garn, in Österreich, ja selbst in Dänemark kocht man sein Süppchen mit irrationalen Ängsten und schafft es, dass erstaunlich viele die vergiftete Speise der Fremdenfeindlichkeit schätzen, als hätte es im 20. Jahrhundert nicht Aggression, Krieg und Völkermord gegeben, die genau nach diesem Rezept entstanden waren.
Machen wir uns immer klar: Die Grenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen, deren Erreichen gern heraufbeschworen wird, ist vor allem die Grenze in unseren Köpfen. Wenn wir wollen, können wir Flüchtlinge aufnehmen. Je mehr wir es wollen, desto leichter wird es uns fallen.
Unterbringung in Turnhallen und Zelten ist problematisch, ja, aber es ist besser, als Verfolgung, Gewalt oder Kälte ausgesetzt zu sein.
Meine Damen und Herren! Europa befindet sich in einer Bewährungsprobe. Vor einem Jahr hielt uns Griechenland und dessen Verbleib in der Euro-Zone in Atem. Wir hielten das damals für das größte Problem, die größte Krise Europas seit Langem. Es ist nicht abschließend geklärt. Doch vor der mangelnden Einigkeit in Bezug auf Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen verblasst die Griechenland-Krise. Statt sich an den Vertrag von Lissabon, an die Grundrechte-Charta, an die Europäische Menschenrechtscharta zu halten, fürchten einige Regierungen das Erstarken der Ultrarechten in ihrem Land und verweigern die Solidarität.
In der Tat, wir in Sachsen sind auch nicht begeistert von der fremdenfeindlichen Hetze, die wir jeden Tag erleben müssen und die wir sogar in diesem Hohen Haus zu hören bekommen. Aber wir dürfen uns nicht beirren lassen. Das Grundrecht auf Asyl ist uns zugleich Überzeugung und Verfassungsauftrag.
Meine Damen und Herren! Es gibt auch Zeichen für die Handlungsfähigkeit der EU. Die Kommission hat in diesen Tagen durch Herrn Timmermans den Vorschlag unterbreitet, Frontex um eine Eingreiftruppe zu erweitern, die den Staaten helfen soll, ihre EU-Außengrenze zu sichern. Das klingt nach einer Strategie, mit der wir die Freizügigkeit in der EU erhalten können: Außengrenzen sichern, Innengrenzen offenhalten.
Problematisch erscheint dabei allerdings zweierlei: Erstens. Mit dieser Truppe darf das Grundrecht auf Asyl nicht unterlaufen werden. Sie darf nur die kontrollierte Einreise von Flüchtlingen gewährleisten, nicht die Einreise verhindern.
Zweitens. Sie soll nach dem Vorschlag der Kommission auch ohne den Willen des betreffenden Staates eingreifen dürfen. Man mag so etwas gelegentlich für notwendig halten, aber es kann nur Ultima Ratio, also das letzte Mittel sein. Denn ein solches Instrument ist geeignet, Unmut zu erzeugen und Nationalismus zu befördern, wenn es angewandt wird.
Eine weitere Erfolgsmeldung hat uns heute erreicht. Der Trilog über die Europäische Datenschutzgrundverordnung und die Datenschutzrichtlinie scheint in der Sache erfolgreich abgeschlossen zu sein. Damit wird der grenzüberschreitende Datenschutz modernisiert und den Erfordernissen im fortschreitenden digitalen Zeitalter angepasst. Damit kommen allerdings in den nächsten Monaten und Jahren erhebliche Aufgaben auf uns in Sachsen zu. Die Datenschutzgrundverordnung ersetzt Datenschutz auch in Deutschland. Wir werden das auf unsere sächsischen Verhältnisse umsetzen müssen. Das wird ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Arbeit in den nächsten Jahren sein.
Meine Damen und Herren! Die Uneinigkeit in Europa ist nicht ungefährlich. Aber sie bietet auch eine Chance. Wir haben über Jahrzehnte die Europäische Union erweitert und weitere Mitgliedstaaten aufgenommen. Dafür gab es gute Gründe. Dabei ist es aber versäumt worden, außerhalb der Institutionen die Vertiefung der EU voranzubringen. Diskussionen über TTIP lassen jetzt erkennen, dass sich doch einige als Bürgerinnen und Bürger Europas verstehen.
Wenn sich die Mitgliedsstaaten auf einen einvernehmlichen, fairen Umgang mit Flüchtlingen einigen könnten, würde dies ein großer Schritt in Richtung Integration sein, nicht nur Integration von Flüchtlingen, sondern vor allem Vertiefung der Europäischen Union. Diese Chance sollten wir sehen. Mit diesem Ziel vor Augen sollten wir handeln; denn dann wird auch eine soziale Integration Europas gelingen können.
