Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

Frau Nagel, Sie möchte ich fragen: Ist es wirklich unmoralisch, Asylsuchende in Behördenräumen unterzubringen? Ist es wirklich moralischer, diese in Turnhallen oder in Schwimmbecken unterzubringen, ohne jegliche Privatsphäre?

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Hören Sie doch mal zu!)

Dazu habe ich tatsächlich eine andere Meinung.

Herr Pallas, Sie hatten noch kritisiert, dass in dieser Kleinen Anfrage steht, alle Objekte seien geprüft worden. Nun ja, ich lese meine Kleine Anfrage tatsächlich etwas anders. Dort sind 133 Standorte aufgeführt, und nur acht Objekte wurden nach Angaben der Staatsregierung geprüft.

Nun stellt sich für mich folgende Frage: Hat die Staatsregierung mich in diesem Punkt angelogen, oder haben wir eine völlig unterschiedliche Vorstellung von Zahlen? Bei einem Verhältnis von acht zu 133 behaupte ich nicht, dass alle Objekte geprüft wurden.

Ich muss Ihre Formulierung kritisieren. Sie meinen, ich hätte von Massenunterkünften gesprochen. Nein, in unserem Antrag steht nichts von Massenunterkünften. Wir sprechen von Gemeinschaftsunterkünften. Das ist schon ein Unterschied.

Ich möchte in dieser Runde auf die einzelnen Punkte unseres Antrags etwas dezidierter eingehen. Im ersten Punkt geht es um die leer stehenden Behördenobjekte. Sie haben schon aufgrund ihrer Raumstruktur Vorteile gegenüber den Turnhallen, Schwimmbädern usw. Wir haben eine kleinteilige Raumstruktur. Wir haben eine solide Bauweise und winterfeste Gebäude. Sie sind beheizt, belüftet und abschließbar. Sie haben in der Regel eine gute infrastrukturelle Lage. Durch die Nutzung dieser eigenen Objekte wird die Anmietung fremder Objekte in nur geringerem Umfang erforderlich. Spekulative Geschäfte bei der Anmietung von Wohnraum können damit

vermieden werden. Letztlich sparen wir uns ebenfalls die Mietzahlungen.

Zwei Beispiele möchte ich nennen, die zeigen, dass das möglich ist. Gerade erst hat sich der Erzgebirgskreis entschieden, Asylbewerber in einer Etage des Landratsamtes unterzubringen. Der Landkreis Mittelsachsen bereitet die Unterbringung von Geflüchteten am Behördenstandort in Mittweida in der ehemaligen KfzZulassungsbehörde vor.

Doch auch einige Beispiele aus der Leerstandsliste aus meiner Kleinen Anfrage sind interessant. Dazu möchte ich zwei Objekte aus Chemnitz beleuchten. Dort gibt es die Brückenstraße Nr. 10. Es handelt sich um einen riesigen Behördenkomplex. Die Staatsregierung gibt an, dass dort über 7 000 Quadratmeter leer stehen. Diese Liegenschaft gehört zu den acht geprüften Standorten. Sie ist angeblich nicht als Asylunterkunft geeignet. Das ist allerdings schwer vorstellbar. In dieser Größenordnung muss eine Trennung von Behördentätigkeit und Asylbewerbern möglich sein.

Das zweite Objekt, ebenfalls in Chemnitz, befindet sich in der Straße der Nationen Nr. 60. Es hat eine Fläche von 750 Quadratmetern. Es handelt sich um ein komplett leer stehendes Objekt. Ja, das Objekt bedarf einer Renovierung, das ist klar. Das kostet Geld. Dieses Geld ist besser angelegt als für den Umbau von Turnhallen und Schwimmbecken.

