Meine Damen und Herren! Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist auch in der Schlussabstimmung dem Gesetzentwurf nicht entsprochen worden. Meine Damen und Herren, dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt in der Reihenfolge CDU, DIE LINKE, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte mich in meinen Ausführungen zum vorliegenden Gesetz zur Änderung der Sächsischen Bauordnung auf einige wesentliche Punkte beschränken.
Der vorliegende Gesetzentwurf der Staatsregierung greift weitgehend die Änderungen der novellierten Musterbauordnung des Bundes auf. Eine Ausnahme wird hierbei im Bereich des Abstandsflächenrechts gemacht, und die bewährte sächsische Regelung bleibt grundsätzlich bestehen.
Des Weiteren wird die im Koalitionsvertrag vereinbarte Rauchwarnmelderpflicht für Neubauten umgesetzt. In Aufenthalts- und Schlafräumen sowie zugehörigen Fluren wird die Ausstattung mit Rauchwarnmeldern verbindlich vorgeschrieben. Diese Regelung gilt für Neubauten sowie bei wesentlichen baulichen Änderungen oder Nutzungsänderungen rechtmäßig errichteter baulicher Anlagen.
Außerdem setzt der Gesetzentwurf europäisches Recht um, so zum Beispiel die Richtlinie 2012/18 der Europäischen Union, die sogenannte Seveso-III-Richtlinie, zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen. Dabei geht es beispielsweise um die Öffentlichkeitsbeteiligung bei Bauvorhaben in der Umgebung sogenannter Störfallbetriebe sowie um besondere Vorschriften zur Anlagensicherheit.
Im Ergebnis der öffentlichen Anhörung vom 5. November 2015 hat die Koalition aus CDU und SPD einen umfangreichen Änderungsantrag im Innenausschuss eingebracht, welcher dort auch mehrheitlich beschlossen wurde.
Einige Punkte daraus möchte ich Ihnen kurz skizzieren. Da wäre zum einen der bereits unter dem vorherigen Tagesordnungspunkt 4 ausführlich besprochene § 49 zum Themenfeld der Stellplätze, Garagen und Abstellplätze für Fahrräder. Dort haben wir uns für die im Hohen Haus ausführlich diskutierte Kombinationslösung ausgesprochen, und diese findet sich im vorliegenden Gesetz mit unserem Änderungsantrag.
Des Weiteren schaffen wir im § 57 Abs. 3 eine Erleichterung für die unteren Bauaufsichtsbehörden auf der kommunalen Ebene bei der Personalgewinnung, und zwar dergestalt, dass zukünftig auch Personen eingestellt und beschäftigt werden dürfen, welche mindestens einen
Fachhochschulabschluss in der Fachrichtung Bauingenieurwesen oder Architektur erworben haben. Bisher war dies ausschließlich Personen mit der Befähigung zum höheren bautechnischen Verwaltungsdienst vorbehalten.
Abschließend haben wir in § 90 Abs. 3 die Übergangsfrist über die bauaufsichtliche Prüfung des Brandschutznachweises durch qualifizierte Brandschutzplaner um ein Jahr auf den 1. April 2017 verlängert. Dies ist notwendig geworden, da dort Listen über die qualifizierten Brandschutzplaner geführt werden, und der Aufbau dieser Listen bedarf noch etwas mehr Zeit; daher wurde die Frist um ein Jahr verlängert.
Zu den jetzt an Sie ausgereichten Änderungsanträgen der GRÜNEN und der LINKEN würde ich mich dann äußern, wenn diese entsprechend eingebracht sind.
Vielen Dank, Herr Fritzsche. – Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Stange; bitte, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon ein Bonmot für Freunde der subtilen politischen Satire, wenn die den Gesetzentwurf einreichende Staatsregierung zu Beginn der Fachberatung im Innenausschuss des Hohen Hauses mit Verweis auf eine in Bälde ins Haus stehende erneute Novelle der Sächsischen Bauordnung vor allem die oppositionellen Antragsteller von Änderungsanträgen zum Änderungsgesetz der Bauordnung ersucht, die Änderungsanträge durchaus einzubringen, aber doch bitte nicht zur Abstimmung zu stellen. – Ein Bonmot gleich in mehrerlei Hinsicht:
Einerseits suchen Staatsregierung und CDU in Sachsen, das Bild der alle Interessen und Begehren gleichermaßen bedienenden Staatsregierung, die umfassend auf die Bedürfnisse der Gesellschaft und die Erfordernisse europäischer Rechtsetzung und internationaler Vereinbarungen reagiert, aufrechtzuerhalten. Deshalb darf gleich gar nicht sein, was nicht sein darf, dass nämlich diese Opposition vor dem Hintergrund einer ausführlichen und profunden öffentlichen Anhörung just jene Fehlstellen und Fehlerstellen des Gesetzentwurfs identifiziert und durch eigene Änderungsanträge im ordentlichen parlamentarischen Verfahren zu heilen sucht. Schließlich hat man sich seit 25 Jahren auf die Kontinuität der Ablehnung von Änderungsanträgen der LINKEN verlassen können.