Meine Damen und Herren! Herr Schiemann hat ausführlich dargestellt, dass wir uns der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verstärkt widmen wollen. Darin sehen wir auch eine Aufgabe als Parlamentarier. Es wird viele notwendige Initiativen geben müssen, um sächsische Europapolitik auch auf Brüsseler Ebene stärker zur Geltung zu bringen.
Ich gehe davon aus, dass Herr Dr. Jaeckel uns dazu gleich noch sehr viel sagen wird, und möchte dem nicht vorgreifen. In der zweiten Runde wird mein Kollege Holger Mann ausführen, wie wir mit europäischen Mitteln umgehen wollen, um diese Ziele zu erreichen.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE ist an der Reihe; Frau Abg. Klotzbücher. Sie haben das Wort, Frau Klotzbücher.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! In einer Zeit, in der viele EU-Bürgerinnen und -Bürger der EU zunehmend negativ gegenüberstehen und europaweit antieuropäische Bewegungen auf dem Vormarsch sind, wird eine progressive und entschiedene Europapolitik auch auf regionaler Ebene immer wichtiger. Insbesondere dem Vertrauensverlust gegenüber der EU
Das heben auch Sie in der Begründung Ihres Antrages hervor. Was wir von der Staatsregierung und auch vom Europaausschuss bislang tatsächlich gesehen haben, ist jedoch – um es milde zu formulieren – sehr durchwachsen. Lassen Sie mich die unendliche und bisher wenig erquickliche Geschichte des vorliegenden Antrags kurz nachzeichnen.
Alles beginnt noch recht hoffnungsvoll mit dem Satz auf Seite 87 des Koalitionsvertrages. Dort heißt es: „Die sächsischen Interessen müssen auf EU-Ebene besser vertreten werden.“ Das, was jedoch stattdessen folgte, ist eine Hinhalte- und Verzögerungspolitik, die eher ambitionierter Vermeidung gleicht.
Bereits im Juni dieses Jahres wurden im Europaausschuss auf Nachfrage neun Eckpunkte einer europapolitischen Strategie benannt. Das waren unter anderem Forschung, Entwicklung, Innovation, Migrationspolitik und Verkehr. Außerdem wurde eine Beschlussvorlage für Ende August angekündigt – und daraufhin immer wieder verschoben. Stattdessen wurden dem Ausschuss am 29. September wiederholt europapolitische Schwerpunkte benannt. Es waren jedoch dieselben wie vorher.
Auch in einem Schreiben im Oktober, das eigentlich diese europapolitischen Schwerpunkte näher erläutern sollte, wollte man dem heute eingebrachten Antrag und der damit verbundenen Debatte im Parlament nicht vorgreifen und zog es also vor, uns weiterhin im Unklaren zu lassen. Heute liegt uns der im Oktober angekündigte und auf eine Frage im Juni Bezug nehmende Antrag vor. Und noch immer sind wir nicht schlauer.
Um den irrwitzigen Hergang noch einmal zu verdeutlichen: Wir hatten die Staatsregierung nach einer Strategie gefragt – dem Duden nach also nach einem genauen Plan des eigenen Vorgehens. Als Antwort bekamen wir Themenschwerpunkte, die in ihrer vagen Unkonkretheit schon vor drei Jahren so hätten lauten können und sicherlich auch in drei Jahren noch Gültigkeit besitzen.
Ähnlich steht es um den heutigen Antrag. Er ist an Unverbindlichkeit und Unvollständigkeit kaum zu überbieten. Im Feststellungsteil und in der Aufforderung an die Staatsregierung, im Teil 2 zu erklären, wird nichts weiter als ein lauwarmer Aufguss der bereits im Koalitionsvertrag festgehaltenen europapolitischen Feststellungen
ohne jede Aktualisierung, Nachdrücklichkeit, Priorisierung oder eine Benennung der wirklich relevanten europapolitischen Fragen. Dieser Antrag formuliert schlichtweg die bereits durch uns gestellten und seit Monaten im Raum stehenden Fragen nach einer Strategie der Europapolitik und kombiniert sie mit Allgemeinposten und unangebrachtem Eigenlob.
Es drängt sich unweigerlich die Frage auf: Hat die Staatsregierung überhaupt eine europapolitische Strategie? Wurden die europapolitischen Schwerpunkte tatsächlich, wie im September von amtlicher Seite behauptet, im Kabinett thematisiert? Wenn ja, welchen Grund gibt es, uns diese europapolitische Strategie so hartnäckig vorzuenthalten?
Ich frage mich, was wir mit diesem Antrag im Plenum überhaupt sollen. Der Antrag richtet sich auf ein dem Vernehmen nach existierendes Papier der Staatsregierung zu deren europapolitischen Eckpunkten. Sollen wir vielleicht mutmaßen, was dort drinsteht, oder sollen wir Ihnen Punkte vorschlagen, die die Staatsregierung danach aufnehmen könnte?
Dazu kann ich Ihnen gern einige Anregungen geben, zum Beispiel anlässlich des Gipfeltreffens in Paris zur Klimapolitik. Wie will sich Sachsen an der Debatte beteiligen? Will es vielleicht eine Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz einnehmen? Wie sollen die Möglichkeiten der Einflussnahme ausgeschöpft werden?