Im Punkt 2 geht es uns um die teilweise leer stehenden Objekte, deren Prüfung wir ebenfalls erbitten. Es handelt sich laut Auskunft auf die Kleine Anfrage ebenfalls um große Flächenkapazitäten. Es geht nicht nur um Objekte, die neun oder 14 Quadratmeter groß sind. Es geht um Objekte mit einem Leerstand von mehreren Tausend Quadratmetern.

Es bedarf sicherlich der einen oder anderen Anstrengung, um bei diesen Objektdaten eine Umstrukturierung vorzunehmen. Dennoch erscheinen diese zumutbar, um Schulen oder Schulturnhallen zu schützen. Es muss Folgendes klar sein: Leerstand kostet auch Geld.

Im Punkt 3 geht es um die Kostenübernahme durch das Land. Seit Langem ist das eine Grundforderung der Landkreise, Städte und Gemeinden. Dies ist auch unerlässlich für die dringend gebotene Entlastung unserer Kommunen.

Mit all diesen Punkten – verbunden mit dem von der AfD geforderten rechtskonformen Handeln von Bund und Land; ich nenne hierzu Schengen, Dublin, aber auch die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber – ist eine Verbesserung der ernsten, explosiven Situation auf der kommunalen Ebene möglich.

(Beifall bei der AfD)

Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion schlägt die Umnutzung ganz oder teilweise leer stehender landeseigener Räumlichkeiten in Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber vor. Der Freistaat solle Asylbewerber nach dem Verlassen der Erstaufnahmeeinrichtung in diesen Gemeinschaftsunterkünften unterbringen und die Kosten dafür tragen. Nach diesen Ausführungen könnten damit in den leer stehenden landeseigenen Behördengebäuden Plätze für circa 15 800 Asylsuchende geschaffen werden. Hierdurch könnten Städte, Gemeinden und Landkreise entlastet werden. So weit lautet der Antrag.

Der Antrag geht allerdings nach Auffassung der Staatsregierung insgesamt ins Leere. Der Leerstand in den landeseigenen Liegenschaften eignet sich bis auf einigen Ausnahmen nicht für die Einrichtung von Gemeinschaftsunterkünften. Die Staatsregierung hatte die fehlende Eignung bereits umfassend bei der Beantwortung von zwei Kleinen Anfragen dargestellt. Sie alle kennen die umfangreichen Listen, die wir beigefügt haben. Sie werden auch unschwer erkennen können, dass wir diese Liegenschaften alle untersucht haben. Die, die nutzbar sind, sind heute auch an das „Netz“ geschaltet. Eine neue Sachlage hat sich seitdem nicht ergeben.

Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die errechneten potenziellen Unterbringungskapazitäten von circa 15 800 Plätzen für Asylsuchende nicht nachvollziehbar sind. Die beantragende Fraktion hat in ihrer Antragsbegründung darauf abgestellt, dass nach der Verwaltungsvorschrift für Gemeinschaftsunterkünfte

einem Asylsuchenden eine Fläche von 6 Quadratmetern zur Verfügung stehen soll. Dabei ist jedoch außer Acht gelassen worden, dass sich dieser Flächenbedarf nur auf den individuellen Wohnbereich bezieht. Es wurde vorhin zu Recht darauf hingewiesen, dass Sanitäreinrichtungen, Gemeinschaftsküchen, Gemeinschafts- und Funktionsräume in diesen Kennzahlen nicht enthalten sind. Bei der Umnutzung von Bestandsimmobilien ist die Einrichtung dieser Gemeinschaftsflächen abhängig vom Bauzustand und Zuschnitt der Gebäude, sodass pauschale Flächenvorgaben nicht möglich sind. Im Übrigen haben die Verwaltungsgebäude diese Funktionsräume in der Regel nicht.