Andererseits haben offenbar die Vertreter der Staatsregierung erkannt, dass sie tatsächlich einiges Relevante nicht oder unzureichend geregelt haben, und wollen dies ohne majestätsbeleidigende Querschläger und ohne öffentliche Aufmerksamkeit unter dem Teppich halten.
Es erweckt schließlich auch den Eindruck sachfremder Erwägung, in der aktuellen Behandlung Änderungsvor
schläge der Opposition mehr oder weniger wortreich der Ablehnung durch das Hohe Haus anzuempfehlen, um genau jenen abgelehnten Regelungsgehalt in ein paar Monaten dann selbst in einer neuerlichen Bauordnungsnovelle in Angriff zu nehmen.
Hier darf man sich zur Errettung dessen, was Parlamentarismus ausmachen soll, an die jugendlich-freundlichen und von den tatsächlichen Vorgängen in den Sitzungssälen des Sächsischen Landtags unbehelligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Besucherdienstes des Landtags und ihre idealtypische Darstellung der Lösungsfindung im Hohen Haus erinnern.
Moment mal, liebe Kolleginnen und Kollegen und sehr geehrter Herr Staatsminister, das geht so einfach nicht. Wenn Sie als Staatsregierung etwas nicht geregelt haben, was Sie hätten regeln sollen, dann können Sie gern die Koalition animieren, das Gesetz entsprechend in regulären Verfahren nachzubessern. Wenn das unterbleibt, obliegt es nun einmal einer guten Opposition, dies zu tun. Das haben wir getan, und Sie dürfen gern, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, zustimmen – oder Sie geben sich der Lächerlichkeit des Kindischen preis.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollege Fritzsche hat schon in unvergleichlicher Art und Weise – das schätze ich sehr an ihm – die Regelungen in einem Kurzflug erörtert. Lassen Sie mich nun darstellen, was nicht oder nur unzureichend geregelt ist. Zuvor bitte ich aber durchaus zu beachten, dass die Koalition einige wichtige Fragen, die der Gesetzentwurf aufgeworfen oder offengelassen hat, sachgerecht beantwortet und entsprechende Lösungen mit eigenem Änderungsantrag eingebracht hat.
Folgende Punkte bleiben offen: Der Komplex der Barrierefreiheit ist durch den Gesetzentwurf und durch die Änderungsfassung, die heute zur Abstimmung steht, nicht ausreichend berücksichtigt. Darum ging es auch bei der Bitte der Staatsregierung, über die Oppositionsanträge nicht abstimmen zu lassen. Hier haben Sie heute als Koalition Gelegenheit, dem Änderungsantrag meiner Fraktion zuzustimmen. Wenn es Ihnen hilft, können wir auch punktweise darüber abstimmen lassen. Allerdings haben wir mit unserem Änderungsantrag auch noch nicht alle Fragen gelöst; das sei hier eingeräumt. So wird nicht nur durch die Sachverständigen angemerkt, dass keine Regelungen getroffen werden, wie die Menschen mit Behinderungen, die gegebenenfalls barrierefrei in Gebäude hineingekommen sind, im Katastrophen- bzw. Brandfall auch wieder hinausgelangen. Hier ist auf jeden Fall Regelungsbedarf gegeben. Das wird hoffentlich, Herr Staatsminister, die nächste Novelle hinreichend lösen. Dazu bieten wir unsererseits auch Kooperation an.
Daneben stehen Fragen wie die schwellenlose Erreichbarkeit von Aufzügen. Der Gesetzentwurf bleibt dahinter zurück und formuliert die stufenlose Erreichbarkeit. Das ist nach unserer Ansicht unzureichend.
Insgesamt ist die Frage des barrierefreien Bauens absolut unzureichend geregelt. Mit der Aufhebung von § 50
Abs. 3 Sächsische Bauordnung und der Einschränkung nach § 50 Abs. 4, alte Fassung, ist ein klarer Konfliktfall zur UN-Behindertenrechtskonvention konstruiert worden. Komplettiert wird dieser unheilvolle und vor allem die Barrieren für Behinderte weiter auftürmende Vorgang durch die geplante Änderung in § 50 Abs. 2 Satz 3. Wenn das heute von Ihnen allen so bestätigt wird, dann kehrt sich Sachsen vom Ziel des barrierefreien Bauens und von der Herstellung umfassender Barrierefreiheit ab.
