Um es ganz klar zu sagen: Die Kommission wendet sich weder gegen Sportschützen noch gegen Jägerinnen und Jäger, sondern sie wendet sich gegen den illegalen Waffenhandel und versucht einen kohärenten Ansatz, sprich: einen komplexen Ansatz, um diesen in den Griff zu bekommen.
Herr Stange, würden Sie den Absatz zu Ende lesen, den Sie eben zitiert haben? – Es fehlte der wichtigste Begriff, der gegen die Sportschützen gerichtet ist und der nicht stattfindet. Lesen Sie den Absatz noch einmal vor, den Sie zitiert haben; es fehlt ein Wort.
Herr Spangenberg, jetzt müsste ich eine Frage stellen: Wenn Sie mir das Wort nennen, dann kann ich genau nachsehen, ob ich es überlesen habe.
Das habe ich nicht weggelassen. Aber wir können gemeinsam das Protokoll, wenn es vorliegt, nachlesen. Ich habe den Absatz so vorgelesen, wie er hier war. Ich kann ihn gern zu Ihrer Erleichterung, Kollege Spangenberg, noch einmal vorlesen, wenn Sie es gestatten, Herr Präsident, und es nicht zulasten meiner Redezeit geht.
Danke schön. – Ich wiederhole: „Diese tragischen Ereignisse sind ein deutlicher Beleg für die multidimensionale Bedrohung durch die organisierte Kriminalität. Sie führen uns vor Augen, warum wir den unerlaubten Handel mit Feuerwaffen durch einen koordinierten und kohärenten Ansatz verstärkt bekämpfen müssen. Eine gemeinsame europäische Verantwortung bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und des Terrorismus wurde auch in den politischen Leitlinien von Präsident Juncker unterstrichen.“
Meine Damen und Herren, Fakt ist also, dass die Europäische Kommission mitnichten auf die Sportschützen und auf die Jäger zielt – sehr wohl aber auf den Schutz von Leib und Leben und das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Das Waffenrecht ist kein Grundrecht, aber das auf körperliche Unversehrtheit schon – um es in aller Deutlichkeit zu sagen.
Ich weiß, Sie wollen mit Ihren Sportwaffen natürlich niemanden erschießen – und das traue ich auch niemandem von Ihnen zu –, aber wenn Sie sich bei Wikipedia – wir sind ja im modernen Zeitalter angekommen – einmal die Gewaltexzesse an Schulen in Deutschland vor Augen führen, wie oft da geschossen wurde – und zwar nicht mit Spielzeugpistolen, sondern mit Waffen, die Menschen töten können –; das ist ein Problem und darauf müssen wir noch einmal aufmerksam machen, auch im Zusammenhang mit diesem Kommissionsvorschlag. Davor dürfen wir nicht die Augen verschließen.
Es geht nicht um einen Generalverdacht gegen Sportschützinnen und Sportschützen, es geht nicht um Ihr jährliches Schützenfest. Es geht darum, dass wir die Waffen nachverfolgbar machen können, und das einheitlich in Europa. Das ist das Ziel dieses Verordnungsvorschlages. Wenn Sie es sich einmal in Ruhe durchlesen, meine Damen und Herren – es sind über 18 Seiten –, dann werden Sie darauf stoßen.
Deshalb kann ich Ihre Hysterie, die Sie hier aufbieten, nicht nachvollziehen. Und der Deutsche Sportschützenverband –
– wendet sich im Wesentlichen auch nur gegen die bürokratischen Hürden, die aufgebaut werden, aber nicht gegen die Substanz des Verordnungsvorschlags.
Nein, das geht eben nicht nach unserer Geschäftsordnung. Aber, bitte, der Blick auf die Redezeitanzeige, vor allem bei der umfänglichen Redezeit, die die meisten noch haben, sollte jeden Redner immer wieder auf die Begrenztheit der 5 Minuten aufmerksam machen.
Wir fahren in der Rednerrunde fort. Jetzt spricht für die SPD-Fraktion unser Kollege Baumann-Hasske.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Stange hat schon erschöpfend erläutert, welche Hintergründe dieser Vorschlag der Europäischen Kommission hat, das heißt, warum es dazu gekommen ist. In der Tat arbeitete die Kommission schon lange an einer einheitlichen Regelung des Waffenrechts in Europa. Sie hat nur aus Anlass der Geschehnisse in Paris das Ganze auf den Tisch gelegt.