Der Freistaat unterstützt allerdings im Rahmen seiner Möglichkeiten die kommunale Ebene bei der Beschaffung von Unterbringungsmöglichkeiten. Um eine bessere Zusammenarbeit zwischen der kommunalen Ebene und dem Freistaat Sachsen zu ermöglichen, werden seit einigen Monaten schon geprüfte und grundsätzlich für geeignet erklärte Liegenschaften auf einer Immobilienplattform zusammengestellt. Diese Plattform steht den Städten, Gemeinden und Landkreisen sowie dem Sächsischen Gemeindetag und dem Sächsischen Landkreistag zur Verfügung und wird vom SIB gepflegt. Auf der Plattform befinden sich auch Angebote von Dritten oder im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehende

Liegenschaften, die damit für den kommunalen Bereich zugänglich gemacht werden.

Weiterhin verweise ich auf den erheblichen Beitrag, den der Freistaat Sachsen bereits zur finanziellen Entlastung der kommunalen Ebene leistet. Der Freistaat Sachsen erstattet den Landkreisen und kreisfreien Städten für die im Rahmen der Aufnahme und Unterbringung der Asylsuchenden entstehenden Kosten eine Pauschale in Höhe von 1 900 Euro je Person und Vierteljahr. Mit der Pauschale werden alle notwendigen Ausgaben unter Einschluss der Ausgaben für den personellen und sächlichen Verwaltungsaufwand, für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie für liegenschaftsbezogene Ausgaben und Aufwendungen im Rahmen der Unterbringung abgegolten. Weitere 43 Millionen Euro werden den Kommunen für das Jahr 2015 pauschal ausgezahlt. Das Gleiche gilt für eine Vorabpauschale an die Kommunen in Höhe von 60 Millionen Euro im Jahr 2016. Letztere wird auf eine Anpassung der FlüAG-Pauschale auf der Basis eines Evaluierungsgutachtens mit der Zielsetzung einer auskömmlichen Finanzierung angerechnet.

Zusammenfassend stelle ich fest, dass der Antrag nicht zielführend ist. In den aktuell leer stehenden landeseignen Liegenschaften können keine zusätzlichen Gemeinschaftsunterkünfte für Asylsuchende geschaffen werden. Zudem leistet der Freistaat Sachsen bereits einen erheblichen Beitrag zur Entlastung der Kommunen und Landkreise bei der Unterbringung von Asylsuchenden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das Schlusswort hat die AfD-Fraktion. Frau Kersten, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Ich merke schon, dass Kommunen und Landkreise nicht zu Ihren Interessenschwerpunkten gehören, vielleicht aber politische Weitsicht. Ich möchte in meinem Schlusswort Ihren Blick noch in eine andere Richtung lenken unter dem Motto Perspektiven erkennen, mit Weitsicht agieren.

Auch für Sie, Herr Lippmann, könnte das interessant werden, denn hier wird es um das Thema Nachhaltigkeit gehen.

Jeder Euro, der in die bestehenden landeseigenen leer stehenden Immobilien investiert wird, bleibt uns erhalten. In jene Behördenobjekte, die sich als Unterbringungs

möglichkeit eignen, würden wir nämlich in Wohnraum investieren. Die meist kleinteilige Raumstruktur in Behörden ähnelt der von Wohnheimen. Die baulichen Veränderungen, die gegebenenfalls noch notwendig werden, sind Maßnahmen, die später nicht wieder zurückgebaut werden müssten und damit wieder Geld kosten, und zwar deshalb, weil dieser Wohnraum weiter genutzt werden kann. Jetzt brauchen Sie keine Fantasie, nur Weitblick! In allen großen Städten in Sachsen könnten diese Objekte später möglicherweise als Studentenwohnheime oder gar als sozialer Wohnraum genutzt werden.

Die Zunahme der Studentenzahlen an Universitätsstandorten in den ostdeutschen Ländern ist bekannt. Der Bedarf an Wohnraum für Studenten wird also steigen.

