dürfen eine Stellungnahme abgeben, die aber keine Beachtung finden muss.

Das haben Sie geschafft. Mit dem privilegierten Bau von Windkraftanlagen wird die kommunale Selbstverwaltung mit Füßen getreten. Das ist die Wahrheit. Diese beiden Anlagen sollen nun gebaut werden, obwohl sie nicht einmal im neuen Entwurf der Regionalplanung sind. Die sind im Regionalplan gar nicht drin, aber gebaut werden sollen sie dort.

Herr Wild, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

– Nein, danke.

Die 200-Meter-Monster sind dreimal höher als unser Kirchturm. Sie werden 450 Meter neben dem nächsten Wohnhaus gebaut, 1 050 Meter neben der nächsten Grundschule und 1 150 Meter neben einem Kindergarten. Keinem dieser Anlieger wird Mitspracherecht eingeräumt.

Nun komme ich zu den Auswirkungen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht besorgte Bürger zu mir ins Büro kommen oder mich anrufen und um Hilfe bitten.

(Sören Voigt, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Sie sind verzweifelt. Sie haben Angst, vor allem Angst um ihre Kinder. Mehrere haben bereits angekündigt, dass ihre Kinder die Schule wechseln werden, falls dort gebaut wird.

Herr Wild, es gibt noch den Wunsch – –

Andere wollen ihre Kinder aus dem Kindergarten nehmen und nicht nach Lengenfeld einschulen lassen. Das hätte massive Auswirkungen auf die gesamte Kommune. Und was macht der Stadtrat? Der muss hilflos zusehen.

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage.

Vielen Dank, dass Sie mir die Frage schon beantwortet haben.

Das hat massive Auswirkungen auf die gesamte Kommune. Das sind die Auswirkungen Ihrer verfehlten Politik.

Sie können dann gern eine Kurzintervention machen.

(Christian Piwarz, CDU: Das ist Ihre Redezeit!)

Deshalb ist die Fristverlängerung notwendig, um selbst handlungsfähig zu bleiben und um diesen Unfug zu verhindern. Wenn Sie unseren Antrag ablehnen, der eindeutig gegen die Beschlüsse Ihrer eigenen CDUregierten Landkreise ist, die die Länderöffnungsklausel dort parteiübergreifend fordern, dann stellen Sie sich hier wegen ihrem Fraktionszwang gegen den Willen Ihrer Wähler in den Landkreisen. Ist Ihnen das überhaupt bewusst?

Bitte zum Schluss kommen.

Man kann nicht oft genug daran erinnern. Ich habe leider keine Redezeit mehr, aber noch einen ganzen Zettel. Ich hätte Ihnen noch aufgeführt, was Sie da machen können, aber es ist eh sinnlos, darüber weiter mit Ihnen zu diskutieren.

(Beifall bei der AfD – Christian Piwarz, CDU: Sie hätten ja die Frage zulassen können!)

Meine Damen und Herren! Gibt es noch weiteren Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen? – Das vermag ich nicht festzustellen.