Ich vermag nicht zu erkennen, dass sich der Kommissionsvorschlag gegen Jäger und Sportschützen richtet. Natürlich sind von einer solchen Regelung Waffenbesitzer betroffen. Das heißt aber nicht, dass sie sich gegen Waffenbesitzer richtet. Ziel ist es vielmehr, das Waffenrecht so zu gestalten, dass es sicherer wird.
Herr Spangenberg, wenn Sie sagen, der Zusammenhang zwischen Waffenbesitz und Terrorismus resultiere im Wesentlichen aus illegalem Waffenbesitz, so mag das richtig sein. Wir müssen allerdings klar definieren, was „legaler Waffenbesitz“ und was „illegaler Waffenbesitz“ ist. Bestandteil der Richtlinie ist eine europaweite Definition von „illegalem Waffenbesitz“.
Es geht – zum Teil – um Feuerwaffen, ferner um Mindeststandards für die Deaktivierung von Feuerwaffen und um die Bekämpfung des illegalen Waffen- und Sprengstoffhandels. Dies alles ist in dem Entwurf enthalten, kann aber eigentlich nicht Gegenstand dieser Debatte sein, da sich die entsprechenden Regelungen nicht gegen Sportschützen richten.
Ganz wesentlich ist der Hinweis, dass eine Regelungslücke, die im Zusammenhang mit den Waffensammlern besteht, geschlossen wird. Sammler dürfen Waffen besitzen, von denen Gefahren für Menschen ausgehen, ohne dass sie dafür ausdrücklich eine Genehmigung brauchen. Dass dieser Waffenbesitz von Sammlern genehmigungsbedürftig wird, sollte wohl unstreitig jeder fordern.
Wir beobachten seit einiger Zeit eine neue Qualität von Waffenhandel, nämlich den privaten Waffenhandel im Internet. Dieser Bereich ist bisher nicht geregelt. Künftig soll es insoweit eine Reglementierung geben. Es kann ja wohl nicht sein, dass man einerseits bestimmte Waffen nur unter bestimmten Voraussetzungen im Waffengeschäft kaufen darf, während auf der anderen Seite bei Bestellungen im Internet niemand kontrolliert, wer in den Besitz welcher Waffen kommt. Da wir wissen, dass Onlinehandel grenzüberschreitend stattfindet, sind die Kontrollen in diesem Bereich ausgesprochen schwierig. Dass es insoweit der Regelung bedarf, ist wohl für jedermann einsichtig.
Ferner strebt die Kommission an, dass die Mitgliedsstaaten sich untereinander über die bei ihnen jeweils registrierten Waffen, das heißt über ihre Waffenregister, austauschen. Auch das ist dringend erforderlich; denn es muss natürlich bekannt sein, auf wen eine Waffe, die in Europa irgendwo auftaucht, zugelassen ist.
Ansonsten ist zu diesem ganzen Thema fast alles gesagt. Insofern möchte ich meine Ausführungen an dieser Stelle beenden.
Das war Herr BaumannHasske. Er sprach für die SPD-Fraktion. Jetzt spricht Kollege Lippmann für die GRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die AfD hat doch recht kurzfristig ihr Debattenthema geändert. Das führte mich zu der Frage: Warum reden wir heute über das Waffenrecht? Warum ist das Thema so ad hoc geändert worden?
Nach Lektüre der Zeitung komme ich zu dem Ergebnis: Der Grund scheint so banal wie skurril zu sein. Offensichtlich ist das ein Thema, das die AfD bundesweit bewegt. Der Hintergrund: Marcus Pretzell, EuropaAbgeordneter der AfD, möchte nicht zum Vegetarier zwangskonvertiert werden, wie er der „Welt“ am 27. November mitteilte. Um einer drohenden Zwangsvegetarisierung der Gesellschaft vorzubeugen, denkt er darüber nach, sich sein Fleisch notfalls selbst zu schießen. Daher möchte er einen Jagdschein machen. In diesem Zusammenhang beschäftigt er sich mit den durchaus komplexen Regelungen des deutschen Waffenrechts. Dies ist wohl die Initialzündung für die Themenänderung gewesen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass Herr Spangenberg hier diese wenig fundierte Debatte angefangen hat.