Der Sachverständige Michael Welsch formulierte es so: „Entsprechende Einschränkungen der Standsicherheit oder des Brandschutzes sind unvorstellbar – hinsichtlich der Nutzbarkeit durch beide Bevölkerungskreise entsprechend dem Entwurf offensichtlich schon.“ Gemeint sind Menschen ohne und mit Behinderung. Damit wird die diskriminierungsfreie Nutzbarkeit öffentlich zugänglicher baulicher Anlagen beerdigt. Michael Welsch hatte eine einfache und verblüffende Lösung parat: „Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen barrierefrei sein.“
Leider konnte sich die Koalition darauf nicht einlassen; die Interessen von Bauherren und Eigentümern – so kann man nur vermuten – wiegen offensichtlich schwerer.
Meine Damen und Herren, auch in Bezug auf die nun zu verankernde Rauchwarnmelderpflicht besteht weiterer Regelungsbedarf. In § 47 Abs. 4 wird nunmehr die Rauchwarnmelderpflicht vorgeschrieben. Diese gilt für Neubauten und Bestandsbauten.
Dankenswerterweise haben die Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht, der für Bestandsbauten eine Übergangsfrist zur Ausrüstung vorsieht. Wortlaut und Begründung im Entwurf der Staatsregierung klaffen nicht nur an dieser Stelle teilweise erheblich auseinander. Ohne die Klarstellung durch den Änderungsantrag der GRÜNEN, bei welchen konkreten baulichen Vorhaben und Maßnahmen die Pflicht zur Installation von Rauchmeldern gelten soll, käme § 52 der Sächsischen Bauordnung zur Anwendung mit der Folge, dass die in der Begründung zum Gesetzentwurf vorgesehene einschränkende Geltung für Neubauten keinen Niederschlag im Wortlaut der Sächsischen Bauordnung findet. Der Anwender wird hier richtigerweise erwarten dürfen, dass bei allen Nutzungsänderungen von Gebäuden, die Aufenthaltszwecken dienen, die Rauchwarnmelderpflicht gilt, da er in der Regel den Begründungstext nicht zur Hand hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Anbetracht der Kürze der Zeit will ich nur noch auf einen weiteren Umstand ausdrücklich hinweisen. Die in § 70 Abs. 4 und 5 der Sächsischen Bauordnung – neue Fassung – vorgesehenen Regelungen zur Präklusion von allen öffentlich
rechtlichen Einwendungen gegen das Bauvorhaben sind nach Auffassung unserer Fraktion nicht sachdienlich, da hier das bauordnungsrechtliche Verfahren der Erteilung von Baugenehmigungen verfahrensfremd ist und unzuläs
sigerweise den Vorschriften zur Planerhaltung nach §§ 214 ff. des Baugesetzbuches angeglichen wird. Auf diese Weise wird die vorgesehene Öffentlichkeitsbeteiligung wieder in ihr Gegenteil verkehrt.
Zudem ist der Gedanke der Präklusion von öffentlichrechtlichen Einwendungen dem Bauordnungsrecht – hier geht es unter anderem um die Abwehr von Gefahren, die von Gebäuden ausgehen, deren Errichtung oder Unterhaltung nicht dem Stand der Technik entspricht – wesensfremd und aufgrund der herausgehobenen Schutzgüter nicht angemessen. Konsequenterweise sind die vorgesehenen Regelungen des § 70 Abs. 4 und 5 der Sächsischen Bauordnung ersatzlos zu streichen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn während der Ausschussbefassung die Staatsregierung über die Änderungsanträge zwar hinsichtlich späterer Übernahme am liebsten nicht abstimmen lassen wollte und andererseits deren Inhalt als im Wesentlichen schon geregelt darzustellen suchte, bleiben offene Baustellen in der Bauordnung. Mit unserem Änderungsantrag wollen wir insbesondere zur Barrierefreiheit, zur Beteiligung der Nachbarn und der Öffentlichkeit und zu anderen Fragen notwendige Regelungen treffen. Dabei war die öffentliche Sachverständigenanhörung nach unserer Auffassung ein wahres Eldorado.
Deshalb haben wir auch § 62 noch einmal angefasst und die Definition der Wohngebiete auf die bundesrechtliche Regelung der Baunutzungsverordnung zurückgeführt. Daneben haben wir als Ergebnis der Anhörung auch die Fristen gemäß § 62 Abs. 3 geändert und auf sieben Tage angehoben.
Ich darf Sie also bitten, unserem Änderungsantrag zuzustimmen, da die von uns gewünschten Änderungen jene sind, die die Sachverständigen in die Diskussion geworfen haben.
Wir werden unser Abstimmungsverhalten zu dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung der Sächsischen Bauordnung selbstverständlich vom Ergebnis der Behandlung unseres Änderungsantrags abhängig machen.
Vielen Dank, Herr Stange. – Nun Frau Abg. Friedel für die SPD-Fraktion. Sie haben das Wort, Frau Friedel.