Oder Entwicklungspolitik und Nachhaltigkeit: Hier wäre eine mittel- und langfristige Agenda dringend vonnöten. Die Asyl- und Migrationsagenda: Wie will sich Sachsen in der Debatte um ein gemeinsames europäisches Asylsystem positionieren? Wie will es sich bei der Erarbeitung einer neuen Agenda zur inneren Sicherheit der EU einbringen? Oder REFIT: Hier wissen wir bereits um die Aktivitäten der Staatsregierung. Dennoch müssen wir auch hier dringend prüfen, wie sich Sachsen und dementsprechend der Landtag und der Europaausschuss mit seinen Forderungen und Impulsen einbringen könnte.
Am Ende des heutigen Tagesordnungspunktes landet dieser Antrag nun dort, wo er schon lange hätte behandelt werden sollen: im Europaausschuss. Damit haben wir voraussichtlich auch zum Jahresbeginn 2016 keinerlei Kenntnis von der europapolitischen Strategie der Staatsregierung und sind wieder dort, wo wir bereits im September waren: nämlich die europapolitischen Schwerpunkte der Staatsregierung im Europaausschuss vorzustellen und zu debattieren. – Vielen Dank.
Das alles zeigt, dass sich Sachsen bisher nicht gerade durch das zeitgemäße Agieren einer selbstbewussten Region hervorgetan hat. Allein mit den Klassikern, der Forderung nach verstärkter Förderpolitik und grenzüberschreitender Zusammenarbeit, wird es nicht gelingen.
Wo ist hier der Ansatz, das Legitimationsdefizit der EU durch aktivere Beteiligung regionaler Akteurinnen und Akteure aufzuzeigen? Wo ist der sozioökologische Ansatz, den sozialen Zusammenhalt der Europäischen Union zukünftig zu sichern? Wollen Sie die zukünftige Gestaltung der EU von denjenigen bestimmen lassen, die nationalistische Rückwärtsbewegungen vollziehen?
Ich bin sicher, dass die übergroße Mehrheit meiner Generation ein solches Europa nicht will, trotz einiger rechtskonservativer und rechtsextremistischer Schreihälse. Nein, die junge Generation will eine sozial gerechte und demokratische EU mit einer ökologischen nachhaltigen Politik. Der Rückzug ins nationale Mittelalter wird die EU zerstören und ebenfalls ihr Potenzial, auf der globalisierten Weltbühne irgendwie nennenswert aufzutreten.
Hören Sie auf vorzugeben, Regionen wie Sachsen könnten sich in der EU nicht auf Augenhöhe zu Wort melden! Leisten Sie Widerstand gegen alle Versuche, die Mitwirkung der Regionen einzuschränken! Leisten Sie auch Widerstand gegen den Versuch, die direkte Kommunikation der Regionen mit der Kommission einzuschränken, wie aktuell von Kommissionschef Juncker angestrebt.
Denn die Regionen sind es, in denen das Leben der EU tatsächlich stattfindet. Dort realisiert sich Europa.
Ihr Antrag ist beileibe kein Plädoyer für ein Europa der Regionen. Dabei läge gerade das in Ihrer Verantwortung. In gewisser Weise – das richte ich persönlich an den Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Herrn Dr. Jaeckel – stehen Sie an einem Scheideweg. Sie können eine altersstarre und überholte Europapolitik der letzten Jahre weiterführen oder aber eine moderne, eigenständige, aktive sächsische Europapolitik betreiben.
Wir lehnen den vorliegenden Antrag zwar aus den dargestellten Gründen ab, wollen aber durchaus feststellen, dass wir die Hoffnung für die 6. Wahlperiode noch nicht aufgegeben haben. Wir hoffen weiterhin, dass Sie sich als sächsischer Europaminister für eine Wende in der sächsischen Europapolitik mit einem innovativen Konzept und im Verbund mit anderen demokratischen Regionen einsetzen werden.
Über die Inhalte wird dann noch genügend zu streiten sein. Aber wir brauchen zunächst einmal überhaupt den politischen Willen in Sachsen, für die Teilhabe der Regionen in der EU einzutreten. Unsere Unterstützung jedenfalls hätten Sie.
Gehen Sie über den vorliegenden Antrag hinaus und antworten Sie auf die wirklichen Herausforderungen. Trauen Sie sich für die jungen und kommenden Generationen. Sie schaffen das!
Nach Frau Klotzbücher, die für die Fraktion DIE LINKE gesprochen hat, spricht jetzt Herr Kollege Barth für die AfD.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Auseinandersetzung mit dem Thema Europäische Union und den deutschen Nachbarländern im Landtag ist grundsätzlich ein gutes Thema. Meine Partei ist schließlich nicht EU- oder europafeindlich, wie so oft gesagt,