Klar ist: Waffenbesitz unterliegt in Deutschland strengen Auflagen. Wir haben ein sehr strenges Waffenrecht. Unser Waffengesetz ist eines der strengsten der Welt.
Wenn nun Sie von der AfD und 1,45 Millionen Schusswaffenbesitzer – zu Teilen zumindest – unterstellen, die EU hege einen Generalverdacht, wenn sie über die Verschärfung wichtiger Teile des Waffenrechts und das Schließen von Regelungslücken nachdenke, so teilen wir diese Unterstellung ausdrücklich nicht. Zahlreiche Punkte des Kommissionsvorschlags sind sehr sinnvoll, unter anderem die schon von Herrn Baumann-Hasske angesprochene Möglichkeit der Nachverfolgung, die Kennzeichnungspflicht, aber auch die einheitliche Regelung der Verwendung von Schreckschusswaffen.
Ich nutze die restliche Zeit, um zwei, drei Dinge zu Sachsen zu sagen. Herr Spangenberg, Ihre Aussage, dass die Kommunen sich durch Waffenkontrollen den Geldbeutel füllten, ist Unsinn. In Sachsen finden kaum regelmäßige und unangekündigte Waffenkontrollen statt, weil die Waffenbehörden der Kommunen zu schlecht ausgestattet sind.
Aus diesem Grund können sich die Kommunen das Finanzsäckel gar nicht füllen. Meine ehemalige Kollegin Eva Jähnigen hat es auf der Basis der Antwort auf eine Kleine Anfrage aus dem Jahr 2014 einmal ausgerechnet: Statistisch hat man in Sachsen alle 27 Jahre eine unangemeldete Waffenkontrolle zu befürchten. Das ist mithin nicht sonderlich häufig.
Wir verzeichnen in Sachsen nicht nur, wie Herr Stange ausgeführt hat, einen Anstieg beim Besitz von Waffen, sondern wir erleben auch eine Zunahme von Sachkundeprüfungen, die eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Beantragung einer Waffenbesitzkarte ist; ich verweise auf § 7 des Waffengesetzes. Von Januar bis Oktober 2015 haben insgesamt 346 Personen eine Sachkundeprüfung abgelegt. Das sind so viele wie in den vier Jahren zuvor zusammen. Auch die Jagdscheine erfreuen sich zunehmender Beliebtheit; das hat ebenfalls die Antwort auf eine Kleine Anfrage ergeben.
Nun glaube ich nicht, dass die Sachsen plötzlich vermehrt dem Schießsport frönen. Es dürfte vielmehr andere Gründe für den vermehrt auftretenden Wunsch geben, die Befähigung zum Waffenbesitz zu erhalten. Ich sage deutlich: Diese Entwicklung sehen wir GRÜNEN recht kritisch. Das Innenministerium muss genau hinschauen, was insoweit passiert.
Bei den Kleinen Waffenscheinen hat es eine Verdopplung von 2014 zu 2015 gegeben. Auch der Markt für freiverkäufliche Waffen boomt wie noch nie. Das ist alles in allem eine besorgniserregende Entwicklung. All jenen, die keinen Zusammenhang mit geschürten irrationalen Ängsten in der Bevölkerung sehen wollen, empfehle ich einen Blick in einschlägige Waffenforen. Diverse Mitglieder dieser Foren geben an, stolz darauf zu sein – ich zitiere –, „zu Pack, Mob und Dunkeldeutschland zu gehören“, und machen sich über all jene Politiker her, die die Zunahme legaler Waffen etwas erschreckend finden. Von daher freue ich mich schon auf die Zuschriften zu dieser Debatte; diese werden sicherlich wieder kommen.
Ich sage deutlich: Es gibt redliche, ordentliche und gesetzestreue Schützen. Aber es gibt offensichtlich auch Personen, die versuchen, in den Besitz von Waffen zu gelangen, obwohl sie diese besser nicht erhalten sollten. Insofern müssen die Kommunen bei der Zuverlässigkeitsprüfung sehr, sehr genau hinschauen. Damit müsste man sich in Sachsen tatsächlich intensiver als bisher beschäftigen. Das ist eine Frage der Kontrolle und hat mit der EU zunächst einmal wenig zu tun. Die EU gibt insoweit auch keine Antworten.