Genauso sieht es im Bereich des sozialen Wohnungsbaues aus. Hier besteht Nachholbedarf auch in Sachsen. Schon vor der Flüchtlingskrise fehlten in Deutschland 500 000 bezahlbare Wohnungen. Wenn Asylsuchende eines Tages aus den Objekten ausziehen, käme ein beachtlicher Umfang an Wohnraum auf den Markt, dessen Preis sich steuern ließe.

Vergessen Sie auch nicht, dass jeder Quadratmeter Leerstand den sächsischen Steuerzahler Geld kostet. Einen kostenpflichtigen Leerstand sollten wir uns jetzt allerdings nicht leisten.

Meine Damen und Herren! Nach Gründen zu suchen, warum es nicht geht, ist natürlich legitim, das ist für dieses Hohe Haus in Bezug auf die Opposition und insbesondere in Bezug auf unsere Fraktion auch wieder typisch; es sollte dennoch nicht grundsätzliches Ziel sein. Es geht nicht um Sie, sehr geehrte Abgeordnete. Es geht auch nicht um die AfD-Fraktion. Es geht um eine Entlastung, um Unterstützung unserer sächsischen Kommunen. Es geht um vorausschauendes Handeln, um Kosteneffizienz und vor allem um den Schutz unserer Bildungsräume.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt über die Drucksache 6/3488 abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei wenigen Stimmen dafür und keinen Stimmenthaltungen ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 11

Versorgungsbericht für den Freistaat Sachsen vorlegen

Drucksache 6/3300, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

In der Diskussion beginnt die einreichende Fraktion, Herr Abg. Lippmann. Danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung. Herr Abg. Lippmann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Antrag fordern wir die Staatsregierung auf, einen Versorgungsbericht vorzulegen. Dieser soll Auskunft darüber geben, wie sich die Versorgungsleistung des Freistaates Sachsen für die Alterssicherung der Landesbeamtinnen und Landesbeamten entwickelt hat und sich zukünftig entwickelt. Wir wollen wissen, wie sich die Beamtenversorgung in Sachsen entwickelt hat, wie sich die Zahl der aktiven Beamtinnen und Beamten, die Zahl der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger, die Versorgungs- und Beihilfeausgaben sowie die Versorgungshaushaltsquote entwickelt haben.

Wir hätten gern Informationen über wichtige Querschnittdaten der Versorgung, die Mindestversorgung, den durchschnittlichen Ruhegehaltssatz, die Altersstruktur der Versorgungsabgänge, die Entwicklung der durchschnittlichen Versorgungsbezüge und vor allem einen Vergleich zu anderen Bundesländern.

Nicht zuletzt fordern wir eine stichhaltige Prognose zu den voraussichtlichen Entwicklungen der Zahl der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger und deren Versorgungsleistung sowie zu den Möglichkeiten der Steuerung dieser Ausgaben und auch hier einen Vergleich zu anderen Bundesländern.

Wir fordern hier nichts Utopisches, denn einen öffentlich zugänglichen Bericht mit all diesen vorgenannten Angaben hat die Bundesregierung bereits zum 5. Mal vorgelegt. Auch Bayern oder Baden-Württemberg veröffentlichen derartige Versorgungsberichte. Er schafft Transparenz und Erwartungssicherheit. Wir fordern hier nichts Unanständiges, sondern nur, dass Sie, Herr Finanzminister, ein Stück Ihres Herrschaftswissens preisgeben.

(Beifall bei der CDU)

Der Sächsische Landtag solle als Haushaltsgesetzgeber besser in die Lage versetzt werden, auf Fehlentwicklungen zu reagieren und zu steuern, falls dies erforderlich ist. Wir wollen, dass dieses Hohe Haus regelmäßig darüber informiert wird, welche Maßnahmen die Staatsregierung getroffen hat, um zukünftige Versorgungsleistungen zu sichern, ob diese Maßnahmen ausreichend sind oder ob die nachfolgenden Generationen gegebenenfalls übermäßig mit der Versorgung von Pensionären mit ihren Angehörigen belastet werden.